2) Lexikalisch wertendE AUSDRÜCKE OHNE HINWEIS AUF EIN BEWERTUNGSKRITERIUM

 

 

Die lexikalisch wertenden Ausdrücke[1] haben naturgemäß eine weite Extension. Sie besitzen auf langue-Ebene Wertbedeutung oder eine wertende Bedeutungskomponente, können in allen Sachbereichen werten und die bewerteten Objekte auf einer positiv-negativ-Skala einordnen. Die Norm der Bewertung(srichtung) ist meist aus dem Kontext zu erschließen. Umgekehrt dienen natürlich alle lexikalisch wertenden Lexeme als Signal für kontextuell wertende Lexeme und deren Wertungsrichtung.

Aufgeführt werden in diesem Kapitel nur lexikalische Wertbegriffe, die selbst keine Bedeutungskomponente aufweisen, die auf ein Bewertungskriterium schließen läßt.[2] Lexika­lisch wertende Begriffe mit Hinweis auf ein Bewertungskriterium sind zusammen mit kontextuell wertenden Lexemen nach Bewertungskriterien geordnet in den folgenden Kapiteln aufgeführt.

Die Wertbegriffe werden aufgrund ihrer lexikalischen Wertbedeutung Lexemgruppen zuge­ordnet, ohne die gesamte Wertungsrichtung der jeweiligen Rezension zu berücksichtigen, die durch Gradierung, Attribuierung oder Negation des betreffenden Wertbegriffes leicht oder völlig von der lexikalischen Wertbedeutung des Einzelwortes oder der einzelnen Wortgruppe abweichen kann.

Die Zuordnung erfolgt gemäß einer vierstufigen Bewertungsskala:

·      lexikalisch hochwertend,

·      lexikalisch (gemäßigt) positiv wertend,

·      lexikalisch (gemäßigt) negativ wertend,

·      lexikalisch sehr negativ wertend.

Da es bei manchen Lexemen schon Schwierigkeiten bereitet, innerhalb der ersten und letzten beiden Gruppen die Zugehörigkeit zu entscheiden, wurde auf eine weitere Differenzierung innerhalb der zweiten und dritten Gruppe verzichtet.[3]

Folgende Lexemgruppen lassen sich voneinander trennen:

·      allgemein positiv oder negativ wertende Begriffe,

·      bezogen auf den Eindruck des Rezensenten positiv oder negativ wertende Begriffe,

·      Wertbegriffe mit lexikalisierter ästhetischer Wertung;

außerdem noch die Sondergruppe der

·      Metaphern, die allgemein positiv oder negativ werten, ohne einen Bewertungsaspekt anzuzeigen.

 

 

2.1) ALLGEMEIN wertende lexikalische wertbegriffe

 

2.1.1) Positiv wertend

ZIMMER (1986, 141) bemängelt, die Kritik benutze Vokabeln, die keinen Betrachtungs­spielraum lassen, wie z.B. einmalig, gekonnt, stupend, faszinierend, überzeugend, konkurrenzlos, fesselnd, packend, virtuos, originell, groß und ebenso die Verneinungen. Zwar finden sich fast alle der genannten Begriffe im Textkorpus, doch kann die mit ZIMMERs Aussage nahegelegte durchgängige Extremwertung nicht bestätigt werden. Die Anzahl der Belege für (gemäßigt) positive Wertungen überwiegt bei weitem die Zahl der hochwertenden Belege; dasselbe gilt für den negativ wertenden Bereich.

 

 

2.1.1.1) Lexikalisch hochwertend

Folgende Lexeme weisen die Belegstellen auf:

vorzüglich, grandios, brillant, Brillanz, exzellent, hervorragend, Wunder, herrlich, wunder-bar, wundervoll, großartig, groß, Großes, glänzend, glänzen, Glanzstück, famos, furios, voll-endet, vollkommen, makellos, perfekt, trefflich, ugs. stark, toll, Klasse, geh. köstlich, kostbar, Kleinod; außerdem: unübertroffen, Höhepunkt, hochbegabt (Autor), hochentwickelt.

 

 

Kempowski versteht es vorzüglich, das in den Idyllen lauernde Grauen zu schildern [...] (ZEIT 7.10.88, MODICK über KEMPOWSKI)

[Zitat aus dem Werk] Das wäre ein vorzüglicher Schluß gewesen. (FAZ 13.6.88, SEGEBRECHT über RÜCKER)

 

Der nicht mehr umkehrbaren Trennung der Liebenden hat die Autorin im Roman „Gouverneur“ (1982) ein grandioses Monument gesetzt. (FAZ 29.3.88, KURZ über LEUTENEGGER)

Der Leser gerät in den Sog einer grandiosen Monotonie. (SZ 22.10.88, EGGEBRECHT über RANSMAYR)

 

 

Normübererfüllung bestätigt auch das Adjektiv brillant[4] bzw. das davon abgeleitete Substantiv Brillanz:

 

 

Auch gibt es einige schülerhafte Maulhurerei und brillant preußisches Tempo. (SZ 16.1.88, KAISER über BECKER)

Aber er [=Enzensberger] tut es [=Vorurteile gegen die Literatur zu berücksichtigen] [...] als brillanter Privatmann [...] brillante zeit- und literaturkritische Aktivität [...] (SZ 15.11.88, KAISER über ENZENSBERGER)

Goetz parodiert den Tonfall eines Regierungssprechers mit der gleichen Brillanz und Bosheit wie den eines [...] (FAZ 24.9.88, WITTSTOCK über GOETZ)

 

 

Ebenfalls eine Höchstbewertung bedeuten exzellent[5]  und hervorragend:

 

 

[...], daß er [=Allemann] zum Beispiel so etwas wie Stottern oder Sich-Verheddern innerhalb eines thematisch-assoziativen Feldes exzellent zu inszenieren versteht [...] (SZ 28.5.88, DREWS über ALLEMANN)

Ein gelungener Roman also? Ein hervorragend komponiertes, gut beobachtetes, gescheit inszeniertes Stück Literatur. (ZEIT 9.12.88, HAGE über NIEDERHAUSER)

 

 

Hochwertend bezüglich des Könnens des Autors ist es, wenn ihm attestiert wird, daß er ein Wunder vollbringen könne.

Die Autorin vollbringt das erzählerische Wunder einer Selbstreflexion der Kunst, die nicht selbstbezüglich bleibt. (ZEIT 29.87.88, CRAMER über BURMEISTER)

 

 

Ebenfalls Normübererfüllung (HANNAPPEL/MELENK 1979, 161) wird durch herrlich (drei Belege) und wunderbar[6] bzw. wundervoll[7] attestiert. Diese drei Lexeme sind nicht in die Gruppe der rein ästhetisch wertenden Lexeme (s.u. Kap. 2.3) aufgenommen, weil - wie die Duden-Lemmata zeigen - diese Zuordnung nicht eindeutig vornehmbar ist. Wunderbar und wundervoll sind weitgehend lexikalisiert und nicht mehr unbedingt von Wunder abzuleiten, wie auch im DUDEN angeführt.

UNTERFORSTHUBER (1982, 67) bemerkt zur Syntagmatik von herrlich:

 

 

Die Distribution von herrlich entspricht der des auch in der Bedeutung sehr ähnlichen wunderbar.

Auch herrlich ist nur als bedingt ästhetisch wertend zu bezeichnen. In vielen Fällen ist es als eine Möglichkeit der Steigerung von gut anzusehen und verhält sich dementsprechend. Darin ist es anderen Wörtern wie ausgezeichnet, hervorragend oder prächtig ähnlich. Im Unterschied zu diesen jedoch ist in herrlich die ästhetische Wertung als dominierend anzusehen.

 

 

Die Dominanz der ästhetischen Wertung bei herrlich kann durch die aufgefundenen Belege nicht verifiziert werden.[8] Es ist für jeden Beleg eine Substitution mit gut und mit schön möglich:

 

 

[...] als herrliche Nasenstüber wirken sie [=die Gedichte] sowieso. (SZ 29.5.88, DREWS über ALLEMANN)

[...] dann aber versöhnt der Autor gleich wieder mit herrlichen Details [...] (ZEIT 9.12.88, HAGE über NIEDERHAUSER)

Dieser Roman [...] fesselt [...], weil Ransmayr mit strenger, herrlich rhythmischer Sprache ohne Scheu die großen Bilder entfaltet [...] (SZ 22.10.88, EGGEBRECHT über RANSMAYR)

 

 

Die gehäufte Verwendung von herrlich in Joachim Kaisers Aichinger-Kritik in der SZ 1987 läßt ebenfalls keine eindeutig ästhetische Wertung erschließen, immer kann die Wertung auch qualitativ sein:

 

 

Man kann nur darauf hinweisen, daß hundert einfache, verängstigte, klagende, rätselvolle Seiten von Ilse Aichinger herrlich scheu und herrlich sicher auf der Welt sind [...] mit herrlich großen Metaphern [...] dann läßt sie das herrlich Nicht-Stimmige unberichtigt, unbelästigt. [...] (SZ 3.12.87, KAISER über AICHINGER)

 

 

Als Überschrift derselben Rezension verwendet Kaiser das hochwertende, präfixoidähnliche Wunder-[9], dessen Funktion durch die Alliteration noch verstärkt wird:

 

 

Wunder-Worte (SZ 3.12.87, KAISER über AICHINGER)

 

 

Für wunderbar gilt dasselbe wie für herrlich. Auch UNTERFORSTHUBER (1982, 66) stellt fest, daß teilweise „nicht oder nur schwer zu entscheiden [ist], ob wunderbar ästhetisch oder qualitativ wertet [...]“.

 

 

Wunderbar die Schilderung eines gemeinsamen Skiausflugs [...] (ZEIT 9.12.88, HAGE über NIEDER-HAUSER)

Hier [...] kann [Roth] wunderbar anschaulich sein. (SZ 17.9.88, LAEMMLE über ROTH)

Wie wunderbar - und wie genau. (ZEIT 9.12.88, KILB über BECKER)

[...] zwei wunderbare Wortschöpfungen [...] (ZEIT 5.8.88, VON BECKER über ALLEMANN/ SCHMIDT)

Der wunderbare Humor des Autors [...] (ZEIT 4.3.88, MODICK über C. ENZENSBERGER)

Die wundervollen literarischen Eigenschaften des Romans schließen eine Botschaft ein. (SZ 5.10.88, MANTHEY über WALTER)

 

 

Normübererfüllung und damit ein sehr positives Urteil spiegelt ebenfalls das Adjektiv großartig[10] wider:

 

 

Denn der Unternehmerclan der Winters inszeniert sich vor den Augen des Erzählers großartig wie von selbst. (ZEIT 7.10.88, BAUMGART über WALTER)

In einer der großartigsten Passagen erinnert Cotta sich an eine Rede des Dichters [...] (FAZ 17.9.88, SCHIRRMACHER über RANSMAYR)

[...] die Sprachkraft eines großartigen Stilisten [...] (ZEIT 4.3.88, MODICK über ENZENSBERGER)

In der großartigen Eingangserzählung sind die Motive Freiheit und Erinnerung auf meisterhafte Art miteinander verknüpft. (SZ 6.7.88, VON SCHIRNDING über TASSONI)

Der Witz, die großartige Ironie Enzensbergers entsteht immer erst, wenn er seinen Helden [...] auf die Bühne ruft [...] (FAZ 4.10.88, SCHIRRMACHER über ENZENSBERGER)

Großartig ist Blatters Prosa vor allem dort, wo sie [...] (SZ 9.11.88, BÖHMER über BLATTER)

Er hat dieses Buch groß, großartig begonnen[...] (ZEIT 7.10.88, LÜDKE über HÄRTLING)

 

 

Negativ bewertet der Rezensent im folgenden Beispiel das rezensierte Buch, aber sehr positiv das Vorbild der Autorin:

 

 

Die Vorbilder sind groß, [...] wohl zu großartig für die erzählerischen Mittel, die der Autorin zu Gebote stehen. (ZEIT 25.3.88, KLIER über SCHOLTEN)

 

 

Die beiden letzten Beispiele zeigen, wie die Rezensenten die Adjektive groß und großartig hochwertend als stilistische Varianten einsetzen. Groß hat eine wertende Bedeutungs­komponente neben weiteren polysemen Bedeutungspositionen im DUDEN[11]:

 

 

Ein großer Roman: Christoph Ransmayrs „Die letzte Welt“. (ZEIT 7.10.88, HAGE über RANSMAYR)

Ein großes Stück Autobiographie. [...] Das Buch, das autobiographisch mit der Leidensgeschichte seines Autors begann, erschütternd, anrührend, ja groß [...] (ZEIT 7.10.88, LÜDKE über HÄRTLING)

Große, auch den Leser berauschende Literatur [...] (ZEIT 19.8.88, HORSTMANN über EIGNER)

Das ist große Prosa. (ZEIT 12.8.88, RADDATZ über KIRSCH)

[...] sie [=die „Sauwaldprosa“] ist wie die Jean Pauls ein großer Monolog aus Einfällen und Einreden [...] (ZEIT 7.10.88, HOHOFF über DICK)

[...] mit herrlich großen Metaphern (SZ 3.12.87, KAISER über AICHINGER)

Otto F. Walter legt einen großen Roman kritischer Schweizer Selbstbeschauung vor [...] (SZ 5.10.88, MANTHEY über WALTER)

Diese Autorin [...] hat das Zeug zu Großem.(SZ 15.10.88, FRANKE über KRAUSS)

 

 

Unklar bleibt in folgendem Beispiel, ob das Adjektiv groß wertend gebraucht wird oder nicht. Die Gesamtrezension legt jedoch eine sehr positive Wertung nahe:

 

 

Das erfahren Cotta und wir mit ihm in Ransmayrs großem Panorama vom Ende der Welt. (SZ 22.10.88, EGGEBRECHT über RANSMAYR)

 

 

Im Unterschied dazu zeigt folgender Beleg eine Verwendung von groß ohne lexikalische Wertbedeutung, kontextuell sogar eher negativ wertend:

 

 

Nach den großen, peinlichen Gesten: die kleinen, feinen Augenblicke. (ZEIT 25.3.88, KILB über HAHN)

 

 

Auch eine Höchstbewertung ist ausgedrückt durch das Adjektiv glänzend[12], das Verb glänzen und das Substantiv Glanzstück[13] dessen präfixoidnahes erstes Element augmentative Funktion hat (BÖHEIM 1987, 206).

 

 

Denn in diesem Roman zeigt Stefan Schütz, [...] daß er eine streckenweise glänzende Prosa schreiben kann [...] (FAZ 25.6.88, FULD über SCHÜTZ)

[...] eine Täuschung, von Ransmayr glänzend in Szene gesetzt. (ZEIT 7.10.88, HAGE über RANSMAYR)

[...] um zu demonstrieren, wie glänzend, heiter-radikal und unverschwitzt Enzensberger schreibt [...] (SZ 15.11.88, KAISER über ENZENSBERGER)

Seine Prosa glänzt auch hier mit Intelligenz [...] (FAZ 28.9.88, HINCK über BEYSE)

Für das Glanzstück des Bandes halte ich [...] (FAZ 21.4.88, HINDERER über CÄMMERER)

Seine Essays gehören zu jenen Glanzstücken zeitgenössischer Prosa [...] (FAZ 4.10.88, SCHIRRMACHER über ENZENSBERGER)

 

 

Ebenfalls sehr hochwertend sind famos und furios[14]:

 

 

Ich stelle mir vor, daß Koflers maulende Mißgunst, bildlich gesprochen, das Ventil eines Papinschen Topfs sei, in welchem ein famoses Gemisch aus Galle, Herzblut, Alkohol und Tristitia brodelt. (SZ 14.9.88, KRAMBERG über KOFLER)

Die furiose Botschaft aus einer skrupellosen Welt [...] (ZEIT 25.11.88, WINKELS über GENZMER)

[...] eine furiose Untergangsvision vom Kampf der mythischen Gestalten gegen eine abgelebte Gesellschaft. (FAZ 25.6.88, FULD über SCHÜTZ)

 

 

Sehr positiv wertet der Rezensent durch vollendet[15] und betont die vollkommene, makellose Qualität des Bewertungsobjekts.

 

 

Sein Trauerspiel vereint die vollendete Rhetorik [...] mit dem dramaturgischen Raffinement. (FAZ 7.12.88, WIRSING über HACKS)

[...] und sie [=die Schlußverse eines Gedichts] pointieren eine Errungenschaft des Lyrikers Krolow, die dieser Band noch vollendeter als die vorangegangenen Gedichtsammlungen zeigt: den Altersstil nämlich [...] (FAZ 1.10.88, UEDING über KROLOW)

 

 

Das letzte Beispiel zeigt, daß auch bei sehr positiv wertenden Adjektiven der Komparativ möglich ist.

Ein Synonym zu vollendet ist vollkommen:

 

 

[...] und sie [=die Absicht] gelingt manchmal schon so vollkommen [...] (FAZ 30.1.88, UEDING über ECKART)

Aber dies Werk [...] ist so reich und innerhalb seines selbstgestalteten Rahmens auch so vollkommen [...] (ZEIT 4.3.88, MODICK über ENZENSBERGER)

 

 

Eine weitere Bezeichnung für vollkommene Qualität ist makellos:

 

 

So liegt auch in scheinbar makellosen Erzählpassagen ein dünner Schleier von Kunstgewerbe über dem Text [...] (ZEIT 7.10.88, BRAND über KONEFFKE)

Der letztgenannte Satz wird im übrigen, weil er so schön makellos und klar ist, viele Male wiederholt [...] (SZ 15.11.88, RATHJEN über LAEDERACH)

Das Konzept ist makellos [...] (ZEIT 22.4.88, RATHJEN über POLITYCKI)

 

 

Im Grunde ließe sich die Reihe der hochwertenden Adjektive vollendet, vollkommen, makellos durch perfekt[16] fortführen, doch die Rezensionen belegen für dieses Adjektiv eine andere Bewertungsrichtung. Kontextuell erschließbar ist in Kaisers Kritik eine negative Wertung:

 

 

[Anfang:] Lauter ziemlich perfekte Sätze. [...] Trotzdem rufe ich, daß mich dieser letzte Lettau-Band, in dem einiges Wunderhübsche neben viel Perfekt-Belanglosem steht, ein wenig enttäuscht. (SZ 30.3.88, KAISER über LETTAU)

 

 

Sehr positiv wertet hingegen trefflich[17]:

 

 

Soweit zum Trefflichen. (FAZ 26.2.88, WEINZIERL über FRIED)

 

 

Mit stark[18], toll[19] und Klasse[20] finden sich auch sehr positiv wertende umgangssprachliche bzw. jugendsprachliche Wendungen unter den Rezensionen:

 

 

[...] zwei wirklich starke Heimat-Verse [...] ein tolles Stück später Anakreontik („Thrakischer Nachklang“) (ZEIT 9.12.88, KILB über HENSEL)

[...] vielleicht die tollste - geglückteste, überzeugendste - Erfindung Allemanns [...] (SZ 29.5.88, DREWS über ALLEMANN)

[...] die Jandl-Klasse [..] (ZEIT 5.8.88, VON BECKER über ALLEMANN)

 

 

Auf gehobener Stilebene sehr positiv wertend ist köstlich[21]:

 

 

[...]„und sind uns ziemlich nah und doch sehr fern.“ Ein köstliches „ziemlich“ - [...] (FAZ 4.11.88, HARTUNG über BERGER)

 

 

Ebenfalls das Wertvolle betonend ist  kostbar[22] und Kleinod[23]:

 

 

Das macht ihre Texte kostbar [...] (ZEIT 22.4.88, NEUMANN über AICHINGER)

Wunderbar die Schilderung eines gemeinsamen Skiausflugs, ein erzählerisches Kleinod! (ZEIT 9.12.88, HAGE über NIEDERHAUSER)

 

 

Sehr positiv wertet das Substantiv Höhepunkte, wenn es - wie im ersten Beispiel - ohne weitere Attribute gebraucht wird.

 

[...] und einige Szenen sind wirkliche Höhepunkte [...] (SZ 30.4./1.5.88, LEDANFF über THENIOR)

Stilistische Höhepunkte des Textes sind sicherlich die Passagen über [...] (SZ 17.9.88, FISCHER über SPÄTH)

 

 

Nicht mehr sehr positiv wertend wirkt das Substantiv, wenn es im dramaturgischen Sinne bzw. bezüglich der Struktur des rezensierten Werkes eingesetzt wird:

 

 

Vor allem das Scene-Treiben ist auf ein paar szenische Höhepunkte beschränkt. (SZ 30.4./1.5.88, LEDANFF über THENIOR)

 

 

Das Können und Talent des Autors wird sehr positiv bewertet durch die Präfixoidbildung hochbegabt. FLEISCHER (1975, 291) bemerkt zu dem augmentativ[24] gebrauchten Präfixoid hoch-, es „verbindet sich nicht mit Adjektiven, deren Bedeutung sich auf einen negativ bewerteten Begriff bezieht [...], ferner besonders auch mit partizipialen Adjektiven [...].“ Das Präfixoid „vermittelt eine Sprecherwertung der Anerkennung“. (KÜHNHOLD u.a. 1978, 203) Die Augmentation durch hoch- - vergleichbar mit der durch die Gradpartikel sehr - des schon positiv bewerteten Begriffs begabt (s.u. Kap. 2.1.1.2) bewirkt somit die sehr positive Bewer­tung.

