11) ANSCHAULICHKEIT
Das Kriterium der
Anschaulichkeit wird besonders im Realismuskonzept des 19. Jahrhunderts
hervorgehoben[1], ist jedoch
auch in heutigen Feuilletons vertreten. Es klärt die Frage, ob es dem
Schriftsteller gelingt, seine Aussage zu vermitteln, dem Leser durch die Art
seiner Darstel-lung Inhalte nahezubringen.
11.1) Positiv wertend
Lexeme, Wortbildungen, Wortgruppenlexeme
Positiv werten folgende
Begriffe: anschaulich (fünf Belege), Anschaulichkeit (drei Belege), schaubar, bunt (zwei Belege), Farbe[2],
Farbigkeit, plastisch[3]
(vier Belege), bildintensiv/ bildkräftig/
-mächtig/ Bildmächtigkeit/ bildstark[4],
perspektivenreich, figurenreich, aspektreich, Eindrucksfülle,
evokationskräftig, einen Erfahrungsbereich vermitteln.
Im allgemeinen ist gegen die Grenzschwelle zum
Drastischen, ja eventuell Pathetischen sowohl die klare, etwas montagehafte
Komposition als auch der präzise und zugleich bildhaft anschauliche
Sprachduktus eingesetzt. (SZ 13.3.88, LEDANFF über SEEHAUS)
Eine Sprache, die trotz ihres manchmal gefährlich hohen
Tones unmittelbare Anschaulichkeit herstellt, eine Qualität, die schon
den Eismeerroman prägte. (SZ 22.10.88, EGGEBRECHT über RANSMAYR)
Es ist der Autorin gelungen, ihr in den letzten Texten
angestrengtes, ja überanstrengtes metaphorisches Erzählen in eine schaubare,
bildmächtige Fabel zu formen. (FAZ 29.3.88, KURZ über LEUTENEGGER)
Eine Fülle von Binnenstorys [...] verleihen dem „Codex
mal“ [=Titel „Buch der Desaster“] eine bunte Anschaulichkeit. (ZEIT
25.3.88, WEISS über KIESERITZKY)
Seine Sprache hat Farbe und Frische. (SZ 8.10.88,
REINHARDT über ROTHMANN)
So gewinnt die Geschichte [...] eine [...] Farbigkeit
[...] (ZEIT 25.3.88, HORSTMANN über PRAESENT)
Die plastische Erzählweise der Autorin führt uns
mitten hinein in die scheinbar unglaublichen Verhältnisse. (ZEIT 20.5.88,
HILGENBERG über FRISCHMUTH)
Hier [=in der letzten Erzählung] gibt es die in den
Reduktionen und Brüchen bildintensivsten Momente. (SZ 30.11.88, KÄSSENS
über BERKÉWICZ)
Denn Schertenleib ist auch diesmal wieder derselbe
ungestüme, bildkräftige Erzähler. (SZ 14.9.88, LEDANFF über
SCHERTENLEIB)
Es ist geradezu ein Genuß, sich der Sprach- und
Bildmächtigkeit des Erzählers Ransmayr zu überlassen. (ZEIT 7.10.88, HAGE
über RANSMAYR)
So bildstark wurde die deutsche Teilung bislang
noch nie beschrieben. (ZEIT 16.9.88, LÜDKE über WALSER)
Auffällig wie vielstimmig die Lyrik Luise Schmidts ist,
wie perspektiven- und figurenreich [...] (SZ 4.6.88, CRAMER über
SCHMIDT)
Aber bis in ihren offenen Schluß faßt die Erzählung [...]
allegorisch zusammen, was der Roman auf 613 Seiten aspektreich auseinanderfaltet
[...] (SZ 5.10.88, MANTHEY über WALTER)
So gewinnt die Geschichte [...] eine Eindrucksfülle
[...] (ZEIT 25.3.88, HORSTMANN über PRAESENT)
[...] evokationskräftige Skizzen [...] (SZ
13.7.88, STADLER über AMANSHAUSER)
Da, wo der Faden der traumatischen Spuren präzis verfolgt
wird, kann der Roman [...] den so leicht nicht zugänglichen Erfahrungsbereich
vieler Betroffenen vermitteln. (SZ 13.3.88, LEDANFF über SEEHAUS)
Metaphern und Vergleiche
finden sich zum Aspekt ANSCHAULICHKEIT keine; vielleicht ist der Grund dafür
darin zu suchen, daß es analog zur lexikalisierten Metapher Anschaulichkeit viele lexikalisierte
Metaphern unter den wertenden Begriffen, wie z.B. bunt, farbig, plastisch etc. gibt.
11.2) Negativ wertend
Lexeme, Wortbildungen, Wortgruppenlexeme
Die wenigen negativ
wertenden Begriffe zum Aspekt ANSCHAULICHKEIT sind: abstrakt, entstofflicht, farblos, trocken (zwei Belege).
Es [=das gedankliche Vorgehen Christa Wolfs] ist nur
vollkommen leer und abstrakt. (FAZ 4.10.88, KRÜGER über WOLF)
So gewinnt die Geschichte eine visuelle Dichte, eine
Eindrucksfülle und Farbigkeit, von der sich die verhirnte und entstofflichte
Reflexionsprosa manches Arrivierten eine Scheibe abschneiden könnte. (ZEIT
25.3.88, HORSTMANN über PRAESENT)
[...] bleibt der Roman trotz subtropischer Flora und
Fauna eigentümlich farblos. (ZEIT 23.9.88, KÖRTE über HOFMANN)
Wenn es also so bunt zugehen kann [...], warum dann
manchmal trocken und künstlich [...]? (SZ 30.4/1.5.88, LEDANFF über
THENIOR)
Nächstes
Kapitel: Teil 3: Zusammenfassung
[1] Vgl. Teil 1, Kap. 4
[2] DUDEN: farbig: „[...] 2. lebhaft, anschaulich; abwechslungsreich: eine -e Schilderung, Handlung“
[3] DUDEN: „[...] 3 [...] b) anschaulich, deutlich hervortretend; bildhaft einprägsam (eine -e Schilderung, Darstellung von etw. geben; etw. p. veranschaulichen) [...]“
[4] DUDEN: „[...] 5. bildlicher Ausdruck, anschaulicher Vergleich, Metapher (dieser Schriftsteller gebraucht kühne Bilder, in Bildern sprechen)“