@phdthesis{Oehme2010, author = {Oehme, Anett}, title = {Studien zur Zusammensetzung der Inhaltsstoffe getrockneter Heidelbeeren und Formulierungen zum Colon-Targeting von Anthocyanen}, url = {http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:20-opus-54308}, school = {Universit{\"a}t W{\"u}rzburg}, year = {2010}, abstract = {Die Ergebnisse verschiedener in vitro Untersuchungen und Tierstudien deuten darauf hin, dass Anthocyane zur Pr{\"a}vention und Therapie von intestinalen Erkrankungen wie akutem Durchfall oder chronisch entz{\"u}ndlichen Darm¬erkrankungen (CED) sowie Darmkrebs geeignete Naturstoffe sind. Mit bis zu 780 mg/100 g Frischgewicht weisen Heidelbeeren (Vaccinium myrtillus L.) besonders hohe Anthocyan¬¬gehalte auf. In getrockneter Form sind diese Beeren ein bew{\"a}hrtes Therapeutikum in der Volksheilkunde und werden als pharmazeutische Droge Myrtilli fructus zur Unterst{\"u}tzung der Therapie unspezifischer akuter Durchfall¬erkrankungen eingesetzt. Diese traditionellen Anwendungen hat man j{\"u}ngst in einer Studie am Modell der experimentellen murinen DSS-Colitis aufgegriffen, in welcher ein therapeutischer Effekt von getrockneten Heidelbeeren (gHB) nachwiesen wurde. Ob die Anthocyane oder andere Inhaltsstoffe verantwortlich f{\"u}r die beobachteten Wirkungen sind, ist noch unbekannt. Ein erstes Ziel der vorliegenden Arbeit war es deshalb, gHB zu charakterisieren, indem potentielle Wirkkomponenten anhand analytischer Inhalts-stoffbestimmung identifiziert und bei der Trocknung ablaufende Prozesse untersucht wurden: I. Nach extraktiver Probenaufarbeitung wurden Anthocyanprofil und -gehalt von gHB-Handelsware mittels HPLC-ESI-MS/MS und HPLC-UV/Vis bestimmt. Dabei zeigte sich, dass sich das Anthocyanprofil der untersuchten gHB, die in oben genanntem DSS-Colitis-Modell verwendet worden waren, von dem frischer Wildheidelbeeren (V. myrtillus L.) unterschied. Die gHB wiesen zus{\"a}tzlich eine Delphinidin-hexose-pentose sowie verschiedene Anthocyanpentosen auf, wie sie f{\"u}r die Heidelbeerart V. arctostaphylos L. charakteristisch sind. Infolgedessen ist davon auszugehen, dass V. arcto-staphylos L.-Beeren zur Herstellung der gHB verwendet wurden. In den untersuchten gHB wurde ein Anthocyangehalt von 384 ± 39 mg/100g TM bestimmt. Im Vergleich zu frischen V. myrtillus L.- sowie zu V. acto¬staphylos L.-Fr{\"u}chten wiesen die gHB damit einen deutlich geringeren Anthocyan-gehalt auf. II. Als momomere Nicht-Anthocyan-Polyphenole wurden verschiedene phenolische S{\"a}uren, Quercetinglycoside sowie das Aglycon Quercetin mittels HPLC-ESI-MS/MS bzw. HPLC-DAD identifiziert und quantifiziert. Chlorogens{\"a}ure stellte dabei mit 147 ± 5 mg/100 g TM die Haupt¬kompo¬nen-te dar. Der Gesamtgehalt an monomeren Nicht-Anthocyan-Poly¬phenolen von 288 ± 8 mg/100 g TM war mit dem der Anthocyane vergleich¬bar. III. Kondensierte Gerbstoffe (Procyanidine) in gHB wurden mittels Thiolyse erfasst. Mit 2,23 ± 0,05 g/100 g TM war ihr Anteil dreimal h{\"o}her als die Summe der monomeren Polyphenole, Anthocyane, phenolische S{\"a}uren und Flavonole. IV. Mit 44 ± 2 g/100 g TM waren Ballaststoffe die dominierende N{\"a}hrstoff¬gruppe in gHB. Zur Untersuchung der Zusammensetzung dieser Fraktion wurden nach Hydrolyse Neutralzucker als Alditolacetate mittels HRGC-MS bzw. HRGC-FID analysiert sowie Urons{\"a}uren photo¬metrisch bestimmt. Derart identifizierte Hauptbausteine der