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Das Durchführen von Beratungsgesprächen mit rauchenden PatientInnen auf Basis validierter Leitfäden, beispielsweise des 5A-Modells, ist eine wichtige Kompetenz, die noch zu wenig gelehrt und im ärztlichen Alltag zu selten durchgeführt wird (Twardella et al., 2005; Strobel et al., 2012). Der Erwerb von Wissen und praktischen Beratungsfähigkeiten ist für die Behandlung rauchender PatientInnen unerlässlich und sollte ein integraler Bestandteil der medizinischen Ausbildung werden. Im Zentrum dieser prospektiven randomisierten Interventionsstudie steht der Vergleich zweier didaktischer Ansätze hinsichtlich der Aneignung von Wissen, Einstellung und praktischen Gesprächsfertigkeiten.
An der Julius-Maximilians-Universität Würzburg wurde im Wintersemester 2018/2019 eine neu konzipierte Lehrveranstaltung zur Raucherberatung im Humanmedizinstudium implementiert. Alle 145 Studierenden des sechsten Semesters wurden nach dem Zufallsprinzip einem Online- oder einem Präsenzkurs zugewiesen. Die Studierenden wurden in einer einmaligen, für einen Zeitraum von 90 Minuten ausgelegten Veranstaltung in der Raucherentwöhnungsberatung nach dem 5A-Modell (ask, advise, assess, assist, arrange) geschult. Unabhängig von der Lehrmethode bestand die Intervention aus einem inhaltlich identischen Theorieteil und einem Übungsteil. Im Übungsteil wurde der Online-Gruppe ein Beratungsgespräch als Videobeispiel zur Verfügung gestellt, während die TeilnehmerInnen der Seminargruppe in Kleingruppen ein Rollenspiel mit KommilitonInnen durchführten.
Durch die Kombination verschiedener, neu entwickelter Messinstrumente (Fragebögen, Klausur, OSCE) wurde die Leistung der Studierenden auf den Miller’schen Kompetenzebenen knows und knows how und shows how (Miller GE, 1990) subjektiv und objektiv erfasst. Die praktischen Gesprächsfertigkeiten wurden mittels eines OSCE erhoben und stellen den primären Endpunkt dieser prospektiven Vergleichsstudie dar. Als sekundäre Endpunkte wurden Veränderungen im theoretischen Wissen und der Einstellung zum Thema Tabak durch prä- und postinterventionelle Fragebögen und eine abschließende schriftliche Prüfung bewertet.
Die Ergebnisse von 130 Studierenden konnten ausgewertet werden. Die Stichprobe charakterisierte sich durch einen hohen Frauen- und Nichtraucher-Anteil und war repräsentativ für ein Semester deutscher Medizinstudierender im klinischen Studienabschnitt. Auf Grundlage einer Fallzahlberechnung wurde der OSCE mit 19 Studierenden je Gruppe durchgeführt. Die Seminargruppe erzielte im OSCE deskriptiv ein besseres Gesamtergebnis (Ms = 70,8 % vs. 62,8 %; U = 119; p = .087; n = 36). Ein statistisch signifikanter Vorteil wurde jedoch ausschließlich in einem einzelnen Gesprächsabschnitt ("Assist": Ms = 66,7 % vs. 51,4 %; p = .049) erreicht. Auch die SchauspielpatientInnen bewerteten die Beratungsleistungen der Seminargruppe besser (Ms = 4,7 vs. 4,2 von 5 Punkten, t(27,836) = 2,0; p = .028). Die Ergebnisse der Selbsteinschätzung der Studierenden (n = 130) und die Resultate der schriftlichen Prüfungen deuten darauf hin, dass beide didaktische Ansätze gleich gut geeignet sind, das theoretische Wissen zu erweitern. Der Online-Kurs war dabei zeitlich effizienter (90 vs. 73 Minuten). Die Einstellung zum Thema Tabakrauchen blieb in beiden Lehrformaten praktisch unverändert. Die Studierenden bewerteten die Veranstaltung als „gut“. Die TeilnehmerInnen bearbeiteten den Online-Kurs ernsthaft und sind offen gegenüber E-Learning-Angeboten.
