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Das VEP ist eine Methode, die schon lange im klinischen Alltag genutzt wird, im Gegensatz zum relativ neuen, noch nicht etablierten mfVEP. Beide erfassen Potenziale, die in der Sehrinde im Occipitallappen erzeugt werden. Um Normalwerte des VEP und mfVEP zu erlangen bedarf es der Funktion des gesamten Sehsystems. Funktionsstörungen des Sehsystems führen zu Veränderungen im VEP und mfVEP. Dadurch können Ausfälle, wie z.B. beim Glaukom, auch mittels mfVEP erkannt werden. Für unsere Experimente wurden bei 30 Normalpersonen sowohl VEP als auch mfVEP abgeleitet. Dies erfolgte neben monokularer Messung auch binokular. Das VEP zeigte die in der Literatur beschriebenen Werte. Jedoch konnte nur eine geringe, nicht signifikante Steigerung binokularer Messungen gefunden werden. Es konnten bei den Messungen keine Unterschiede zwischen den monokularen und binokularen Latenzen ermittelt werden. Der erstmalige Vergleich binokularer und monokularer mfVEP lieferte eine Steigerung der Binokularantwort, wie sie in der Literatur beim VEP ähnlich beschrieben ist. Die durchgeführten Vergleiche des Faktors R in unterschiedlichen topographischen Regionen ergaben ein einheitliches Verhalten des gesamten Gesichtsfeldes auf binokulare Reizung. Die Latenzen der binokularen Messungen waren kürzer. Es konnte aber bezüglich der Latenzen keine Signifikanz im Vergleich mit monokularer Messung erzielt werden, anders als in der Literatur beschrieben. Der Vergleich zwischen beiden elektrophysiologischen Methoden VEP und mfVEP ergab eine ca. drei mal höhere Amplitude des VEP. Das mfVEP zeigte dabei kürzere Latenzen. Erklärbar könnte dieses Phänomen durch die Adaptation des Sehsystems beim mfVEP sein, es können jedoch auch retinale Mechanismen eine Rolle spielen. Das mfVEP lieferte die in der Literatur beschriebenen Asymmetrien von oberem und unterem Halbfeld und anderen Besonderheiten bei Normalpersonen, wie die unterschiedlichen geschlechtsabhängigen Amplitudenhöhen der weiblichen und männlichen Probanden. Zur besseren Auswertung der 60 Felder des mfVEP bot sich eine Sechs-Sektoren-Mittelung an, da so einheitliche Kurven miteinander verrechnet wurden. Es zeigten sich spiegelbildliche aber auch in der Form unterschiedliche Kurven mit Latenzunterschieden vor allem in den beiden mittleren Sektoren (oben und unten), aber auch zwischen den mittleren und lateralen Sektoren, was durch die Faltung der Gehirnrinde erklärbar ist. Anhand des Signal-Rausch-Verhältnisses (SNR) konnten die Einzelantworten des mfVEP auf statistische Signifikanz geprüft und zusammen mit Mehrkanal-Messung und 20-Felder-Mittelung Normalwerte errechnet werden, bei denen bis zu 94 % der Einzelantworten des monokularen mfVEP als signifikant erkannt wurden. Zusätzlich erreichte man mit dieser Auswertungstechnik ein EEG-skaliertes mfVEP. Geschlechtsspezifische Unterschiede des mfVEP konnten damit ausgeglichen werden. Unsere Versuche zeigen das große Potential des mfVEP auf. Vor allem die Mehrkanal-Messungen bieten einen großen Informationsgewinn. Eine Mittelung des mfVEP zu weniger Feldern (z.B. 20) bietet als Vereinfachung einen Kompromiss aus geringerer Auflösung aber höheren Antworten. Eine zukünftige Kombination der Objektivierung von Einzelantworten mit größeren Reizfeldern (Sektoren oder 20 Felder) oder dem Nutzen von Muster-gepulstem mfVEP kann zu weiteren Verbesserungen beim Erreichen eines objektiven Standards für Normalpersonen führen, welcher gut als Basis für die klinische Etablierung des mfVEP dienen könnte.
