@phdthesis{Fortner2003, author = {Fortner, Rainer}, title = {Egas Moniz (1874 - 1955) - Leben und Werk unter besonderer Ber{\"u}cksichtigung der Leukotomie und ihrer ethischen Implikationen}, url = {http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:20-opus-9518}, school = {Universit{\"a}t W{\"u}rzburg}, year = {2003}, abstract = {Ant{\´o}nio Caetano de Abreu Freire Egas Moniz wurde im Jahre 1874 in Avanca,im Norden Portugals geboren. Hier verbrachte er den gr{\"o}ßten Teil seiner Kindheit, bevor er im Gymnasium von Viseu zur Schule ging, die er schließlich mit dem Abitur abschloß.1891 schrieb er sich an der Universit{\"a}t Coimbra ein. Hier absolvierte er das Studium der Medizin, das er 1899 mit Auszeichnung beenden konnte. 1901 heiratete Egas Moniz die urspr{\"u}nglich aus Brasilien stammende Elvira de Macedo Dias. Im Jahre 1902 begann Moniz seine universit{\"a}re Laufbahn als Dozent in Coimbra. Nach mehreren Frankreichaufenthalten an Kliniken in Bordeaux und Paris wurde er 1911 an den Lehrstuhl f{\"u}r Neurologie nach Lissabon berufen. Durch seine wissenschaftlichen Werke - die zerebrale Angiographie und die Leukotomie - wurde er jedoch weit {\"u}ber die Grenzen Portugals hinaus bekannt. Moniz' politische Laufbahn fand ihren H{\"o}hepunkt zun{\"a}chst in seiner T{\"a}tigkeit als Botschafter in Spanien und schließlich in der Funktion des Außenministers (1918). In den 20er Jahren widmete sich Moniz wieder verst{\"a}rkt seiner wissenschaftlichen Karriere. 1927 gelang ihm die erste zerebrale Arteriographie am Lebenden. Seine Ergebnisse stellte er kurze Zeit nach der ersten gelungenen Aufnahme in Paris vor. Die Leukotomie - ein Aufsehen erregendes psychochirurgisches Verfahren - entwickelte Moniz dagegen erst Mitte der 30er Jahre. Moniz leitete seinen langj{\"a}hrigen Mitarbeiter Almeida Lima an, das Verfahren an einer ersten heterogenen Gruppe von 20 psychisch auff{\"a}lligen Patienten zu erproben. Technisch wurde zun{\"a}chst eine Durchtrennung der weißen Hirnsubstanz mittels Alkoholinjektionen angestrebt, die letztlich durch eine L{\"a}sion mit der Hilfe eines eigens entwickelten Schlingenwerkzeugs, des Leukotoms, abgel{\"o}st wurde. Auch diesmal stellte Moniz seine Ergebnisse einem Pariser Fachpublikum vor, schrieb dar{\"u}ber hinaus die Monographie „Tentatives operatoires de certaines psychoses", in welcher er nicht nur die Operationsmethode erkl{\"a}rte und die Ergebnisse zusammenfaßte, sondern auch Fallbeschreibungen der einzelnen Patienten dokumentierte. Die gespaltenen Reaktionen der Fachwelt reichten von enthusiastischer Anerkennung bis hin zu totaler Ablehnung. Auch die Verleihung des Nobelpreises im Jahre 1949 ließ Moniz Kritiker nicht verstummen. Bis heute dauert die Diskussion um die Leukotomie und um {\"a}hnliche psychochirurgische Eingriffe an, ohne daß es bis dato zu einer einheitlichen Bewertung von Moniz' Operationsversuchen gekommen w{\"a}re. Anhand der uneinheitlichen Bewertungen von Moniz' angeleiteten und dokumentierten Behandlungsversuchen l{\"a}ßt sich ablesen, wie stark die ethische Sichtweise dem jeweils vorherrschenden Zeitgeist unterworfen war. So f{\"a}llt auch aus heutiger Sicht eine Bewertung unter Zugrundelegung historischer Rahmenbedingungen anders aus, als unter ausschließlicher Ber{\"u}cksichtigung aktueller ethischer Kriterien und Leitlinien: Aus heutiger Perspektive lassen sich {\"u}berzeugende Argumente finden, die Moniz' Eingriffe in ethischer Hinsicht eindeutig desavouieren. Es l{\"a}ßt sich - schon angesichts der heterogenen Zusammensetzung, der geringen Gesamtzahl der Leukotomierten und der in keiner Weise standardisierten Ergebnisinterpretation - zweifelsfrei nachweisen, daß zu keinem Zeitpunkt ein Wirksamkeitsnachweis erbracht werden konnte. Ferner widerspricht Moniz' Auswahl der Patienten auf der Grundlage ihrer Verf{\"u}gbarkeit zumindest aus heutiger Sicht dem Prinzip des Informed Consent. Ein Blick auf den historischen Kontext l{\"a}ßt eine Bewertung vergleichsweise milder ausfallen. Die Konzepte von Gesundheit und Krankheit sind - ebenso wie ihre ethische Bewertung - dem jeweiligen Zeitgeist unterworfen. Auch das Informed Consent-Prinzip l{\"a}ßt sich nicht ohne weiteres in jene Zeit {\"u}bertragen ohne nach dem in der damaligen Gesellschaft vorherrschenden Bild des Psychiatriepatienten zu fragen. Ebenso gilt es, die zur fraglichen Zeit verf{\"u}gbaren Behandlungsoptionen zu ber{\"u}cksichtigen. Im Laufe der Zeit hat sich nicht nur die Grundeinstellung zur Leukotomie sondern auch die Haltung zu den verantwortlichen Personen gewandelt. Angesichts der sich in j{\"u}ngerer Zeit mehrenden positiven Stimmen, die ein Wiederaufleben psychochirurgischer Eingriffe f{\"u}r gerechtfertig halten, erscheint es keinesfalls abwegig, daß unsere Gesellschaft schon bald herausgefordert sein wird, die Diskussion erneut aufzunehmen.}, language = {de} }