 

 

Gerd-Peter Eigner ist ein solcher Vermittler, und ein hochbegabter obendrein. (ZEIT 19.8.88, HORSTMANN über EIGNER)

 

 

Das Talent betreffend wertet auch die Präfixoidbildung hochentwickelt sehr positiv.

 

 

[...] hochentwickelte lyrische Sensibilität [...] (SZ 15.11.88, KAISER über ENZENSBERGER)

 

 

2.1.1.2) Lexikalisch (gemäßigt) positiv wertend

Folgende Wörter sind zu dieser Gruppe zu rechnen:

tadellos, niveauvoll, (von) Rang, anspruchsvoll, zählen, wichtig, reizvoll, Reiz, gehoben, gut, Qualität, gepflegt, richtig, stimmen, auszeichnen, Vorzug, Vorteil, Mehrwert, Ereignis, Ent-deckung, nützlich.

Auf den Erfolg der künstlerischen Anstrengung weisen hin: gelingen, gelungen, geglückt, sich bewähren, Treffer, Wurf.

Das Können des Künstlers bewerten: können, wissen zu, verstehen zu, vermögen, fertigbrin-gen, beherrschen, zu Hause sein, Stärke, Fähigkeit, Nuancierungsfähigkeit, Sinn für ..., Talent (haben), Erzähltalent, Begabung (haben), begabt.

 

Im Gegensatz zu makellos ist tadellos[25] als etwas weniger hochwertend einzustufen.

 

 

Es entsteht hier ein tadellos recherchiertes [...] Zeitbild. (SZ 5.10.88, STROMBERG über ZELLER)

 

 

Positiv den Rang bzw. die Qualität bewertet das abgeleitete Adjektiv niveauvoll[26].

 

 

[...] was Einschübe mit niveauvoller Zeitdiagnose nicht ausschließt. (FAZ 3.5.88, HINCK über KELTER)

 

 

Verwandt mit dieser Bewertung (vgl. DUDEN-Lemma) ist das Substantiv Rang.

 

 

Durch die Mansfieldsche Welt ihre [Hervorhebung d. Rez.] Welt [...] zu deuten [...] das macht den Rang und den Reiz dieses Buches aus. (SZ 5.10.88, SCHMITT über MOOG)

Mit dem Roman „Das sanfte Gesetz“, dem Abschluß seiner Freiamt-Trilogie, hat Silvio Blatter endgültig bewiesen, daß er ein Erzähler von Rang ist [...] (SZ 9.11.88, BÖHMER über BLATTER)

 

 

Ebenso positiv wird die Qualität durch das abgeleitete Adjektiv anspruchsvoll[27] bewertet.

 

 

„Kontrolliert“ ist anspruchsvoller Lesestoff, dem man sich behutsam und geduldig nähern sollte [...] (FAZ 24.9.88, WITTSTOCK über GOETZ)

Anspruchsvolle Wortkunst wird hier zum Alibi für alles das, was „Die letzte Welt“ auf andere Art nicht bieten mag [...] (SZ 22.10.88, KAISER über RANSMAYR)

Denn in diesem Roman zeigt Stefan Schütz, [...] daß er eine streckenweise glänzende Prosa schreiben kann, spannend und anspruchsvoll [...] zugleich. (FAZ 25.6.88, FULD über SCHÜTZ)

 

 

 

Daß etwas Wert besitzt und daher positiv bewertet wird, darauf verweist das Verb zählen.

 

 

[...] mit [...] Gedichten, die zählen [...] (SZ 29.5.88, DREWS über ALLEMANN)

 

 

Auf die Wichtigkeit[28] eines Buches verweisen die Rezensenten gern. Auch ZIMMER (1986, 119) bemerkt, daß vieles, was den Kritikern gefällt, wichtig, gewichtig oder bedeutend ist.

 

 

„Jesus in Osaka“ oder „Der Flug ins Herz“ sind darum wichtige Beispiele deutscher Gegenwartsprosa. (SZ 1.6.88, SCHMITT über HERBURGER)

[...] und es sind [...] besonders wichtige, weil streitbare Texte. (ZEIT 9.12.88, AHRENDS über WOLF)

 

 

In den Übergangsbereich zu charakterisierenden Beiwörtern verweist BÖHEIM (1987, 73) das abgeleitete Adjektiv reizvoll. Für das zugrundeliegende Substantiv Reiz[29] weist das Korpus immerhin sechs Belege auf. Dadurch daß das Substantiv Reiz nur gemäßigt positiv wertet, ist es den Rezensenten möglich, abwägende Urteile, die auch negative Aspekte einbeziehen, zu fällen (vgl. Beispiele 1-5).

 

 

(1) Zwar läßt sich ohne Schwierigkeiten die zuweilen reizvolle Eigenwilligkeit seiner Prosa bemerken [...] (SZ 15.11.88, FALCKE über BEYSE)

(2) Schenks Gedichte ziehen ihren Reiz vornehmlich aus der Kunst am Fabulieren [...] (FAZ 25.5.88, HINDERER über SCHENK)

(3) [Zitat) Kein Zweifel: Selbst hier ist die Grenze zum Kunstgewerblichen nah, indes haben gerade Gratwan-derungen ihren eigenen, eigentümlichen Reiz. (FAZ 6.2.88, WEINZIERL über MÜLLER)

(4) Das kann seinen Reiz haben; auf die Dauer wirkt es ermüdend und leise langweilig. (FAZ 2.12.88, OBER-MÜLLER über SCHUTTING)

(5) Genau an diesem Punkt lassen sich der Reiz und die Problematik von Brigitte Burmeisters Prosa erkennen. (FAZ 18.7.88, BIELEFELD über BURMEISTER)

(6) Durch die Mansfieldsche Welt ihre [Hervorhebung d. Rez.] Welt [...] zu deuten [...] das macht den Rang und den Reiz dieses Buches aus. (SZ 5.10.88, SCHMITT über MOOG)

(7) Die Geschichte mit dem lapidaren Titel „Einer“ bannt durch den Reiz einer schlichten, aber umso präzi-seren Sprache [...] (ZEIT 4.11.88, WEISS über GSTREIN)

 

 

Gemäßigt positiv wirkt gehoben[30], auch wenn die Wertung im folgenden Beispiel aufgrund des Substantivs Redakteurslyrik eher negativ ausfällt:

 

 

Denkgedichte wie „Bloch bleibt: Bloch“ zähle ich eher zur gehobenen Redakteurslyrik [...] (ZEIT 9.12.88, KILB über HENSEL)

 

 

Natürlich finden sich unter den Belegen auch gut-Prädikationen[31] (s.o. Teil 1, Kap. 3), die als isolierte Prädikationen wenig informativ sind[32], wie z.B. im folgenden Beleg:

 

 

Der Roman ist in seiner Art gut. (SZ 15.11.88, GRIMMINGER über MÖCHEL)

 

 

Doch das Werte- oder Normensystem des Rezensenten ist kontextuell zu erschließen.[33] Die Wertungsrichtung oder -intensität wird häufig durch Gradierung variiert.

 

 

[...] und sie ist eine gute Beobachterin [...] (FAZ 2.12.88, OBERMÜLLER über SCHUTTING)

[...] aufregend gute, vor Lebendigkeit sprühende [...] Gedichte (SZ 28.5.88, DREWS über ALLEMANN)

Gelungen ist das sehr schön in der Novelle „Der Aufklärungsmacher“ [...]; weniger gut in „Ultima Thule. Eine Rückkehr.“ (SZ 15.11.88, FALCKE über BEYSE)

Ein gelungener Roman also? Ein hervorragend komponiertes, gut beobachtetes, gescheit inszeniertes Stück Literatur. (ZEIT 9.12.88, HAGE über NIEDERHAUSER)

Schnurre jedenfalls, so scheint mir, ist in den „Zigeunerballaden“ gut über das Unwahrscheinliche ins Wahre gesprungen. (FAZ 30.12.88, SCHULZ über SCHNURRE)

Die Tatsache, daß nach der Lektüre vor allem manch gut ausgespielte Szeneneinfälle bleiben, beweist, [...] Die Trends scheinen in dem kleinen Scene-Buch in ihren Begleiterscheinungen gut studiert. (SZ 30.4./1.5.88, LEDANFF über THENIOR)

Und unweigerlich verliert auch hier, wie überall in der Kunst, das bloß Gutgemeinte gegen das Gutgemachte. (ZEIT 7.10.88, BAUMGART über WALTER)

 

 

Für die Güte bzw. den Wert eines Werks, aber auch das Talent des Autors stehen die Begriffe Qualität und gepflegt (vgl. BÖHEIM 1987, 72).

 

 

Lettaus Tendenz, literarische Qualität gewissermaßen zu erzwingen [...] (SZ 30.3.88, KAISER über LETTAU)

Ihre Qualitäten sind nicht geringer als die der später geschriebenen [...] (ZEIT 26.2.88, HACKL über TASSONI)

[...] und [er] schreibt ein gepflegtes Deutsch [...] (FAZ 13.6.88, SEGEBRECHT über RÜCKER)

 

 

Mit richtig wird das außersprachliche Bezugsobjekt „als den Erwartungen entsprechend, pas­send bzw. angemessen“ (BÖHEIM 1987, 73) bewertet. Ähnlich urteilt auch das Verb stimmen.

 

 

Schnurres Wahl des „historischen Präsens“ [...] war ein richtiger Griff [...] (FAZ 30.12.88, SCHULZ über SCHNURRE)

[...] jedes Detail stimmt. (ZEIT 9.9.88, RADDATZ über BOOCK)

 

 

Ein impliziter Vergleich liegt vor bei der Verwendung der Wörter auszeichnen, Vorzug[34], Vorteil.

 

 

Walser, das zeichnet ihn auch aus, sensibler und weitaus empfindsamer als der gewöhnliche Bahnsteigbenutzer [...], sah natürlich das Dilemma. (ZEIT 16.9.88, LÜDKE über WALSER)

Es ist ein Vorzug des Romans, daß [...] (FAZ 29.3.88, WEGNER über GRÖPER)

[...] zeigt doch der knappe, titelgebende Eröffnungstext alle Vorzüge des Talents von Herta Müller [...] (FAZ 6.2.88, WEINZIERL über MÜLLER)

[...] die Geschichten [nehmen] einen deutlich lyrischen Grundton an. Dies leider nicht immer zu deren Vorteil. (FAZ 9.7.88, WITTSTOCK über ANDERSON)

Der ganze Roman profitiert von diesem Gedanken - und dies nicht zu seinem Vorteil. (FAZ 15.3.88, HANK über DEAN)

 

 

Begriffliche Anleihen aus der Marxschen Theorie nimmt folgende Rezension:

 

 

Durch seine Ironie gewinnt Späth den Erzählungen immer einen sprachlich-ästhetischen Mehrwert für den Leser ab. (SZ 17.9.88, FISCHER über SPÄTH)

 

 

Eine herausragende Leistung wird zum Ereignis, ein guter Autor metonymisch[35] zur Entdeckung:

 

 

[...] hingerissen zwischen Sprachwitz und Denklust wird die Lektüre zum Ereignis. (ZEIT 25.3.88, WEISS über KIESERITZKY)

Das in sieben Zeilen - eine wörtliche Naturkatastrophe, kein sprachliches Ereignis. (SZ 13.7.88, MANTHEY über KONRAD)

 

Das ändert nichts an der Tatsache, daß dies ein höchst bemerkenswertes Debüt ist, ja eine literarische Entdeckung. (SZ 4.6.88, CRAMER über SCHMIDT)

Jetzt aber können wir mit dem Buch einen neuen Erzähler entdecken. (ZEIT 29.1.88, SCHÖDEL über ASCHENBECK)

 

 

Ungewöhnlich ist es, schöner Literatur einen Nutzen zuzusprechen:[36]

 

 

[...] und zu solchem Lernen, Aufmerksamwerden, Fragestellen ist dieses kleine Buch nützlich und willkommen. (FAZ 15.10.88, SCHULZ über HÄRTLING)

 

 

Ebenfalls (gemäßigt) positiv werten folgende lexikalischen Wertbegriffe mit Bezug auf den Erfolg der künstlerischen Anstrengung (BÖHEIM 1987, 44, 128, 154; KIENECKER 1989, 78):

Wertungen wie gelingen[37], gelungen, geglückt[38], sich bewähren, Treffer[39], Wurf[40] gehen speziell darauf ein, ob der Künstler erfolgreich sein Ziel erreichen konnte, ob er fähig war, seine Aufgabe zu bewältigen. Äußerst hochwertende Formulierungen sind in unserem Korpus für diese Lexemgruppe nicht zu finden.

Für das Verb gelingen liegen 29 Belege vor, für gelungen nochmals neun Belege, dies beweist die Beliebtheit derartiger Formulierungen bei den Rezensenten.

 

 

[...] und es gelang ihr [=Duvanel], die Atmosphäre des Handlungsraumes [...] auf selten mehr als drei Seiten einzufangen. (SZ 6.8.88, VON BECKER über DUVANEL)

Auf der ersten Seite des Romans gelingt ihm der Trick, alles zu sagen und nichts zu verraten. (SZ 13.8.88, AUFFERMANN über HOFMANN)

[...] mehrere [...] gelungene Wie-Vergleiche [...] (ZEIT 9.12.88, KILB über HENSEL)

Zu den gelungenen Texten von Erika Burkart gehören gerade jene, die [...] (FAZ 26.7.88, KROLOW über BURKART)

 

 

Für geglückt liegen nur drei Belege vor:

 

 

Das lange Gedicht konnte, trotz manch geglückter Zeile, manch prägnantem Bild, im ganzen wenig überzeugen [...] (FAZ 4.10.88, HIEBER über SOELLNER)

Vielmehr bewährt sich Rothmanns Erzähltalent [...] nun in einem gänzlich anderen Klima. (ZEIT 7.10.88, VON BECKER über ROTHMANN)

 

 

Bilder aus dem Bereich des Sports liegen den Wertungswörtern Treffer bzw. Wurf zugrunde:

 

 

Denn [...] diese Sammlung enthält nicht den einen oder anderen „Wurf“, sondern wirkt in jedem ihrer Stücke als Ausdruck einer souveränen Sprachkunst. (SZ 16.7.88, VON SCHIRNDING über NESTLER)

Beim Lesen fühlt man sich meist wie in einer privaten Dia-Vorführung, bei der ein guter Bekannter die künstlerischen Treffer in einer Masse von Schnappschüssen untergehen läßt. (FAZ 22.10.88, MIEHE über WOHMANN)

 

 

Das Können des Künstlers wird durch Lexeme bestätigt wie können (vier Belege), wissen zu..., verstehen zu ... (zehn Belege), vermögen (drei Belege), fertigbringen.

 

 

[...] daß Allemann ganz einfach was kann, ganz enorm viel kann [...] (SZ 28.5.88, DREWS über ALLEMANN)

[...] sie [=die Autorin] weiß ihre Mittel zu kalkulieren. (ZEIT 9.9.88, HAGE über ZELLER)

[...] [er] versteht zu dialogisieren [...] (FAZ 13.6.88, SEGEBRECHT über RÜCKER)

Kaum einer vermag die Verwerfungen und Abgründe in den menschlichen Verhältnissen besser auszuloten als Walser. (ZEIT 16.9.88, HAGE über WALSER)

Eines bringt Becker fertig: [...] (SZ 16.1.88, KAISER über BECKER)

 

 

Das Können des Künstlers und seine SICHERHEIT werden gewürdigt mit Lexemen und Wortgruppen wie beherrschen und zu Hause sein.

 

 

Überhaupt beherrscht dieser Schriftsteller die Kunst des Weglassens, des trockenen Tons. (ZEIT 7.10.88, VON BECKER über ROTHMANN)

In ihrem [=der Autorin] Bemühen, private Verhaltensweisen durch historische und gesellschaftliche Voraussetzungen zu deuten, begibt sie sich leider häufig in Reviere, in denen sie nicht zu Hause ist. (FAZ 16.3.88, MIEHE über SCHEIB)

 

 

Ebenfalls auf die Fähigkeiten und das Können des Schriftstellers gehen Substantive ein, wie Stärke[41] (zwei Belege), Fähigkeit (fünf Belege und das Kompositum Nuancierungsfähigkeit), Sinn für ..., Talent (haben) (sechs Belege und das Kompositum Erzähltalent), Begabung (haben) und das Adjektiv begabt[42].

 

 

Daß seine Stärke in der kühlen, photographischen Technik liegt, muß Herbert Genzmer inzwischen klar geworden sein. (ZEIT 25.11.88, WINKELS über GENZMER)

Beyse spielt im neuen Band wieder mit allen seinen Fähigkeiten [...] (FAZ 28.9.88, HINCK über BEYSE)

Über weite Strecken verrät er eine sprachliche Nuancierungsfähigkeit. (FAZ 29.3.88, WEGNER über GRÖPER)

[...] Sinn für Dramatik [...] (FAZ 5.7.88, WITTSTOCK über ANDERSON)

Thomas Meinecke hat [...] schriftstellerisches Talent für die Fixierung und geschickte erzäh­lerische Überhöhung solcher Kuriositäten. (SZ 5.10.88, HAUCK über MEINECKE)

Vielmehr bewährt sich Rothmanns Erzähltalent [...] nun in einem gänzlich anderen Klima. (ZEIT 7.10.88, VON BECKER über ROTHMANN)

 

 

Das Abstraktum Talent steht darüber hinaus metonymisch für Personen[43]:

 

 

Dieser Autor ist, trotz einiger Manierismen, ein ganz eigenständiges, ja beinahe unzeitgemäßes Talent. (FAZ 17.9.88, SCHIRRMACHER über RANSMAYR)

 

 

Dieselbe Verwendungsweise findet sich bei dem Wort Begabung - als Abstraktum und metonymisch für die Person des Autors - in derselben Kritik:

 

 

[...] ist man von diesem Buch schon besiegt, und zwar gründlich. Besiegt von der Prosa, die Christoph Ransmayr schreibt, und von seiner Begabung, sich einen Weg durch alle Erwartungen zu bahnen [...] Man lasse sich von der letzten Welt erzählen. Sie zeigt ihren jungen Autor, das ist gewiß, als eine der großen Begabungen seiner Generation. (FAZ 17.9.88, SCHIRRMACHER über RANSMAYR)

Monika Cämmerer ist zweifelsohne eine begabte Lyrikerin und Prosaistin [...] (FAZ 21.4.88, HINDERER über CÄMMERER)

 

 

 

 

2.1.2) Negativ wertend

2.1.2.1) Lexikalisch (gemäßigt) negativ wertend

Ein Überblick über die Wörter dieser Gruppe:

belanglos, Marginalie, harmlos, Harmlosigkeit, unbedeutend, unscheinbar, unblendend, unfroh, ungut, zweite Klasse; unnütz, unnötig, ohne Funktion, bedenklich, gibt zu denken, zweifelhaft, verhängnisvoll, unselig; billig, schwach, schwächlich, schlecht, Quark.

Tendenz zur Verschlechterung: sich selbst unterbieten, versanden, verkümmern, verkommen; verschenken, verspielen, verderben, Sprachverhunzung, zerreden, Zernichtetes, ruinieren.

Kein Erfolg der künstlerischen Anstrengung: mißraten, mißglückt, mißlungen, schief-gehen, scheitern/Scheitern, daneben(gehen); gut gemeint, Versuch.

Kein Können des Autors: Schwierigkeiten, Problem, Problematik, problematisch, unfähig, Unvermögen.

Hinweis auf einen (möglichen) Fehler: Gefahr; Ausrutscher, Unachtsamkeit, Niveauabfall, Schnitzer, Patzer, Panne, Schwäche, Schwachstelle.- Leiden an, kranken an, sich versündigen, Einbruch, Entgleisung, Unkorrektheit, Fehler, Kunstfehler, falsch, Mangel, Untugend, Mißgriff, unangebracht.- Nicht dürfen.

Nichtvorhandensein: fehlen, gebrechen an, Null, leer, Inhaltsleere, Leerstelle, hohl, Substanzlosigkeit, sprachlos, nichtssagend.

Zu wenig: mangeln an, Mangel an, verlorengehen, nicht viel zu sagen haben, wenig zu sagen haben, wenig ausdrücken; nicht ausreichen, nicht hinauskommen über, dürftig, Dürftigkeit, spracharm, sich erschöpfen, Grenzen.- Histörchen, Förmchen, Mini-Surrealismus.

Zu viel: übertrieben, Übertreibung, überzogen, übersteigert, Übersteigerung, überfunktio-nalisiert, Überreizung, überdreht, overwritten, Überfrachtung; übers Ziel hinausschießen, sich überschlagen, das Von-allem-Zuviel, Substantiv-Ungetüme, aufdringlich, inflationär; überflüssig, Redundanz, strecken, -fimmel, -sucht; umständlich, wortreich, sich ergehen in, wabern, labern, schwadronieren, geschwätzig, Geschwätz, Geschwätzigkeit, Schwätzerchen, Gerede, redselig.

