Sensomotorische Integration bei zervikalen Dystonien

Sensorimotor integration in cervical dystonia

Please always quote using this URN: urn:nbn:de:bvb:20-opus-4722
  • Zervikale Dystonien gehören zu den häufigsten Formen fokaler Dystonien. Diese sind durch anhaltende, unwillkürliche Muskelkontraktionen gekennzeichnet, welche zu verdrehenden oder repetitiven Bewegungen oder abnormalen Haltungen des Kopfes führen. Ein seit über 100 Jahren beobachtetes Phänomen stellt hierbei die Möglichkeit dar, mittels sogenannter "sensibler Trickmanöver", welche meistens in einer leichten Berührung von Arealen im Kopfbereich bestehen, die pathologische Muskelaktivität zu reduzieren und damit die Kopfposition zu normalisieren.Zervikale Dystonien gehören zu den häufigsten Formen fokaler Dystonien. Diese sind durch anhaltende, unwillkürliche Muskelkontraktionen gekennzeichnet, welche zu verdrehenden oder repetitiven Bewegungen oder abnormalen Haltungen des Kopfes führen. Ein seit über 100 Jahren beobachtetes Phänomen stellt hierbei die Möglichkeit dar, mittels sogenannter "sensibler Trickmanöver", welche meistens in einer leichten Berührung von Arealen im Kopfbereich bestehen, die pathologische Muskelaktivität zu reduzieren und damit die Kopfposition zu normalisieren. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, eine breite und vor allem erstmalig quantitative Charakterisierung von wirksamen Trickmanövern vorzunehmen und so verschiedene Einflußgrößen auf die Wirksamkeit solcher Tricks zu untersuchen. Hierzu wurden die Muskelaktivitäten der vier wichtigsten den Kopf drehenden Muskeln mittels Oberflächen-EMG abgeleitet und die Veränderungen bei Trickapplikation unterschiedlicher Lokalisation, Modalität und bei verschiedenen Ausgangspositionen ermittelt. 1) Hinsichtlich der Lokalisation ergaben sich über alle Patienten gemittelt keine signifikante Seitendifferenz, und auch bei individuellem Vergleich zeigten sich bei rund 50% der Patienten keine signifikanten Unterschiede zwischen kontralateraler und ipsilateraler Trickapplikation. Unter den getesteten Applikationsorten grenzte sich das Areal "Wange" mit durchschnittlich 33%iger Reduktion der gesamten EMG-Aktivität signifikant gegen die Areale "Kinn" (-23%) und "Hals" (-23%) ab und war bei 79% der Patienten am besten wirksam. 2) Bei weiterer Untersuchung verschiedener Trickmodalitäten auf dem für jeden Patienten individuell wirksamsten Areal waren neben dem klassischen Trickmanöver (-42%) auch die Verwendung eines Plastikstabes durch den Patienten (-43%) oder Untersucher (-32%), sowie nicht-sensible Manöver wie das Heben des Armes ohne eigentliche Berührung (-18%) und die bloße Vorstellung einer Trickapplikation (-20%) hochsignifikant wirksam. Allerdings korrelierten sensible und (wie die beiden letztgenannten) nicht-sensible Tricks nicht miteinander, was auf einen prinzipiell unterschiedlichen Wirkmechanismus hinweisen könnte. Visuelle Rückkopplung über einen Spiegel hatte im Gegensatz dazu keine Wirkung. 3) Bezüglich der Bedeutung der Kopfposition für Muskelaktivität und Trickwirksamkeit zeigte sich bereits bei willkürlicher Einnahme einer Neutralposition ohne Trickanwendung eine signifikante Reduktion agonistischer Muskelaktivität (-30%), die allerdings von einer leichten antagonistischen Aktivierung begleitet war (+2,4%). Überraschenderweise war die Applikation eines Tricks um so wirksamer, je weiter der Kopf zu Beginn auf die zur dystonen Drehrichtung kontralateralen Seite gedreht war. Demgegenüber ließ sich bei Trickapplikation in dystoner Maximalposition kaum mehr eine Wirkung nachweisen (-12%). Die vorliegenden Ergebnisse sprechen aufgrund der unspezifischen Wirkung verschiedenster Trickmanöver (2) und Lokalisationen (1) für die Einbeziehung höherer sensomotorischer Integrationszentren wie z. B. des Parietalcortex in den Wirkmechanismus. Sensible Trickmanöver könnten bei auf die pathologische Kopfposition adaptierten sensiblen Afferenzen Zusatzinformationen über die Kopfposition im Vergleich zum Rumpf liefern. Möglicherweise sind diese umso wirksamer, je weiter sich der Kopf noch auf der kontralateralen Seite befindet (3), da in dieser Situation die dystone Muskelaktivität noch gering und das sensible Mismatch, über welches sensible Stimuli