@phdthesis{Haas2015, author = {Haas, Martin}, title = {Charakterisierung pharmakokinetischer und pharmakodynamischer Aspekte der Anwendung von Glucocorticoiden in der Herzschrittmachertherapie anhand von ex-vivo und in-vitro Modellen}, url = {http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:20-opus-127446}, school = {Universit{\"a}t W{\"u}rzburg}, year = {2015}, abstract = {Glucocorticoide werden in der Herzschrittmachertherapie eingesetzt, um einen Anstieg der Reizschwelle nach der Implantation des Schrittmachers zu verringern und dauerhaft auf niedrigerem Niveau zu halten, als dies ohne Glucocorticoid-Behandlung der Fall w{\"a}re. Die Applikation der zu diesem Zweck eingesetzten Glucocorticoide Dexamethasonacetat (DXA) und Dexamethasonphosphat, in seltenen F{\"a}llen auch Beclomethasondipropionat (BDP), erfolgt dabei in der Regel mittels einem an der Elektrodenspitze angebrachten Matrixsystem, das f{\"u}r eine langsame lokale Freisetzung der Arzneistoffe an der Grenzfl{\"a}che zwischen kathodischem Elektrodenkontakt und Herzgewebe sorgen soll. Diese Anwendungsform ist speziell, da trotz einer systemischen Freisetzung der Substanzen eine lokale Wirkung erzielt werden soll, welche die Funktion des Schrittmachers als Medizinprodukt unterst{\"u}tzen soll - aus pharmakokinetischer Sicht ein wichtiger Unterschied zu den {\"u}blichen topischen Glucocorticoid Anwendungen. Unter physiologischen Bedingungen wurde diese Applikationsform hinsichtlich der Arzneistofffreisetzung und anschließender Umverteilung mit Bindung der Glucocorticoide an das kardiale Gewebe bislang ebenso wenig untersucht, wie verschiedene Glucocorticoide in dieser Anwendung hinsichtlich ihrer Pharmakokinetik verglichen wurden. In der vorliegenden Arbeit wurden deshalb die pharmakokinetischen Vorg{\"a}nge der drei Glucocorticoide DXA, BDP und des potentiell einsetzbaren Glucocorticoids GCX (dessen Identit{\"a}t aus patentgr{\"u}nden derzeit nicht offengelegt werden kann) untersucht. Die Freisetzungssysteme enthielten, je nach Glucocorticoid, Arzneistoffdosen im Bereich von etwa 150 bis 260 µg. In einem in-vitro Freisetzungsmodell in Methanol wurde zun{\"a}chst best{\"a}tigt, dass sich die Freisetzungskinetik der untersuchten Matrizes gem{\"a}ß den Modellvorstellung zu einem d{\"u}nnwandigen monolithischen Freisetzungssystem nach dem Quadratwurzelgesetz beschreiben ließ. DXA wurde mit einer Freisetzungsrate von 55,6 ± 1,9 µg/h1/2 in 24 Stunden ann{\"a}hernd vollst{\"a}ndig freigesetzt, w{\"a}hrend die Rate f{\"u}r BDP bei 21,8 ± 0,7 µg/h1/2 lag und nur f{\"u}r eine Freisetzung von etwa zwei Dritteln des Gesamtgehalts der Freisetzungsmatrix sorgte. GCX wurde gar mit nur 4,2 ± <0,1 µg/h1/2 freigesetzt. Die ermittelten Freisetzungsraten (DXA > BDP >>> GCX) waren {\"u}berraschenderweise nicht konsistent mit den logP-Werten der Substanzen. Dies wies darauf hin, dass nicht alleine die unterschiedlichen physikochemischen Eigenschaften der Substanzen zu den differierenden Freisetzungsprofile f{\"u}hrten, sondern wohl auch die Formulierung der Silikonmatrix einen starken Einfluss aus{\"u}bte - eine wichtige Erkenntnis f{\"u}r die Weiterentwicklung derartiger Glucocorticoid haltiger Matrixfreisetzungssysteme. Vor allem w{\"a}hrend der bis zu 4 w{\"o}chigen Phase unmittelbar nach der Elektrodenimplantation ist die Matrix dem Blutstrom ausgesetzt, bevor sich als Reaktion des Organismus auf den implantierten Fremdk{\"o}rper eine fibr{\"o}se H{\"u}lle um die Elektrodenspitze bildet. Zur