Aus diesen Ergebnissen kann gefolgert werden, dass Seminar und Online-Kurs gleichermaßen gut geeignet sind, um Medizinstudierenden das für ein Beratungsgespräch zur Tabakentwöhnung nötige Wissen und die erforderlichen Fertigkeiten zu vermitteln. Unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Stärken könnten diese beiden Lehransätze zu einer Inverted Classroom – Veranstaltung kombiniert werden.
Eine Folgestudie, zur Untersuchung zu längerfristigen Effekten auf das Wissen und die Gesprächsfertigkeiten sowie der Durchführbarkeit einer praktischen Umsetzung mit PatientInnen wurde im Sommersemester 2020 durchgeführt. Da sich die Veranstaltung als effektiv erwiesen hat, sollte sie verpflichtend im frühen klinischen Studienabschnitt weitergeführt und das Thema im Sinne eines longitudinalen Kompetenzerwerbs zum Ende des Studiums nochmals aufgegriffen werden. Größere zeitliche oder inhaltliche Änderungen stehen nach der Evaluation dieses Kurses nicht an. Persönliche Berichte von (Ex)- RaucherInnen den Umgang mit der Nikotinsucht könnten die Praxisnähe stärken und helfen, Barrieren abzubauen und die Studierenden zum regelhaften und proaktiven Ansprechen des Themas Rauchens zu motivieren. Der Online-Kurs könnte anderen Universitäten oder Gesundheits- und Krankenpflegeschulen im deutschsprachigen Raum für die Ausbildung zur Verfügung gestellt werden.
Hintergrund: An der Universität Würzburg wurde bereits im Wintersemester 2018/19 eine 90-minütige Lehrveranstaltung zur Nikotinentwöhnung als Präsenz- oder E-Learning-Seminar im 6. Semester implementiert. In 2020 wurden weitere Bausteine ergänzt: eine Kurzinfo zur Raucherberatung im 9. Semester und die Beratung realer Patienten im 10. Semester im Blockpraktikum-Allgemeinmedizin (BPA).
Fragestellung: Wie wirkt sich der Besuch des Seminars langfristig auf das Beratungs-Wissen aus? Ist eine Nikotinentwöhnungsberatung im Rahmen des BPA machbar? Erhöht sich dadurch die subjektive Sicherheit der Studierenden?
Methoden: Im Sommersemester 2020 wurden Studierende des 9. Semesters, die regulär das Seminar zur Raucherberatung im Wintersemester 2018/19 besucht haben sollten, online bzgl. Wissen zur Nikotinentwöhnungsberatung befragt. Es folgten vertonte PowerPoint-Folien zur Raucherberatung (Kurzinfo).
Im Wintersemester 2020/21 im BPA sollten die Studierenden ein Nikotinentwöhnungsgespräch mit einem Patienten in der Lehrpraxis durchführen und ihre Erfahrungen und subjektive Sicherheit mittels Online-Befragung retrospektiv evaluieren.
Ergebnisse: In der Befragung des 9. Semesters (n=54, Rücklauf: 35%) schätzten Teilnehmende der Ursprungskohorte (n=35 von ursprünglich 130) im Vergleich zu Nicht-Teilnehmenden (n=19) ihr Wissen deutlich höher ein (p=0,016). Dabei spielte die zuvor besuchte Lehrform keine Rolle (p=0,963).
Im BPA führten 50% (n=57) der 114 Befragten (Rücklauf: 74%) eine Nikotinberatung mit einem Patienten durch, dabei stieg die Sicherheit, ein solches Gespräch zu führen, signifikant (p<0,001). Beratende Studierende beurteilten den Zugewinn an Fertigkeiten durch das BPA höher (p<0,001) und hielten es für wichtiger, Patienten zu ihrem Rauchverhalten zu beraten (p=0,048).
Diskussion: Unabhängig von der Lehrform scheint sich ein Seminar zur Raucherberatung langfristig positiv auf das Wissen auszuwirken. Für 50% war eine Nikotinentwöhnungsberatung im BPA machbar. Als Hinderungsgründe wurden fehlende Gelegenheiten und ungeeignete Patienten angegeben. Die Beratung eines Patienten in einer realen Situation erhöht die Beratungssicherheit.