modulierend einwirken könnten, maximal ist. Nach den vorgelegten Ergebnissen läßt sich erstmals ein zweiphasiger Ablauf der Trickwirkung postulieren: Der in einer ersten Phase teils willkürlich in eine günstige Ausgangsposition gebrachte Kopf kann durch die Anwendung sensibler Stimuli oder Imagination in einer zweiten Phase mit geringerer Anstrengung und unter Ausnutzung kortikaler sensomotorischer Servomechanismen stabilisiert werden. Im Rahmen der vorgelegten Studie konnte das Verständnis für therapeutisch nutzbare sensible Trickmanöver verbessert und somit Patienten unterschiedliche Trickstrategien an die Hand gegeben werden. Die Identifikation der zentralen Rolle höherer integrativer Zentren wie dem Parietalcortex im Rahmen des Wirkmechanismus, könnte dabei Ausgangspunkt für neue Therapieansätze in Form einer gezielten Beeinflussung solcher Areale sein.show moreshow less
  • Sensory tricks in cervical dystonia frequently lead to a marked reduction of dystonic muscle activity, a fact that has been described as „geste antagonistique“ more than a century ago. In order to evaluate the impact of the degree of head rotation as well as mode and location on the efficacy of such sensory tricks, agonistic and antagonistic muscle activities in 26 patients with predominantly rotational torticollis have been systematically analyzed using a 4-channel surface EMG. In the subgroup of 19 patients with a clinically effective trick,Sensory tricks in cervical dystonia frequently lead to a marked reduction of dystonic muscle activity, a fact that has been described as „geste antagonistique“ more than a century ago. In order to evaluate the impact of the degree of head rotation as well as mode and location on the efficacy of such sensory tricks, agonistic and antagonistic muscle activities in 26 patients with predominantly rotational torticollis have been systematically analyzed using a 4-channel surface EMG. In the subgroup of 19 patients with a clinically effective trick, touching the neck, chin or cheek on the ipsi- and contralateral side of head rotation all led to a significant (p<0.002) reduction of agonistic and antagonistic EMG activity. Patients without a clinically effective trick showed no significant change in EMG-activity. There was a strong correlation between the efficacy of a trick manoeuvre and the head position. No significant reduction during trick application was seen at the maximum dystonic head position while trick application in a neutral or even contralateral position led to a highly reduction of EMG-activity. Besides typical trick manoeuvres such as manually touching the sensitive area, other stimuli also led to significant reduction of EMG activity: use of a plastic stick instead of the finger by the patient (p<0.001) or by the investigator (p<0.001), elevating the arm and holding the finger close to the respective skin area without touching it (p<0,002), as well as mere thinking of performing the trick manoeuvre (p<0.002). As conclusion trigger mechanisms for tricks in cervical dystonia seem to be rather unspecific involving higher centres of sensorimotor integration. Based on these findings a 2-phase-model is proposed: In a first step normalization of head posture by stronger counterpressure or volitional antagonistic muscle activity might partly reduce dystonic activity, so that in a second step stabilisation of this head position applying a sensory trick manoeuvre is possible. Challenging the central adaption on distorted sensorimotor information in the nearby neutral head position seems to be the critical mechanism.show moreshow less

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Metadaten
Author: Axel Schramm
URN:urn:nbn:de:bvb:20-opus-4722
Document Type:Doctoral Thesis
Granting Institution:Universität Würzburg, Medizinische Fakultät
Faculties:Medizinische Fakultät / Neurologische Klinik und Poliklinik
Date of final exam:2003/02/05
Language:German
Year of Completion:2002
Dewey Decimal Classification:6 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften / 61 Medizin und Gesundheit / 610 Medizin und Gesundheit
Tag:Dystonie; Geste; Torticollis; Trick; sensomotorisch
dystonia; geste; sensory; torticollis; trick
Release Date:2003/02/12
Advisor:PD Dr. M. Naumann