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In der vorliegenden Studie wurde untersucht, ob laryngeale Konstriktionsphänomene regelhaft bei gesunden Säuglingen mit deutscher Umgebungssprache auftreten, ob es eine altersabhängige oder geschlechtsabhängige Entwicklung in der Auftrittshäufigkeit der Phänomene gibt und ob diese zusätzlich durch den Vokalisationstyp beeinflusst wird. Dazu wurden hier vier typische Vokalisationstypen im vorsprachlichen Alter definiert: spontanes Säuglingsweinen vor einer Mahlzeit in zwei Ausprägungsformen (Typ C und UC, letzterer als Typ weniger intensiven Säuglingsweinens) sowie Nichtschreivokalisationen in zwei Ausprägungsformen (UB: Übergangslaut zwischen UC und silbenartigem Vokalisieren (BB)).
In der vorliegenden Arbeit wurden solche Konstriktionsphänomene untersucht, die in der medizinischen Fachliteratur häufig mit pathologischen Zuständen der respiratorischen Regelung sowie Vokaltraktmalformationen bei Säuglingen mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Segelspalten beschrieben werden. Es wurde hier untersucht, ob ähnliche Phänomene auch bei gesunden Säuglingen regelhaft auftreten.
Dazu wurde in einem kombinierten Längs- und Querschnittsdesign eine deskriptive Analyse von 20.406 Einzelvokalisationen von 20 Säuglingen in den ersten sieben Lebensmonaten vorgenommen. Die Vokalisationen lagen anonymisiert im Zentrum für vorsprachliche Entwicklung & Entwicklungsstörungen an der Poliklinik für Kieferorthopädie des Universitätsklinikums Würzburg vor. Es handelt sich um eine explorative, retrospektive Analyse.
Unter Verwendung von Frequenzspektren und Audiofiles wurden alle Einzelvokalisationen audio-visuell analysiert und drei Stufen mit unterschiedlicher Ausprägung der Konstriktionen einsortiert (Kategorie 1 – 3; Kategorie 0 = keine Konstriktionen in der Vokalisation). Die Kategoriendefinition wurde vom Autor der vorliegenden Arbeit in einer Voruntersuchung erarbeitet und durch weitere Kodierer getestet und als geeignet befunden.
Im Ergebnis der Arbeit konnte gezeigt werden, dass die hier untersuchten Konstriktionsphänomene regelhaft bei allen gesunden Säuglingen im Untersuchungszeitraum vorkommen. Die Auftrittshäufigkeit war dabei teilweise vom Geschlecht, vom Alter und vom Vokalisationstyp abhängig. Eine vergleichbare systematische Analyse lag bisher in der Literatur nicht vor. Die Ergebnisse werden aus physiologischer und linguistisch-phonetischer Perspektive interpretiert. Es konnte gezeigt werden, dass die im spontanen Weinen beobachteten Konstriktionsphänomene auch bei den Komfortvokalisationen (Nichtschreivokalisationen) vorkamen.
Dies stützt die Kontinuitätshypothese in der vorsprachlichen Entwicklung.
Die Arbeit hat auch widerlegt, dass alle Konstriktionsphänomene im Säuglingsweinen ein Pathologiemarker sind. Die Differenzierung zwischen physiologischen und pathologischen Konstriktionsphänomenen, die z.B. durch respiratorische Dysfunktion entstehen können (Stridor), ist eine Aufgabe für nachfolgende Arbeiten.
Für weiterführende Arbeiten mit dem Ziel der Anwendung von Stimmregisterphänomenen in der Vorsprachlichen Diagnostik sind methodisch erweiterte Ansätze bei gleichzeitig größerer Stichprobe erforderlich.