Ann{\"a}herung an die physiologischen Freisetzungsverh{\"a}ltnisse in dieser initialen Phase, in nach dem Quadratwurzelgesetz die mengenm{\"a}ßig st{\"a}rkste Glucocorticoid-Freisetzung erfolgen sollte, wurden deshalb erstmals Freisetzungsversuche in Humanplasma {\"u}ber 28 Tage durchgef{\"u}hrt. Mit einer Freisetzungsrate von 2,26 ± 0,08 µg/h1/2 wurde hier eine unerwartet starke Freisetzung von BDP beobachtet, wohingegen diese f{\"u}r DXA und GCX mit Raten von 0,39 ± 0,03 µg/h1/2 und 0,42 ± 0,01 µg/h1/2 deutlich langsamer ausfiel und sich kaum voneinander unterschied. Die Reihenfolge der Freisetzungsgeschwindigkeiten (BDP >>> GCX = DXA) unterschied sich somit unter physiologischen Bedingungen g{\"a}nzlich von den in-vitro Bedingungen. Wom{\"o}glich kamen im w{\"a}ssrigen Freisetzungsmedium Humanplasma dabei die Formulierungseinfl{\"u}sse verst{\"a}rkt zum Tragen, die sich bereits unter den in-vitro Bedingungen andeutenden. Ein zus{\"a}tzlicher Einfluss mochte von der Bildung des 9,11 Epoxy Belcomethasons als Abbauprodukt des BDP ausgegangen sein, welches unter den physiologisch angen{\"a}herten Bedingungen in hohem Ausmaß entstand. Dies f{\"u}hrte zu einer Stabilit{\"a}tsuntersuchung von Beclomethason in Humanplasma und verschiedenen Puffersystemen, bei welcher sich ein stabilit{\"a}tsmindernder Einfluss von Carbonat-Puffersystemen herausstellte. Im Zuge der Freisetzungsversuche in Humanplasma wurde zudem erstmals die Entstehung von 17 Oxo Dexamethason als Abbauprodukt von DXA beobachtet und durch Nachsynthese best{\"a}tigt. F{\"u}r die Phase der Herzschrittmachertherapie, in der an der Grenzfl{\"a}che zwischen Elektrode und Herzgewebe eine lokale und akute Entz{\"u}ndung infolge der Implantation der Schrittmacherelektrode auftritt und {\"u}blicherweise ein starker Anstieg der Reizschwelle zu beobachten ist, lieferten die Versuche in Humanplasma somit erstmals Daten zur Freisetzung verschiedener Glucocorticoide unter Einbezug angen{\"a}herter physiologischer Verh{\"a}ltnisse. F{\"u}r die korrekte Durchf{\"u}hrung der Freisetzungsversuche ist das Vorliegen von Sink Bedingungen essentiell. Da die praktische L{\"o}slichkeit von Glucocorticoiden in Humanplasma bislang nicht bekannt war, wurde die Aufnahmekapazit{\"a}t des Humanplasmas (Kombination aus L{\"o}slichkeit und Plasmaproteinbindung) f{\"u}r DXA, GCX und BDP untersucht. Sink Bedingungen konnten f{\"u}r alle Substanzen sichergestellt werden, wobei gegen{\"u}ber der reinen Wasserl{\"o}slichkeit eine deutlich h{\"o}here Aufnahmekapazit{\"a}t gezeigt werden konnte und den hohen Einfluss der Proteinbindung hervorhob. Um die insgesamt herrschenden physiologischen Verh{\"a}ltnisse noch besser zu beschreiben und dabei die Umverteilung der Arzneistoffe nach Freisetzung aus dem Implantat an das Zielgewebe zu untersuchen, wurde ein neuartiges ex-vivo Modell entwickelt. Dies erlaubte eine Simulation der Arzneistofffreisetzung aus dem Implantat in Gegenwart eines Gewebekompartiments und ber{\"u}cksichtigte eine flussartige Konvektion des Mediums. Mit diesem Modell wurden Verh{\"a}ltnisse der AUCs der Glucocorticoide zwischen Gewebe und Humanplasma ermittelt, die mit Werten von 3,4 f{\"u}r DXA, 3,8 f{\"u}r BDP und 2,5 f{\"u}r GCX auf eine ausgepr{\"a}gte Umverteilung aus dem Humanplasma in das Gewebe hinwiesen. Insgesamt schien damit aufgrund der raschen Freisetzung und Diffusion in das Gewebe eine Verwendung von BDP zur Bek{\"a}mpfung einer lokalen akuten Entz{\"u}ndung unmittelbar nach der Implantation aus