TY - THES A1 - Endlein, Thomas T1 - Haftung und Fortbewegung: Kontrollmechanismen von Adhäsionskräften bei Ameisen T1 - Locomotion and Adhesion: Control Mechanisms of Attachment in Ants N2 - Natürliche Haftsysteme übertreffen technische Kleber in mehreren Aspekten: Sie haften auf nahezu allen Oberflächen, sind selbstreinigend und sind in ihrer Haftstärke dynamisch kontrollierbar. Für Tiere mit Haftorganen ist deren Kontrolle eine Grundvoraussetzung für effiziente Lokomotion. Wie können Tiere gut an Oberflächen haften und gleichzeitig schnell laufen? Wie werden Haftorgane kontrolliert, um auf rauen oder glatten Oberflächen senkrecht oder kopfüber zu haften und wieder loszulassen? Die vorliegende Arbeit untersucht am Beispiel vonWeberameisen (Oecophylla smaragdina), welche Kontrollmechanismen Insekten verwenden, um den Konflikt zwischen Haftung und Fortbewegung zu bewältigen. Weberameisen besitzen an ihren Füßen zwischen den Krallen ein entfaltbares Haftorgan (Arolium), welches im Vergleich zu anderen Hymenopteren stark vergrößert ist. Ihre enormen Haftkräfte (mehr als das 100-fache ihres Körpergewichtes) werden hauptsächlich eingesetzt, um Blätter für ihren Nestbau in den Baumkronen zusammenzuziehen. Sie sind Meister der Haftung und gute Läufer zugleich und eigneten sich daher sehr gut als Modellsystem. In der Arbeit wurde dieWechselwirkung von Haftung und Bewegung auf mehreren hierarchischen Ebenen untersucht, vom gesamten Körper über die Beine bis zum Haftorgan selbst. Es zeigte sich, dass Kontrollmechanismen auf allen drei Ebenen vorliegen. Im ersten Teil der Arbeit wurde durch Manipulationen an der Krallenziehersehne die komplexe innere Mechanik des Prätarsus aufgeklärt. Es zeigte sich, dass die Bewegungen von Tarsus, Krallen und Arolium in einer koordinierten Reihenfolge erfolgten. Durch Amputationen der Krallenspitzen an lebenden Ameisen konnte bestätigt werden, dass die Entfaltung des Aroliums durch das Verhaken der Krallen auf rauen Oberflächen mechanisch eingeschränkt wird. Der Einsatz des Aroliums war auch abhängig von der Oberflächenorientierung. Weberameisen setzten ihr Haftorgan beim aufrechten Laufen überhaupt nicht ein, beim Kopfüberlaufen auf glatten Oberflächen wurde dagegen nur ein Bruchteil der maximal möglichen Haftkontaktfläche entfaltet. Die Versuche zeigten, dass Ameisen die Entfaltung des Aroliums entweder aktiv, d. h. durch Kontraktion des Krallenziehermuskels, oder passiv durch Zugbewegungen des Tarsus graduell variieren. Beide Mechanismen werden von den Ameisen verwendet, um die ansonsten klein gehaltene Haftkontaktfläche bei Bedarf (z. B. bei Zusatzbeladungen) zu vergrößern. Die passive Entfaltung ist von der neuromuskulären Kontrolle entkoppelt und unterliegt somit nicht den Zeitverzögerungen von Reflexreaktionen. Durch plötzliche laterale Verschiebung der Laufoberfläche durch einen Stoß konnte eine schlagartige Ausfaltung der Arolien ausgelöst werden, die wesentlich schneller ablief als alle bekannten Reflexreaktionen. Dies kann als Sicherheitsmechanismus interpretiert werden, womit sich die Ameisen bei starken Erschütterungen der natürlichen Laufsubstrate (Blätter) durchWindstöße oder Regentropfen festhalten können. Sowohl Kraftmessungen an der Krallenziehersehne, welche die Kontraktion des Krallenziehermuskels nachahmten als auch Reibungskraftmessungen zur passiven Entfaltung des Aroliums zeigten, dassWeberameisen im Vergleich zu einer bodenlebenden Ameise ihre Haftorgane leichter entfalten konnten. Dies erleichtert es ihnen, ihre Haftorgane über lange Zeit im entfalteten Zustand zu halten, wie es beispielsweise beim Nestbau erforderlich ist. Mit Hilfe von dreidimensionalen Kinematikstudien konnte gezeigt werden, dass Weberameisen durch Änderungen des Beinwinkels zur Oberfläche das Schälverhalten der Haftorgane beeinflussen. Ein flacherer Winkel verhinderte das Abschälen der Haftorgane während der Standphase oder beim Tragen von Zusatzlasten; ein steilerer Tarsus hingegen erleichterte das Abschälen während der Ablösephase. Dieses Verhalten wurde mit dem Modell eines Klebebandes verglichen. Allerdings veränderten sich die Haftkräfte in einem bestimmten Winkelbereich deutlich stärker, als die Schältheorie es vorhersagen würde. Die starken Unterschiede in der Haftkraft an dieser Schwelle sind jedoch biologisch sinnvoll und werden wahrscheinlich von den Ameisen verwendet, um schnell zwischen Haften und Lösen zu wechseln. Messungen der Bodenreaktionskräfte zeigten einen weiteren Ablösemechanismus: Während der Ablösephase