 

Keinen Wert, keine Bedeutung mißt der Rezensent dem Werk bei mit den Ausdrücken belanglos[44] , Marginalie[45], harmlos bzw. Harmlosigkeit, unbedeutend und unscheinbar:

 

 

Auch heben sich die Gedichte [...] wohltuend von einer Reihe belangloser Arbeiten ab, die besser in der Schublade geblieben wären. (FAZ 21.4.88, HINDERER über CÄMMERER)

Sie [...] deuten eine Schwachstelle an, nämlich, daß die Geschichten rasch belanglos werden [...] (SZ 30.4./1.5.88, HÜFNER über HAUFS)

Er nimmt Zuflucht zu den Gedanken anderer [...] und endet doch stets bei Belanglosigkeiten. (FAZ 7.6.88, MEYHÖFER über MENASSE)

 

 

Auf die Kombination von perfekt und gemäßigt negativer Wertung wurde schon hingewiesen (vgl. Kap. 2.1.1.1):

 

 

Trotzdem rufe ich, daß mich dieser letzte Lettau-Band, in dem einiges Wunderhübsche neben viel Perfekt-Belanglosem steht, ein wenig enttäuscht. (SZ 30.3.88, KAISER über LETTAU)

Im nachfolgenden „Schwanenhaus“ reift die Charge allmählich zum Charakter, die Marginalie zum abendfüllenden Sujet. (ZEIT 16.9.88, HAGE über WALSER)

 

 

Die Entwicklung zum Positiven verdeutlicht Hage durch die Gegenüberstellung; Marginalie steht für etwas Unwichtiges und erfährt damit eine gemäßigt negative Wertung.

Der Marginalie ähnlich in Bedeutung und Wertung sind harmlos bzw. Harmlosigkeit:

 

 

[...] bleibt das geschilderte Milieu [...] häufig trist und harmlos. (SZ 30.4./1.5.88, LEDANFF über THENIOR)

[...] da mißrät ihr jetzt der Text zur hochgestemmten Bedeutsamkeit, die leicht in beliebige Harmlosigkeit umschlägt. (SZ 6.8.88, VON BECKER über DUVANEL)

Auch dieser Text ist von atemberaubender Harmlosigkeit [...]. (SZ 15.6.88, DREWS über HAHN)

 

 

Die ironisierende Kombination mit dem Attribut atemberaubend, das eine Sensation erwarten läßt, aber keine Harmlosigkeit, verstärkt die negative Wertung.

Als Verneinung des gemäßigt positiv wertenden bedeutend wertet unbedeutend gemäßigt negativ:

 

 

Artistisch ist das Buch unbedeutend [...] (ZEIT 9.9.88, RADDATZ über BOOCK)

 

Nicht mehr trennbar und damit lexikalisiert ist das Negationspräfix im bedeutungsähnlichen unscheinbar:

 

 

Manches ist unscheinbar [...] (SZ 10.9.88, HÜFNER  über DÜRRENMATT)

 

 

Aus dem hochwertenden Adjektiv blendend wird durch Negationspräfix das im allgemeinen Sprachgebrauch eher ungebräuchliche, gemäßigt negativ wertende Adjektiv unblendend:

 

 

[...] ein überraschend unblendender Essay. (ZEIT 30.9.88, BAUMGART über ENZENSBERGER)

 

 

Nur gemäßigt abwertend wirkt das Negationspräfix un- in unfroh und ungut, da ein Antonym zu froh bzw. gut existiert:[46]

 

 

[...] und was zur Allegorie hätte geraten können für die Vergeblichkeit hilfreicher Bücher, endet mit einem unfrohen Blackout. (SZ 30.3.88, KAISER über LETTAU)

Das [=ein Höchstmaß an Authentizität zu fordern] ist ungut, gefährlich. (FAZ 30.4.88, SCHIRRMACHER über BURGER)

 

 

Den Wert eines Kunstwerks ähnlich herabmindernd wie das Negationspräfix un- ist die in Relation zu erstklassig bzw. erste Klasse schlechtere Bewertung mit dem Numerale zweit-:[47]

 

 

[Überschrift] Mit erlauchten Worten Wirkungen zweiter Klasse (SZ 22.10.88, KAISER über RANSMAYR)

 

 

Auf den Umstand, daß ein Bestandteil eines Kunstwerks oder das gesamte Werk ohne Sinn und Funktion ist, verweisen Begriffe mit Negation wie unnütz, unnötig und ohne Funktion:

 

 

[...] und wo sie [=die Eintragungen] überraschende Wendungen nehmen, zermürbt Burger sie durch unnütze Wiederholungen. (FAZ 30.4.88, SCHIRRMACHER über BURGER)

Sie flicht Leseerlebnisse ein, sie streckt mit unnötigen Geschichten. (SZ 10.9.88, KAISER über NADOLNY)

[...] sie [= die angewendete Sorgfalt] ließ uns gern über manch unnötig stilisierte Wendung hinwegsehen. (ZEIT 11.3.88, IRRO über RÜCKER)

[Zitate] - dieses so hochdiffizile Stilmittel [=Parataxe], dem sich die Härte und Distanz Uwe Johnsons ver-dankt, ist hier neckisch, weil ohne Funktion eingesetzt. (ZEIT 12.8.88, RADDATZ über KIRSCH)

Er [=der Autor] scheint sich jedoch nicht deutlich gemacht zu haben, daß der Leser auf gestalterisches Unver-mögen schließen muß, wenn die Kunstgriffe [=Perspektivenwechsel, Brüche im Erzählvorgang] ohne jede er-kennbare Funktion bleiben. (FAZ 22.6.88, JACOBS über SCHERTENLEIB)

 

 

Gemäßigt negative Wertung liegt ebenfalls vor in den Wendungen bedenklich, gibt zu denken, zweifelhaft, etwas deutlicher noch in verhängnisvoll und unselig:

 

 

[...] nur werden die Bilder dabei so schief, die Sätze gar grammatisch so bedenklich, daß man allenfalls von unfreiwilliger Komik sprechen kann. (SZ 5.10.88, HAUCK über MEINECKE)

Schon daß man die Stories von der sie tragenden Prosa völlig trennen kann, gibt zu denken. (SZ 10.2.88, KNODT über ASMODI)

Mit feierlichem Tremolo wird längst Gedachtes oder schon im Satzbau Zweifelhaftes vorgetragen [...] (FAZ 20.9.88, MIEHE über BLATTER)

Anders als dort [=in „Das Affenhaus“] hat dieses Prinzip [=Reflexionen- und Metaphernhäufung] in „Die Tiere“ aber einen verhängnisvollen Effekt [...] (SZ 15.11.88, FALCKE über BEYSE)

Der Autor kam auf den unseligen Einfall, in einer Sprache zu erzählen, die ihre Herkunft aus dem Spätex-pressionismus auf keiner Seite verleugnet. (FAZ 31.5.88, KLESSMANN über ORTMANN)

 

 

Noch etwas deutlicher negativ werten billig[48], schwach[49], schwächlich, schlecht[50] und um-gangssprachlich Quark[51]:

 

 

Wie billig wäre es, die zwei schon älteren Menschen zusammenkommen oder auseinander­gehen zu lassen. (SZ 11.6.88, MOSER über BAUR)

[...] ganz schwache Gedichte [...] (SZ 28.5.88, DREWS über ALLEMANN)

Wenn sie einmal einen Gedanken, einen Sachverhalt zugespitzt formulieren will, gelangt sie höchstens zu schwächlichen Paradoxa. (SZ 15.6.88, DREWS über HAHN)

 

 

Die negative Wertung durch das deadjektivische Derivat schwächlich ist etwas weniger stark ausgeprägt als die Wertung durch schwach, denn derartige Derivate „drücken eine gewisse Abschwächung aus, das Objekt, auf das sie sich beziehen, hat die angegebene Eigenschaft nicht in vollem Maße“ (FLEISCHER 1975, 272).

 

 

Wenn Bedeutung sich nicht mehr auf der Linie erzählter Handlung entfalten kann, treiben die Allegorien ihr schlechtes Eigenleben und beginnen zu wuchern. (FAZ 8.10.88, HANK über SCHNEIDER)

[...] allesamt schlecht synchronisierte Marionetten [...] (FAZ 17.9.88, GÖRTZ über WALSER)

Abgesehen davon, daß dieser Satz schlechtes Deutsch ist [...] (FAZ 4.10.88, KRÜGER über WOLF)

[...] wird ein unsäglicher, nicht zu referierender Quark [...] breitgetreten. (ZEIT 11.3.88, MODICK über DIEDERICHSEN)

 

 

Die Verwendung von Umgangssprache im Feuilleton der renommierten ZEIT verstärkt die Abwertung durch den Rezensenten, ebenso die emotionale Wirkung des Adjektivs unsäglich[52].

Eine spezielle Gruppe unter den (gemäßigt) negativen Ausdrücken ist die mit der Bedeutung, daß eine Tendenz zur Verschlechterung vorliegt, bzw. daß etwas schlechter (gemacht) wird:

sich selbst unterbieten; versanden[53], verkümmern, verkommen; sich verlieren; verschenken[54], verspielen[55], verderben, Sprachverhunzung; zerreden, Zernichtetes[56]; ruinieren.

Der Vergleich mit früheren Werken fällt zu Ungunsten des rezensierten Buches aus:

 

 

Mit seinem neuen Band hat sich der Satiriker Hermann Kant selbst unterboten. (FAZ 17.5.88, HINCK über KANT)

 

Doch spricht er [=Roth] mit fremden Zungen, immer wieder. Thomas Bernhard ist da zu hören in einer Prosa, die sich zu einer galligen Justizschelte anschickt, aber ohne den hitzigen Spontanausdruck des Originals matt versandet. (ZEIT 14.10.88, KRAMER über ROTH)

Allzuviel klingt hier bloß gutgemeint, bleibt sprachlich uninteressant, so daß die Botschaft Frieds zur poetisch-prosaischen Predigt, zu neuestzeitlicher Kalenderspruchweisheit verkümmert. (FAZ 26.2.88, WEINZIERL über FRIED)

Er ist nie komisch, sondern immer nur geistreich auf jene quecksilbrige Weise, die schnell zu ermüdender Langeweile verkommt. (ZEIT 22.4.88, RATHJEN über POLITYCKI)

Daß der Autor Möglichkeiten nicht nutzt oder seine Fähigkeiten nicht richtig einsetzt, so daß sein Werk von schlechterer Qualität ist, als man es eigentlich erwarten könnte, kritisieren folgende Rezensionen:

 

 

[...] aber er verschenkt dieses Motiv des Seiltänzers, das er viel zu früh abbricht. (ZEIT 8.1.88, STÄNNER über AMANN)

Beyse spielt im neuen Band wieder mit allen seinen Fähigkeiten, verspielt aber seine Wirkungsmöglichkeiten durch Überreizung. (FAZ 28.9.88, HINCK über BEYSE)

 

 

Das Wortspiel mit spielen und verspielen verdeutlicht den Mißerfolg von Beyses Anstrengung.

 

 

Erst in ihren Miniaturen trifft Ulla Hahn jene Zwischentöne, die sie sonst so protzig verspielt. (ZEIT 25.3.88, KILB über HAHN)

Doch Rücker fügt noch einen inneren Monolog an, der mit seiner aufdringlichen Symbolik unerträglich ist und alles verdirbt. (FAZ 13.6.88, SEGEBRECHT über RÜCKER)

Bloß geht es diesmal nicht ums Schreiben, sondern ums Denken. Weshalb die an der Hochschule eingeübte Sprachverhunzung hier ihre grausige Wirkung tut. (SZ 5.10.88, HÖBEL über GOETZ)

[...] und [der Text] zerredet sich am Anspruch, ein Plädoyer für Anders [...] zu sein. (SZ 10.9.88, WEISS über BURMEISTER)

 

 

Die folgenden Beispiele Zernichtetes und ruinieren stellen schon den Übergang zu sehr negativ wertenden Lexemen dar:

 

 

Aus lauter Zurückgedachtem, Zurechtgegrübeltem und gedanklich Zernichtetem formt Goetz hier eine ziemlich genau 270 Seiten lange Hirnwurst. (SZ 5.10.88, HÖBEL über GOETZ)

Es kommt auch vor, daß Allemann ein Gedicht in der vierten Zeile durch Gebrauch von flottem Szene-Jargon [...] ruiniert [...] (SZ 28.5.88, DREWS über ALLEMANN)

So, wie sich der Autor in Sprache und Stil, um Drastik bemüht, immer wieder einmal überschlägt, so ruiniert er die eigene Figurenführung um des Effektes willen. (SZ 2.3.88, HÜFNER über RADDATZ)

 

 

(Gemäßigt) negativ und sehr negativ (s.u. 2.1.2.2) werten ebenfalls lexikalische Wertbegriffe mit Bezug auf den Erfolg der künstlerischen Anstrengung (vgl. die entspre-chende Gruppe mit positiver Wertungsrichtung in 2.1.1.2).

Daß ein Werk oder Teile eines Werks nicht gelungen sind, formulieren die Rezensenten wie folgt:

mißraten, mißglückt, mißlungen[57], schiefgehen, scheitern/Scheitern, daneben(gehen); gut ge-meint, Versuch.

 

 

Oft jedoch mißrät die Verschiebung [der Bedeutungen] zur Kinderei. (ZEIT 14.10.88, WINKELS über HER-MANN)

Doch die Realisierung dieses Vorhabens scheint mir mißraten. (FAZ 31.5.88, KLESSMANN über ORTMANN)

Günter Grass präsentiert eine mißvergnügte und mißglückte Mischung aus Tagebuch, Reisejournal, Skizzen-werk und politischem Kommentar. (ZEIT 26.8.88, HAGE über GRASS)

Ich halte es [=das Schlußgedicht] für mißlungen. (FAZ 3.9.88, HARTUNG über GRASS)

Und das geht manchmal schief. (ZEIT 12.8.88, RADDATZ über KIRSCH)

Er ist an seinen zu hohen Ansprüchen ziemlich gründlich gescheitert. (FAZ 28.1.88, ENGEL über KINDER)

Mit einer solchen Vorgabe ist das Scheitern für einen noch nicht allzu erfahrenen Autor programmiert. (FAZ 23.4.88, OBERMÜLLER über KRANEIS)

 

 

Der Gegenbegriff zu dem unter 2.1.1.2 aufgeführten positiven Wertbegriff Treffer ist daneben(gehen):

 

 

Ein ganzes Stück daneben (SZ 5.10.88, HAUCK über MEINECKE)

 

 

Über dasselbe Buch steht 1989 in der ZEIT:

 

 

Der Schuß [in der Handlung des Buches] geht daneben - wie so manches in diesem Buch. (ZEIT 3.3.89, KÖRTE über MEINECKE)

 

 

Der Mißerfolg des Autors wird auch dadurch gekennzeichnet, daß ihm nachgesagt wird, er habe es gut gemeint oder einen Versuch gewagt. Wie die Beispiele zeigen werden[58], verleiht eine solche Formulierung per Implikation das Prädikat ‘mißlungen’:

 

 

Allzuviel klingt hier bloß gutgemeint [...] (FAZ 26.2.88, WEINZIERL über FRIED)

Gespräche [...] klingen dann allenfalls gut gemeint. (FAZ 16.3.88, MIEHE über SCHEIB)

Da ist nichts nur gut gemeint [...] (SZ 16.7.88, VON SCHIRNDING über NESTLER)

Und unweigerlich verliert auch hier, wie überall in der Kunst, das bloß Gutgemeinte gegen das Gutgemachte. (ZEIT 7.10.88, BAUMGART über WALTER)

Hermann Kants neuer Satireversuch (FAZ 17.5.88, HINCK über KANT)

 

 

HINCK (1985, 71) merkt hierzu an, die gute Absicht sei dem Autor zwar anzurechnen, doch für das literarische Werk zähle nur deren Realisierung.

 

Das Können des Autors wird angezweifelt, indem der Rezensent seiner Beobachtung Ausdruck verleiht, der Autor habe Schwierigkeiten[59], ein Problem[60]  (vier Belege, zusätzlich Problematik und problematisch), oder indem dem unfähigen[61] Autor Unvermögen (zwei Belege) bescheinigt wird. Dies alles widerspricht dem Ideal, ein Autor meistere sicher und ohne Anstrengung alle Klippen, die ein Werk ihm bieten kann.

 

 

Die immer wieder bemerklichen Unsicherheiten und Unkorrektheiten spiegeln offensichtlich die Schwierigkeiten mancher Schweizer Autoren, deren Sprachgefühl ganz von ihrem Dialekt geprägt ist. (FAZ 22.6.88, JACOBS über SCHERTENLEIB)

Stilistisch gibt es allerdings Probleme im Ertasten eines „unbedingten“ Wissens [...] (SZ 13.3.88, LEDANFF über SEEHAUS)

Genau an diesem Punkt lassen sich der Reiz und die Problematik von Brigitte Burmeisters Prosa erkennen. (FAZ 18.7.88, BIELEFELD über BURMEISTER)

Auch wenn man immer wieder in einzelnen Wortfügungen, Bildern und Passagen die Talente der vielfach bewährten Lyrikerin Friederike Mayröcker durchspürt, bleibt dieses neue umfangreiche Buch ein problema-tisches Produkt. (FAZ 15.11.88, JACOBS über MAYRÖCKER)

Ulla Hahn ist zum Beispiel auf weite Strecken unfähig, überhaupt lyrische Bilder zu finden. (SZ 15.6.88, DREWS über HAHN)

Er [=der Autor] scheint sich jedoch nicht deutlich gemacht zu haben, daß der Leser auf gestalterisches Unvermögen schließen muß, wenn die Kunstgriffe ohne jede erkennbare Funktion bleiben. (FAZ 22.6.88, JACOBS über SCHERTENLEIB)

 

 

Eine weitere Untergruppe der (gemäßigt) negativ wertenden lexikalischen Wertbegriffe stellen diejenigen mit einem Hinweis auf einen (möglichen) Fehler dar.

Die Rezensenten verweisen auf einen drohenden Fehler, auf einen kleinen Fehler oder allge-mein auf einen Fehler des Autors.

Mit dem Hinweis auf eine Gefahr (+Genitiv) wird ein drohender Fehler angezeigt:

 

 

Ihre [=Schmidts] Texte sind launisch. Immer lauert die Gefahr eines Umschlags in spannungslose Banalität [...] (SZ 4.6.88, CRAMER über SCHMIDT)

[...] ohne der Gefahr sentimentaler Verklärung oder dozierender Langeweile zu erliegen. (FAZ 5.5.88, FULD über WEINZETTL)

Ein eher kleinerer Fehler wird mit Ausrutscher[62], Unachtsamkeit, Niveauabfall, Schnitzer[63], Patzer[64], Panne[65], Schwäche[66], Schwachstelle angedeutet:

 

 

Aber diese kunsthandwerklichen Ausrutscher können nicht den überaus positiven Gesamteindruck beeinträchtigen. (SZ 13.8.88, FELDES über HENSEL)

Daß sich der [...] Autor [...] zu überzogenen Metaphern verführen läßt, sieht man ihm ebenso nach wie kleinere Unachtsamkeiten in puncto Konjunktiv. (FAZ 2.12.88, WEINZIERL über MÖCHEL)

Und dennoch zu konstatieren, daß Niveauabfälle jedenfalls nicht ausschließen, daß der Leser mit interessanten Einblicken in die Trendmiseren der späten achtziger Jahre versorgt wird. (SZ 30.4./1.5.88, LEDANFF über THENIOR)

[...] wobei es auch mal zu sprachlichen Schnitzern kommt. (FAZ 1.7.88, MIEHE über BIANCHI)

Der zitierte Satz ist kein einsamer Patzer. (FAZ 16.3.88, MIEHE über SCHEIB)

Die Chuzpe, mit welcher der Autor sich auf seine Schlagfertigkeit verläßt, hat zwar gelegentlich Patzer und Pannen zur Folge [...] (SZ 16.1.88, KAISER über BECKER)

Derartige Ungenauigkeiten stellen keine spektakulären Katastrophen dar, wohl aber kleine Formulierungs-pannen [...] (SZ 22.10.88, KAISER über RANSMAYR)

Nein, die Schwächen dieses Buches sind nicht politischer Natur, sondern literarischer. (FAZ 29.3.88, WITT-STOCK über NEUMEISTER)

Auch sprachlich zeigt das Buch Schwächen. (FAZ 22.6.88, JACOBS über SCHERTENLEIB)

Das hängt auch mit der Schwäche der Komposition zusammen. (FAZ 15.11.88, JACOBS über MAYRÖCKER)

Doch entzündet sich sein Funke keineswegs nur an kurz angebundener Aktualität, aus der die wenigen Schwachstellen des Buches resultieren. (SZ 16.7.88, BOGNER über HENISCH)

[...] und [die biographischen Nachrichten über Dichterlesungen und den Kulturbetrieb] deuten eine Schwachstelle an [...] (SZ 30.4./1.5.88, HÜFNER über HAUFS)

 

 

Auf einen nicht mehr nur kleinen Fehler weisen Ausdrücke hin, wie z.B. leiden an, kranken an[67], sich versündigen[68], Einbruch, Entgleisung[69], Unkorrektheit, Fehler[70], Kunstfehler, falsch[71], Mangel, Untugend, Mißgriff, unangebracht, nicht dürfen.

