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Natrium-Glukose Transporter (SGLT) gehören zur „solute carrier 5“ (SLC5) Familie, die sich durch einen sekundär aktiven, natriumabhängigen Transport von Zuckern und an-deren Molekülen nach intrazellulär auszeichnen. Die durch das Gen SLC5A4 kodierte Isoform SGLT3 transportiert dagegen keinen Zucker, sondern verhält sich als Glukosesensor, der nach Bindung seiner Liganden eine Membrandepolarisation induziert. In genomweiten Exomsequenzierungsstudien (whole exome sequencing, WES) mehrerer erweiterter Stammbäume mit hoher Prävalenz des Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndroms (ADHS) wurde im Vorfeld eine ATG-Tripletdeletion in SLC5A4 identifiziert, die zum Verlust einer Aminosäure (ΔM500) in SGLT3 führt und zumindest partiell mit dem klinischen Phänotyp kosegregiert.
In der vorliegenden Arbeit wurde die zentralnervöse Expression von SGLT3 auf RNA- Ebene mittels Reverse-Transkriptase PCR sowie real-time PCR aus humanen Gesamt-RNAs nachgewiesen. Dabei konnte eine ubiquitäre Expression im Gehirn mit relativ erhöhter Expression unter anderem in Striatum und Hypothalamus, deren Dysfunktion in der Pathogenese des ADHS impliziert wurde, gezeigt werden. Da Mutationen in homologen Domänen der eng strukturverwandten Isoformen SGLT1 und SGLT2 sowohl intestinale als auch renale Funktionen schwer beeinträchtigen, wurden in dieser Arbeit funktionelle Charakteristika sowohl des wildtypischen als auch der ΔM500 und der benachbarten ΔI501 Deletionsvariante von SGLT3 mittels Zwei-Elektroden Spannungs- und Stromklemme in entsprechend cRNA-injizierten Xenopus laevis Oozyten untersucht. Der hochpotente SGLT3-spezifische Iminozuckeragonist 1-Desoxynojirimycin (DNJ) induzierte an SGLT3-exprimierenden Oozyten in sauren Bedingungen etwa dreifach größere Kationeneinströme als D-Glukose, was sowohl im Spannungsklemmen-, und anhand einer entsprechenden Membrandepolarisation im Stromklemmenmodus gezeigt wurde. Die mit der ΔM500 bzw. ΔI501 Variante injizierten Oozyten dagegen zeigten in den maximalen Aktivierungsbedingungen um 92% bzw. 96% (p<0,01) reduzierte Kationeneinströme, sodass diese als hochgradig schädliche „Loss of Function“ Mutationen in SGLT3 charakterisiert wurden. Dieser Befund wurde mittels bioinformatischer in-silico Effektvorhersage validiert.
Um Konsequenzen der Sequenzalteration auf den Membraneinbau der Transporter zu untersuchen, wurden die mit einem gelb fluoreszierenden Farbstoff (YFP) markierten Transporter in Oozytenmembranen mittels Laser-Scanning Mikroskop nachgewiesen und die jeweiligen Mengen der Konstrukte anhand der Fluoreszenzintensitäten quantifiziert. Dabei zeigte sich eine um 53% bzw. 42% (p<0,01) reduzierte Menge der mutierten Konstrukte ΔM500 bzw. ΔI501 in der Membran, was zusätzliche schädliche Effekte der Mutationen auf das sogenannte Membrantargeting der Transporter belegt.
Zusammenfassend demonstrieren die Ergebnisse dieser Arbeit, dass die ΔM500 Variante von SGLT3, welcher in ADHS-relevanten Hirnarealen exprimiert wird, dessen sub-stratinduzierte Natriumleitfähigkeit aufhebt und den Membraneinbau beeinträchtigen könnte, was in Wechselwirkung mit anderen genetischen ADHS Risikovarianten das Risiko für ADHS in Mutationsträgern beeinflussen kann.
Unterschiede in Frontaler Kortex Oxygenierung in zweierlei Risikogruppen der Alzheimer Demenz
(2019)
Die verbesserte medizinische Versorgung führt zu einer zunehmenden Lebenserwartung unserer Gesellschaft. Damit steigt auch die sozioökonomische Relevanz neurodegenerativer Erkrankungen kontinuierlich. Für die Alzheimer Demenz (AD), die dabei die häufigste Ursache darstellt, stehen bisher keine krankheitsmodifizierenden Behandlungsoptionen zur Verfügung. Die lange präklinische Phase der Erkrankung birgt jedoch großes Potential für die Entwicklung neuer Behandlungsoptionen. Das Untersuchen von Risikogruppen ist für die Identifikation von Prädiktoren einer späteren AD Manifestation von besonderem Interesse. In diesem Zusammenhang werden insbesondere das Vorliegen genetischer Risikokonstellationen, wie dem Apolipoprotein E (APOE) Ɛ4-Allel, sowie kognitiver Risikofaktoren, wie der „leichten kognitiven Beeinträchtigung“ (MCI), diskutiert. Die Identifikation präklinischer Aktivierungsunterschiede in relevanten Gehirnregionen von Risikogruppen kann als Basis für die Entwicklung neurofunktioneller Früherkennungs-Marker dienen. Der präfrontale Kortex (PFC), welcher mit der Steuerung von Exekutivfunktionen assoziiert wird, hat sich in diesem Zusammenhang in bisherigen Studien als eine relevante Schlüsselregion manifestiert. Aufgrund der aufwendigen und kostenintensiven bildgebenden Untersuchungsmethoden, sind die genauen Prozesse jedoch noch unklar.