wird durch distales Schieben des Beines das Haftorgan entlastet und so eine passive Rückfaltung des Aroliums erlaubt. Beide Ablösemechanismen (Schälen und Entlasten) wurden für einzelne Beinpaare im unterschiedlichen Ausmaß von den Ameisen verwendet. Eine Umorientierung zur Schwerkraftrichtung, z. B. beim Kopfüberlaufen, hatte auch Einfluss auf das Laufmuster und die Beinstellung relativ zum Körperschwerpunkt. Die Ameisen passten beim Kopfx überlaufen ihren Gang so an, dass sie mehrere Beine gleichzeitig in Bodenkontakt hielten und langsamere und kürzere Schritte machten. Entstandene Drehmomente beim Tragen von Zusatzlasten wurden durch gezielte Änderungen der Beinpositionen ausgeglichen. Meine Arbeit zeigt, dass Insekten die Oberflächenhaftung auf verschiedenen hierarchischen Ebenen mit Hilfe verschiedener Anpassungen kontrollieren und dabei elegant neuromuskuläre Steuerungen mit rein passiven Mechanismen vereinigen. Die hier für Weberameisen exemplarisch untersuchten Effekte sind von allgemeiner Bedeutung für alle Tiere, die sich mit Hilfe von Haftorganen fortbewegen. Ein Verständnis der Mechanismen, mit denen Insekten Haftung dynamisch kontrollieren, könnte wichtige Anregungen für die Entwicklung von kletterfähigen Laufrobotern liefern. N2 - Natural adhesive pads outperform technical adhesives in many aspects: they can stick to almost every surface, they have self-cleaning capabilities and are highly dynamic and versatile in their adhesive strength. Animals walking with adhesive pads have to vary their adhesion with each step in order to adhere safely yet have to detach their feet quickly and effortlessly. How can these animals control their attachment whilst walking upright or upside down, on different surface roughnesses or when carrying additional loads? Weaver ants (Oecophylla smaragdina) have foldable adhesive pads (arolia) at the tip of their feet, which are relatively large compared to other Hymenoptera. They use their pads to adhere to slippery leaf surfaces when they construct their nests in the tree canopy. Since these ants are both good runners and are capable of generating adhesive forces of more than 100 times their own body weight, they form a good model to study the conflict between locomotion and adhesion. In my thesis I have focused on the control mechanisms of adhesion at several hierarchical levels, from body kinematics to leg posture to the mechanics of the adhesive pad itself. In the first part of my studies, manipulation experiments on the claw flexor tendon revealed the complex inner mechanics of the pretarsus. A pull on the tendon elicited a coordinated sequence of movements where the arolium moved after the flexion of the claws. When ants run on rough surfaces the contraction of the muscle is stopped mechanically by the interlocking of the claws and prevents the unfolding of the arolium. Claw amputation experiments on walking ants confirmed that the mechanical control of the arolium depended on surface roughness. The unfolding of the arolium also varied with the load acting on the ants. When ants walked upright their pads were never engaged. When they walked in an upside down manner they used only a fraction of their possible contact area and increased their pad contact area when they carried additional loads. Ants adapted the pad contact size acitvely by a contraction of the claw flexor muscle and/or passively by a proximal pull on the leg. The passive unfolding mechanism of the pads is decoupled from a neuronal control and therefore can be very fast. In experiments where the substrate were displaced rapidly it caused a sudden unfolding of the arolium. The arboreal Weaver ants may use this as a safety mechanism to cling onto the leaves when heavy raindrops or wind gusts shake the substrate. Despite the large size of the arolium in Weaver ants, both the active and passive unfolding required less force than the measured for the smaller pads of a ground living species. The economical unfolding might help the ants to keep the pads unfolded over longer periods, for instance when they keep prey insects down, carry them or when they hold leaves in place for their nest contruction. Kinematic studies revealed that movements of the legs can influence the attachment and detachment of the pads in normal walking and when they carried loads. Ants prevented peeling of their pads by reducing the angle of the tarsus to the surface. Like peeling off an adhesive tape, the pull-off forces depend on the angle of pulling. However, experiments