Geschlechtsspezifische Differenzen in Hirnorganisation und –funktion sowie deren Entstehung sind gegenwärtig Gegenstand intensiver Forschung. Neben genetischen und epigenetischen Faktoren rückt dabei der potenzielle Einfluss von Sexualhormonen auf die frühkindliche Gehirnentwicklung und Hemisphärenlateralisierung zunehmend in den Fokus. Die vorliegende Arbeit widmete sich dieser aktuellen Thematik durch die zeitgleiche Untersuchung der postnatalen Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse, auch als „Minipubertät“ bezeichnet, und frühkindlichen Sprachentwicklungsindikatoren. Sie entstand im Rahmen des Teilprojekts „Hormonstudie“ innerhalb der interdisziplinären Längsschnittstudie „GLaD-Study“ (Deutsche Sprachentwicklungsstudie) unter der Leitung von Prof. Dr. Kathleen Wermke am Zentrum für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen (ZVES) der Poliklinik für Kieferorthopädie der Universität Würzburg. Erstmals wurde der Einfluss postnataler Sexualhormonkonzentrationen, d.h. der Östradiol- und Testosteronkonzentration, auf frühkindliche stimm- und sprachphysiologische Kenngrößen wie den artikulatorischen Entwicklungsstand, die Variablen der Grundfrequenz und die Lautlänge von marginalen Babbellauten im Alter von fünf Lebensmonaten analysiert. Hierfür wurden insgesamt über 2700 spontan geäußerte Vokalisationen von sechzehn Probanden (männlich: 7, weiblich: 9; Alter: 145 ± 7 Tage) nach der am ZVES vorgeschriebenen Routine mit Hilfe spezifischer Analysemethoden (CSL, PRAAT, CDAP) im Signalanalyselabor objektiv untersucht. Nach einer audiovisuellen Voranalyse unter Eliminierung sämtlicher Wein- und Schreilaute wurde ein altersadäquates, repräsentatives Lautspektrum von 911 marginalen Babbellauten ausgewählt und in melodischen und spektralen Analysen untersucht. Die daraus berechnete artikulatorische Leistung, die Melodiekomplexität, die Variablen der Grundfrequenz und die Lautlänge wurden mit den freien, bioaktiven Sexualhormonkonzentrationen sowie den Hormongesamtkonzentrationen korreliert. Eine multiple, hierarchische Regressionsanalyse identifizierte einen robusten, statistisch signifikanten positiven Zusammenhang zwischen der freien Östradiolkonzentration im Alter von vier Lebenswochen und den artikulatorischen Fähigkeiten der Säuglinge. Im Gegensatz dazu zeigte sich zwischen der logarithmierten freien Testosteronkonzentration der zwanzigsten Lebenswoche und den artikulatorischen Fähigkeiten eine statistisch signifikante, negative Korrelation. Darüberhinaus zeigten sich Korrelationen auf stimmphysiologischer Ebene. Die freie Östradiolkonzentration im Alter von zwanzig Wochen zeigte einen signifikanten, positiven Zusammenhang mit der minimalen Grundfrequenz. Die logarithmierte, freie Testosteronkonzentration zum Zeitpunkt der zwanzigsten Lebenswoche korrelierte negativ mit der Lautlänge. Diese Ergebnisse stützen die Annahme einer sprachfunktionellen Relevanz der „Minipubertät“. In einem hormonspezifischen Zeitfenster scheinen Sexualhormone die vorsprachliche Entwicklung von Säuglingen sowohl auf laryngealer als auch auf zerebraler Ebene zu beeinflussen. Dem Geschlecht per se fällt weniger Bedeutung zu als dem individuellen Verlauf der Sexualhormonkonzentrationen. Trotz zahlreicher offener Fragen bezüglich des Wirkmechanismus der Sexualhormone, könnte die postnatale Messung von freien Östradiol- bzw. Testosteronkonzentrationen zukünftig zur Identifikation potenzieller „Risikokinder“ dienen und eine frühzeitig einsetzende Sprachförderung dieser Kinder ermöglichen. Sollte sich dieser Ansatz bestätigen, wäre dies ein Durchbruch für die Frühdiagnostik von Sprachentwicklungsstörungen. Weiterführende Längsschnittstudien mit größerem Probandenkollektiv sind notwendig um die Generalisierbarkeit der Ergebnisse zu prüfen und die langfristige Auswirkung der „Minipubertät“ auf den Spracherwerb zu belegen.
Der Spracherwerb beginnt lange vor der Produktion der ersten bedeutungstragenden Wörter. In der Fachliteratur besteht Einigkeit darüber, dass die vorsprachliche produktive Entwicklung in einer geordneten und zeitlich relativ klar definierten Abfolge von als universal postulierten Entwicklungsstufen verläuft (Koopmans-van Beinum & van der Stelt, 1986; Oller, 1980, 2000; Roug et al., 1989; Stark, 1980). Allerdings liegen bisher vergleichsweise wenige Erkenntnisse zu den akustischen und phonetischen Eigenschaften der für die einzelnen Entwicklungsstufen charakteristischen Vokalisationstypen vor.