Ziel der vorliegenden Arbeit war es daher, Unterschiede in der PFC Oxygenierung in zweierlei Risikogruppen der AD mit einer kostengünstigeren Bildgebungsmethode, der funktionellen Nahinfrarot Spektroskopie (fNIRS), zu untersuchen. Dafür wurde in einem ersten Schritt, der Trailmaking Test (TMT), ein weitverbreiteter neuropsychologischer Test zur Erfassung exekutiver Funktionen, für fNIRS implementiert. Als Grundlage für die Untersuchung frühpathologischer Prozesse, wurden zunächst gesunde Alterungsprozesse betrachtet. Der Vergleich von jungen und älteren Probanden (n = 20 pro Gruppe) wies neben der Eignung der Testimplementierung für fNIRS auf eine spezifische bilaterale PFC Oxygenierung hin, welche bei jungen Probanden rechtshemisphärisch lateralisiert war. Ältere Probanden hingegen zeigten bei vergleichbaren Verhaltensdaten insgesamt mehr signifikante Kanäle sowie eine Abnahme der Lateralisierung. Dies kann als zusätzlicher Bedarf an Ressourcen in gesunden Alterungsprozessen interpretiert werden.
Im Rahmen der Hauptstudie wurden anschließend insgesamt 604 ältere Probanden im Alter von 70 bis 76 Jahren untersucht. Zunächst wurde die genetische Risikogruppe der Ɛ4-Allel-Träger (n = 78) mit den neutralen Ɛ3-Allel-Trägern (n = 216) und den Trägern des als protektiv geltenden Ɛ2-Allels (n = 50) verglichen. Hierbei zeigte sich eine geringere Oxygenierung der Risikogruppe bei geringer Aufgabenschwierigkeit, während sich ein erhöhter Oxygenierungsanstieg im medialen PFC mit steigender Aufgabenschwierigkeit zeigte. Dies deutet auf einen erhöhten Bedarf an neuronalen Kontrollmechanismen der Risikogruppe zur Bewältigung der steigenden Aufgabenschwierigkeit hin. Die protektive Gruppe zeigte hingegen eine erhöhte Oxygenierung im ventralen PFC mit steigender Aufgabenschwierigkeit, was möglicherweise auf einen präventiven Effekt hindeuten könnte.
Weiterführend wurden MCI-Patienten mit gesunden Probanden (n = 57 pro Gruppe) hinsichtlich des kognitiven Risikofaktors verglichen. Hierbei zeigte sich ein punktuell reduzierter Oxygenierunganstieg der MCI Patienten mit steigender Aufgabenschwierigkeit vor allem im ventralen PFC bei ebenfalls stabiler Verhaltensleistung. Die gefundene Reduktion könnte ein Zeichen für eine aufgebrauchte kognitive Reserve sein, welche Einbußen auf Verhaltensebene voranzugehen scheint.
Diese charakteristischen Unterschiede in den frontalen Oxygenierungsmustern von Risikogruppen (APOE, MCI) könnten als Biomarker zur Früherkennung von AD noch vor dem Auftreten kognitiver Einbußen dienen. Die fNIRS-Untersuchung während der Durchführung des TMT hat sich in diesem Zusammenhang als potentielles Instrument zur Frühdiagnose der präklinischen Phase der AD als geeignet erwiesen. Die Ergebnisse werden unter Einbezug des wissenschaftlichen Kontexts interpretiert und Implikationen für weitere notwendige Studien sowie die klinische Anwendbarkeit diskutiert.
Lungenkrebs ist weltweit für die meisten krebsassoziierten Tode verantwortlich. Ursache dafür ist unter anderem, dass viele Medikamente in der klinischen Anwendung, aufgrund nicht übertragbarer Ergebnisse aus der Präklinik, scheitern. Zur Entwicklung neuer Therapiestrategien werden deshalb Modelle benötigt, welche die in vivo Situation besser widerspiegeln. Besonders wichtig ist es dabei, zu zeigen, für welche Fragestellungen ein neues Testsystem valide Ergebnisse liefert.