Zellwandpolysaccharide waren Glucose, Xylose sowie Urons{\"a}ure. Als R{\"u}ckstand nach Hydrolyse wurde gravi¬-metrisch das sog. Klason-Lignin erfasst. Zellwandpoly¬saccharide und Klason-Lignin waren mit jeweils ca. 36 \% in der Ballaststofffraktion enthalten und stellten deren Haupt¬komponenten dar. V. Als Indikator f{\"u}r die thermische Belastung bei Trocknung der gHB wurde 5 Hydroxymethylfurfural mit HPLC-MS/MS und HPLC-DAD nachgewiesen und quantifiziert. Der ermittelte Gehalt von 7,9 ± 0,2 mg/100 g TM lag in einem f{\"u}r getrocknete Fr{\"u}chte {\"u}blichen Bereich. VI. Um den Einfluss der Trocknung auf den Polyphenolgehalt direkt zu verfolgen, wurden frische Kulturheidelbeeren (V. corymbosum L.) bei 30°C, 50°C und 70°C im Umlufttrocken¬schrank bis zur Gewichtskonstanz ge-trocknet. Vor und nach Trocknung wurden Polyphenole mittels HPLC-MS/MS und HPLC-DAD bzw. HPLC-UV/Vis untersucht. Trocknung bei 30°C f{\"u}hrte zu einer leichten Zunahme im Anthocyangehalt, wohingegen der Temperaturanstieg auf 50°C sowie 70°C mit einem deutlichen Anthocyan-abbau verbunden war. Phenolische S{\"a}uren und Flavonole erwiesen sich als thermostabiler; ein geringer Abbau wurde nur bei Chlorogens{\"a}ure beobachtet. VII. Die Stabilit{\"a}t der Anthocyanine Cyanidin-3-galactosid und Cyanidin-3-glucosid wurde in einem in vitro Modell untersucht, das die Bedingungen in der Pflanzenzelle w{\"a}hrend der Trocknung von Fr{\"u}chten simulierte. Der dabei beobachtete Anthocyanabbau wies eine Reaktionskinetik 1. Ordnung auf. Die Reaktionsgeschwindigkeit war stark von der Temperatur abh{\"a}ngig, der Zuckerrest hatte dagegen keinen Einfluss. Als Abbauprodukt wurde Protocatechus{\"a}ure mittels HPLC-DAD-MS/MS identifiziert. Neben der Menge der mit der Nahrung aufgenommener Anthocyane ist deren Verf{\"u}gbarkeit am Wirkort die Grundlage f{\"u}r potentielle Effekte. W{\"a}hrend der Passage durch den Gastrointestinaltrakt (GIT) unterliegen Anthocyane bekanntlich einem chemischen und mikrobiellen Abbau, wodurch die effektive Wirkkonzentration stark vermindert wird. Colon-Targeting, bei dem Wirkstoffe durch Verkapselung vor einem chemischen und enzymatischen Abbau im oberen GIT gesch{\"u}tzt werden, stellt eine M{\"o}glichkeit dar, die Verf{\"u}gbarkeit von Anthocyanen f{\"u}r direkte Effekte im Dickdarm zu erh{\"o}hen. Die Zielsetzung im zweiten Teil der Arbeit beinhaltete daher die Herstellung und Charakterisierung von im Lebens¬mittelbereich zugelassenen Formulierungen f{\"u}r das Colon-Targeting von Anthocyanen. F{\"u}r diese Studien dienten kommerziell aus Wildheidelbeeren V. myrtillus L. gewonnene Extrakte (Anthocyangehalte von 65 bis 84 g/100g) als Anthocyanquelle. I. Zur Charakterisierung der Freisetzungseigenschaften der hergestellten Colon-Targeting-Formulierungen wurde ein in vitro und ex vivo Modell entwickelt und angewendet, das durch aufeinanderfolgende Inkubation der Materialien in Magen¬saft¬simulanz (3 h bei pH 2) und Ileostomie- (4 h bei pH 6,3) sowie Colo-stomiefl{\"u}ssigkeit (15 h bei pH 6,2) die Passage des humanen GIT simulierte. Freigesetzte Anthocyangehalte wurden mittels HPLC-DAD erfasst. II. Im Labormaßstab wurde der Heidelbeerextrakt mittels Eintropf¬technik nach dem Prinzip der ionotropen Gelierung mit Calciumionen in eine Matrix aus amidiertem Pektin verkapselt. Durch anschließendes hydrophobes Coating mit Schellack wurde die vorzeitige Freisetzung der Pigmente