@phdthesis{DomeneMoreno2021, author = {Domene Moreno, Christina}, title = {Beyond transfer? The acquisition of an L3 phonology by Turkish-German bilinguals}, doi = {10.25972/OPUS-23141}, url = {http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:20-opus-231411}, school = {Universit{\"a}t W{\"u}rzburg}, year = {2021}, abstract = {Der Erwerb des phonologischen Systems einer Drittsprache wurde bisher vor allem vor dem Hintergrund zweier Fragen betrachtet: (a) Welche Sprache oder Sprachen werden in die Zielsprache transferiert und (b) welche Rolle spielen inner- und außersprachliche Faktoren dabei? Hier sind grunds{\"a}tzlich drei Szenarien denkbar, welche sich auch in den im Forschungsfeld vorherrschenden theoretischen Ans{\"a}tzen wiederfinden. Bei einem bilingualen Sprecher, also einem Sprecher mit zwei Hintergrundsprachen, ist erstens der ausschließliche Transfer einer der Hintergrundsprachen m{\"o}glich, wobei f{\"u}r die Vorhersage der Sprache, die am wahrscheinlichsten transferiert wird, verschiedene Parameter vorgeschlagen wurden, wie beispielsweise das typologische Verh{\"a}ltnis der Hintergrund- und Zielsprachen untereinander oder der Status einer der beiden Hintergrundsprachen als Erst- bzw. Zweitsprache. Weiterhin ist Transfer aus beiden Sprachen denkbar, bei dem ausschließlich „n{\"u}tzliche", das heißt den Zielspracherwerb unterst{\"u}tzende Strukturen transferiert werden. Drittens kann gemischter Transfer, also der Transfer verschiedener Strukturen, aus beiden Hintergrundsprachen angenommen werden, der allerdings nicht unbedingt positiv ist, sondern stattdessen von vielf{\"a}ltigen Faktoren konditioniert wird. In anderen Worten wird hier die M{\"o}glichkeit angenommen, Strukturen aus beiden Hintergrundsprachen in die Zielsprache zu transferieren. Dieser letzte Ansatz entspricht am besten den bisherigen Forschungsergebnissen des Felds: W{\"a}hrend sich bei Betrachtung verschiedener Sprachkombinationen und verschiedener (und verschiedenartiger) phonologischer Strukturen f{\"u}r sich genommen kein einheitliches Muster erkennen l{\"a}sst, wird deutlich, dass gemischter Transfer m{\"o}glich ist - dies kommt vor allem bei Studien zu graduellen phonetischen Ph{\"a}nomenen wie konkreter Vokalqualit{\"a}t oder Voice Onset Time zum Ausdruck. Bisherige Studien haben sich auf einzelne phonologische oder phonetische Ph{\"a}nomene beschr{\"a}nkt, anhand derer die entsprechenden Ans{\"a}tze {\"u}berpr{\"u}ft wurden. Bisher gibt es keine systematischen Untersuchungen mehrerer verschiedener Ph{\"a}nomene an denselben Sprechern. Da allerdings davon ausgegangen werden kann, dass phonologische Ph{\"a}nomene unterschiedliche strukturelle Eigenschaften haben, ist genau dies n{\"o}tig. Um also die Mechanismen des gleichzeitigen Transfers mehrerer Sprachen auf eine Zielsprache, und somit auch die Interaktion der Hintergrundsprachen in Multilingualen besser zu verstehen, m{\"u}ssen mehrere phonologische Strukturen an denselben Sprechergruppen und mit denselben Methoden untersucht werden. Diese Forschungsl{\"u}cke will die vorliegende Arbeit schließen. Hierf{\"u}r wurde der Erwerb des Lautsystems der Drittsprache Englisch durch t{\"u}rkisch-deutsch bilinguale Lerner untersucht. Es wurden phonologische Strukturen des Englischen zur Untersuchung ausgew{\"a}hlt, die entweder im Deutschen (aber nicht im T{\"u}rkischen), im T{\"u}rkischen (aber nicht im Deutschen), oder in keiner der beiden Hintergrundsprachen vorkommen. Diese Unterteilung sollte dazu dienen den potentiellen Einfluss der jeweiligen Hintergrundsprache auf die Zielsprache identifizieren zu k{\"o}nnen. In zwei Studien wurden jeweils die Perzeption und die Produktion der obengenannten Strukturen an t{\"u}rkisch-deutsch Bilingualen sowie an einer monolingual deutschen Kontrollgruppe getestet. Studie 1 testete junge Lerner des