Hier setzt die vorliegende Arbeit an. Untersucht wurde ein Vokalisationstyp, der als Meilenstein der vorsprachlichen Erwerbsphase gilt: das kanonische Babbeln. Das kanonische Babbeln tritt bei sich normal entwickelnden Kindern erstmals zwischen dem 5. und 10. Lebensmonat auf und zeichnet sich dadurch aus, dass es entsprechend der temporalen und spektralen Eigenschaften der Erwachsenensprache phonetisch wohlgeformte Silben aufweist (Oller, 2000). Darüber hinaus findet sich bezüglich der phonetischen Eigenschaften von kanonischen Babblern und ersten bedeutungstragenden Wörtern ein hohes Maß an Kontinuität (Elbers & Ton, 1985; Kent & Bauer, 1985; Locke, 1989; Majorano & D'Odorico, 2011; Stoel-Gammon & Cooper, 1984; Vihman et al., 1986; Vihman et al., 1985).
Zielstellung der vorliegenden explorativen Längsschnittstudie war es, die Eigenschaften von kanonischen Babblern von sich normal entwickelnden Kindern mit deutscher Umgebungssprache erstmalig quantitativ zu charakterisieren. Hierfür wurden von 15 gesunden deutschen Kindern (sieben Jungen und acht Mädchen) vom vierten Monat bis zum 13. Lebensmonat im Rhythmus von zwei bis vier Wochen digitale Lautaufnahmen angefertigt. Insgesamt wurden 4992 kanonische Babbler mittels speziell auf die Zielstellung der Untersuchung zugeschnittener signalanalytischer Verfahren untersucht. Für jeden kanonischen Babbler wurden die akustischen Messgrößen Vokalisationslänge und Vokallänge sowie die mittlere Grundfrequenz (F0) und der F0-Range berechnet. Darüber hinaus wurden die Silbenanzahl pro Babbler, die Konsonant-Vokal-Struktur der Silben (CV-Struktur) sowie Artikulationszone und –art der konsonantischen Elemente analysiert. Die längsschnittliche Auswertung erfolgte anhand des kanonischen Babbelalters, das ausgehend vom individuellen Alter bei Einsetzen der kanonischen Babbelphase bestimmt wurde.
Die längsschnittliche Auswertung der zeitlichen Messgrößen ergab eine kontinuierliche Abnahme der Vokalisationslänge. Gleichzeit verringerte sich in einem ähnlichen Maß der Anteil an mehrsilbigen kanonischen Babblern, während sich der der einsilbigen kanonischen Babbler deutlich erhöhte. Dieses Entwicklungsmuster markiert möglicherweise den Übergang zur Wortproduktion (Vihman et al., 1985). Im Unterschied zur Vokalisationslänge wurden für die Vokallänge keine systematischen Veränderungen im Entwicklungsverlauf festgestellt. Die längsschnittliche Auswertung der melodischen Messgrößen ergab sowohl für die mittlere F0 als auch für den F0-Range zwischen dem 2. und 5. Monat nach Beginn der kanonischen Babbelphase ein erhöhtes Maß an Variabilität. Dies steht möglicherweise mit der Feinabstimmung der laryngealen und der supralaryngealen Aktivität im kanonischen Babbeln in Zusammenhang. Bezüglich der CV-Struktur und der Eigenschaften der konsonantischen Elemente fanden sich ähnliche Befunde wie in früheren Untersuchungen (z.B. Davis & MagNeilage, 1995). Während CV-Silben während des gesamten Untersuchungszeitraums und bei allen Kindern klar dominierten, fand sich hinsichtlich der Eigenschaften der konsonantischen Elemente im Rahmen universeller Tendenzen ein hohes Maß an inter- und intraindividueller Variabilität.
Die vorliegende Untersuchung stellt erstmalig objektive Variationsbereiche für typische quantitative und qualitative Eigenschaften von kanonischen Babblern von Deutsch lernenden Kindern bereit. Die ermittelten vorläufigen Referenzwerte könnten die Grundlage für nachfolgende Untersuchungen bei Risikokindern für Sprech- und Spracherwerbsstörungen liefern und so zur Identifizierung valider frühdiagnostischer Risikomarker beitragen.
Temporale Eigenschaften ingressiver und egressiver Phonationsleistungen gesunder Neugeborener
(2019)
In der vorliegenden Studie wurden temporale Eigenschaften zeitlich aufeinanderfolgender ingressiver Laute und egressiver Phonationsleistungen in spontanen Neugeborenenvokalisationen untersucht.
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, den Atemrhythmus Neugeborener während der Vokalisation (spontanes Weinen) objektiv zu analysieren und Referenzwerte für die einzelnen Segmente des Atemzyklus zu erarbeiten. Zur Berücksichtigung vermuteter relevanter Einflussfaktoren sollten geschlechts- und altersspezifische Unterschiede sowie Hörleistungen im Neugeborenen-Hörscreening (NHS) berücksichtigt werden.
