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Sprache
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Schlagworte
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Institut
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Unterschiede in Frontaler Kortex Oxygenierung in zweierlei Risikogruppen der Alzheimer Demenz
(2019)
Die verbesserte medizinische Versorgung führt zu einer zunehmenden Lebenserwartung unserer Gesellschaft. Damit steigt auch die sozioökonomische Relevanz neurodegenerativer Erkrankungen kontinuierlich. Für die Alzheimer Demenz (AD), die dabei die häufigste Ursache darstellt, stehen bisher keine krankheitsmodifizierenden Behandlungsoptionen zur Verfügung. Die lange präklinische Phase der Erkrankung birgt jedoch großes Potential für die Entwicklung neuer Behandlungsoptionen. Das Untersuchen von Risikogruppen ist für die Identifikation von Prädiktoren einer späteren AD Manifestation von besonderem Interesse. In diesem Zusammenhang werden insbesondere das Vorliegen genetischer Risikokonstellationen, wie dem Apolipoprotein E (APOE) Ɛ4-Allel, sowie kognitiver Risikofaktoren, wie der „leichten kognitiven Beeinträchtigung“ (MCI), diskutiert. Die Identifikation präklinischer Aktivierungsunterschiede in relevanten Gehirnregionen von Risikogruppen kann als Basis für die Entwicklung neurofunktioneller Früherkennungs-Marker dienen. Der präfrontale Kortex (PFC), welcher mit der Steuerung von Exekutivfunktionen assoziiert wird, hat sich in diesem Zusammenhang in bisherigen Studien als eine relevante Schlüsselregion manifestiert. Aufgrund der aufwendigen und kostenintensiven bildgebenden Untersuchungsmethoden, sind die genauen Prozesse jedoch noch unklar.
Ziel der vorliegenden Arbeit war es daher, Unterschiede in der PFC Oxygenierung in zweierlei Risikogruppen der AD mit einer kostengünstigeren Bildgebungsmethode, der funktionellen Nahinfrarot Spektroskopie (fNIRS), zu untersuchen. Dafür wurde in einem ersten Schritt, der Trailmaking Test (TMT), ein weitverbreiteter neuropsychologischer Test zur Erfassung exekutiver Funktionen, für fNIRS implementiert. Als Grundlage für die Untersuchung frühpathologischer Prozesse, wurden zunächst gesunde Alterungsprozesse betrachtet. Der Vergleich von jungen und älteren Probanden (n = 20 pro Gruppe) wies neben der Eignung der Testimplementierung für fNIRS auf eine spezifische bilaterale PFC Oxygenierung hin, welche bei jungen Probanden rechtshemisphärisch lateralisiert war. Ältere Probanden hingegen zeigten bei vergleichbaren Verhaltensdaten insgesamt mehr signifikante Kanäle sowie eine Abnahme der Lateralisierung. Dies kann als zusätzlicher Bedarf an Ressourcen in gesunden Alterungsprozessen interpretiert werden.
Im Rahmen der Hauptstudie wurden anschließend insgesamt 604 ältere Probanden im Alter von 70 bis 76 Jahren untersucht. Zunächst wurde die genetische Risikogruppe der Ɛ4-Allel-Träger (n = 78) mit den neutralen Ɛ3-Allel-Trägern (n = 216) und den Trägern des als protektiv geltenden Ɛ2-Allels (n = 50) verglichen. Hierbei zeigte sich eine geringere Oxygenierung der Risikogruppe bei geringer Aufgabenschwierigkeit, während sich ein erhöhter Oxygenierungsanstieg im medialen PFC mit steigender Aufgabenschwierigkeit zeigte. Dies deutet auf einen erhöhten Bedarf an neuronalen Kontrollmechanismen der Risikogruppe zur Bewältigung der steigenden Aufgabenschwierigkeit hin. Die protektive Gruppe zeigte hingegen eine erhöhte Oxygenierung im ventralen PFC mit steigender Aufgabenschwierigkeit, was möglicherweise auf einen präventiven Effekt hindeuten könnte.
Weiterführend wurden MCI-Patienten mit gesunden Probanden (n = 57 pro Gruppe) hinsichtlich des kognitiven Risikofaktors verglichen. Hierbei zeigte sich ein punktuell reduzierter Oxygenierunganstieg der MCI Patienten mit steigender Aufgabenschwierigkeit vor allem im ventralen PFC bei ebenfalls stabiler Verhaltensleistung. Die gefundene Reduktion könnte ein Zeichen für eine aufgebrauchte kognitive Reserve sein, welche Einbußen auf Verhaltensebene voranzugehen scheint.