In dieser Arbeit ist es mit Hilfe des Tissue Engineering gelungen, ein humanes 3D in vitro Lungentumor-Testsystem weiter zu entwickeln und für verschiedene Fragestellungen zu validieren. Zudem konnten sowohl für die Herstellung als auch für die Behandlung der Tumormodelle SOPs etabliert werden. Hier wurde zunächst beobachtet, dass die Auswerteparameter für die Beurteilung von Behandlungseffekten eine geringe Varianz aufweisen und das 3D Modell deshalb als Testsystem geeignet ist.
Ein Vergleich der Morphologie, des EMT-Status und der Differenzierung der Tumorzelllinien im 3D Modell mit Tumorbiopsaten von Adenokarzinompatienten verdeutlichte, dass die 3D Modelle tumorrelevante Merkmale besitzen. So sind die Zelllinien auf der biologischen Matrix, verglichen mit der jeweiligen 2D Kultur, durch eine reduzierte Proliferationsrate gekennzeichnet, welche eher der in vivo Situation entspricht. Für die Etablierung und Validierung des 3D Modells als Testsystem war es notwendig, klinisch relevante Therapien in dem Modell anzuwenden und die Ergebnisse der Behandlung in vitro mit denen im Patienten zu vergleichen. Dabei konnte zunächst bestätigt werden, dass eine zielgerichtete Therapie gegen den EGFR in dem 3D System zu einer verstärkten Induktion der Apoptose im Vergleich zu 2D führt. Dies entspricht klinischen Beobachtungen, bei denen EGFR-mutierte Patienten gut auf eine Therapie mit Tyrosin-Kinase-Inhibitoren (TKI) ansprechen. Anschließend wurde in dieser Arbeit erstmals in vitro gezeigt, dass die Behandlung mit einem HSP90-Inhibitor bei KRAS-Mutation wie in behandelten Patienten keine eindeutigen Vorteile bringt, diese jedoch in Experimenten der 2D Zellkultur mit den entsprechenden Zelllinien vorhergesagt werden. Die Ergebnisse aus dem in vitro Modell spiegeln damit verschiedene klinische Studien wider und unterstreichen das Potenzial des 3D Lungentumor-Testsystems die Wirkung zielgerichteter Therapien vorherzusagen. Durch die Messung von Signalwegsaktivierungen über Phospho-Arrays und Western Blot konnten in dieser Arbeit Unterschiede zwischen 2D und 3D nach Behandlung gezeigt werden. Diese lieferten die Grundlage für bioinformatische Vorhersagen für Medikamente.
Mit fortschreitender Erkrankung und dem Entstehen invasiver Tumore, die möglicherweise Metastasen bilden, verschlechtert sich die Prognose von Krebspatienten. Zudem entwickeln Patienten, die zunächst auf eine Therapie mit TKI ansprechen, bereits nach kurzer Zeit Resistenzen, die ebenfalls zur Progression des Tumorwachstums führen. Zur Wirkungsuntersuchung von Substanzen in solchen fortgeschrittenen Erkrankungsstadien wurde das bestehende Testsystem erweitert. Zum einen wurde mit Hilfe des Wachstumsfaktors TGF-β1 eine EMT ausgelöst. Hier konnte beobachtet werden, dass sich die Expression verschiedener EMT- und invasionsassoziierter Gene und Proteine veränderte und die Zellen vor allem in dynamischer Kultur verstärkt die Basalmembran der Matrix überquerten. Zum anderen wurde die Ausbildung von Resistenzen gegenüber TKI durch die Generierung von resistenten Subpopulationen aus einer ursprünglich sensitiven Zelllinie und anschließender Kultivierung auf der Matrix abgebildet. Dabei zeigte sich keine der klinisch bekannten Mutationen als ursächlich für die Resistenz, sodass weitere Mechanismen untersucht wurden. Hier konnten Veränderungen in der Signaltransduktion sowie der Expression EMT-assoziierter Proteine festgestellt werden.
Im letzten Teil der Arbeit wurde eine neuartige Behandlung im Bereich der Immuntherapie erfolgreich in dem 3D Modell angewendet. Dafür wurden T-Zellen, die einen chimären Antigen-Rezeptor (CAR) gegen ROR1 tragen, in statischer und dynamischer Kultur zu den Tumorzellen gegeben und der Therapieeffekt mittels histologischer Färbung und der Bestimmung der Apoptose evaluiert. Zusätzlich konnten Eigenschaften der T-Zellen, wie deren Proliferation sowie Zytokinausschüttung quantifiziert und damit eine spezifische Wirkung der CAR transduzierten T-Zellen gegenüber Kontroll-T-Zellen nachgewiesen werden.