Dazu wurden spontan geäußerte Lautproduktionen von 82 Neugeborenen (2. – 4. Lebenstag) analysiert. Um die Ergebnisse des NHS-Tests zu berücksichtigen, wurden die Probanden in 2 Untergruppen eingeteilt. Diese waren (1) Neugeborene mit unauffälligem Hörscreening-Test und (2) Neugeborene mit auffälligem Hörscreening-Test. Mit Hilfe der Sprachanalysesoftware Praat wurden 1545 Tonaufnahmen der Probanden vermessen. Der Autor vorliegender Arbeit hat ein Praat – Textscript erstellt, um die Segmente des Atemzyklus manuell durch Cursor festzulegen und die Messgrößen automatisch zu berechnen und anschließend in das am ZVES vorliegende Routinesystem einzubetten.
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie belegen, dass schon in den ersten Schreien Neugeborener ein regelhaft segmentierter Atemrhythmus mit einer kurzen Inspirationsphase und nachfolgender längerer Exspirationsphase, die den Hauptanteil des ganzen Atemzyklus ausmacht, zu beobachten ist.
Das Verhältnis zwischen Inspirations- und Exspirationslänge zeigt sich variabel in Abhängigkeit von der Gesamtlänge des Atemzyklus.
Signifikante geschlechts- und altersspezifische Unterschiede könnten für eine schnellere Adaptation (Reifung) des Atemsystems bei weiblichen Neugeborenen sprechen und damit für eine reduzierte respiratorische Kontrollfähigkeit bei Jungen. Ursächlich dafür könnten anatomisch-somatische Differenzen sowie nachwirkende intrauterine hormonelle Einflüsse sein.
Auch der signifikante Einfluss des Gestationsalters lässt möglicherweise auf Reifungsprozesse des Atemapparats schließen, die mit dem Gestationsalter voranschreiten.
Weitere Faktoren wie der Geburtsmodus oder das Ergebnis des Neugeborenen-Hörscreening-Tests wirkten sich hier nicht auf die temporalen Eigenschaften inspiratorischer und exspiratorischer Laute der Neugeborenen aus.
Insgesamt konnte die vorliegende Arbeit erstmalig temporale Eigenschaften ingressiver Laute und spontaner egressiver Phonationsleistungen Neugeborener im Alter von 2 bis 4 Lebenstagen objektiv analysieren und entsprechende Referenzwerte für gesunde Neugeborene liefern. Diese können in zukünftigen Studien mit größerer Probandenanzahl und einem längerem Untersuchungszeitraum (Einschluss der Minipubertät) als Vergleichswerte dienen. Ein Beleg für den angeborenen respiratorischen Mechanismus für die Sprech- und Sprachentwicklung konnte mit der vorliegenden Arbeit ebenfalls geliefert werden. Die Arbeit betont aus respiratorischer Perspektive die Bedeutung der frühen vorsprachlichen Entwicklung für den Spracherwerbsprozess.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es, intervallartige Substrukturen (Melodieintervalle) auf der Melodiekontur von Säuglingslauten im Längsschnitt über die ersten vier Lebensmonate zu analysieren. Melodieintervalle werden als eine Messgröße für die Kurzzeitvariabilität der Grundfrequenz (F0) und damit der laryngealen Regelleistung angesehen. Es sollte belegt werden, dass gesunde Säuglinge Melodieintervalle regelhaft erzeugen. Dabei war auch die Frage zu beantworten, ob Melodien mit Intervallen häufiger vorkommen als Melodien ohne Intervall über den Untersuchungszeitraum der ersten vier Lebensmonate. Neben Häufigkeitsanalysen sollten auch Analysen temporaler Eigenschaften erfolgen und Frequenzratios (Intervallgrößen) ermittelt werden. Langzeitziel dieser Analysen ist es, potenzielle Risikokinder einer späteren Sprech- und Sprachentwicklungsstörung so früh wie möglich anhand einer nicht-invasiven Vorsprachlichen Diagnostik identifizieren zu können.