 

 

Der Roman leidet selbst an dem, was er unablässig diskutiert [...] (SZ 10.9.88, WEISS über BURMEISTER)

Dafür krankt der nächste Satz an Imponiergehabe. (SZ 22.10.88, KAISER über RANSMAYR)

Hemmungslos versündigt er sich nun gegen jenes literarische Grundgesetz, das er kurz zuvor noch gewissen-haft memorierte [...] (FAZ 29.3.88, WITTSTOCK über NEUMEISTER)

Es gibt eher Unsicherheiten und Einbrüche [...] (SZ 10.2.88, KNODT über ASMODI)

Störend wirken dann um so mehr manche sprachlichen Entgleisungen. (FAZ 29.3.88, WEGNER über GRÖPER)

[...] fallen [...] sprachliche Entgleisungen [...] besonders ins Gewicht. (SZ 30.11.88, KÄSSENS über BERKÉWICZ)

Die immer wieder bemerklichen Unsicherheiten und Unkorrektheiten spiegeln offensichtlich die Schwierigkei-ten mancher Schweizer Autoren, deren Sprachgefühl ganz von ihrem Dialekt geprägt ist. (FAZ 22.6.88, JACOBS über SCHERTENLEIB)

[...] fallen [...] grammatische Fehler [...] ins Gewicht. (SZ 30.11.88, KÄSSENS über BERKÉWICZ)

Andreas Neumeister macht den Fehler vieler Debütanten [...] (FAZ 29.3.88, WITTSTOCK über NEU-MEISTER)

Wer allerdings [...] dem Erzählprozeß folgt, den werden solche Kunstfehler nicht nur kaum irritieren [...] (ZEIT 7.10.88, BAUMGART über WALTER)

[...] falsche Wechsel von Präsens zu Präteritum [...] (ZEIT 9.9.88, RADDATZ über BOOCK)

Das klingt, aufs Ganze gesehen, falsch und überdreht. (SZ 2.3.88, HÜFNER über RADDATZ)

[...] und es gibt Lektoratsmängel [...] (SZ 10.2.88, KNODT über ASMODI)

Es [=das Buch] schmückt sich mit der Bezeichnung Erzählung - und hat nichts zu erzählen, was drei sprachli-che Untugenden kaschieren. (ZEIT 12.8.88, DOTZAUER über REICHART)

Aber schwerlich [kann man] darüber [streiten], daß es ein peinlicher Ransmayrscher Mißgriff [...] ist, von „immer entlegeneren Orten des Schiffes“ zu orakeln. (SZ 22.10.88, KAISER über RANSMAYR)

Und irritiert nicht auch das unangebrachte „wenigstens“ beim Flüchten in „Bewußtlosigkeit oder wenigstens in einen Traum“? (SZ 22.10.88, KAISER über RANSMAYR)

Aber bei einem Prosastück, das auf knappstem Raum einen so bewußt hohen Ton anschlägt [...], dürften doch keine Worte auftauchen wie „einwohnermäßig“ oder die „in ihrer Vielfalt beeindruckende [Hervorhebung durch den Rezensenten] Vegetation“. (SZ 19.11.88, VON BECKER über SCHMIDT)

 

 

Auf das komplette Nichtvorhandensein oder auch auf das Fehlen des rechten Mittelweges, ein zu wenig bzw. zu viel, wird in den Kritiken ebenfalls hingewiesen. Daß etwas nicht vorhanden ist, wird ausgedrückt durch Begriffe wie fehlen (acht Belege), gebrechen[72], Null, leer[73] (vier Belege), Leere (zwei Belege), Inhaltsleere, Leerstelle, hohl (zwei Belege), Substanzlosigkeit[74], sprachlos, nichtssagend.

 

 

[...] und dabei wurde mir klar, was in und hinter den heiter ziselierten Gebilden Lettaus fehlt. Es ist der Leidensdruck. (SZ 30.3.88, KAISER über LETTAU)

[... ein Erzähler], dem es an der Kunst des Weglassens gebricht. (FAZ 28.1.88, ENGEL über KINDER)

[Überschrift] Die Summe [=Titel des Buches] = Null (ZEIT 25.3.88, LÜDKE über KANT)

„Das schöne Leben“ [=Titel] ist, wie alles ausgestellte Schöne, leer. (ZEIT 14.10.88, WINKELS über HER-MANN)

Virtuosität wie Leere von Lettaus perfekter Schreibekunst [...] (SZ 30.3.88, KAISER über LETTAU)

Weil Menasse aber nicht einmal vor dem durch inflationären Gebrauch längst zu völliger Inhaltsleere herabgekommenen Begriff der Entfremdung zurückschreckt [...] (FAZ 7.6.88, MEYHÖFER über MENASSE)

Gewiß, man könnte die häufigen Spannungsabfälle, die Leerstellen im Text neben turbulent erzählten Episoden als Stilelement einer posthistorischen Wurstigkeit sehen. (SZ 30.4./1.5.88, LEDANFF über THENIOR)

Allzu durchsichtig sind sie auf einen scheinbar hintergründigen Effekt hin konstruiert: auf das leider hohle Pathos der letzten Sätze. (FAZ 13.10.88, FULD über HERMANN)

[...] es ging mir nur eben bei der Lektüre auf, daß diese Gedichte einfach von erlesener Plattheit und ausge-pichter Substanzlosigkeit sind [...] (SZ 15.6.88, DREWS über HAHN)

[Überschrift] Wortreich und sprachlos (SZ 13.7.88, MANTHEY über KONRAD)

 

 

Der bezeichnete Gegensatz zwischen der Menge an verwendeten Wörtern und dem Mangel an literarisch wertvoller Sprache macht die negative Wertung deutlich.[75]

 

 

[...] und knüpft nur noch nichtssagende Reisebeschreibungen, langatmige Naturschilderungen und Archivdaten aneinander. (FAZ 29.3.88, WITTSTOCK über NEUMEISTER)

 

 

Kein allgemeines Fehlen, sondern die Tatsache, daß etwas nicht genug (vorhanden) ist, wird ausgedrückt durch mangeln an, Mangel an, verlorengehen, nicht viel / wenig zu sagen haben, wenig ausdrücken, nicht ausreichen (zwei Belege), nicht hinauskommen über, dürftig[76], Dürftigkeit, spracharm, sich erschöpfen, Grenzen.

 

 

Diesem Thema mangelt es mittlerweile an Frische [...] (FAZ 3.5.88, HINCK über KELTER)

[...] der Band „Zunge zeigen“ zeigt vor allem einen erschreckenden Mangel an schrift­stellerischer Selbstkon-trolle. (ZEIT 26.8.88, HAGE über GRASS)

Der widerständigen Behandlung des heiklen (und wichtigen) Falls geht viel verloren, wenn vor lauter Details [...] der scharfe Blick auf die zu beschreibende Form weiblicher Verletzbarkeit verlorengeht [...] (SZ 13.3.88, LEDANFF über SEEHAUS)

Und den Leser beschleicht der Verdacht, die Autorin wolle mit all der absichtsvoll arrangierten Verwirrung kaschieren, daß sie im Grunde nicht viel zu sagen hat. (FAZ 3.6.88, JACOBS über TECHEL)

[...] daß man fast vergessen könnte, wie wenig der kluge Kopf dahinter einem damit zu sagen hat. (ZEIT 9.12.88, HAMMERSCHMIDT über BEYSE)

Das „Netz“ ihres [=Ulla Hahn] Gedichts ist sorgsam gesponnen: aus Lautmalereien [...] und großen, tönen-den Wörtern, die Ungeheures andeuten und ungeheuer wenig ausdrücken. (ZEIT 25.3.88, KILB über HAHN)

Da die eigenen erzählerischen Mittel offenbar nicht ausreichen, hat sich die Autorin ein Gerüst ausgeliehen [...] (FAZ 2.3.88, HEINRICH-JOST über SCHOLTEN)

Sie [=biographische Nachrichten über Dichterlesungen und den Kulturbetrieb] kommen über die übliche Selbstbespiegelung nicht hinaus [...] (SZ 30.4./1.5.88, HÜFNER über HAUFS)

Für einen Lyriker vom Range Erich Frieds scheint das ein bißchen dürftig. (FAZ 26.2.88, WEINZIERL über FRIED)

Und wenn die Autorin einfache Sätze formuliert, kettet sie diese oft in unübersichtlichen Kommamonstren aneinander, die zum Hinweghuschen über die Dürftigkeiten verleiten. (ZEIT 12.8.88, DOTZAUER über REICHART)

[...] und damit erschöpft sich die Form - und das Lesevergnügen. (SZ 6.8.88, VON BECKER über DUVANEL)

[...] kommt es dann zu Kurzschlüssen, welche auch die sprachlichen Grenzen der Autorin deutlich machen. (FAZ 25.5.88, HINDERER über SCHMIDT)

 

 

Daß etwas nicht genug oder nicht viel wert ist, wird auch - wie im Kapitel zu den sprachlichen Bewertungsmöglichkeiten gezeigt[77] - durch Diminutive wie Histörchen[78] und das Präfix mini-[79] ausgedrückt.

 

 

Papieren knistert das schelmische Histörchen mit den Dolmetscherinnen (FAZ 17.5.88, HINCK über KANT)

Ulla Hahn schreibt einer Gesellschaft nach dem Munde, die nach hübsch restaurierten Sonetten [...] lechzt, nach Förmchen, nicht nach Formen. (ZEIT 25.3.88, KILB über HAHN)

Manchmal landet eine poetische Bildlichkeit, die verblüffend sein will, auch nur bei einem Mini-Surrealismus, der sich zu richtigem Surrealismus verhält wie Bele Bachem zu Giorgio de Chirico. (SZ 28.5.88, DREWS über ALLEMANN)

 

 

Auf ein Zuviel wird folgendermaßen hingewiesen:

einerseits durch Wortbildungen mit dem Präfixoid über- (bzw. in einem Beispiel engl. over-) wie übertrieben, Übertreibung (zwei Belege), überzogen, übersteigert, Übersteigerung, über­funktionalisiert, Überreizung, überdreht (zwei Belege), overwritten, Überfrachtung.

 

 

Seine Männergeschichten sind absichtlich kunstvoll und auf eine absterbende Art übertrieben [...] (ZEIT 25.3.88, AUFFERMANN über KELTER)

[Überschrift] Thorsten Beckers „Nase“ oder Das Problem der Übertreibung (SZ 16.1.88, KAISER über BECKER)

Daß sich der [...] Autor [...] zu überzogenen Metaphern verführen läßt, sieht man ihm [...] nach [...] (FAZ 2.12.88, WEINZIERL über MÖCHEL)

[...] Chiffren, die Söllner [...] durch übersteigerte, pathetische Bilder und Vergleiche bisweilen um ihre Glaubwürdigkeit bringt [...] (FAZ 4.10.88, HIEBER über SOELLNER)

Die Einseitigkeiten und Übersteigerungen bei der Personendarstellung sind derart groß, daß sie zuweilen bloß witzig-karikaturistisch oder klischeehaft wirken [...] (ZEIT 14.10.88, LÜTZELER über SPÄTH)

Politycki lähmt den Blick des Lesers dadurch, daß alles in seiner Prosa überfunktionalisiert ist. (ZEIT 22.4.88, RATHJEN über POLITYCKI)

Beyse spielt im neuen Band wieder mit allen seinen Fähigkeiten, verspielt aber seine Wirkungsmöglichkeiten durch Überreizung. (FAZ 28.9.88, HINCK über BEYSE)

Warum manche grotesk sein wollenden Auftritte der Genervten [...], die [...] einfach nur überdreht sind? (SZ 30.4./1.5.88, LEDANFF über THENIOR)

Vieles [...] scheint „overwritten“, scheint prunkendes Kunstgewerbe zu sein. (SZ 22.10.88, KAISER über RANSMAYR)

Dazu kommt die mythologische Überfrachtung [...] (SZ 1.6.88, STADLER über MECKEL)

 

 

Andererseits wird das Verfehlen des rechten Maßes angezeigt mit Begriffen und Wortgruppen wie übers Ziel hinausschießen, sich überschlagen, das Von-allem-Zuviel, Substantiv-Ungetüme, aufdringlich, inflationär (drei Belege).

 

 

Naturgemäß schießt er dabei [=wenn er über Literatur und Politik spricht] zuweilen übers Ziel hinaus, verirrt sich in Gedankengängen, in die man ihm nicht zu folgen vermag. (FAZ 26.2.88, WEINZIERL über FRIED)

So, wie sich der Autor in Sprache und Stil, um Drastik bemüht, immer wieder einmal überschlägt, so ruiniert er die eigene Figurenführung [...] (SZ 2.3.88, HÜFNER über RADDATZ)

Ein hervorstechendes Merkmal der Sprache in diesem Roman ist das Von-allem-Zuviel [...] (SZ 13.7.88, MANTHEY über KONRAD)

Substantiv-Ungetüme, gewaltig und schier endlos, rollen einher, der doppelte Genetiv feiert finstere Auf-erstehung [...] (SZ 5.10.88, HÖBEL über GOETZ)

Doch Rücker fügt noch einen inneren Monolog an, der mit seiner aufdringlichen Symbolik unerträglich ist und alles verdirbt. (FAZ 13.6.88, SEGEBRECHT über RÜCKER)

Der inflationäre Gebrauch nimmt ihm [=dem Tod] Würde und Bedeutung [...] (FAZ 6.2.88, WEINZIERL über MÜLLER)

 

 

Daß es der Autor zu gut gemeint hat, zeigen Rezensenten auch mit Begriffen wie überflüssig (drei Belege), Redundanz[80], strecken, Wiederholungsfimmel, Metaphernsucht.

 

 

Doch die übrigen Abstecher sind ebenso überflüssig wie ermüdend. (FAZ 29.3.88, WITTSTOCK über NEUMEISTER)

Redundanz wird vermieden durch Aussparung, Verknappung durch die intensive Beschreibung eines von Regen, Schwüle und Hitze wie gelähmten Lebens. (SZ 8.10.88, REINHARDT über ROTHMANN)

[...] sie streckt mit unnötigen Geschichten. (SZ 10.9.88, KAISER über NADOLNY)

Am enervierendsten freilich ist ihr Wiederholungsfimmel. (ZEIT 12.8.88, DOTZAUER über REICHART)

Nichts aber verrät den Hochstapler mehr als seine Metaphernsucht. (FAZ 7.6.88, MEYHÖFER über MENASSE)

 

 

Das sprachlich Überflüssige läßt sich an Bemerkungen ablesen wie umständlich, wortreich (zwei Belege), sich ergehen in, wabern, labern, schwadronieren[81], geschwätzig (zwei Belege), Geschwätz, Geschwätzigkeit, Schwätzerchen, Gerede[82], redselig[83].

Jedem Substantiv wird ein Adjektiv und jedem Adjektiv möglichst noch ein Adverb aufgehalst, was nicht nur stilistisch umständlich ist [...] (SZ 13.7.88, MANTHEY über KONRAD)

Wortreich, nicht feinsinnig wie der Lord [=Chandos] [...] (FAZ 7.6.88, MEYHÖFER über MENASSE)

Beflissen ergeht sich Asmodi in der Erörterung [...] (FAZ 12.8.88, HEINRICH-JOST über ASMODI)

Ein [...] Schwadronieren über absolut alles [...] wabert und labert konturlos [...] (ZEIT 11.3.88, MODICK über DIEDERICHSEN)

Fuchs [...] schwadroniert nicht mit flachen Tiefsinnigkeiten. (ZEIT 1.4.88, BIERMANN über FUCHS)

Sein jüngstes Werk „Ich bin ein Krokodil, und du hast Angst“ ist ein Panorama der achtziger Jahre, ein recht geschwätziges Buch also [...] (FAZ 18.10.88, MEYHÖFER über HEINZEN)

Das ist törichtes Geschwätz, ohne ernsthafte Anstrengung [...] (FAZ 4.10.88, GÖRTZ über FELS)

Man hat ihm, seit der „Halbzeit“, 1960 [sic] häufig Geschwätzigkeit vorgeworfen. Oft zu Unrecht. (ZEIT 16.9.88, LÜDKE über WALSER)

Am Ende ist er doch nur ein Schwätzerchen, der Primus Feuerbach. (FAZ 17.10.88, KOOPMANN über BRANDSTETTER)

 

 

Die Belanglosigkeit der Figur wird mit herablassender Geste durch das Diminutivsuffix -chen verdeutlicht.[84]

 

 

[...] beginnt auf einmal nur das Gerede gegen’s Gerede [...] (ZEIT 5.8.88, VON BECKER über ALLEMANN)

Dank seiner Lakonik wirkt dieser Text ungemein beredt und nicht redselig wie so viele andere heutzutage. (FAZ 17.12.88, WEINZIERL über GSTREIN)

 

 

Auch in diesem Beleg wird die Wertung verstärkt durch die Gegenüberstellung zweier Adjektive, die vom selben Verb reden abgeleitet sind - beredt und redselig.

 

2.1.2.2) Lexikalisch sehr negativ wertend

Bezeichnenderweise weist die Gruppe der extrem negativ wertenden Begriffe keine solche Anzahl und Vielfalt auf wie die bereits behandelten Gruppen. Dies belegt, daß „geharnischte Verrisse“ (REICH-RANICKI) selten sind.

Folgende Ausdrücke weist das Korpus auf: kläglich[85], fatal[86], grausig[87], entsetzlich[88].

[...] sie [=die Geschichten] enden immer kläglich wie in einem undeutlichen Gemurmel. (FAZ 8.1.88, UEDING über WOLF)

Hermann Kants fatale „Begebenheit“ [=zweite Überschrift] (ZEIT 25.3.88, LÜDKE über KANT)

Weshalb die an der Hochschule eingeübte Sprachverhunzung hier ihre grausige Wirkung tut. (SZ 5.10.88, HÖBEL über GOETZ)

[...] es wimmelt von „spitzen Fingern“ und anderen entsetzlichen Klischees [...] (ZEIT 9.9.88, RADDATZ über BOOCK)

 

 

Auch unter den sehr negativen Wertbegriffen finden sich lexikalische Wertbegriffe mit Bezug auf den Erfolg der künstlerischen Anstrengung (vgl. 2.1.1.2 und 2.1.2.1).

Im Unterschied zur entsprechenden Lexemgruppe mit positiver Wertungsrichtung (vgl. 2.1.1.2), die nur (gemäßigt) positive und keine hochwertenden Wertungsausdrücke enthält, läßt die Lexemgruppe mit negativer Wertungsrichtung eine Differenzierung in (gemäßigt) negativ wertende und sehr negativ wertende Lexeme erkennbar werden. Bezüglich der vierstufigen Wertungsskala fehlt den Einzellexemen dieser Gruppe also die positivste Bewertungs­möglichkeit, wenn sie nicht durch gradierende Beiwörter o.ä. realisiert wird (z.B. bestens gelungen).

Mißlingt dem Autor das Werk, so wird er sehr negativ wertend als Versager tituliert, sein Werk als Mißgeburt, phraseologisch als Schlag ins Wasser oder - noch abwertender - als Debakel[89], Desaster[90] oder Katastrophe[91].

 

 

Doch Talent und Ton [...] lassen [...] Thorsten Becker immer noch als Vielversprechenden erscheinen und keineswegs als Versager. (SZ 16.1.88, KAISER über BECKER)

Immer schielt der Autor nach dem allgefälligen Scherz, gelegentlich auch unter dem Preis der grammatischen Mißgeburt. (FAZ 17.5.88, HINCK über KANT)

[...] zu oft werden Pointen herbeigezwungen und sind ein Schlag ins Wasser. (FAZ 29.3.88, HINCK über LETTAU)

Auf Rainald Goetz dürfen wir auch nach diesem terroristischen Debakel unverdrossen hoffen. (SZ 5.10.88, HÖBEL über GÖRTZ)

[Kritik an Fehlern des Verlags] Das Ergebnis ist nicht selten ein graphisches Desaster. (FAZ 4.10.88, HIEBER über SOELLNER)

Derartige Ungenauigkeiten stellen keine spektakulären Katastrophen dar, wohl aber kleine Formulierungs-pannen [...] (SZ 22.10.88, KAISER über RANSMAYR)

 

 

2.2) WERTBEGRIFFE, die die Wirkung des Werks bzw. die Reaktion des Rezipienten charakterisieren[92]

 

Der Rezensent gibt mit den unten aufgeführten Ausdrücken den allgemeinen Eindruck an, den die Bezugsgröße bei ihm auslöst, oder eine (Gefühls)reaktion, die beim Rezipienten hervor-gerufen wird, und nimmt damit eine Wertung vor.

Es werden alle Wortarten berücksichtigt, doch es überwiegen Partizipia I und Adjektive. Nach der Adjektiv-Einteilung bei HUNDSNURSCHER/SPLETT (1982, 35ff.) sind die Eindrucks­adjektive keiner Adjektiv-Gruppe zuzuordnen. Die Beiwörter, die eine Empfindung bezeich-nen, die bei jemandem ausgelöst wird, könnten dort zu den sog. „Reiz-Adjektiven“ gerechnet werden.

