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Der ‚Liber de arte distillandi de simplicibus’, genannt das ‚Kleine Destillierbuch’ des Straßburger Chirurgen Hieronymus Brunschwig (ca. 1450 bis 1512/13) wurde im Jahr 1500 erstmals veröffentlicht. In der vorliegenden Untersuchung sollen die darin genannten humoralpathologischen medizinischen Indikationen der destillierten Pflanzenwässer mit den nach derzeitigem wissenschaftlichem Erkenntnisstand belegten Indikationen verglichen werden und auf Übereinstimmungen und Abweichungen hin untersucht werden. Das ‚Kleine Destillierbuch’ befasst sich mit der Destillation von Arzneimitteln vorwiegend pflanzlicher Herkunft und den medizinischen Anwendungsbereichen dieser Destillate. Das erfolgreiche Werk, das in schriftlicher Form die damalige gängige Praxis der Medizinkundigen in Straßburg fixiert, entwickelte sich zum heilkundlichen Volksbuch des 16. Jahrhunderts, galt aber auch bei Berufs-Destillierern als wichtiges Technik-Lehrbuch für Destillationsverfahren. Daneben waren Brunschwigs Pflanzenbeobachtungen im ‚Kleinen Destillierbuch’ eine wertvolle Grundlage für die ältere deutsche Botanik. Für die Untersuchung wurden Druckausgaben aus den Jahren 1528 und 1610 verwendet. In einem ersten Schritt wurde durch Klärung heute ungebräuchlicher Begriffe der frühneuzeitliche Text erschlossen. Im zweiten Schritt wurden die Zutaten identifiziert, die Brunschwig zur Destillation der 269 pflanzlichen und 36 nicht-pflanzlichen, meist tierischen gebrannten Wässer verwendet. Im dritten Schritt wurden alle Indikationen der Destillate, die Brunschwig in seinen Planzenmonographien nennt, gesammelt und verschiedenen Körperregionen zugeordnet. Anschließend wurden den historischen Indikationsbezeichnungen heute gebräuchliche Bezeichnungen gegenübergestellt, um einen direkten Vergleich der Daten, die zwei grundsätzlich verschiedenen Wissenschaftsystemen entspringen, zu ermöglichen. Im vierten Schritt wurden alle von Brunschwig genannten Anwendungsbereiche der einzelnen „Wässer“-Monographien jeweils in Tabellenform aufgenommen. Diesen historischen Anwendungsbereichen wurden heutige naturwissenschaftlich belegte Indikationen gegenübergestellt. Hierfür wurde v.a. auf W. Blaschek, S. Ebel, E. Hackenthal u. a., Hagers Handbuch der Drogen und Arzneistoffe, HagerROM 2004, Programmversion 5.1, Berlin, Heidelberg 2005 zurückgegriffen. Ein Vergleich der historischen mit den aktuellen Anwendungen erfolgte anhand abgestufter Kategorien (I, II, III, IV). Für eine Interpretation der untersuchten Daten wurden diejenigen von Brunschwig verwendeten Pflanzen ausgewählt, die ein nach heutigem Wissensstand belegtes Anwendungsgebiet besitzen. Diese wurden zunächst nach den für ihre Wirkung relevanten Inhaltsstoffen geordnet. Die Übereinstimmungen bzw. Abweichungen der Brunschwigschen Anwendungsgebiete von den heute definierten Anwendungsgebieten der untersuchten Pflanzen wurden diskutiert. Die relativen Trefferhäufigkeiten wurden ermittelt. Sie liegen zwischen 33 % und 100 %, im Durchschnitt bei 65 %. Für eine weitere Diskussion wurden die gleichen Daten bezüglich der Destillat-Anwendung in den oben genannten Körperregionen geordnet. Die relativen Trefferhäufigkeiten liegen hier in einem Bereich zwischen 43 % und 86 %, im Durchschnitt bei 57 %. Die vorliegende Untersuchung ist Teil eines größeren Forschungsvorhabens. In gleicher Weise sollen mehrere Kräuterbücher des Mittelalters bzw. der frühen Neuzeit untersucht und anschließend mittels eines statistischen Verfahrens einzeln und im Vergleich umfassend ausgewertet werden.
Die vorliegende Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt das medizinische Werk zweier ausgewählter historischer Autoren, nämlich jenes Hildegards von Bingen (1098 – 1179) und von Leonhart Fuchs (1501 – 1566), möglichst umfassend hinsichtlich der für Mittel pflanzlichen Ursprungs vergebenen Indikationen zu bearbeiten und mit modernem Wissen zu vergleichen. Mit Hilfe einer statistischen Auswertung sollte dabei festgestellt werden, ob die überlieferten Indikationen lediglich einer zufälligen Zuordnung folgen oder ob diese zielgerichtet Erfahrungswerte spiegeln. Sollte sich die Zuweisung einzelner Pflanzen zu bestimmten Indikationen nicht als zufällig erweisen, so wäre dies ein Beleg dafür, dass man bereits vor Jahrhunderten über ein Wissen verfügte, welches unseren heutigen Erkenntnissen vergleichbar wäre. Die Wahrscheinlichkeit, dass entsprechende Pflanzen, die heute medizinisch nicht mehr gebräuchlich sind, von historischen Autoren jedoch empfohlen werden, die gewünschten Wirkungen zeigen, wäre demzufolge groß. Derartigen Erfolg versprechenden Pflanzen oder traditionellen Anwendungen könnte sich die weitere klinische Forschung zuwenden. Bisherige Vergleiche der historischen Verwendung von Heilpflanzen griffen in der Regel aus einer Vielzahl von Indikationen und Autoren, die zur heutigen Indikation einer bestimmten Pflanze passenden Indikationen heraus. Der Ansatz der vorliegenden Arbeit ist insofern neu, als ein möglichst umfassender Vergleich eines einzelnen historischen Autors mit den aus heutiger Sicht als belegt geltenden Indikationen angestrebt wird. Um zu zeigen, ob die von einem untersuchten Autoren vergebenen Indikationen systematisch oder rein zufällig vergeben wurden, werden die per Zufall zu erwartenden „Treffer“ mit den beobachteten „Treffern“ verglichen. Die Indikationen des historischen Autors zu jeder Pflanze wurden anhand der folgenden Schritte bearbeitet: a) Identifikation der Pflanzen und Indikationen b) Zählen der Indikationen pro Pflanze c) Vergleich mit den aus heutiger Sicht als belegt geltenden Indikationen d) Zählen der Übereinstimmungen in vier abgestuften Bewertungskategorien (beobachtete „Treffer“) e) Statistischer Vergleich Im Ergebnis wird gefolgert, dass beide historischen Autoren dem Zufall signifikant in der Zuordnung von Indikationen überlegen sind. Tendenziell entspricht die Zuordnung durch Leonhart Fuchs eher den heute als anerkannt geltenden Indikationen, wobei dies nicht zwangsläufig mit einem geringeren Wissen Hildegards gleichzusetzen ist.