Aus einem Gesamtdatenkorpus von 6130 Vokalisationen wurden in einer komplexen Vorselektierungs-Routine mittels audio-visueller Analyse insgesamt 3114 Vokalisationen für die finalen Melodieintervallanalysen als geeignet befunden. Unter Methodenmodifikation zu Vorarbeiten, wie einer herabgesetzten Plateaumindestlänge auf 50 ms und unter Einbezug rhythmisch-segmentierter Vokalisationen in die Analysen wurden die Aufnahmen anhand von Melodie- und Intensitätsdiagrammen sowie semi-automatisch zugehörigen Messroutinen im Cry-Data-Analysis-Program (CDAP) analysiert und Melodieintervalle vermessen. Des Weiteren wurden Analysen der Melodiestrukturkategorien, die den Komplexitätsgrad der Konturen reflektieren, und der Bogenformen (Intonation) durchgeführt, um das Auftreten identifizierter Intervallcodes und deren Muster zu diesen in Bezug zu setzen. Das melodische Einzelintervall (Plateau-Übergang-Plateau) wurde als Modul definiert, das zu Doppelintervallen und noch komplexeren Kombinationen unterschiedlicher Codes und Muster zusammengesetzt wird. Das Repertoire dieser Kombinationsmuster wurde in der Arbeit detailliert aufgezeigt. Ein Modul-Vergleich der steigenden und fallenden Einzelintervalle in Einfach- und Doppelbögen konnte eine hohe Übereinstimmung hinsichtlich spezieller Messgrößen, insbesondere der steigenden Intervalle, belegen. Für die über den Untersuchungszeitraum analysierten Auftrittshäufigkeiten der Intervalle konnte mittels einer verallgemeinerten Schätzgleichung (GEE-Model) eine signifikante Zunahme des Intervallauftretens festgestellt werden, die durch einen nichtlinearen Alterseffekt gekennzeichnet war. Die Intervallkomplexität nahm linear signifikant mit dem Lebensalter zu. Es wurden keine Geschlechtseffekte festgestellt. Als vorherrschende Intervallgröße wurde die kleine Sekunde (Halbton) über den Untersuchungszeitraum gefunden. Die Intervallgrößen und ein Großteil der Analysen der temporalen Messgrößen erfolgte auf signalbasierter Ebene und wurde deskriptiv vergleichend zwischen den Richtungen bzw. den Mustern der Intervalle untersucht und als Referenzwerte in umfangreichen Tabellen berichtet. Die Ergebnisse vorliegender Arbeit belegten durch Analysen unterschiedlicher Messgrößen, wie z.B. dem Komplexitätsgrad der Melodie und deren regelrechter Entwicklung mit dem Alter, dass alle hier analysierten Vokalisationen von Probanden stammten, die sich unauffällig entwickelten. Somit wurde sichergestellt, dass die erarbeiteten Referenzwerte für nachfolgende Studien die Verhältnisse bei gesunden Säuglingen widerspiegeln. Die Ergebnisse vorliegender Arbeit sollen als vorläufige Vergleichswerte für geplante Analysen an Vokalisationen von Säuglingen mit orofazialen Spaltbildungen dienen.
Die Vorsprachliche Diagnostik beschäftigt sich mit der Aufzeichnung, Auswertung und therapiebegleitenden Verwendung akustischer Lautäußerungen von Säuglingen und Kleinkindern, insbesondere für jene mit einem erhöhten Risiko für eine Sprech- und/oder Sprachentwicklungsstörung.
Zielsetzung dieser Arbeit war die semi-automatische, computergestützte Analyse von Säuglingslauten im Rahmen eines Kooperationsprojektes mit einer Forschungsgruppe der Universität Iowa. Dafür wurden neurobiologische Untersuchungen durchgeführt und aufgezeichnete akustische Lautäußerungen von Kindern mit und ohne Lippen- Kiefer- Gaumen- Segelspalten untersucht.
Für die Analyse der aufgezeichneten Lautäußerungen wurden im Rahmen dieser Arbeit für die Phonetiksoftware PRAAT Skripte (Programmroutinen) entwickelt, getestet und am Zentrum für Vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen (ZVES) implementiert. Diese sollen einen Beitrag zur Automatisierung der Vorsprachlichen Diagnostik leisten.
Eine ausführliche Dokumentation der erstellten Skripte sollte zukünftigen Anwendern das Verständnis und die Anwendung der Skripte erleichtern. Die Funktion der Skripte wurde an geeigneten Testsignalen aus dem Archiv des ZVES überprüft und mit bisher gebräuchlichen manuellen Analyseroutinen am selben Datensatz verglichen. Schließlich wurden die erstellen Skripte erfolgreich auf die Projektdaten angewendet sowie die Ergebnisse im Journal „Pediatric Research“ veröffentlicht.
Die Ergebnisse stellen erstmals einen potenziellen Zusammenhang zwischen dem Segmentierungsverhalten und der Hirnreifung von Säuglingen mit LKGS-Spalten her, die in Nachfolgestudien mit größerer Probandenzahl überprüft werden müssen.