 

2.2.1) Positiv wertend

Folgende Ausdrücke finden sich im Textkorpus:

man möchte nicht missen, ich mag, ich schätze, mir gefällt, ist zu preisen; willkommen, sich einnehmen lassen, erfreulich, sympathisch; interessiert/ interessant, attraktiv, überzeugen/ überzeugend/Überzeugungskraft, eindrucksvoll/beeindrucken, imponieren, bestechen/beste-chend, überraschend, verblüffend, erstaunlich/staunenmachend, stupend, frappierend; be-achtlich/beachtenswert, bemerkenswert, bewunderungswürdig; lesenswert; Genuß, wohltuend, erquickend; berückend, betörend, entzücken, bezaubernd, faszinierend/faszinieren/Faszino-sum/Faszinationskraft; berauschend, hinreißend/hingerissen; unvergeßlich/nicht vergessen können; versöhnen.

Explizit wertend durch die Verwendung der 1. Person Singular oder der unpersönlichen Formulierung mit man drückt der Rezensent seinen Gefallen aus mit den Wendungen man möchte nicht missen, ich mag, ich schätze, mir gefällt. Lob wird auch ausgesprochen mit der jedoch sprecherabgewandten Konstruktion ist zu preisen. Auffallend ist, daß drei Belege aus derselben Rezension stammen; dies läßt auf eine Kontinuität der subjektiven Formulierungs­weise innerhalb einer Rezension schließen. Das Fehlen weiterer Belege zeigt außerdem, daß die ausgesprochen subjektive Formulierungsweise in Rezensionen nicht sehr verbreitet bzw. beliebt ist.[93]

 

 

Beim Leben auf dem Vulkan möchte man Sandras Flötentöne nicht missen, und schon gar nicht diesen [...] Roman. (ZEIT 4.3.88, LÜTZELER über WOHMANN)

Seine Gedichte mag ich wegen ihrer körperlich kargen Direktheit, und seine Prosa schätze ich auch wegen der Standpunkte [...]. (SZ 1.6.88, SCHMITT über HERBURGER)

Nein, mir gefällt, daß [...] (ZEIT 1.4.88, BIERMANN über FUCHS)

[...] darunter gefiel mir der Moskauer Trinker und Arbeitslose, der [...] (SZ 1.6.88, SCHMITT über HERBUR-GER)

[...] und er [=der Roman] ist doch zu preisen. (ZEIT 16.9.88, HAGE über WALSER)

 

 

In seiner Freude über ein gelungenes Werk ist dem Rezensenten ein Buch willkommen[94], er läßt sich einnehmen von dem Buch, wenn er es erfreulich findet:

 

 

[...] und zu solchem Lernen, Aufmerksamwerden, Fragestellen ist dieses kleine Buch nützlich und willkommen. (FAZ 15.10.88, SCHULZ über HÄRTLING)

Gedichte, die durch ihre anspruchslose Schlichtheit einnehmen: [...] (SZ 1.6.88, STADLER über MECKEL)

Und diese Perspektive ist es, die von Gabriele Eckarts Versen unmittelbar einnimmt [...] (FAZ 30.1.88, UEDING über ECKART)

[...] „bis mir ein Freund riet, wieder in die deutsche Sprache zurückzukehren“. Das erfreuliche Ergebnis liegt vor [...] (ZEIT 26.2.88, HACKL über TASSONI)

Von daher ist das Scene-Büchlein erfreulich originell [...] (SZ 30.4./1.5.88, LEDANFF über THENIOR)

 

 

Daß ein Werk als angenehm empfunden wird, drückt mancher Rezensent auch mit dem Adjektiv sympathisch[95]  aus.[96]

 

 

[...] und einer bald klug, bald linkisch, aber immer sympathisch mit dem Blick von unten dazuarrangierten Zeitgeschichte. (ZEIT 7.10.88, BAUMGART über WALTER)

Das erst macht Kinders Capriccio chinois [Hervorhebung durch den Rezensenten], über den ironischen Etüdencharakter hinaus, sympathisch. (FAZ 29.11.88, WEINZIERL über KINDER)

 

 

Positiv wertet es der Rezensent, wenn seine Aufmerksamkeit hervorgerufen wird, wenn er interessiert reagiert, da das Buch interessant ist, da der Autor als Denker attraktiv[97]  ist.

[...] wenn ich behaupte, man müsse nur wenige Sätze und Seiten von Frau Nadolnys Prosa lesen und sei sogleich [...] bewegt und interessiert. (SZ 10.9.88, KAISER über NADOLNY)

Lauter Beobachtungen, die anrühren und interessieren [...] (SZ 10.9.88, KAISER über NADOLNY)

[...] was den Leser am Ende mit dem Eindruck zurückläßt, er habe es mit mehreren themenverwandten [...] Büchern zu tun gehabt, von denen einige auch nur mäßig interessant sind. (FAZ 28.1.88, ENGEL über KINDER)

Und dennoch zu konstatieren, daß Niveauabfälle jedenfalls nicht ausschließen, daß der Leser mit interessanten Einblicken in die Trendmiseren der späten achtziger Jahre versorgt wird. (SZ 30.4./1.5.88, LEDANFF über THENIOR)

Wenn Uwe Saeger seine repräsentativen Protagonisten mehr zu literarischen Jokern machte, würde seine Prosa noch um einiges interessanter. (SZ 12.3.88, SCHMITT über SAEGER)

 

Hans Magnus Enzensberger ist ein solch überraschender und attraktiver Denker. (FAZ 4.10.88, SCHIRR-MACHER über ENZENSBERGER)

 

Der häufigste rezipientenbezogene Wertungsausdruck ist überzeugend (elf Belege), bzw. überzeugen (acht Belege) und Überzeugungskraft (zwei Belege):

 

 

Überzeugend wie schon lange keins mehr, plädiert dieses Buch dafür, daß der Weg zum „richtigen Leben“ nicht durch Anpassung, sondern nur durch Aufbegehren gefunden werden kann. (FAZ 24.9.88,WITTSTOCK über GOETZ)

[...] zwei Prosabände, die durch ihren ruhigen unangestrengten Erzählton überzeugten [...] (SZ 29.6.88, BÖHMER über WEINZETTL)

Die Geschichte dieses „Abgangs“ [...] hat große Überzeugungskraft. (ZEIT 9.9.88, RADDATZ über BOOCK)

 

 

Eine Nuance positiver ist eine Bewertung durch die Lexeme eindrucksvoll[98]  (sechs Belege), beeindrucken und imponieren.

 

 

[...] am zweiten und wohl eindrucksvollsten „Wohin“-Kapitel (SZ 15.11.88, HAGESTEDT über ACHTERNBUSCH)

Die Autorin schildert hier eindrucksvoll das einfache Leben einer jüdischen Hausangestellten [...] (FAZ 21.4.88, HINDERER über CÄMMERER)

Aber es beeindruckt doch die Konzentration und Formstrenge, mit der der achtundzwanzigjährige Autor in seinem literarischen Debüt zu Werke geht. (ZEIT 7.10.88, BRAUN über KONEFFKE)

[...] doch sobald der Bezugspunkt der Lektüre eben die Sympathie ist, wird ihr gerade der Walthersche Totalernst imponieren. (ZEIT 7.10.88, BAUMGART über WALTER)

 

 

Ähnlich, doch die Qualität des rezensierten Werks noch höher einschätzend, wertet bestechend bzw. bestechen.

 

 

[...] wie immer in dieser Prosa, wenn die Autorin Tableaus aus Wolken, Wasser, Luft, Licht und Farben in Worten malt, sind ihre Sätze von bestechender Klarheit und poetischer Kraft. (SZ 19.11.88, VON BECKER über SCHMIDT)

[...] mit welch bestechender Logik [...] (SZ 15.11.88, HAGESTEDT über ACHTERNBUSCH)

Gleichwohl besticht noch im Irrtum das zutiefst Humane seines Engagements. (FAZ 26.2.88, WEINZIERL über FRIED)

Mag sein, daß einzelne dieser Erzählungen, für sich allein betrachtet, durchaus zu bestechen vermöchten. (FAZ 13.12.88, OBERMÜLLER über WOHMANN)

 

 

Positiv wertend registriert ein Rezensent immer, wenn bei ihm Überraschung, Verblüffung oder Erstaunen hervorgerufen werden, abzulesen an den Begriffen überraschend, verblüffend, erstaunlich[99], staunenmachend, stupend, frappierend[100]. Im vorliegenden Korpus existiert kein Beleg für eine Negativwertung im Kontext der genannten Wörter, deren semantische Nähe zu den Aspekten ORIGINALITÄT (auf den Autor bezogen) und SPANNUNG/UNTERHAL-TUNG (auf den Rezipienten bezogen) deutlich ist.

 

 

Hans Magnus Enzensberger ist ein solch überraschender und attraktiver Denker. (FAZ 4.10.88, SCHIRRMACHER über ENZENSBERGER)

Uwe Saegers Prosa gehört in diesem Frühjahr zu den überraschendsten, den bemerkenswertesten Importen aus der DDR [...] (FAZ 29.3.88, GÖRTZ über SAEGER)

Überzeugend wirkt diese Prosa immer dann, wenn Phantasie, ohne den Boden der Erfahrung ganz zu verlassen, verblüffende Beziehungen oder Gegensätze aus dem Hut zaubert. (FAZ 29.3.88, HINCK über LETTAU)

Er verfügt über ein erstaunliches Sprachtalent [...] (FAZ 24.9.88, WITTSTOCK über GOETZ)

Udo Aschenbecks erstaunliches Prosa-Debüt [...] (ZEIT 29.1.88, SCHÖDEL über ASCHENBECK)

Nirgendwo in diesem erstaunlichen Text gibt es Überflüssiges, Langatmiges [...] (ZEIT 4.11.88, WEISS über GSTREIN)

[...] ihnen entgegen stellen sich Gedichte von erstaunlicher Sensibilität, von berückender Bildlichkeit [...] (FAZ 4.10.88, HIEBER über SOELLNER)

Von dieser Regel ist „Was ist Was“ die staunenmachende Ausnahme. (ZEIT 4.3.88, MODICK über C. ENZENSBERGER)

Die Entscheidung der Jury war eine Anerkennung für die stupende erzählerische Vitalität des Autors [...] (FAZ 10.9.88, JACOBS über SPÄTH)

Norbert Gstrein intoniert dieses Scheitern an der Liebe und die zunehmende Verwahrlosung des Scheiternden am Leben mit frappierender Genauigkeit. (ZEIT 4.11.88, WEISS über GSTREIN)

[...] dann aber versöhnt der Autor gleich wieder mit [...] frappierenden Beispielen [...] (ZEIT 9.12.88, HAGE über NIEDERHAUSER)

 

 

Ein positives Werturteil ist es auch, wenn der Rezensent kundtut, daß ein Buch in ihm Beachtung oder sogar Bewunderung hervorruft, und er das Bezugsobjekt somit als beachtlich[101], beachtenswert[102] , bemerkenswert (neun Belege) oder bewunderungswürdig bezeichnen kann.

 

 

Gröper [...] wurde [...] zu einem beachtlichen Erzähler. (FAZ 29.3.88, WEGNER über GRÖPER)

Boocks Roman ist ein beachtenswerter Versuch, das Geschehene jenseits von falschen Taten und rechtsverbindlichen Machtworten zur Sprache zu bringen. (SZ 3.8.88, FALCKE über BOOCK)

Reinhard Gröpers bemerkenswerter Roman (FAZ 29.3.88, WEGNER über GRÖPER)

Uwe Saegers Prosa gehört in diesem Frühjahr zu den überraschendsten, den bemerkenswertesten Importen aus der DDR [...] (FAZ 29.3.88, GÖRTZ über SAEGER)

[...] das ist die Geschichte, die Brigitte Burmeister auf bewunderungswürdige Weise erzählt. (ZEIT 29.7.88, CRAMER über BURMEISTER)

 

 

Demselben Wortbildungsmuster wie beachtenswert und bemerkenswert gehört lesenswert (=‘verlangt, daß man das Buch liest’) an:

 

 

[...] das ist der Inhalt dieser obsessiven, lesenswerten Krankengeschichte. (SZ 29.6.88, KÄSSENS über EIGNER)

 

 

Als Genuß, Wohltat oder auch Erfrischung wird von manchem Rezensenten die Lektüre eines gelungenen Buches empfunden, dem er dann die Attribute wohltuend (vgl. BÖHEIM 1987, 158) bzw. erquickend verleiht. Mit wohltuend gekoppelt ist im Kontext aller drei Belege der Aspekt der Zurücknahme, des Bescheidenen, Nicht-Übertriebenen, mit erquickend der Aspekt des Neuen, Originellen.

 

 

Es ist geradezu ein Genuß, sich der Sprach- und Bildmächtigkeit des Erzählers Ransmayr zu überlassen. (ZEIT 7.10.88, HAGE über RANSMAYR)

Das sonst lauthals ausgerufene Ende der Welt ist dort ins wohltuend leise Private zurückgenommen [...] (FAZ 4.10.88, GÖRTZ über FELS)

Jan Koneffkes Debüt als Autor ist dem Umfang nach von wohltuender Bescheidenheit. (FAZ 15.10.88, JACOBS über KONEFFKE)

Es herrscht ein wohltuender Mangel an Ideologien. (ZEIT 1.4.88, BIERMANN über FUCHS)

Aber dieser Erzähler besitzt [...] eine erquickend frische Formulierungsgabe. (FAZ 2.12.88, WEINZIERL über MÖCHEL)

 

 

Eine sehr positive Empfindung, die das Rezensionsobjekt im Rezensenten auslöst, beweisen Ausdrücke wie berückend, betörend, entzücken, bezaubernd[103], faszinierend[104] (vier Belege)/ faszinieren/Faszinosum[105]/Faszinationskraft; berauschend, hinreißend (vgl. KRAFT 1971, 51)/ hingerissen.

 

 

[...] ihnen entgegen stellen sich Gedichte [...] von berückender Bildlichkeit [...] (FAZ 4.10.88, HIEBER über SOELLNER)

[...] betörend zarte und irritierend schöne Erinnerungsbilder [...] (FAZ 9.7.88, WITTSTOCK über ANDER-SON)

[...] Formulierungen [...], die mich mit ihren scheinbaren und zugleich wortwörtlichen Paradoxien entzücken. (SZ 8.12.88, HARIG über KROLOW)

[...] in einer sehr melodischen, sehr magischen, bezaubernden und vor allem [...] sehr eigenen Prosa [...] (ZEIT 9.12.88, HAMMERSCHMIDT über BEYSE)

Im Erzählungsband „Stoffe I - III“ fand er für die Dimensionen im System der Milchstraßen [...] faszinierende Bilder. (FAZ 2.7.88, HINCK über DÜRRENMATT)

Eine wirklich faszinierende Reflexion bieten die acht Textstücke „Stilleben mit Kandare“ [...] (SZ 1.6.88, SCHMITT über HERBURGER)

Die Erzählung fasziniert [...] (SZ 30.11.88, KÄSSENS über BERKÉWICZ)

Hans Magnus Enzensberger versteht es seit gut drei Jahrzehnten, [...] immer wieder zu überraschen und zu faszinieren. (SZ 15.11.88, KAISER über ENZENSBERGER)

Diese Randbewegungen sind die Bedingung von Brinkmanns unbestreitbarer Qualität, unvermeidlich aber sind sie auch ein „Faszinosum“. (ZEIT 9.12.88, GREINER über BRINKMANN)

[...] über diesem neuzeitlichen Mittelalter, von dem eine dunkle Faszinationskraft ausgeht [...] (ZEIT 4.3.88, SCHMID über KURZECK)

Große, auch den Leser berauschende Literatur [...] (ZEIT 19.8.88, HORSTMANN über EIGNER)

Die großen Gefühle [...] suchen sympathetische Wirkung auch in einer leidenschaftlichen, hinreißenden Sprache [...] (FAZ 30.1.88, UEDING über ECKART)

[...] hingerissen zwischen Sprachwitz und Denklust wird die Lektüre zum Ereignis. (ZEIT 25.3.88, WEISS über KIESERITZKY)

 

 

Eine überdauernde Wirkung, die das Kunstwerk auf den Rezipienten ausübt, ist ebenfalls ein Grund, das Werk sehr positiv mit unvergeßlich oder nicht vergessen können zu bewerten:

[...] entstehen unmittelbar jene kurzen unvergeßlichen Landschaftsbilder, die wir aus anderen Arbeiten Hartmut Langes kennen [...] (SZ 30.3.88, BONDY über LANGE)

Wie eh und je entdeckt der Leser faszinierende, unvergeßliche Bilder [...] (FAZ 6.2.88, WEINZIERL über MÜLLER)

Diesen Gedichtband [...] wird kaum einer vergessen können. (SZ 30.1.88, THORN über SCHUTTING)

 

 

Führt der Rezensent einen negativen Aspekt eines Werkes an, der ihn vielleicht betrübt oder ärgert, so daß er enttäuscht ist (s.u. 2.2.2), so läßt sich manch abwägender Rezensent durch Positives - um ganz im Bild einer Freundschaft zwischen Autor und Rezensent zu bleiben - wieder versöhnen.

 

 

[...] dann aber versöhnt der Autor gleich wieder mit herrlichen Details [...] (ZEIT 9.12.88, HAGE über NIEDERHAUSER)

 

 

Nicht jeder Kritiker läßt sich jedoch wieder versöhnen, wie das folgende Kapitel negativ wertender Wörter und Wortgruppen zeigt.

 

2.2.2) Negativ wertend

Die Wörter des Korpus im Überblick:

mir gefällt nicht, stören/störend, Ablehnung, unattraktiv, gedämpfte Freude, (Ver-)Stim­mungsbilder, Betrübliches/betrüben, enttäuschen/enttäuschend/Enttäuschung, (sich) ärgern/ ärgerlich; schade, daß ...; einwenden, Zweifel, peinlich/Peinlichkeit, Unbehagen, mühsam, quälend, nerven/enervierend/nervtötend, schwer erträglich/unerträglich, ungenießbar; über sich ergehen lassen, überdrüssig, vermissen, Wünsche offenlassen.

Entsprechend den positiven Wertungsausdrücken ich mag, mir gefällt etc. finden sich Belege, die die gegenteilige Aussage zum Inhalt haben - ausgedrückt durch Negation (mir gefällt nicht) oder durch Lexeme wie stören[106]/störend (acht Belege) und Ablehnung.

 

 

Vieles, was mir in diesem Buch nicht gefällt, läßt sich nicht „beweisen“. (ZEIT 12.8.88, RADDATZ über KIRSCH)

Es ist nur ein Hauch von Eitelkeit, aber er stört um so mehr, als er sich gegen die Sprache der Geschichten richtet. (SZ 30.4./1.5.88, HÜFNER über HAUFS)

Störend wirken dann um so mehr manche sprachlichen Entgleisungen. (FAZ 29.3.88, WEGNER über GRÖPER)

Und sie [=die Erzählung] ruft Verständnislosigkeit und Ablehnung hervor, wo Symbol und Mythisierung die Wirklichkeit verstellen oder im Kitsch ertränken. (SZ 30.11.88, KÄSSENS über BERKÉWICZ)

 

 

Die positiven Wertbegriffe attraktiv und erfreulich finden ihre Entsprechung bei den negativen Wertbegriffen unattraktiv, gedämpfte Freude, (Ver-)Stimmungsbilder, Betrübliches[107]/ betrüben, enttäuschen/enttäuschend/Enttäuschung, (sich) ärgern/ärgerlich und der Aussage des Rezensenten schade, daß ... . Interessant ist, daß der Rezensent Joachim Kaiser dreimal einen Beleg für die Wortgruppe enttäuschen/enttäuschend/Enttäuschung liefert und daß zwei Rezensenten von dem Autor Lettau enttäuscht sind.