Diese charakteristischen Unterschiede in den frontalen Oxygenierungsmustern von Risikogruppen (APOE, MCI) könnten als Biomarker zur Früherkennung von AD noch vor dem Auftreten kognitiver Einbußen dienen. Die fNIRS-Untersuchung während der Durchführung des TMT hat sich in diesem Zusammenhang als potentielles Instrument zur Frühdiagnose der präklinischen Phase der AD als geeignet erwiesen. Die Ergebnisse werden unter Einbezug des wissenschaftlichen Kontexts interpretiert und Implikationen für weitere notwendige Studien sowie die klinische Anwendbarkeit diskutiert.
Jeder Zwanzigste im Alter von über 60 Jahren ist von einer Demenzerkrankung betroffen. Mit zunehmendem Alter steigt der Anteil Betroffener drastisch. Hierbei ist die Alzheimer-Demenz (AD) der häufigste Subtyp der Demenzerkrankungen. Symptomatisch ist diese Erkrankung vorwiegend charakterisiert durch ein Nachlassen der Gedächtnisfunktionen; neuropathologisch weisen Patienten mit AD neurofibrilläre Bündel von Tau-Protein-Ablagerungen, Amyloid-β (Aβ) Plaques sowie einen verringerten zerebralen Blutfluss auf.
Aktuell gibt es noch keine Behandlungsmöglichkeit, um die Erkrankung deutlich zu verlangsamen oder zu stoppen. Bereits Jahrzehnte vor Diagnosestellung der AD beginnen die pathologischen Mechanismen. Aktuelle Behandlungsmethoden setzen jedoch häufig erst nach Diagnosestellung einer AD an, also zu einem Zeitpunkt, an dem das Gehirn schon eine deutliche Neurodegeneration aufweist. Die Untersuchung von Risikogruppen zur Identifikation von frühen Biomarkern und nebenwirkungsarmen Behandlungsmethoden bietet ein großes Potential, um die Erkrankung möglichst früh entdecken und verlangsamen oder vielleicht sogar stoppen zu können. Risikogruppen im späteren Lebensabschnitt sind beispielsweise Träger des genetischen Hauptrisikofaktors Apolipoprotein-E4 (APOE4), Patienten mit einer subjektiven kognitiven Beeinträchtigung sowie Patienten mit einer objektiven leichten kognitiven Beeinträchtigung (engl. mild cognitive impairment; MCI).
Die Untersuchung der hämodynamischen Reaktion mittels funktioneller Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS) ist aufgrund der einfachen und kostengünstigen Einsetzbarkeit dieser Methodik besonders praktikabel. Auch der wiederholte Befund einer reduzierten hämodynamischen Reaktion bei Patienten mit AD scheint vielversprechend. Untersuchungen mit AD-Risikogruppen gibt es bisher jedoch nur wenige; zudem weisen diese uneindeutige Befunde auf.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist daher die Untersuchung der hämodynamischen Reaktion bei den Risikogruppen ‚APOE4‘ und ‚MCI‘ im Vergleich zu gesunden Kontrollen während Wortflüssigkeitsaufgaben, die mittels fNIRS bereits gut etablierte Aufgaben darstellen. Des Weiteren wird in der vorliegenden Arbeit die Wirkung einer nebenwirkungsarmen Behandlungsmethode im Vergleich zu einer sham-Behandlung bei der Risikogruppe ‚subjektive kognitive Beeinträchtigung‘ untersucht. Bei dieser Behandlungsmethode handelt es sich um ein mittels transkranieller Gleichstromstimulation (engl. transcranial direct current stimulation; tDCS) augmentiertes kognitives Training.
Es zeigt sich für die Risikogruppe APOE4 bei gleicher Leistung im Vergleich zu Trägern anderer Allelvarianten eine verminderte hämodynamische Reaktion im typischerweise aufgabenspezifisch genutzten inferioren frontalen Gyrus. Parallel dazu weist der mediale frontale Gyrus, ein Teil des frontoparietalen Kontrollsystems, eine verstärkte hämodynamische Reaktion auf. Bei der Risikogruppe MCI zeigt sich neben einer schlechteren Testleistung eine verminderte hämodynamische Reaktion des infe-rioren frontotemporalen Kortex, welcher den inferioren frontalen Gyrus umfasst. Das tDCS-augmentierte kognitive Training bewirkt nicht nur einen gruppenunspezifischen Anstieg der hämodynamischen Reaktion im inferioren frontotemporalen Kortex, die tDCS verstärkt diesen Effekt im Vergleich zur sham-Stimulation noch zusätzlich. Dies geht jedoch nicht mit einer Veränderung der Testleistung einher.
Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass eine reduzierte hämodyna-mische Reaktion bereits in frühen Krankheitsstadien der AD detektierbar ist und dies möglicherweise als Biomarker für eine frühzeitige Detektion und Behandlung genutzt werden könnte. Des Weiteren bietet die tDCS für frühe Krankheitsstadien der AD das Potential einer nebenwirkungsarmen Behandlungsmethode.