Schon vor der Geburt beginnen komplexe Reifungs- und auditive Lernprozesse, die den Grundstein für die spätere Sprachentwicklung legen. Im letzten Trimester der Schwangerschaft ist der Fetus sensibel für akustische Stimuli der Umgebung, hauptsächlich für prosodische (melodische und rhythmische) Spracheigenschaften. Ergebnisse der Sprachperzeptionsforschung (z. B. Byers-Heinlein et al., 2010) zeigen, dass Neugeborene bereits über erstaunliche prosodierelevante Leistungen verfügen. Analog dazu konnte die Forschung von Wermke (z. B. Wermke & Mende, 2011) belegen, dass die Entwicklung der späteren Sprachfähigkeit auf Seiten der Produktion direkt nach der Geburt beginnt. So konnte gezeigt werden, dass sich die Säuglingsschreimelodien nach einem universellen Entwicklungsprogramm in den ersten Lebenswochen von einfachen zu komplexen Melodien verändern. Die Untersuchungen von Mampe et al. (2009) und Mampe (2012) haben darüber hinaus gezeigt, dass sich pränatal wahrgenommene prosodische Eigenschaften der Muttersprache in der Melodiekontur der Schreie von 1 Woche alten Neugeborenen widerspiegeln.
Gegenstand der vorliegenden Querschnittstudie ist die signalanalytische Untersuchung der Schreimelodien von schwedischen und deutschen Neugeborenen hinsichtlich eines Einflusses der pränatal wahrgenommenen muttersprachlichen Prosodie auf die Melodiekomplexität.
Insgesamt wurden 2795 Spontanschreie von 52 schwedischen und 1907 Spontanschreie von 79 deutschen gesunden, reifen und eutrophen 1 Woche alten Neugeborenen mit signalanalytischen Methoden untersucht. Auf Basis der Melodiekontur wurde für jeden Schrei die Melodiestruktur identifiziert und kategorisiert. Darauf basierend wurde für jedes Kind und jede Gruppe ein Melodiekomplexitätsindex (MCI; Wermke et al., 2007) berechnet. Zusätzlich wurden quantitativ die melodischen Parameter mittlere Grundfrequenz und Hubverhältnis sowie der zeitliche Parameter Einzelschreilänge berechnet und statistisch ausgewertet.
Die Ergebnisse der quantitativen Analyse melodischer und zeitlicher Parameter ergaben keine Hinweise auf Unterschiede zwischen den Probandengruppen hinsichtlich des gesundheitlichen Zustands bzw. Reifegrades der Neugeborenen. Die Ergebnisse zeigten weiterhin einen signifikant höheren MCI für die Schreie der schwedischen als für die Schreie der deutschen Neugeborenen. Die schwedischen Neugeborenen produzierten also verglichen mit den deutschen Neugeborenen mehr Schreie mit komplexer Melodiestruktur. Eine mögliche Erklärung dafür könnte der Einfluss der pränatal wahrgenommenen Muttersprache auf die Melodiekomplexität sein. Schwedisch und Deutsch gehören beide zu den germanischen Sprachen. Beide Sprachen unterschieden sich allerdings hinsichtlich bestimmter prosodischer Eigenschaften. Die pränatale Perzeption dieser prosodischen Eigenschaften könnte sich – darauf weisen die Ergebnisse hin – fördernd auf die Melodieentwicklung der schwedischen Neugeborenen auswirken. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung liefern einen Beitrag zur Erforschung der frühen Schreimelodieentwicklung von Neugeborenen als grundlegender Bestandteil der vorsprachlichen Entwicklung – insbesondere zur Erforschung des Einflusses der pränatalen Perzeption von Melodie und Rhythmus auf die Schreimelodien Neugeborener.
In der vorliegenden Arbeit wurden akustische Eigenschaften von Komfortvokalisationen von Säuglingen im Alter von fünf bis sieben Monaten mit und ohne einseitigem lagebedingtem Plagiocephalus untersucht. Alle hier untersuchten Probanden wurden aus dem Projekt „Dreidimensionale stereophotogrammetrische Diagnostik des Schädels und Evaluierung der Therapie bei Kindern mit kraniofazialen Fehlbildungen“ am Uniklinikum Würzburg rekrutiert.