 

 

Vermutlich liegt es auch daran, daß die geschilderten Ereignisse der sechziger und siebziger Jahre so vergan-gen und unattraktiv wirken [...]. (FAZ 20.10.88, ENGEL über HOLZWARTH)

So bleibt die Freude über die Rückkehr Lettaus in die Literatur gedämpft. (FAZ 29.3.88, HINCK über LETTAU)

(Ver-)Stimmungsbilder der Langeweile [Überschrift] (SZ 8./9.10.88, SCHLODDER über WOHMANN)

Verschärft wird dies Betrübliche durch die schlampige Edition der Texte [...]. (FAZ 26.2.88, WEINZIERL über FRIED)

Dies betrübt um so mehr, als es [=Ungenauigkeiten etc.] völlig unnötig ist [...] (FAZ 6.2.88, WEINZIERL über MÜLLER)

Trotzdem rufe ich, daß mich dieser letzte Lettau-Band, in dem einiges Wunderhübsche neben viel Perfekt-Belanglosem steht, ein wenig enttäuscht. (SZ 30.3.88, KAISER über LETTAU)

[...] „Barbarswila“ enttäuscht nicht. (SZ 17.9.88, FISCHER über SPÄTH)

[...] so enttäuschend ist denn doch, daß die Erfahrungen eines gelebten Lebens kaum eingingen in die Mini-Texte. (SZ 30.3.88, KAISER über LETTAU)

Woran liegt es, daß man diesen Band mit Enttäuschung liest? (FAZ 29.3.88, HINCK über LETTAU)

Da [=in anderen Rezensionen] wurde eine kunstvoll gedichtete Welt gerühmt, eine schwierige, zeitübergrei-fende Konstruktion. Um so größer ist nun meine Enttäuschung. (SZ 22.10.88, KAISER über RANSMAYR)

Wenn dann nun aber, zwischen so künstlich als gemachten Worten [...] ein Satz steht „Ich würde das Schäf-chen mit Rosen schmücken, ein sanftes Rosa wäre der Gipfel“ - dann ärgere ich mich [...] (ZEIT 12.8.88, RADDATZ über KIRSCH)

Vielleicht sollte man sich auch nicht über die Unregelmäßigkeiten ärgern, die im Verfolgen des Erzählfadens auftauchen. (SZ 30.4./1.5.88, LEDANFF über THENIOR)

Das [=mißratene Ausdrücke] ärgert gerade bei einer Autorin, [...] (SZ 19.11.88, VON BECKER über SCHMIDT)

Daß es in Blatters Roman mitunter esoterisch qualmt, ist nicht so ärgerlich wie die [...] Verschwommenheit [...] (FAZ 20.9.88, MIEHE über BLATTER)

Ärgerlich daran und wahrhaftig obszön sind nicht allein die Geschmacklosigkeiten, die der Autor sich gestattet. (FAZ 4.10.88, GÖRTZ über FELS)

Schade, daß hier die Selbstanrede auf das Stereotyp und die gekünstelte Genitivmetapher setzt. (SZ 24.2.88, KURZ über HANNSMANN)

 

 

Im Gegenzug zu einer überzeugenden Leistung hat der Rezensent etwas einzuwenden oder Zweifel.

[...] dann läßt sich sogar einwenden, daß [...] (FAZ 15.10.88, SCHULZ über HÄRTLING)

Auch gegenüber der thematischen Orientierung dieser Prosa melden sich Zweifel. (FAZ 15.11.88, JACOBS über MAYRÖCKER)

 

 

Ist ein Kunstwerk gelungen, imponiert es, ein mißlungenes ist peinlich (sechs Belege) oder eine Peinlichkeit (zwei Belege), es ist nicht wohltuend, sondern verursacht Unbehagen, es ist nicht erquickend, sondern mühsam oder sogar quälend zu lesen, statt berückend, betörend, entzückend, bezaubernd zu sein, kann das Buch nerven, ist enervierend, nervtötend, schwer erträglich oder sogar unerträglich[108] (vier Belege).

 

 

Das ist natürlich pseudo-konkret und fast so peinlich, wie eine Genitiv-Metapher aus der Lyrik der fünfziger Jahre meist ist. (SZ 29.5.88, DREWS über ALLEMANN)

Nach den großen, peinlichen Gesten: die kleinen, feinen Augenblicke. (ZEIT 25.3.88, KILB über HAHN)

Von gnadenloser, fast tollkühner Peinlichkeit ist allein der Beginn seines Romans [...] (FAZ 7.6.88, MEY-HÖFER über MENASSE)

[...] [der Leser], dem sich der stilistische Bruch über das Symptom eines leichten Unbehagens bei der Lektüre zu erkennen gibt. (FAZ 4.10.88, MIEHE über KEMPOWSKI)

Der Weg durch diese Prosa ist mühsam. (FAZ 3.6.88, JACOBS über TECHEL)

Daß es mir bei der quälenden Lektüre nicht ein einziges Mal gelungen ist [...] (FAZ 31.5.88, KLESSMANN über ORTMANN)

Nichts ist ihm dabei zu abgeschmackt, keine Metapher zu schief, keine Persiflage zu abgedroschen, was bisweilen ganz lustig ist, zumeist aber gehörig nervt. (ZEIT 25.3.88, SCHMICKL über MAURER)

Und selbst wenn man geneigt ist, dem Autor das konjunktional gebrauchte „allein“ als Marotte nachzusehen, wird man schließlich restlos davon genervt. (SZ 5.10.88, HAUCK über MEINECKE)

Am enervierendsten freilich ist ihr Wiederholungsfimmel. (ZEIT 12.8.88, DOTZAUER über REICHART)

Auch die wohl augenfälligsten Manierismen Polityckis - der häufige Ausfall von Vokalen und einige geradezu nervtötende grammatische Eigenheiten wie der Fortfall zahlreicher Artikel - haben ihre Funktion, wie der ver-blüffte Leser nach mehr als vierhundert Seiten gesagt bekommt. (ZEIT 22.4.88, RATHJEN über POLITYCKI)

Schwer erträglich sind die Gedichte aber auf die Dauer vor allem durch [...] (SZ 15.6.88, DREWS über HAHN)

Unerträglich ist vor allem das bizarre Schummerlicht, in das er die Szene taucht [...] (FAZ 4.10.88, GÖRTZ über FELS)

[...] und hier [=in der Sprache] wird das Buch beinahe ungenießbar [...] (SZ 5.10.88, HAUCK über MEINECKE)

 

 

Mancher Rezensent ist von seinem Rezensionsobjekt nicht fasziniert, sondern läßt dessen Lektüre über sich ergehen und wird des Romans allmählich überdrüssig.

 

 

Wer eine Phantasmagorie von diesem Ausmaß, dazu noch mit einer so schiefen Motivkonstruktion als Rückgrat, über sich ergehen lassen soll [...] (SZ 13.7.88, MANTHEY über KONRAD)

[...] und man wird ihrer [=der Sprache] schon bald gründlich überdrüssig [...] (FAZ 31.5.88)

 

 

Daß dem Werk oder dem Autor etwas fehlt, äußert der Rezensent unpersönlich durch man vermißt (fünf Belege), läßt vermissen oder läßt manche Wünsche offen.

 

 

Im ganzen vermißt man in den längeren Erzählungen jene Folgerichtigkeit, die Kelters gedrängte Erzählungen ihrer gefestigten Form verdanken. (FAZ 3.5.88, HINCK über KELTER)

Sie [=die Prosa] läßt Kraft und Biß vermissen. (FAZ 4.10.88, KRÜGER über WOLF)

Ästhetisch also lassen die Gedichte, die Söllner bis zum Anfang der achtziger Jahre schreibt, manche Wünsche offen. (FAZ 4.10.88, HIEBER über SOELLNER)

 

 

 

 

2.3) Lexikalische Wertbegriffe mit eindeutig ästhetischer Wertung

 

In dieser Gruppe liegt kein Beleg für einen äußerst positiv oder äußerst negativ wertenden Begriff vor.

 

2.3.1) Positiv wertend

Die Korpus-Begriffe lauten: schön/Schönheit, hübsch/Wunderhübsches, Kunst, Kunststück, kunstvoll, kunstreich, Sprachkunst, Schreib(e)kunst, Beschreibungskunst, Beleuchtungskunst, Literatur.

Das (gemäßigt) positiv wertende Adjektiv schön[109] hat bezüglich seiner Verwendung eine ausufernde Diskussion entfacht.[110]

OLDEMEYER (1976) konstatiert verschiedene Ebenen der Schönheitserfahrung: Auf einer ersten Ebene der Schönheitserfahrung wird noch nicht differenziert, analysiert und verglichen, sondern ganzheitlich als ‘schön’ empfunden, „was unter zunehmendem Drang als begeh­renswert, als sympathetisch faszinierend, zum mimetischen Mitmachen oder zur Vereinigung stimulierend wahrgenommen wird.“ (OLDEMEYER 1976, 103) In unserem heutigen Verständnis ist dagegen ‘schön’ selbst schon ein komparativischer Begriff wie andere Bewer­tungsausdrücke auch.

 

 

Wörter wie ‘schön’, ‘gut’ und andere sind nicht nur als Adjektive „äußerlich“ graduierbar (steigerbar), sondern enthalten in ihrem Inhalt selbst bereits als Komponente eine Graduierung [...]. (HARTMANN 1976, 13)

 

 

Auf einer zweiten Ebene werden Normen dafür festgelegt und internalisiert, was im geschicht­lich-sozialen Kontext als ‘schön’ wahrgenommen und bezeichnet werden kann. ‘Schön’ ist auf der sekundären Ebene, „was in einer sozialen Gruppe hinsichtlich bestimmter, als ‘wohlge­fällig’ bewerteter Qualitäten seiner sinnlichen Erscheinung als das ideale Normale anerkannt ist.“ (OLDEMEYER 1976, 107) Bei PLATON umfaßt der Begriff des Schönen (kalón) auch das moralisch Gute (prepón), das Nützliche (chrésimon) und Lustvolle (hedoné); dies mündet in das Ideal der kalokagathía. Später werden diese Bereiche voneinander getrennt, „wenn sich in einer Sprachgemeinschaft ein spezifisches ästhetisch-künstlerisches Erfahrungsfeld mit eigenen Beurteilungskriterien herausbildet.“ (OLDEMEYER 1976, 97) Auf einer dritten Ebene der Schönheitserfahrung wird das künstlerisch Neue als ‘schön’ empfunden; dies bewirkt die Abkehr von einem einheitlichen Stil und einen Pluralismus von Schönheitsnormen.

Eine ‘schön’-Prädikation stellt zunächst einen interpretativen Akt dar, eine Operation, die dem als ‘schön’ bezeichneten Gegenstand extern ist. Das Kunstwerk wird mit einem Schema in Verbindung gebracht, das nicht im Kunstwerk ist. Gleichzeitig ist diese Operation ein intentionaler, konstitutiver Akt, „der vermutlich den Akten der Bedeutungsverleihung vergleichbar ist, die ebenfalls interpretativ-bewertender Art sind.“ (HARTMANN 1976, 15)

Nach KIENECKER (1989, 78) äußert man mit dem Adjektiv schön sein Wohlgefallen am Objekt[111] und fällt damit gleichzeitig ein Appetenzurteil.

Die Bezugsbereiche für eine ‘schön’-Prädikation sind unbegrenzt[112], da Schönsein eine Folgequalität[113] ist, die - intersubjektiv unterschiedlich - einem Gegenstand zugesprochen wird, wenn er den entsprechenden Eindruck gemacht hat. Der Künstler kann seinen Schönheitswert dem Rezipienten nicht auf direktem Wege übermitteln, da dieser selbst sich nicht auf nur rein hermeneutisches Verstehen im Rahmen vorgegebener Kategorien beschränkt, sondern eine eigene Werterzeugung vornimmt.

 

 

‘Etwas Schönes’ ist dann etwas, zu dem der Wert, mit ‘schön’ bezeichnet, hinzu“generiert“ worden ist; ‘das Schöne’ als Benennung des Begriffs bezeichnet die FOLGE einer zusammenfassenden Operation [...], die das Verfahrenssubstrat einer Verbegrifflichung für die Klasse mehrerer/aller schönen Gegenstände, Werke usw. ergibt. (HARTMANN 1976, 19)

 

 

Die Produktions- und Interpretationsregeln im Rahmen der Wertverleihung sind ähnlich denen der sprachlichen Kommunikation. In beiden Fällen müssen die Kommunikationswerte vom Adressaten (wieder-)erzeugt werden (vgl. HARTMANN 1976, 25), wobei die Informations­übertragung der schönen Literatur - anders als in anderen Künsten - kognitiver und ästheti­scher Art ist.

SCHMIDT (1976, 31) zeigt, daß das Prädikat ‘ist schön’ formal ein einstelliges Prädikat ist, durch die erforderliche Wahrheitsbedingung jedoch zu einem mehrstelligen Prädikat wird:

„X ist schön für S zu t1 an l1 aufgrund von Th1 ...“ Entscheidend für die Prädikation wird die subjektive Einstellung des Sprechers (S) in einer Sprechsituation zu einer bestimmten Zeit (t1) an einem bestimmten Ort (l1) auf der Grundlage einer impliziten oder expliziten Theorie des Schönen (Th1). Damit wird klar, daß die Prädikation eine Bewertung und nicht eine Beschrei­bung vornimmt, weshalb man deren Bedeutung höchstens durch die Angabe ihres Gebrauchs zu ergründen versuchen könnte.[114]

In der Diskussion zum Bedeutungsumfang des Begriffs Kunst spielt schön seit der Entdeckung des Häßlichen und der Entstehung abstrakter bzw. konkreter Kunst keine entscheidende Rolle mehr, da oftmals kein Korrelat in zeitgenössischen Kunstwerken gefunden werden kann und für wissenschaftstheoretisch bewußte Ästhetiker der Begriff schön in seiner Intension und Extension zu vage ist (vgl. SCHMIDT 1976, 38). ‘Schön’ ist ein „Begriffsschema, dessen intensionale und extensionale Füllung von den Benutzern dieses Wortes relativ zu impliziten (Geschmack) oder expliziten (Ästhetik) Normen vorgenommen wird.“ Daher ist der Gebrauch von schön in wissenschaftlichen und philosophischen Texten nur vertretbar, „wenn seine Intension durch eine explizite Theorie genau angegeben wird.“ (SCHMIDT 1976, 42)

SCHMIDT (1976, 44) faßt die Debatte zum Begriff schön zusammen:

„Aufgrund der Hypothek, die durch inflationären und unreflektierten Gebrauch dieses Ausdrucks [...] in der Kommunikation über Kunst auf diesem Ausdruck lastet, wird es schwer fallen, ihn zu rehabilitieren.“ Dennoch beweisen die Rezensionen, daß alltagssprachlich der Begriff schön weiterhin ohne genaue Definition verwendet wird als positiv wertender Begriff im ästhetischen Bereich und seine generell positiv wertende Aussage auch verstanden wird. Die Kriterien der Wertung legen die Kritiker kaum dar.

In elf der Belege wird schön als adjektivisches Attribut eines Substantivs gebraucht und kann als eindeutig ästhetisch wertend eingestuft werden:

 

 

Vom dialektischen Wechselspiel der schönen Gedichte aus dem Band „Herbstsonett mit Hegel“ [...] (SZ 8.12.88, HARIG über KROLOW)

In einem besonders schönen Kapitel schreibt Christa Moog [...] (FAZ 15.12.88, REICH-RANICKI über MOOG)

Und so ist dieser Roman mehr als die ernste, schöne Kindergeschichte, die er auch ist: Ein Ehe- und Liebesroman [...] (ZEIT 9.12.88, HAGE über NIEDERHAUSER)

 

 

Zwei Belege zeigen eine Verwendung von schön als Attribut zu einem Adjektiv:

 

 

Der letztgenannte Satz wird im übrigen, weil er so schön makellos und klar ist, viele Male wiederholt [...] (SZ 15.11.88, Rathjen über LAEDERACH)

 

 

Das folgende Beispiel mit einer gehäuften Verwendung von schön spielt mit dem Gebrauch des Wortes in der Bedeutung, wie sie der DUDEN (vgl. Anm. 109) unter 1. anführt und der Bedeutung unter 7. „im Hinblick auf Anzahl, Menge, Ausmaß beträchtlich“. Der positive Tenor der gesamten Kritik und der Parallelismus der Adjektive mit ihrem Attribut lassen den Schluß zu, daß selbst die Verbindung schön blöd bezüglich des Buches positiv wertend gemeint ist, was auch durch die Ästhetik des Häßlichen untermauert ist:

 

 

Alles in allem ein schön anarchistisches, schön sinnloses, schön blödes, schön formloses, schön wütendes und trotz der Kürze dazwischen auch wieder schön abgeschmacktes Buch [...] (ZEIT 7.10.88, KLIER über KOFLER)

 

 

In zwei Belegen ist schön als adverbiale Angabe gebraucht und ist durch gut substituierbar, daher liegt keine eindeutig ästhetische Wertung vor. Gerade das erste Beispiel belegt mit der Parallelität von sehr schön und weniger gut die Austauschbarkeit:

 

 

Gelungen ist das sehr schön in der Novelle „der Aufklärungsmacher“ [...]; weniger gut in „Ultima Thule. Eine Rückkehr“. (SZ 15.11.88, FALCKE über BEYSE)

Die Autorin weiß das auch sehr schön zu pointieren. (FAZ 16.4.88, HARTUNG über HAHN)

 

 

Die beiden Belege, in denen der Begriff Schönheit auftaucht, sind wiederum eindeutig ästhetisch wertend.

 

 

Er erzählt diese Geschichte eines allmählich ausbrechenden Wahnsinns in lyrischer Schönheit. (FAZ 17.9.88, SCHIRRMACHER über RANSMAYR)

[...] die transparente Schönheit der Sprache Enzensbergers ist so verständlich wie erregend [...] (ZEIT 4.3.88, MODICK über C. ENZENSBERGER)

 

 

Das (gemäßigt) positiv wertende Lexem hübsch[115] betreffend, bemerkt UNTERFORSTHU-BER (1982, 62) zur Syntagmatik:

 

 

Die Belege zu hübsch lassen auf ein syntagmatisches Verhalten des Lexems schließen, das mit dem von schön bis ins Detail übereinstimmt. Damit gelten die Bemerkungen zu schön auch in vollem Umfang für hübsch. Das bedeutet auch, daß es kaum möglich ist, aus den Kontextbelegen Anhaltspunkte für Seme zu finden, in denen sich die beiden Sememe unterscheiden.

Der folgende Beleg ist der Bedeutungsangabe 1.b) des DUDEN zuzuordnen.

 

 

Hübsche kleine Raffinesse, auf den großen Schatten [=Thomas Mann] hinzuweisen. (SZ 15.11.88, GRIMMINGER über MÖCHEL)

 

 

Eine Steigerung zu einem sehr positiv wertenden Lexem erfährt hübsch durch das Präfixoid wunder-:

 

 

Trotzdem rufe ich, daß mich dieser letzte Lettau-Band, in dem einiges Wunderhübsche neben viel Perfekt-Belanglosem steht, ein wenig enttäuscht. (SZ 30.3.88, KAISER über LETTAU)

 

 

Ebenfalls ein ästhetisch wertendes Lexem ist der übergeordnete Begriff Kunst, wenn er als

Prädikat den künstlerischen Bestrebungen eines Individuums verliehen wird, eindeutig ästhetisch wertend jedoch nur im Sinne der Bedeutungsangabe 1.a des DUDEN[116], nicht mehr eindeutig, wenn Kunst mit Genitivattribut, mit erweitertem Infinitiv oder als Basis einer Zusammensetzung wie Sprachkunst, Schreib(e)kunst, Beschreibungskunst, Beleuchtungskunst im Sinne von ‘Können’ gebraucht wird. Da die hierzu vorhandenen Belege jedoch nicht eindeutig eine ästhetische Wertung ausschließen, sind sie nicht unter der Rubrik ‘Können’ (s.o. 2.1.1.2) aufgelistet, sondern hier.

 

 

Nie wird es Kitsch, nicht immer drum Kunst. (ZEIT 5.8.88, VON BECKER über SCHMIDT)

 

 

Die parallele Formulierungsweise zeigt einen der ästhetisch negativ wertenden Gegenbegriffe von Kunst, nämlich Kitsch (s.u.).

 

 

Kunstgewerbe wird durch Gebrauchsanweisungen nicht zu Kunst. (ZEIT 12.8.88, RADDATZ über KIRSCH)

 

 

Hier beweist die Gegenüberstellung eine schlechtere Bewertung von Kunstgewerbe als von Kunst.

Die Lexikalisierung von Kunststück löst der folgende Beleg durch die Verwendung im Rahmen einer positiv wertenden Kunstkritik wieder auf:

 

 

Sie [=die Chronik] ist [...] ein lyrisches Kunststück in Prosa [...] (FAZ 12.1.88, GÖRTZ über KIRSCH)

 

 

Interessanterweise findet sich über dieselbe Autorin bei einem anderen Rezensenten dasselbe Wortspiel:

 

 

Sarah Kirsch und ihr Prosakunststück „Allerlei-Rauh“ [Überschrift] (ZEIT 12.8.88, RADDATZ über KIRSCH)

 

 

Zwischen den beiden Bedeutungsvarianten von Kunst (‘ästhetisch wertvoll’ und ‘auf Können und Geschick basierend’) angesiedelt sind die Adjektive kunstvoll[117]  (elf Belege) und kunstreich. Es seien alle Belege angeführt, um zu zeigen, daß kein einziger es ermöglicht, die Bedeutungsvariante nach DUDEN genau festzulegen.