pharmakokinetischer Sicht vorteilhaft. Mit Blick auf einen jahrelangen Effekt konnte jedoch auch die langsame Freisetzung von DXA und GCX mit deren sehr stabilen Wirkformen als vorteilhaft diskutiert werden. Die Versuche k{\"o}nnen letztlich bei der Auswahl eines m{\"o}glichst idealen Glucocorticoids f{\"u}r die Herzschrittmachertherapie behilflich sein und bieten erstmals ein weitestgehend physiologisches Untersuchungsmodell f{\"u}r diese Applikationsform. Inwiefern sich die unterschiedliche Pharmakokinetik der drei Glucocorticoide auch in pharmakodynamischer Sicht auswirken k{\"o}nnte, sollte schließlich im Zellkulturmodell untersucht werden. Zuvor wurde jedoch in-vitro getestet, ob sich der elektrische Schrittmacherimpuls selbst als Entz{\"u}ndungsreiz bemerkbar machen und damit einen Hinweis auf eine dadurch hervorgerufene dauerhafte Entz{\"u}ndung des Herzgewebes geben w{\"u}rde. Dazu wurde eigens ein Modell entworfen, das die Applikation des elektrischen Stimulus in einem Zellkulturansatz zuließ. Die Messung der Entz{\"u}ndungsmarker IL-6, IL-8, MMP-9 und MCP-1 ließ keine entz{\"u}ndliche Reizung der Zellen durch einen Schrittmacherimpuls in H{\"o}he von 1 V und 0,5 ms Dauer erkennen. Anschließend wurde untersucht, ob sich die selbst ermittelten pharmakokinetischen Unterschiede der drei Glucocorticoide in der akuten Entz{\"u}ndungsphase nach Elektrodenimplantation in-vitro in unterscheidbaren biologischen Aktivit{\"a}ten auswirken w{\"u}rden. Signifikante Unterschiede in der Inhibition der Sekretion der Entz{\"u}ndungsmarker IL-6 und MMP 9 konnten allerdings trotz der unterschiedlichen freigesetzten Dosen an DXA, GCX und BDP nicht beobachtet werden. Somit erwies sich keine der drei Substanzen, trotz unterschiedlicher pharmakokinetischer Voraussetzungen und Affinit{\"a}ten zum Glucocorticoid-Rezeptor, als {\"u}berlegen. In einem ersten Ausblick ließ dies f{\"u}r die klinische Anwendung von GCX und BDP - zumindest in der initialen Phase nach Elektrodenimplantation - einen zu DXA vergleichbaren Einfluss auf die Reizschwelle vermuten. Neben einer antiinflammatorischen Wirkung wird auch eine Minderung des Reizschwellenanstieges durch eine bei Glucocorticoid Exposition nur d{\"u}nn ausgepr{\"a}gte fibr{\"o}se Kapsel an der Elektrodenspitze diskutiert. Als Beitrag zur Untersuchung der in der klinischen Praxis beobachteten Wirkung des DXA wurde daher abschließend gepr{\"u}ft, ob die freigesetzten Glucocorticoid Dosen zu einer Proliferationshemmung von Endothelzellen und Fibroblasten f{\"u}hren konnten. Ein vermindertes Wachstum der Zelllinien EA.hy926 und IMR-90 unter den freigesetzten Glucocorticoid Dosen konnte jedoch nicht beobachtet werden. K{\"u}nftige Untersuchungen des Einflusses der Glucocorticoide auf die Synthese einzelner Bindegewebsbestandteile wie Kollagen k{\"o}nnten hierzu wom{\"o}glich weitere Erkenntnisse liefern. In der vorliegenden Arbeit wurde erstmals erfolgreich die Pharmakokinetik dreier Glucocorticoide im Kontext der Herzschrittmachertherapie unter physiologischen Verh{\"a}ltnissen beschrieben und ein neuartiges ex-vivo Modell entwickelt, das zuk{\"u}nftig ein hilfreiches Werkzeug zur Untersuchung der Pharmakokinetik von kardiovaskul{\"a}ren Implantaten sein kann. Darauf aufbauend wurde zudem erstmalig die Pharmakodynamik dieser Glucocorticoide in der Herzschrittmachertherapie verglichen und begonnen, den Glucocorticoid Effekt in der Herzschrittmachertherapie n{\"a}her zu beleuchten.}, subject = {Herzschrittmacher}, language = {de} }