aus den Anthocyan-Pektin-Kugeln (APK) P4BRT im Magensaft¬simulanz deutlich ver¬ringert, sodass mit Schellack gecoateten APK P4BSch im genannten Modell-System ein Anthocyantransport in den Dickdarm erreicht wurde. III. Aufgrund seiner S{\"a}ureunl{\"o}slichkeit wurde auch die Eignung von Kollagen aus dem Meeresschwamm Chondrosia reniformis Nardo als Verkapselungsmatrix unter¬sucht. Es gelang, Heidelbeerextrakt in dieses Material zu verkapseln. Trotz partieller Magensaftresistenz waren die Formulierungen jedoch aufgrund von Degradation im simulierten D{\"u}nndarm nicht zum Colon-Targeting geeignet. IV. Zur Bereitstellung von mit Schellack gecoateten APK f{\"u}r in vivo Studien war eine Steigerung der Produktionsrate vom Gramm- in den Kilogramm-Maßstab erforderlich, was durch Einsatz der „Laminar Jet Break-up"-Technologie realisiert wurde. APK P4BG wurden mit dieser Methode ebenfalls durch iono-trope Gelierung einer anthocyanhaltigen Pektinl{\"o}sung in Gegenwart von Calcium¬¬¬¬ionen hergestellt. Im Unterschied zum Labormaßstab war der Einsatz von Glycerin als Weichmacher in der Formulierung erforderlich. Das anschlie-ßende Coating der so hergestellten APK P4BG erfolgte mittels Wurster-Technologie unter Verwendung von w{\"a}ssriger Schellack¬l{\"o}sung. Materialien mit Coatinglevel von 8, 15 bzw. 19 \% w/w (P4BGwSch8, P4BwSch15 und P4BwSch19) wurden erzeugt. Die Formulierungen wiesen Anthocyangehalte von 2,2 bis 2,6 g/100g auf. Im vorgestellten in vitro und ex vivo Inkubations-Modell zeigten un¬modifizierte APK P4BG eine vorzeitige Anthocyan-Freisetzung in Magensaft¬simulanz infolge schneller Abl{\"o}sung der sehr gut wasserl{\"o}slichen Pigmente von der Oberfl{\"a}che. Dieser Effekt wurde durch Coating mit Schellack in Abh{\"a}ngigkeit vom Coatinglevel verringert. Das Material P4BGwSch19 stellte das am besten geeignete Colon-Targeting-System dar, da mit diesem Anthocyane im simulierten Magen und D{\"u}nndarm zur{\"u}ckgehalten und im Dick-darm freigesetzt wurden. V. Um das Aufl{\"o}sungsverhalten der Schellackschicht zu optimieren, wurden APK P4BG mit w{\"a}ssriger Schellackl{\"o}sung gecoatet, welcher der wasserl{\"o}sliche Poren¬bildner Hydroxypropylmethylcellulose (HPMC) in Konzen¬trationen von 5 \% bzw. 15 \% (w/w, bezogen auf Schellack) zugesetzt war. Die so herge¬stell-ten gecoateten APK HPMC5 und HPMC15 zeigten eine verbesserte Magen¬¬saft-resistenz im Vergleich zum nur mit Schellack gecoateten Material. Aufgrund des mit 5 \% vergleichweise geringen HPMC-Anteils {\"a}hnelte das weitere Freisetzungsverhalten von HPMC5 dem von P4BGwSch19. Mit HPMC15 wurde bei beschleunigter Anthocyan-Freisetzung in Ileo¬stomie¬fl{\"u}ssigkeit ein vollst{\"a}n¬diger Abbau des Materials in Colostomie¬fl{\"u}ssigkeit erzielt. VI. Der in vivo Effekt des entwickelten anthocyanhaltigen Colon-Targeting-Systems P4BGwSch19 bei entz{\"u}ndlichen Darmerkrankungen wurde am Modell der murinen DSS-Colitis untersucht. Im Gegensatz zur Gabe der identischen Dosis an unverkapseltem Heidelbeerextrakt resultierte die orale Zufuhr der mit Schellack gecoateten APK in keinem signifikanten Unterschied in Colonl{\"a}nge, histolog¬ischem Score sowie IL6- und IFNγ-Sekretion im Vergleich zu Placebo- und Kontrollgruppen. Eine unzureichende Eignung des verwendeten murinen Modells f{\"u}r Freisetzungsstudien k{\"o}nnte hierf{\"u}r verantwortlich sein.}, subject = {Vaccinium myrtillus }, language = {de} }