 

 

Es gibt wohl kaum einen anderen deutschsprachigen Autor, der ein Konfetti von Genres und Stilmitteln so kunstvoll zu einem Hausschatz literarischer Satire häufen kann wie Adolf Endler. (ZEIT 22.4.88, STEINERT über ENDLER)

Briefe an einen Strafgefangenen, Kindheitserinnerungen [...] - Astrid Gehlhoff-Claes hat sie kunstvoll montiert. (FAZ 17.2.88, FRISÉ über GEHLHOFF-CLAES)

Häufig löst sich der Bericht auf in kunstvolles Gestammel [...] (ZEIT 7.10.88, WINKLER über GOETZ)

Sie [=die Gedichte] präsentieren sich, ohne viel Aufhebens zu machen, präzise, sehr sorgfältig und kunstvoll gearbeitet. (SZ 13.8.88, FELDES über HENSEL)

Kunstvoll verschlingt die Autorin die physisch verstreichende Zeit [...] und die psychologische Zeit [...] (SZ 8.12.88, KATZ über JOHANSEN)

Einsichten [...] wie sie der Erzählung „Mechanik“ innewohnen, auf eine höchst kunstvolle Weise innewohnen. [...] zu jenem kunstvoll genauen Protokoll der „Mechanik“ einer deutschen Familiengeschichte? (ZEIT 22.1.88, AHRENDS über SCHÄDLICH)

Die Krise lyrischer Innerlichkeit hat eine eigene Geschichte kunstvoll identifikatorischen Sprechens hervorge-bracht. [...] Auf diese Strophe mit ihrer kunstvollen Verknappung im Zentrum folgt ein Gedichtschluß, der diese Szenerien [...] steigert [...] (SZ 4.6.88, CRAMER über SCHMIDT)

Zu hart und unvermittelt klaffen kunstvoll spontan und erstaunlich flach, ja nachlässig geschriebene Passagen auseinander. (ZEIT 7.10.88, BAUMGART über WALTER)

Das ist das Spannende, auch sehr Kunstvolle an Sarah Kirschs kleiner „Chronik“. (ZEIT 12.8.88, RADDATZ über KIRSCH)

 

Durch diese in wechselnden Perspektiven erzählte kunstreiche Parabel über das Trugbild [...] (SZ 5.10.88, AUFFERMANN über KONEFFKE)

 

 

Wie oben schon erwähnt, ist die Bedeutung von Kunst in folgenden Belegen ebenfalls nicht eindeutig.

 

 

Überhaupt beherrscht dieser Schriftsteller die Kunst des Weglassens, des trockenen Tons. (ZEIT 7.10.88, VON BECKER über ROTHMANN)

Sulzers Kunst besteht darin, die inneren Vorgänge, das eigentlich nicht Erzählbare, Sprache werden zu lassen [...] (FAZ 23.7.88, KLESSMANN über SULZER)

Seine Kunst besteht in dem Wider- und Zusammenspiel von sprachlicher Fülle und konturierender Perspekti-vierung [...] (SZ 17.9.88, SPÄTH über FISCHER)

Denn [...] diese Sammlung enthält nicht den einen oder anderen „Wurf“, sondern wirkt in jedem ihrer Stücke als Ausdruck einer souveränen Sprachkunst. (SZ 16.7.88, VON SCHIRNDING über NESTLER)

Virtuosität wie Leere von Lettaus perfekter Schreibekunst [...] (SZ 30.3.88, KAISER über LETTAU)

Aber durch die Schreibkunst von Klaus Hensel gelingen Zeilen, die [...] (SZ 13.8.88, FELDES über HENSEL)

[...] dies ist das eindrucksvoll Neue in Jutta Schuttings verdichteter Beschreibungskunst [...]

[...] (und [man] kann [...] zum immer wieder neu überraschten Entdecker der meisterhaften Beschreibungs-kunst der österreichischen Erzählerin werden). (SZ 2.11.88, LEDANFF über SCHUTTING)

Hier entfaltet die Autorin ihre enorme Beleuchtungskunst, die Fähigkeit, mit direktem und indirektem Licht zu arbeiten [...] (SZ 4.6.88, CRAMER über SCHMITT)

 

 

Ebenso wie bei Kunst liegt auch bei dem Gattungsbegriff Literatur eine ästhetisch positive Wertung vor, wenn er prädikativ für das Kunstwerk gebraucht wird.

 

 

[Zitat] Das ist Literatur. Nicht für FAZ-Leser. Unbedingt. (SZ 15.11.88, RATHJEN über LAEDERACH)

 

 

2.3.2) Negativ wertend

In unserem Korpus ist das einzige lexikalisch negativ wertende Lexem, das eindeutig eine ästhetische Wertung beinhaltet, Kitsch[118] (sechs Belege) bzw. das Kompositum Psychokitsch oder die Ableitungen kitschig[119] und verkitscht.

[...] die Passagen, wo sie ihre Herzensnot ausbreitet, sind nicht frei von Kitsch. (FAZ 17.2.88, FRISÉ über GEHLHOFF-CLAES)

Maurer erweist sich als Manierist des Kitsches [...] (ZEIT 25.3.88, SCHMICKL über MAURER)

 

 

Ungewöhnlich auch die Kombination mit dem Attribut sauer:

 

 

Sie [=die Altklugheit] äußert sich in einer wuchtigen, elliptischen Sprache, in einem monologischen Extremismus, der dem Gestelzten nicht immer entkommt und sich zuweilen auch im Bad des sauren Kitsches - entschieden zu viele Krähen! - ergeht. (ZEIT 4.3.88, SCHMID über KURZECK)

 

 

Die Gegenüberstellung von Kitsch und Kunst in einer parallelen Satzkonstruktion wurde schon als Beleg zu Kunst zitiert:

 

 

Nie wird es Kitsch, nicht immer drum Kunst. (ZEIT 5.8.88, VON BECKER über SCHMIDT)

 

 

Der folgende Beleg zeigt deutlich in seiner Apposition zu Kitsch, daß auch proletarisch und Kleinkunst ästhetisch negativ wertend verstanden werden, doch gibt das jeweilige Lemma des DUDEN keinen Hinweis auf eindeutig ästhetische Wertung.

 

 

[...] dem Kitsch, der proletarischen Kleinkunst oft bedrohlich nahe [...] (FAZ 4.10.88, GÖRTZ über FELS)

Psychokitsch im Predigtton [Überschrift] (FAZ 7.4.88, FULD über EISENDLE)

[..] ein kitschiges Arrangement. (SZ 6.8.88, VON BECKER über DUVANEL)

[..] kitschige Accessoires (SZ 10.2.88, KNODT über ASMODI)

[...] ein bißchen kitschig beschrieben. (FAZ 1.7.88, MIEHE über BIANCHI)

 

Verkitscht/verkitschen folgt dem Wortbildungsmuster, für das FLEISCHER (41975, 331) - das Präfix ver- betreffend - unter anderem angibt: etwas ist ‘falsch, weg vom rechten Wege’. Verbunden ist damit eine negative Bewertung wie in ähnlichen desubstantivischen Verben, z.B. verhöhnen, vergiften, verpesten, versalzen, verwässern, verseuchen.

 

 

Bisweilen ist man in Versuchung, die Gedichte einfach Kitsch zu nennen [...], und dieser Versuchung sollte man ruhig nachgeben: Sie sind der durchaus authentische Ausdruck eines verkitschten Seelenlebens. (SZ 15.6.88, DREWS über HAHN)

 

 

Änhlich wie bei der Gegenüberstellung von Kitsch und Kunst werden dem positiv wertenden Begriff Kunst auch die in allen Belegen negativ wertenden Begriffe Kunstgewerbe[120] bzw. kunstgewerblich[121] und Kunsthandwerk[122] bzw. kunsthandwerklich zugeordnet. Die Rezen-senten verwenden diese Begriffe wie eindeutig negativ wertende Lexeme im ästhetischen Bereich, obwohl die Bedeutungsangaben des DUDEN keinen Hinweis auf eine Wertung enthalten. Anscheinend ist es der Bedeutungsanteil des eher handwerklichen Herstellens von Gebrauchsgegenständen inner­halb einer Kunsttheorie, die das l’art pour l’art propagiert, der dazu führt, daß diese Lexeme wie negative Wertlexeme benutzt werden. Auch wenn sie nicht in die Gruppe der echten ästhetischen Wertlexeme gehören, seien sie als Gegenbegriffe zu Kunst hier angeführt.

 

 

Kunstgewerbe wird durch Gebrauchsanweisungen nicht zu Kunst. (ZEIT 12.8.88, RADDATZ über KIRSCH)

 

 

Das seit dem Sturm und Drang negativ konnotierte Element des Handwerklichen, Herstell-baren, Erlernbaren wird in Raddatz’ Kritik signalisiert durch die Begriffe Kunstgewerbe und Gebrauchsanweisung.

 

 

So liegt auch in scheinbar makellosen Erzählpassagen ein dünner Schleier von Kunstgewerbe über dem Text: [...] (ZEIT 7.10.88, BRAND über KONEFFKE)

Vieles [...] scheint prunkendes Kunstgewerbe zu sein. (SZ 22.10.88, KAISER über RANSMAYR)

 

 

Beide Kritiken setzen den Begriff Kunstgewerbe bedeutungsverwandt mit dem Wort Kitsch ein, hervorgerufen durch die lexikalische Bedeutung, daß ein Handwerker z.B. Schmuck künstlerisch gestaltet und das rechte Maß, das ein echter Künstler internalisiert hätte, verliert, daher auch die Kombination mit dem Adjektiv prunkend.

Die Verwendung des Adjektivs kunstgewerblich in den Rezensionen paßt bezeichnenderweise nicht exakt zu der Bedeutungsangabe des DUDEN. Der Substitutionstest macht dies deutlich:

 

Aber Amann gelingt es nicht, aus seiner kunstgewerblichen Requisitenkammer herauszukommen. (FAZ 6.11.88, KLESSMANN über AMANN)

 

 

Nicht bedeutungsgleich ist der folgende Nebensatz: *[...] aus seiner zum Kunstgewerbe gehörenden Requisitenkammer herauszukommen. Ebenso ist - entgegen der Angabe im DUDEN - eine Steigerung des Adjektivs und eine prädikative Verwendung im Zitatzusammenhang denkbar.

 

 

Ich entdecke in Ransmayrs Roman viel kunstgewerbliche Erlesenheit. (SZ 22.10.88, KAISER über RANSMAYR)

Kein Zweifel: Selbst hier ist die Grenze zum Kunstgewerblichen nah [...] (FAZ 6.2.88, WEINZIERL über MÜLLER)

 

Solches Kunsthandwerk will nur noch ins Museum der postmodernen Poesie. (ZEIT 25.3.88, KILB über HAHN)

 

 

Der Rezensent bezieht sich bei seinem Vorwurf auf „erlernte Leistungen“ und Nachahmung bzw. Epigonalität.

 

 

Aber diese kunsthandwerklichen Ausrutscher können nicht den überaus positiven Gesamteindruck beeinträchti-gen [...] (SZ 13.8.88, FELDES über HENSEL)

 

 

Kunsthandwerklich bezieht sich hier auf schwächere Gedichte mit Bildern, die nur originell aber nicht künstlerisch gelungen seien.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2.4) Metaphern ohne Hinweis auf ein Bewertungskriterium

 

2.4.1) Positiv wertend

(1) Synästhetische Metaphern

- Literatur und Geschmacksempfindung

Ein Rezensent drückt sein Wohlgefallen an einem literarischen Werk z.B. durch kulinarische Metaphern[123] aus, daß es ihm mundet, schmeckt, daß er dem Werk bescheinigt, es sei schmackhaft, eine Prosapraline.

 

 

Der Roman-Cocktail, mit Krimi- und Gesellschaftssatire-Säften aufgepeppt, mundet nicht [...] (ZEIT 25.3.88, KLIER über SCHOLTEN)

Mir schmeckt diese Suppe. [...] Die Titel seiner Publikationen lesen sich schmackhaft: „Vom Bravsein und vom Schweineigeln“ zum Beispiel [...] (SZ 14.9.88, KRAMBERG über KOFLER)

Ist ein Sprechcluster wie der, um den sich der Text „Binnder-Korts Halfzware; eine Erinnerung“ aufbaut [...], schon für sich genommen eine schweizerische Prosapraline erster Wahl [...] (SZ 15.11.88, RATHJEN über LAEDERACH)

 

 

Anscheinend hat sich der Rezensent im letzten Beispiel von der Herkunft des Schweizer Autors Laederach zu seiner Metapher verleiten lassen.

Der Textzusammenhang des folgenden Belegs zeigt, daß das Adjektiv delikat[124] nicht im kulinarischen Sinne (Anm. 124: Bedeutung 1), sondern im Sinne der zweiten Bedeutung zu verstehen ist:[125]

 

 

[...] delikate lyrische Gebilde [...] (FAZ 9.7.88, WITTSTOCK über ANDERSON)

 

 

 

 

(2) Natur

Metaphorisch funktioniert die Wertung, wenn dem positiv bewerteten Korn das Stroh oder dem positiv bewerteten Weizen die Spreu gegenübergestellt wird.

 

 

Oder um es mit einem Bild aus der ländlichen Welt seines Helden zu sagen: eine Handvoll Körner unter einem Haufen Stroh. (FAZ 29.3.88, WITTSTOCK über NEUMEISTER)

Das lange Gedicht konnte, trotz manch geglückter Zeile, manch prägnantem Bild, im ganzen wenig überzeugen - zuviel Stroh, zuwenig Korn. (FAZ 4.10.88, Hieber über SOELLNER)

Man würde sich allerdings wünschen, daß sie es dem Leser bei ihren zukünftigen Publikationen etwas leichter macht und selbstkritischer den Weizen von der Spreu sondert. (FAZ 21.4.88, HINDERER über CÄMMERER)

 

 

2.4.2) Negativ wertend

(1) Synästhetische Metaphern

- Literatur und Geschmacksempfindung

Die Bewertung des Inhalts eines Lyrikbandes als Brosamen und das Empfinden eines schalen Beigeschmacks bei der Lektüre zeigen nicht unbedingt ein großes Werk an.

 

 

Sabine Techel steht mit diesen prosaischen Brosamen noch in den Schranken der Lyrik. (SZ 25./26.6.88, AUFFERMANN über TECHEL)

Solches demonstrative Märtyrer-Bewußtsein gibt seiner Prosa einen schalen Beigeschmack von Effekthasche-rei [...] (FAZ 24.9.88, WITTSTOCK über GOETZ)

 

 

(2) Natur

Eine Bewertung als Naturkatastrophe geht über die Wertung als Katastrophe insofern hinaus, als elementare Naturgewalten beschworen werden und die Wirkung verheerender bzw. gewaltiger ist.

 

 

Die entsprechenden Verben und Adjektive ziehen am Leser vorüber, nicht dieser [=Dorftrottel] selbst: torkelnd, klumpig, stopplig, verkümmert [...]. Das in sieben Zeilen - eine wörtliche Naturkatastrophe, kein sprachliches Ereignis. (SZ 13.7.88, MANTHEY über KONRAD)

 

 

Schon unter den positiven Bewertungen wurde auf die Gegenüberstellung von Korn und negativ bewertetem Stroh, von Weizen und negativ bewerteter Spreu hingewiesen.

 

 

Oder um es mit einem Bild aus der ländlichen Welt seines Helden zu sagen: eine Handvoll Körner unter einem Haufen Stroh. (FAZ 29.3.88, WITTSTOCK über NEUMEISTER)

Das lange Gedicht konnte, trotz manch geglückter Zeile, manch prägnantem Bild, im ganzen wenig überzeugen - zuviel Stroh, zuwenig Korn. (FAZ 4.10.88, Hieber über SOELLNER)

Man würde sich allerdings wünschen, daß sie es dem Leser bei ihren zukünftigen Publikationen etwas leichter macht und selbstkritischer den Weizen von der Spreu sondert. (FAZ 21.4.88, HINDERER über CÄMMERER)

 

 

(3) Menschlicher Organismus

Aus ärztlicher Sicht diagnostiziert der Rezensent Erschöpfungssymptome.

 

 

Der neue Prosaband des Autors darf an seinen früheren gemessen werden. Gewisse Erschöpfungssymptome sind unübersehbar. (FAZ 29.3.88, HINCK über LETTAU)

 

 

(4) Sport, Spiel, Fortbewegung

Wenn das Debüt eines Autors mißlungen ist, liegt ein Vergleich mit einem Fehlstart im Sport nahe, falls man der Ansicht ist, daß dem Autor noch weitere Versuche freistehen, die - seinem Talent nach zu urteilen - gelingen können.

 

 

Auf die weiteren Arbeiten Peltzers [sollte man] hingegen schon [warten]. Ein Fehlstart muß ja nicht mehr als ein Fehlstart sein. (SZ 9.1.88, MOSER über PELTZER)

 

 

(5) (Elektro)technik

Ist von Kurzschlüssen die Rede, denkt man an Fehler, die auf falschen oder fehlerhaften Strom- bzw. Sprachverbindungen beruhen und zerstörerisch wirken. Dies ist anscheinend auf sprach­licher Ebene der Autorin passiert, deren Werk in folgendem Beleg rezensiert wird.

 

 

[...] kommt es dann zu sprachlichen Kurzschlüssen, welche auch die sprachlichen Grenzen der Autorin deutlich machen. (FAZ 25.5.88, HINDERER über SCHMIDT)

 

 

 

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Nächstes Kapitel: Teil 2 - 3) Künstlerischer Wert, Echtheit, Substanz

 



[1] Grundlage für die Entscheidung, ob ein Wort als lexikalisch oder kontextuell wertend anzusehen ist, ist das jeweilige Lemma des DUDEN (21995) bzw. des Fremdwörter-DUDEN (41982)

[2] Ähnlich unterscheidet auch KIENECKER (1989, 28) allgemeine Wertwörter wie gut/schlecht, schön/häßlich, hervorragend, meisterhaft, wunderbar, hinreißend von Wörtern literarischer Wertung wie spannend/langwei­lig, schwülstig, stimmig, originell.

[3] ZHONG (1995, 144) führt zehn Stärkegrade der bewertenden Sprachhandlungstypen an, von DISQUALIFI-ZIEREN (-5) über VORWERFEN (-4), KRITISIEREN (-3), KLAGEN (-2), BEDAUERN (-1), BESCHREI-BEN (0), ERLEICHTERUNG AUSDRÜCKEN (+1), ANERKENNEN (+2), LOBEN (+3), WÜRDIGEN (+4) bis zu RÜHMEN (+5). Eine exakte Zuordnung von Lexemen zu einzelnen Sprachhandlungstypen ist in den wenigsten Fällen möglich, so daß die zehnstufige Skala für die lexemorientierte empirische Untersuchung des Sprachmaterials ungeeignet ist. Bezeichnenderweise gibt ZHONG (1995, 144f.) in seinem viel zu knappen Überblick über Wertlexeme (eineinhalb Seiten!) weder Wertungsrichtung noch Stärke der Bewertung an. Die Wortart Substantiv wird z.B. mit vier Belegstellen und folgendem vagen Kommentar abgehandelt: „Die unter-strichenen Substantive weisen große Unterschiede in der Art der Einstufung auf. Sie sind oft - müssen es aber nicht sein - Indikatoren bestimmter bewertender Handlungstypen.“

[4] DUDEN: „glänzend, hervorragend, ausgezeichnet, sehr gut“

[5] DUDEN: „hervorragend, ausgezeichnet, vortrefflich, vorzüglich“

[6] DUDEN: „1. (seltener) von der Art eines Wunders od. wie ein Wunder erscheinend, [wie] durch ein Wunder bewirkt 2. a) (emotional) [als] überaus schön, gut [empfunden] und deshalb Bewunderung, Entzücken o.ä. her­vorrufend b) (ugs.) <intensivierend bei Adjektiven> in beeindruckender, Entzücken o.ä. hervorrufender Weise“

[7] DUDEN: „in so hohem Maße als gut, schön empfunden, daß man es sich nicht besser, schöner vorstellen kann u. dadurch erfreuend [...]“; vgl. BÖHEIM (1987, 61, 62, 81, 167)

[8] Als Beweis werden alle Belege abgedruckt.

[9] Vgl. BÖHEIM 1987, 208

[10] DUDEN: „durch seine ungewöhnliche, bedeutende Art beeindruckend; ausgezeichnet

[11] DUDEN: „6 [...] b) <nur attr.> mit überduchschnittlichem Aufwand u./od. überdurchschnittlicher Wirkung verbunden, großartig, glanzvoll [...] 6 [...]d) [...] von besonderer Fähigkeit, Qualität; bedeutend, berühmt [...]“

[12] DUDEN: „großartig, hervorragend, ausgezeichnet“

[13] DUDEN: „a) Meisterwerk, Spitzenleistung [...] b) Kleinod, Perle, Juwel, Schatz [...]“

[14] Fremdwörter-DUDEN: „[...] b) mitreißend, glänzend“

[15] DUDEN: „mit allem ausgestattet, was dazu gehört, etw. [Hervorragendes] in vollem Maße zu sein; makellos, unübertrefflich, vollkommen [...]“

[16] DUDEN: „1. so beschaffen, daß nicht das Geringste daran auszusetzen ist; hervorragend [...]“

[17] DUDEN: „[...] b) sehr gut, ausgezeichnet; vorzüglich, vortrefflich“

[18] BÖHEIM (1987, 66, 100, 109) führt stark als Attribut zu Bewertungen des Stimmorgans unter den gemäßigt positiven Ausdrücken an. KILBs Rezension ist - ebenso wie seine Verwendung von stark - Ausdruck einer sehr positiven Bewertung. DUDEN: „[...] 6 [...] b) <nicht adv.> (als Ergebnis einer geistigen od. körperlichen Lei­stung) sehr gut, ausgezeichnet [...] 8. (Jugendspr.) so großartig, hervorragend, ausgezeichnet, daß das od. der Betreffende (den Sprecher) tief beeindruckt [u. (von ihm) als das Absolute u. einzig Erstrebenswerte angesehen wird]“ WDG: toll: „[...] 4. (umg.) erstaunlich, außergewöhnlich, unglaublich [...] (salopp) großartig, vorzüg­lich, prachtvoll [...]“

[19] DUDEN: doll: „[...] 2. großartig, prachtvoll [...]“

[20] DUDEN: „[...] 8. (ugs.) Güte, Qualität (in bezug auf bes. hervorragende, Begeisterung od. Bewunderung hervorrufende Leistungen) [...]“

[21] DUDEN: „a) (emotional) (bes. von Speisen, Getränken u. anderen Genüssen) besonders gut, herrlich, schön [...] c) (geh., veraltet) sehr wertvoll (u. als besonders schön empfunden): köstliches Geschmeide [...]“ Auch wenn in der Literaturkritik eine besondere Nähe zu kulinarischen Metaphern zu beobachten ist, liegt für den Textbeleg aus der Lyrikkritik sicher Bedeutung c) vor, auch aus Gründen der stilistischen Ähnlichkeit mit dem rezensierten Text.