Englischen in den ersten Lernjahren, w{\"a}hrend Studie 2 Studierende der Englischen Sprach- und Literaturwissenschaft testete. Zus{\"a}tzlich wurden extralinguistische Faktoren und biographische Details erhoben. In den beiden Studien sollte beantwortet werden, ob sich bilinguale und monolinguale Testpersonen in der Perzeption und/oder der Produktion der Zielstrukturen unterscheiden, ob diese Unterschiede durch Transfer aus den Hintergrundsprachen zu erkl{\"a}ren sind und, falls dies nicht durchgehend der Fall ist, welche anderen strukturellen oder extralinguistischen Faktoren herangezogen werden k{\"o}nnen, um die Ergebnisse zu erkl{\"a}ren. Zudem sollte gepr{\"u}ft werden, inwieweit Perzeption und Produktion zusammenh{\"a}ngen und welchen Effekt fortschreitender Spracherwerb hat. Die Ergebnisse der beiden Studien dieser Arbeit best{\"a}tigen die Vermutung, die anhand der Kombination aus verschiedenen vorausgehenden Studien getroffen wurden: Transfer findet ausgehend von beiden Hintergrundsprachen statt, er kann positiv und negativ sein, und er wird von strukturellen Faktoren konditioniert. So zeigte sich im Vergleich ein deutlicher Einfluss - sowohl positiv wie auch negativ - des T{\"u}rkischen auf die Perzeption und Produktion des Englischen bei den bilingualen Sprechern, aber ebenso ein Einfluss des Deutschen. Weiterhin konnte der gleichzeitige Einfluss beider Hintergrundsprachen auf einzelne Strukturen belegt werden. Perzeption und Produktion stehen bei keiner der Sprechergruppen in einer direkten Korrelation, allerdings kann anhand der Ergebnisse Perzeption als einer der Faktoren angenommen werden, der einen Einfluss auf die Produktion der zielsprachlichen Struktur hat. Als weitere Faktoren konnten der Grad der Markiertheit der Struktur, ihre artikulatorische Komplexit{\"a}t sowie das Fehlen eines artikulatorischen Ankers identifiziert werden. Eine Verschiebung der Transferquellen fand zwischen den beiden Studien, also bedingt durch fortgeschrittenen Erwerb, nicht statt. Es konnte allerdings gezeigt werden, dass Nachteile, die aufgrund der Hintergrundsprachen den Sprechergruppen entstanden, in der {\"a}lteren Gruppe h{\"a}ufig ausgeglichen werden konnten. Die Erkl{\"a}rungsans{\"a}tze f{\"u}r das Autreten von CLI-Effekten waren abh{\"a}ngig von den Eigenschaften der einzelnen abgepr{\"u}ften Strukturen und konnten nicht systematisch verallgemeinert werden. Dies best{\"a}tigte die wenig einheitlichen Einzelergebnisse vorhergehender Studien f{\"u}r die Perzeption und Produktion mehrerer verschiedener phonologischer Strukturen durch dieselben Sprechergruppen. So konnten methodische oder gruppeninterne Gr{\"u}nde f{\"u}r die sich widersprechenden Ergebnisse erstmals ausgeschlossen werden. Im vorletzten Kapitel dieser Arbeit werden darauf aufbauend alternative Gr{\"u}nde f{\"u}r die Ergebnisse erarbeitet. Hierf{\"u}r wird das Konzept des komplexen verschachtelten (complex interlaced) eingef{\"u}hrt, das chaostheoretische Ans{\"a}tze mit der Annahme einer hierarchischen Bit-Struktur verbindet. Die vorliegende Arbeit tr{\"a}gt zu aktuellen Debatten im Bereich der Drittsprachforschung insofern bei, als dass sie als erste mehrere phonologische „Einheiten" (bits), also Phoneme, Allophone, Prozesse etc., an den gleichen Sprechern testet. Dadurch wurde deutlich, dass die konkrete Struktur phonologischer Systeme in den Mittelpunkt der Forschung zum Drittspracherwerb r{\"u}cken muss, damit vorhandene Muster erkennbar werden k{\"o}nnen. Zudem wird vorgeschlagen, verst{\"a}rkt auf Forschungsergebnisse und Theorien aus anderen Bereichen, wie beispielsweise dem Sprachwandel, der Variet{\"a}tenlinguistik und der Kontaktlinguistik zur{\"u}ckzugreifen, um letztendlich Forschung am Drittspracherwerb f{\"u}r den theoretischen Erkenntnisgewinn nutzbar zu machen.}, subject = {Englisch}, language = {en} }