showed that ants quickly detach from a surface when the angle of their tarsus reaches an upper range of angles. By varying the tarsus angle slightly, ants may switch easily between attachment and detachment. Recording of ground reaction forces revealed another detachment mechanism. Walking ants unloaded their feet by distally pushing the leg in order to allow a passive recoil of the tarsus and the self-elastic arolium. Both mechanisms (peeling and unloading) were used in the three leg pairs to a different extend. Running upside down also changed the walking pattern. Ants kept more feet in simultaneous surface contact and walked more slowly. When ants carried loads upside down they compensated for tipping moments of the body, by varying the footfall positions. In summary,Weaver ants can control their attachment on different hierarchical levels and combine neuronal and passive mechanisms in an elegant way. The results shown here forWeaver ants are exemplary for all animals walking with adhesive pads and may provide insights for equipping climbing robots with artificial pads. KW - Ameisen KW - Laufen KW - Haftung KW - Biomechanik KW - Kontrolle KW - Adhäsion KW - Kontrollmechanismen KW - Biomechanik KW - Weberameisen KW - Oecophylla smaragdina KW - Adhesion KW - controll mechanism KW - biomechanics KW - weaver ants Y1 - 2007 U6 - http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn:nbn:de:bvb:20-opus-28985 ER - TY - THES A1 - Pick, Simon T1 - Kinematik und visuelle Steuerung des Kletterverhaltens und der Beinplatzierung der Fliege Drosophila melanogaster und Übertragung auf die Robotik T1 - Kinematics and visual control of climbing behaviour and leg placement in the fly Drosophila melanogaster and applications to robotics N2 - Im Rahmen dieser Arbeit wurden visuelle Einflüsse auf die Beinplatzierung beim Laufen und auf das Kletterverhalten der Fliege Drosophila melanogaster analysiert. Während sich die Beinplatzierung als vorwiegend taktil gesteuert herausstellte, ist das Klettern sowohl bezüglich der Entscheidung zur Durchführung (Motivationssteuerung) als auch bezüglich der Ausführung selbst unter präziser visueller Kontrolle. Für die Untersuchungen wurde ein Lücken-Überwindungsparadigma entwickelt und die Kinematik des Kletterns über verschieden breite Lücken mit einer eigens entwickelten 3D-Hochgeschwindigkeits-Videoanlage erstmals quantitativ beschrieben. Drei wesentliche Verhaltensanpassungen sorgen dafür, dass die Fliegen die maximal mögliche Spannbreite ihrer Beine voll ausnützen und Lücken von bis zu 170% der eigenen Körperlänge überqueren können. Das Kletterverhalten wird abhängig von der Lückenbreite initiiert und sinnlose Versuche an unüberwindbar breiten Lücken vermieden. Die visuelle Lückenbreitenmessung wurde analysiert; sie beruht auf der Auswertung von Bewegungsparallaxe beim Anlauf. Einige Erkenntnisse aus der Laufforschung an Fliegen wurden auf einem im Rahmen dieser Arbeit modifizierten hexapoden Laufroboter umgesetzt und die Verbesserungen quantifiziert. N2 - This work started out to analyze visual influences on leg placement and on the climbing behavior of the fly Drosophila melanogaster. Whereas leg placement turned out to be predominantly under tactile control, climbing is indeed under tight visual control both with regard to the decision to initiate the behavior (motivational control) as well as with regard to the execution of climbing. A gap-crossing paradigm has been developed to facilitate a detailed study and the kinematics of climbing over gaps of various widths has been quantified using a 3D high-speed video analysis system developed for this purpose. Three major behavioral adaptations help the fly to exploit fully the limits of its leg span in order to overcome gaps of up to 170% of its own body length. Climbing is initiated dependent on gap width. Vain attempts to overcome insurmountably broad gaps are avoided. Analysis showed that the fly uses parallax motion generated during the approach to estimate the width of a gap. Some of the results of the research on the fly’s walking behavior have been implemented in a modified hexapod walking robot, and the improvements have been quantified. KW - Taufliege KW - Kinematik KW - Klettern KW - Verhaltensanpassung KW - Drosophila KW - Verhalten KW - Klettern KW - Laufen KW - Robotik KW - Drosophila KW - behaviour KW - climbing KW - walking KW - robotics Y1 - 2004 U6 - http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn:nbn:de:bvb:20-opus-12737 ER -