[22] DUDEN: „a) sehr wertvoll; erlesen u. deshalb teuer [...]“

[23] DUDEN-Herkunftswörterbuch: „wertvoller Gegenstand, unersetzlicher Wert“

[24] Vgl. BÖHEIM 1987, 204

[25] Vgl. BÖHEIM 1987, 71f.; DUDEN: „in bewundernswerter, auffallender Weise gut, einwandfrei“

[26] DUDEN: Niveau: „[...] 3. geistiger Rang; Stand, Grad, Stufe der bildungsmäßigen, künstlerischen o.ä. Ausprägung“

[27] DUDEN: „a) mit großen [Qualitäts]ansprüchen; wählerisch“

[28] DUDEN: „1. für jmdn., etwas von wesentlicher Bedeutung [so daß viel davon abhängt] [...]“

[29] DUDEN: „[...] 2.a) von jmd. od. einer Sache ausgehende verlockende Wirkung; Antrieb, Antriebskraft [...] b) Zauber, Anmut, Schönheit, Charme [...]“

[30] DUDEN: „[...] 2 [...] b) anspruchsvoll [...] c) gewählt [...]“

[31] DUDEN: gut: „1.a) besonderen Ansprüchen, Zwecken genügend; von zufriedenstellender Qualität, ohne nachteilige Eigenschaften oder Mängel [...] b) seine Fähigkeiten erkennen lassen und seine Aufgabe zur Zufriedenheit erfüllend [...]“

[32] Vgl. die Arbeiten von OSBORNE 1955, GOODMAN 1973, ASCHENBRENNER 1974, SCHMIDT 1976; KIENECKER 1989 (bes. 65)

[33] Vgl. BÖHEIM 1987, 58f., 70f., 78, 79f.

[34] DUDEN: „[...] c) gute Eigenschaft, die eine bestimmte Person od. Sache (im Vergleich mit jmdm. od. etw. anderem) auszeichnet, hervorhebt [...]“

[35] Vgl. SCHIPPAN (1984, 166): „[...] die metonymischen Beziehungen“ zwischen abstrakter Größe und Person beruhen „auf objektiv gegebenen oder gemeinten Zusammenhängen“.

[36] DUDEN nützlich: „Für einen bestimmten Zweck sehr brauchbar; geeignet, einen Nutzen zu erzielen“

[37] DUDEN: „jmds. Bemühungen od. Absicht gemäß erfolgen; durch jmds. Planung od. Bemühung mit Erfolg zustande kommen“

[38] DUDEN: glücken: „[durch günstige Umstände] das erstrebte Ergebnis, den gewünschten Erfolg haben; gelin­gen“

[39] DUDEN: „1.a) Schuß, Schlag, Wurf o.ä., der trifft [...] b) (Ballspiele) Tor [...] c) (Boxen) Schlag, mit dem der Gegner getroffen wird [...] d) (Fechten) Berührung des Gegners mit der Waffe [...] 2. Gewinn (in einer Lotterie o.ä.) [...] Ü einen T. haben (ugs.; Glück haben); Die 17jährige Oberschülerin ... hofft, nach zahlreichen zweiten Plätzen beim kommenden Jahreshöhepunkt einmal einen ganz großen T. (ugs; den Sieg davontragen) zu können [...]“

[40] DUDEN: „[...] 2. gelungenes [künstlerisches] Werk, etw. Bedeutendes, Erfolgreiches [...]“

[41] DUDEN: „[...] 6.a) Vorhandensein besonderer Fähigkeiten, besonderer Begabung [auf einem bestimmten Gebiet], durch die jmd. eine außergewöhnliche, hohe Leistung erbringt [...]“

[42] Auch BÖHEIM (1987, 56, 59, 86) stuft das Adjektiv begabt als positiv wertend im Hinblick auf Talent und Begabung des Künstlers ein. Vgl. hochbegabt in Kap. 2.1.1.1

[43] Vgl. BÖHEIM 1987, 140 und SCHIPPAN (s.o. Anm. 35)

[44] DUDEN: „[...] bedeutungslos, unwichtig“

[45] Fremdwörter-DUDEN: „1. Anmerkung am Rande einer Handschrift od. eines Buches [...]“

[46] Vgl. Teil 2, Kap. 1

[47] BÖHEIMs scharfer Abgrenzung ist daher nicht zuzustimmen: „Negativ wertende Funktion erhält das Nume­rale ‘zweit’ nur in den Syntagmen ‘zweite Wahl’ und ‘zweite Qualität’“. (BÖHEIM 1987, 76)

[48] DUDEN: „[...] 2. (abwertend) primitiv“

[49] DUDEN: „[...] 6. [...] b) [...] als Ergebnis einer geistigen od. körperlichen Leistung in der Qualität unzuläng­lich, dürftig, wenig befriedigend“

[50] DUDEN: „1. von geringer Qualität, viele Mängel aufweisend, minderwertig (Ggs. gut 1), 2. wenig, schwach, unzulänglich, (nach Menge, Stärke, Umfang) nicht ausreichend (Ggs. gut 1), 3. (Ggs. gut 2) 1) ungünstig, nachteilig für etw., nicht glücklich, schlimm b) unangenehm [...]

[51] DUDEN: „[...] 2. (ugs. abwertend) (in den Augen des Sprechers) etw. Wertloses, Belangloses, etw., mit dem sich zu befassen nicht lohnt [...]“

[52] DUDEN: „(geh.) unsagbar a) [nicht adv.] (emotional) äußerst groß, stark; unbeschreiblich [...]“ Daß unsäg­lich auch im Kontext positiver Wertung verwendbar ist, zeigt folgender Beleg:

[...] diese Substanzen [...] so prägnant [...] auszumünzen, wie ihm [=Kofler] das in den drei unsäglichen Bergsteigersagas der Ouvertüre gelang. (SZ 14.9.88, KRAMBERG über KOFLER)

Ein weiterer Beleg läßt jedoch vermuten, daß der Rezensent das Substantiv Unsäglichkeit als lexikalisch nega-tiv wertend betrachtet:

[...] ein paar Gelegenheitsgedichte, die ob ihrer Unsäglichkeit keineswegs geeignet sind, den Ruhm des Sprachkünstlers Fried zu fördern. (FAZ 26.2.88, WEINZIERL über FRIED)

[53] DUDEN: „[...] 2. immer schwächer werden, nachlassen u. allmählich ganz aufhören [...]“

[54] DUDEN: „[...] 3. ungewollt, unnötigerweise abgeben, vergeben, nicht nutzen [...]“

[55] DUDEN: „1. [...] b) durch eigenes Verschulden, durch Leichtfertigkeit verlieren [...]“

[56] DUDEN: zernichten: „[...] (dichter. veraltet): vernichten [...]“

[57] Vgl. die Ausführungen zu miß- in Teil 2, Kap. 1

[58] Es werden alle Belege aufgeführt, um zu beweisen, daß die Wertung gut gemeint immer negativ ist.

[59] Vgl. BÖHEIM 1987, 145

[60] Vgl. BÖHEIM 1987, 145

[61] DUDEN: unfähig „1. den gestellten Aufgaben nicht gewachsen, nicht fähig [...] 2. zu etw. u. sein (zu etw. nicht in der Lage, nicht imstande sein)“

[62] DUDEN: „[...] 2. (ugs.) Fauxpas [...]“

[63] DUDEN: „ [...] 2. (ugs.) aus Unachtsamkeit o.ä. begangener Fehler, mit dem gegen etw. verstoßen wird [...]“

[64] DUDEN: „1. (ugs.) kleinerer Fehler (bei der Ausführung einer [erlernten] Tätigkeit) [...]“

[65] DUDEN: „[...] c) Fehler, durch gedankenloses od. unvorsichtiges Handeln verursachtes Mißgeschick [...]“

[66] Vgl. aber schwach unter 1.1.2.1

[67] DUDEN: „[...] 2. durch einen bestimmten Mangel in seiner Funktionsfähigkeit o.ä. beeinträchtigt sein [...]“

[68] DUDEN: „[...] (geh.): [an etw., jmdm.] unrecht handeln, schuldig werden“

[69] DUDEN: „ Geschmacklosigkeit, taktlose Äußerung [...]“

[70] DUDEN: „1.a) etw., was falsch ist, vom Richtigen abweicht; eine Unrichtigkeit“

[71] BÖHEIM (1987, 73, 164, 174) ordnet falsch den (gemäßigt) negativen Wertungen zu aufgrund der Bedeu­tung ‘den Erwartungen nicht entsprechend, nicht passen, nicht angemessen’. Der DUDEN gibt an : „[...] 2. [...] b) mit Mängeln behaftet, Fehler aufweisend; nicht so, wie es sein soll; fehlerhaft“

[72] DUDEN: „[...] (geh.) fehlen, mangeln <unpers.> [...]“

[73] DUDEN: „1. a) nicht mit etw. gefüllt; ohne Inhalt [...]“

[74] DUDEN: Substanz: „[...] 3. <bildungsspr.> das den Wert, Gehalt einer Sache Ausmachende; das Wesent­liche, der Kern (einer Sache) [...]“, substanzlos: „<bildungsspr.> keine od. zu wenig Substanz (3) habend [...]“

[75] Ein ähnliches Gegensatzpaar findet sich in der FAZ am 20.8.87: Wortmächtig, aber doch eher spracharm versuchte er [=der Autor] [...] von der trägen Allnacht in tristen Kneipen zu erzählen [...] (HIEBER über KURZECK)

[76] DUDEN: „[...] b) [...] unergiebig und ohne rechten Wert, unzulänglich, kümmerlich [...]“

[77] Teil 2, Kap. 1

[78] DUDEN: Historie: „anekdotenhafte, kurze Geschichte; kleine [scherzhafte] Erzählung; Klatschgeschichte; Anekdote [...]“

[79] Zu mini- bemerkt FLEISCHER (41975, 227), daß das Präfix - im Unterschied zum sachlichen mikro- - die Kleinheit oft emotionalisiert mit pejorativer Nuance bezeichne.

[80] Fremdwörter-DUDEN: „1. Überreichlichkeit, Überfluß, Üppigkeit. [...]“

[81] DUDEN: „wortreich, laut u. lebhaft, unbekümmert, oft auch aufdringlich reden, von etw. erzählen [...]“. Im WDG wird zusätzlich auf die Stilschicht und Wertungsrichtung verwiesen: „umg. abwertend: wortreich, auf­dringlich, laut reden [...]; prahlen, aufschneiden [...]“

[82] Auch hier ist auf FLEISCHER (41975, 186) zu verweisen, der zu den Derivaten mit der diskontinuierlichen Konstituente Ge-e bemerkt, daß „eine große Gruppe der Prozeßbezeichnungen [...] gleichzeitig eine pejorative Expressivität“ hat.

[83] Von KÜHNHOLD u.a.(1978, 485) wird -selig1  im Beispiel redselig paraphrasiert mit „X [...] redet gern/ viel/oft“ und dazu bemerkt: “Neben dem denotativen Inhalt kann in den Bildungen mit -selig1 andeutungsweise eine gutmütig- bzw. negativ-ironische Sprecherhaltung festgestellt werden [...]“

[84] Vgl. BÖHEIM 1987, 42, 193ff.

[85] DUDEN: „[...] 2. [...] c) [...] in beschämender Weise [erbärmlich, jämmerlich]“

[86] Fremdwörter-DUDEN: „a) sehr unangenehm und peinlich; Unannehmlichkeiten und Ärger verursachend; in Verlegenheit bringend; mißlich b) unangenehme, schlimme Folgen nach sich ziehend, verhängnisvoll, verderb­lich, folgenschwer“

[87] DUDEN: „1. Grausen hervorrufend; grauenvoll, entsetzlich, fürchterlich 2. (ugs.) a) in besonders starkem Maße wie eine Art Pein empfunden; so [geartet], daß man es kaum noch ertragen kann, sehr schlimm [...]“

[88] DUDEN: „1. durch seine [nicht für möglich gehaltene] Furchtbarkeit bei jmdn. Entsetzen erregend [...]“

[89] DUDEN: „Zusammenbruch, Niederlage; unheilvoller, unglücklicher Ausgang [...]“

[90] Fremdwörter-DUDEN: „Mißgeschick, Unheil; Zusammenbruch“

[91] Fremdwörter-DUDEN: „1. Unglück von großen Ausmaßen u. entsetzlichen Folgen [...]“

[92] Vgl. KRAFT 1971, 48; BÖHEIM 1987, 88; HUNDSNURSCHER/SPLETT 1982, 35ff.; BALLMER/BREN-NENSTUHL 1982, 25f.

[93] Vgl. Teil 1, Kap. 2

[94] DUDEN: „jmdm. sehr passend, angenehm; erwünscht [...]“

[95] Fremdwörter-DUDEN: „[...] 1. zusagend, anziehend, ansprechend, angenehm [...]“

[96] Vgl. BÖHEIM 1987, 159

[97] DUDEN: „1. anziehend durch besondere, günstige Voraussetzungen, Gegebenheiten; starken Anreiz bietend, verlockend, begehrenswert, erstrebenswert 2. [sehr] anziehend auf Grund eines ansprechenden Äußeren, hübsch, reizvoll“. Daß die klassematische Bestimmung des Lexems bei SOMMERFELDT/SCHREIBER (21977, 63) „Hum/weibl. Geschlecht“ nicht oder nicht mehr stimmt, darauf hat schon UNTERFORSTHUBER (1982, 71) hingewiesen. Doch selbst in der ersten Bedeutungsvariante, die der DUDEN nennt, klingt die Kombination attraktiver Denker ungewöhnlich.

[98] DUDEN: „durch Größe, Schönheit, Großartigkeit o.ä. einen starken Eindruck [...] machend, hinterlassend [...]“

[99] DUDEN: „1. Staunen [u. Bewunderung] erregend [...]“; auch BÖHEIM (1987, 92) merkt an, daß erstaunlich nur positiv wertend verwendet wird.

[100] DUDEN: frappieren „1. in Erstaunen versetzen, überraschen, so daß man sich der unerklärlichen Wirkung nicht entziehen kann [...]“

[101] DUDEN: „ [...] b) recht wichtig und respektabel“; das positive Urteil wird deutlicher in den Bedeutungs­angaben des WDG: „ziemlich groß, bemerkenswert [...] b) anerkennenswert“; vgl. auch BÖHEIM (1987, 92, 168).

[102] DUDEN: „Beachtung verdienend, bemerkenswert“

[103] DUDEN: bezaubern: „in Entzücken setzen u. für sich einnehmen, auf jmdn. einen Zauber, Reiz ausüben [...]“

[104] DUDEN: faszinieren: „[...] anziehend, fesselnd, bezaubernd auf jem. wirken [...]“

[105] Fremdwörter-DUDEN: „auf seltsame, geheimnisvolle Weise Faszinierendes, Fesselndes, Anziehendes“

[106] DUDEN: „[...] 3. jmds. Vorstellungen, Wünschen o.ä. zuwiderlaufen u. ihm deshalb mißfallen [...]“

[107] DUDEN: betrüblich „traurig stimmend, unangenehm, mißlich; deprimierend [...]“

[108] KRAFT (1971, 48) ordnet unerträglich in die Gruppe der Begriffe ein, die Gefühle bzw. Strebungen wieder­geben, die den Wert des Objekts danach bemessen, ob es Entzücken, Abscheu oder Langeweile erregt. DUDEN: „a) [...] so geartet, beschaffen, daß es kaum zu ertragen ist [...]“

[109] DUDEN: „1.a) von einem Aussehen, das besonders durch Form und Proportion so anziehend auf jmdn. wirkt, daß es als etwas Besonderes, das man mit großem Wohlgefallen, Genuß anschaut, empfunden wird. b) so beschaffen, daß es in seiner Art besonders reizvoll, ansprechend ist, sehr angenehm oder wohltuend auf das Auge oder Ohr wirkt. c) von einer Art, die jmdm. sehr gut gefällt, die jmds. Geschmack entspricht. d) in einer Weise verlaufend, die angenehme Gefühle auslöst; sich so auswirkend, daß man sich wohl fühlt. [...] 7. <nicht präd.> (ugs.) im Hinblick auf Anzahl, Menge, Ausmaß beträchtlich [...]“.- Vgl. auch BÖHEIM 1987, 70f.

[110] Vgl. S.J. SCHMIDT 1976

[111] Diese Bedeutungsangabe von schön wird fast wörtlich vom WDG bestätigt: „1. jmds. ästhetisches Empfinden sehr angenehm berührend, höchstes, bewunderndes Wohlgefallen hervorrufend a) durch Wirkung aus das Auge b) durch Wirkung auf das Ohr c) die schöne Literatur (Gesamtheit der Dichtung, Belletristik) [...]“

[112] SCHMIDT (1976, 29) verweist darauf, daß schön eine Intension fast so groß wie tun oder machen besitzt , da schön ein vager Begriff ist, dessen Bedeutung in der Alltagssprache durch den kommunikativen Kontext und den sprachlichen Ko-Text offenbar ausreichend festgelegt ist.

[113] Vgl. Teil 1,Kap. 3

[114] Vgl. WITTGENSTEIN, L. (1966): Lectures & Conversations on Aesthetics, Psychology and Religious Belief. Oxford, 11: „In order to get clear about aesthetic words you have to describe ways of living.“ (Zit. nach SCHMIDT 1976, 41)

[115] DUDEN: „1.a) von angenehmem, gefälligem Äußeren; von einer Erscheinung, Gestalt, mit Gesichtszügen, die Wohlgefallen erregen b) so beschaffen, daß es jmdm. gefällt, daß es jmds. Zustimmung findet, jmds. Ge­schmack trifft c) angenehm klingend [...]“

[116] DUDEN: „1.a) die schöpferische, gestalterische Tätigkeit des Menschen; das Formen, Bilden, Gestalten aus den verschiedensten Materialien od. mit den Mitteln der Sprache bzw. der Töne in Auseinandersetzung mit Natur u. Welt [...]“

[117] DUDEN: „a) künstlerisch ausgeformt und gestaltet [...] c) sehr geschickt [...]“

[118] DUDEN: „aus einem bestimmten Kunstverständnis heraus als geschmacklos empfundenes Produkt der darstellenden Kunst, der Musik od. Literatur; geschmacklos gestalteter, aufgemachter Gebrauchsgegenstand [...]“

[119] DUDEN: „a) auf geschmacklos empfundene Weise gestaltet, einen künstlerischen Wert vortäuschend [...] b) rührselig-sentimental; auf unechte Weise gefühlvoll [...]“ Die Bedeutungsangabe zu kitschig ist breiter als die zu Kitsch, erkennbar an der Bedeutungserweiterung, daß etwas nur vorgetäuscht wird, bzw. unecht ist. So wäre das Adjektiv auch bei den Lexemen in Teil 2, Kap. 3. einzuordnen, die auf die Substanz des Werkes, auf seine Echtheit eingehen.

[120] DUDEN: „Gebiet der bildenden Kunst, das Entwurf u. Herstellung von künstlerisch gestalteten Gebrauchs­gegenständen u. von Schmucksachen umfaßt [...]“

[121] DUDEN: „<Adj.; o. Steig.; nicht präd.>: das Kunstgewerbe betreffend, zu ihm gehörend [...]“

[122] DUDEN: „Handwerk, bei dem man sich bemüht, Gebrauchsgegenstände, Schmuckwaren u. dgl. künstle­risch zu gestalten [...]“

[123] Zur Tradition der kulinarischen Metaphern vgl. Teil 1, Kap. 4.

[124] Fremdwörter-DUDEN: „1. auserlesen fein; lecker, wohlschmeckend; Ggs. - indelikat. 2. zart[fühlend], zu­rückhaltend, behutsam; Ggs. - indelikat. 3. wählerisch, anspruchsvoll. 4. Diskretion erfordernd, nur mit Zu­rückhaltung, mit Takt zu behandeln, durchzuführen. [...]“

[125] Die Verwendung von delikat erfolgt hier wie in Bedeutungsangabe 1b bei STRAUSS, HASS, HARRAS (1989, 597): „Mit delikat charakterisiert man künstlerische Darbietungen und Produkte, die dem Betrachter oder Zuhörer einen besonderen sinnlichen oder intellektuellen Genuß bereiten, ohne aufdringlich oder vorder-gründig zu sein. Sprecher, die delikat in dieser Weise positiv wertend verwenden, geben damit auch zu erken-nen, daß sie sich selbst als einfühlsame Kenner einschätzen.“