Seit den klinischen Beobachtungen Brocas und Wernickes wissen wir, dass die für Sprach-produktion und Sprachperzeption verantwortlichen neuronalen Netzwerke überwiegend in der linken Hemisphäre repräsentiert sind. Allerdings zeigen Männer und Frauen im Erwachsenen-alter eine ungleich starke Ausprägung der sprachfunktionellen Hemisphärendominanz, wobei man annimmt, dass im weiblichen Gehirn verbale Informationen eher bilateral verarbeitet werden, wohingegen im männlichen Geschlecht ein linkshemisphärisch-lateralisiertes Akti-vierungsmuster imponiert. In jüngster Zeit weisen eine Reihe wissenschaftlicher Untersu-chungen darauf hin, dass schon im frühen Kindesalter eine dem adulten Gehirn ähnliche, strukturelle ebenso wie funktionelle Asymmetrie in Bezug auf die sprachverarbeitenden Do-mänen existiert. Die vorliegende Arbeit ist im Rahmen der Arbeitsgruppe „Säuglingsschreianalyse“ von Frau Prof. Dr. K. Wermke in Ergänzung des Satellitenprojekts „Hormonstudie“ der durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft e. V. sowie das Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften Leipzig geförderten, interdisziplinären Langzeitstudie „Deutsche Sprachentwicklungsstudie“ (www.glad-study.de) entstanden. Sie fokussiert auf der Untersu-chung einer eventuell bereits während des frühkindlichen Spracherwerbs apparenten funktio-nellen „Überlegenheit“ des weiblichen Geschlechts als Ausdruck einer vermutlich schon im frühen Säuglingsalter manifesten, geschlechtsspezifisch unterschiedlich ausgeprägten Hemi-sphärendominanz für Sprache. Der klinisch-experimentelle Schwerpunkt beruht hierbei auf der kategorial-quantitativen Analyse von strukturellen, im engeren Sinne melodisch-rhythmischen Formeigenschaften der Lautierungen gesunder Säuglinge, aufgenommen im Al-ter von vier und acht Lebenswochen, sowie einer anschließenden Evaluierung der Melodie-entwicklung anhand der Häufigkeitsverteilung der definierten Signalstrukturkategorien. Nachdem im Rahmen vorangegangener Untersuchungen insbesondere der selektiven Östradi-olwirkung eine höhergradige synaptische Organisation sowie eine infolgedessen verbesserte interhemisphärische Konnektivität mit konsekutiv eher bilateral-symmetrischer Repräsentati-on der Sprachfunktion zugeschrieben worden war, galt es nachfolgend zu evaluieren, inwie-weit etwaige Differenzen in der Melodieentwicklung des Säuglingsschreis mit Unterschieden der Sexualhormonkonzentrationen im kindlichen Serum korrelieren. Auf der Basis der von uns erhobenen Daten konstatierten wir bei den weiblichen Studienteil-nehmern im Alter von acht Wochen eine größere relative Häufigkeit sämtlicher komplexer Signalstrukturelemente, wobei die geschlechtsspezifisch ungleich zunehmende melodische Komplexität der sprachvorbereitenden Lautierungen hochsignifikant mit den im Alter von vier Lebenswochen gemessenen Östradiol-Serumkonzentrationen korrelierte. Zusammenfassend betrachtet sehen wir die eingangs formulierte These, wonach insbesondere die Einwirkung hoher Östradiolkonzentrationen während eines definierten Intervalls physio-logischer Plastizität der sprachspezifischen (kortiko-)neuronalen Netzwerke für die frühzeiti-ge Generierung formaler prosodischer Komplexitätsmuster im individuellen Sprachentwick-lungsprofil verantwortlich sein sollte, experimentell bestätigt. Als ursächlich hierfür nehmen wir eine reduzierte sprachfunktionelle Lateralität zugunsten der für die Prosodieentwicklung verantwortlichen, sprachrelevanten Areale der rechten Hemisphäre an. Die gesteigerte proso-dische Qualität der vorsprachlichen Lautierungen als Ausdruck der kindlichen Fähigkeit zur intentional-akzentuierenden Modulation der Schreimelodie können wir zugleich als einen in-dividuellen Entwicklungsvorsprung im Spracherwerbsprozess interpretieren.