Die lagebedingte einseitige Abflachung des Hinterkopfes aufgrund von externen Kräften ist die am häufigsten auftretende Kopfasymmetrie im Säuglingsalter. In der Literatur wird vereinzelt ein erhöhtes Risiko für Entwicklungsstörungen bzw. Besonderheiten in der neuromotorischen-physiologischen Entwicklung betroffener Säuglinge beschrieben. Dennoch bleibt unklar ob und wenn ja in welchem Maße ein lagebedingter Plagiocephalus mit einer Entwicklungsverzögerung verbunden bzw. Ursache dieser ist.
Ziel dieser Arbeit war es, akustische Eigenschaften spontan geäußerter Komfortvokalisationen vergleichend quantitativ zu untersuchen und zu charakterisieren und somit Rückschlüsse auf mögliche neuro-motorische Entwicklungsstörungen zu schließen. Der Ursprung zu diesem Untersuchungsansatz findet sich in der klassischen Schreiforschung. Die hier untersuchten Lauteigenschaften reflektieren die „Quelle“ der Lautproduktion am Larynx. Sie reflektieren also unmittelbar die neurophysiologischen Mechanismen, die der Lautproduktion zugrunde liegen.
Es wurden 1941 Vokalisationen von 18 konsekutiv rekrutierten Säuglingen mit Lagerungsplagiocephalus (Alter: 183,6 ± 19) und von 17 Kontrollkindern (Alter: 189,7 ± 12,7) nach Vorverarbeitung der Rohdaten hinsichtlich der spektralen, melodischen und rhythmischen Eigenschaften analysiert.
Es zeigten sich keine inhaltlich relevanten signifikanten Gruppenunterschiede in den akustischen Eigenschaften der Komfortvokalisationen. Die Werte der „Plagio“- und Kontrollgruppe verhielten sich eher wie ein Gesamtkollektiv. Es konnten keine Hinweise auf neurophysiologische Dysfunktionen der der Phonation zugrunde liegenden Mechanismen gefunden werden.
Säuglinge speichern und erwerben schon in den ersten Lebensmonaten bzw. teilweise sogar vor der Geburt prosodische Informationen über ihre Muttersprache. Somit gilt es als unbestritten, dass die spracherwerbsrelevante Entwicklung bereits auf dem Weg zum ersten Wort im ersten Lebensjahr beginnt (Grimm & Weinert, 2002; Sachse, 2007). Die vorsprachliche produktive Entwicklung verläuft in einer geordneten und zeitlich relativ klar definierten Abfolge von als universal postulierten Entwicklungsstufen (Koopmans-van Beinum & van der Stelt, 1986; Oller, 1980, 2000; Roug et al., 1989; Stark, 1980). Allerdings liegen bisher wenige Erkenntnisse zu den akustischen und phonetischen Eigenschaften der für die einzelnen Entwicklungsstufen charakteristischen Vokalisationstypen vor.
Hier setzt die vorliegende Arbeit an. Während die Phase der Schreivokalisationen sowie die Phase zielsprachlich geprägter Silbenbabbler (Kanonisches Babbeln) bereits ausführlich untersucht wurden (Pachtner, 2016; Wermke, 2007), legt die vorliegende Arbeit nun erstmalig Referenzwerte für akustische und artikulatorische Eigenschaften von Komfortvokalisationen bei deutsch erwerbenden Kindern im Alter zwischen 3 und 7 Monaten vor und schließt damit die Lücke zwischen Schreivokalisationen und Kanonischem Babbeln.
Längsschnittlich wurden 11 monolingual deutsch-sprachig aufwachsende Kinder im Alter zwischen drei und sieben Lebensmonaten untersucht. Die Anfertigung der digitalen Lautaufnahmen erfolgte im wöchentlichen Rhythmus. Insgesamt standen 7375 Komfortvokalisationen für die Signalanalyse der melodischen und artikulatorischen Eigenschaften zur Verfügung.
Die Spektralanalysen konnten u.a. zeigen, dass es im Untersuchungszeitraum zu einer Zunahme komplexer Strukturen auf laryngealer Ebene kommt. Es wurde belegt, dass die Komplexität der Melodiestruktur der Komfort-Vokalisationen kontinuierlich zunimmt.
Die Komplexitätssteigerung innerhalb der prosodisch relevanten Kategorien (Melodie) wurde auch in artikulatorisch relevanten Kategorien gefunden: Es wurden quantitative Daten vorgelegt, die zeigen, dass die Häufigkeit der Produktion artikulatorischer Elemente in Komfort-Vokalisationen im Untersuchungszeitraum ansteigt und gleichzeitig eine Verschiebung von der hinteren zur vorderen und mittleren Artikulationszone erfolgt.
Des Weiteren fanden sich Belege dafür, dass die Melodie in Komfort-Vokalisationen als „Baugerüst“ für erste artikulatorische Bewegungen fungiert und eine Zunahme der Komplexität auf supralaryngealer Ebene von einer Zunahme der Komplexität auf laryngealer Ebene abhängig ist. Anhand einer Häufigkeitsanalyse der artikulierten Melodiestrukturen konnte gezeigt werden, dass die Produktion von artikulatorischen Elementen in Vokalisationen mit einfacher Melodiestruktur mit zunehmendem Alter kontinuierlich abnimmt. Hingegen nimmt die Produktion von artikulatorischen Elementen in Vokalisationen mit komplexen Melodiestrukturen im Untersuchungszeitraum kontinuierlich zu.
Neben der melodischen und artikulatorischen Komplexität kristallisierte sich in vorliegender Arbeit v.a. die mittlere Vokalisationslänge als vielversprechender Untersuchungsparameter für weitere Forschungsprojekte. Es zeigten sich Hinweise auf einen potenziellen Zusammenhang zur Melodiekomplexität in den untersuchten Komfortvokalisationen: Kinder, welche eine größere Melodiekomplexität zeigten, zeigten auch größere mittlere Vokalisationslängen. Um diesen Zusammenhang zu belegen, müsste die Untersuchung allerdings an einer größeren Stichprobe wiederholt werden. Sollte sich gleichzeitig in weiterführenden Untersuchungen die Melodiekomplexität als geeigneter Risikomarker zur Identifikation von Risikokindern für spätere Sprachprobleme erweisen, wäre die mittlere Lautlänge ein schnell und verlässlich erfassbarer Parameter zur Prädiktion von Risikokindern.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es, intervallartige Strukturen in Melodien von Neugeborenenlauten der ersten Lebenswoche in unterschiedlichen Umgebungssprachen zu identifizieren und quantitativ zu untersuchen. Es wurden Neugeborene von Müttern mit einer Tonakzentsprache (Japanisch) und einer tonalen Sprache (Lamnso) untersucht und die Befunde miteinander verglichen. Die Frage nach einem sprachlichen Einfluss auf die Auftrittshäufigkeit und die Eigenschaften von Melodieintervallen im Weinen standen im Fokus der Arbeit. Dabei sollte auch die Komplexität der Melodieintervalle bezüglich eines sprachlichen Einflusses untersucht werden. Neben diesen Häufigkeitsanalysen wurden auch temporale Eigenschaften der gefundenen Intervalle sowie die Intervallgrößen ermittelt. Nach einer strengen Vorselektion des Gesamtdatenkorpus von 1664 Einzellauten von 40 Probanden (20 Neugeborene der Nso, 20 japanische Neugeborene) wurden 1213 geeignete Melodien auf Intervalle untersucht und die Ergebnisse verglichen. Langfristig sollen so potenzielle Risikomarker zur nicht-invasiven vorsprachlichen Diagnostik von Sprech- und Sprachentwicklungsstörungen gefunden werden. In der Auftrittshäufigkeit von Melodieintervallen zeigten sich keine signifikanten Sprachgruppenunterschiede zwischen japanischen Neugeborenen und den Neugeborenen der Nso. Dies wurde mit einer physiologischen Eigenschaft als Ausdruck der Reife des laryngealen Regelsystems in diesem frühen Alter interpretiert. Der Einfluss der tonalen Sprache zeigte sich aber in der Auftrittshäufigkeit komplexer Intervalle in der Sprachgruppe Lamnso, die in Anwendung eines verallgemeinerten linearen gemischten Modells signifikant größer war als bei den japanischen Neugeborenen. Die Komplexität der Intervalle, die durch den Intervallkomplexitätsindex (ICI) ausgedrückt wurde, zeigte auf Neugeborenenlevel einen signifikanten Unterschied, in der Sprachgruppe Lamnso wurden mehr komplexe Melodieintervalle gefunden. Die temporalen Eigenschaften zeigten teilweise signifikante Unterschiede. Diese betrafen die Längenverhältnisse der Plateaulängen und die Frequenzverhältnisse der Plateaus. Die Frequenzverhältnisse (Intervallgröße) ergaben sehr ähnliche Befunde. Das vorherrschende Melodieintervall im spontanen Weinen der Neugeborenen beider Sprachgruppen war das Einzelintervall der Größe eines Halbtons. Zusammenfassend kann man sagen, dass Melodieintervalle bei gesunden Neugeborenen bereits in der ersten Lebenswoche regelhaft auftreten. Sprachliche Besonderheiten der vokalen Regelleistung scheinen sich in der Komplexität der Melodieintervalle zu zeigen.