Zusammenfassend ist es in dieser Arbeit gelungen, ein humanes 3D Lungentumor-Testsystem für die Anwendung in der präklinischen Entwicklung von Krebsmedikamenten sowie der Grundlagenforschung im Bereich der Tumorbiologie zu etablieren. Dieses Testsystem ist in der Lage relevante Daten zu Biomarker-geleiteten Therapien, zur Behandlung fortgeschrittener Tumorstadien und zur Verbesserung neuartiger Therapiestrategien zu liefern.
Bei der Multiplen Sklerose (MS) handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS). Abhängig von der betroffenen ZNS-Region kann es zu vielfältigen Symptomen kommen. Neben neurologischen Symptomen verursacht durch ZNS-Läsionen leidet ein Großteil der MS-Patienten auch unter gastrointestinalen Funktionsstörungen. Diese gastrointestinalen Symptome wurden bisher eher auf Läsionen im Rückenmark zurückgeführt und nicht direkt in Verbindung mit der autoimmunen Ätiologie der Erkrankung gebracht.
In dieser Studie wurde das enterische Nervensystem (ENS) in einem B-Zell- und Antikörper-abhängigen Mausmodell der MS untersucht. Dafür wurde der Autoimmunprozess durch Immunisierung mit MP4, einem Fusionsprotein aus dem Myelin-Basischen-Protein (MBP) und dem Proteolipid-Protein (PLP), ausgelöst. Das ZNS und ENS wurden in den unterschiedlichen Erkrankungsstadien immunhistochemisch und elektronenmikroskopisch analysiert. Neben der Immunpathologie des ZNS konnte dabei eine Degeneration des ENS schon vor dem Einsetzen der ersten neurologischen Defizite nachgewiesen werden. Die ENS-Pathologie war antikörper-mediiert und ging einher mit einer verringerten gastrointestinalen Motilität sowie mit einer Gliose und Neurodegeneration des ENS.
Mithilfe von Immunpräzipitation und Massenspektrometrie konnten im ENS vier mögliche Zielstrukturen des Autoimmunprozesses identifiziert werden, was auf sog. epitope spreading hindeutet. Auch im Plasma von MS-Patienten konnten Antikörper gegen drei dieser Antigene nachgewiesen werden. Des Weiteren zeigten sich in Kolon-Resektaten von MS-Patienten erste Ansätze einer Neurodegeneration und Gliose des ENS.
In dieser Studie wurde zum ersten Mal ein direkter Zusammenhang zwischen der Autoimmunreaktion gegen das ZNS und einer simultanen Reaktion gegen das ENS gezeigt. Dies kann einen Paradigmenwechsel im Verständnis der Immunpathogenese der MS anstoßen und neue therapeutische und diagnostische Ansätze initiieren.
Das Verständnis der molekularen Mechanismen, die einer malignen Erkrankung zugrunde liegen, ist der Schlüssel zur Entwicklung zielgerichteter und effektiver therapeutischer Möglichkeiten. Für das LIM und SH3 Domänen Protein 1, LASP1, konnte im Kontext zahl-reicher Tumorerkrankungen wie dem Mamma-Karzinom, dem Prostata-Karzinom oder dem Ovarial-Karzinom eine Überexpression ebenso wie eine Korrelation mit Aggressivität und Prognose der Tumorerkrankung gezeigt werden. Bisher war eine Relevanz von LASP1 jedoch nur für solide Tumorerkrankungen nachgewiesen worden. Kürzlich allerdings wurde lasp1 als eines von 6 Genen identifiziert, die eine exaktere Vorhersage von Krankheitsprogress und -rezidiv bei Patienten mit einer chronischen myeloischen Leukämie (CML) zulassen sollen. Zudem konnte, wie bereits bei zahlreichen anderen, soliden Tumorerkrankungen, eine signifikante Überexpression des lasp1-Gens in CML-Zellen nachgewiesen werden.Basierend auf diesen neuen Erkenntnissen beschäftigte ich mich im Rahmen dieser Arbeit mit der Frage, welche Funktion LASP1 im Netz der einer CML zugrunde liegenden, molekularen Mechanismen übernimmt. Mittels verschiedener Interaktionsassays konnte LASP1 als ein neuer, phosphorylierungs-abhängiger Bindungspartner von CrkL, dem wohl prominentesten Substrat der BCR-ABL-Kinase, identifiziert werden. Dabei impliziert das Attribut „phosphorylierungs-abhängig“ sowohl den Phosphorylierungsstatus von LASP1 als auch des Interaktionspartners CrkL. Wie in Vorarbeiten gezeigt, stellt das Tyrosin 171 in der Aminosäurensequenz von LASP1 eine Phosphorylierungsstelle für die BCR-ABL-Kinase dar; mit LASP1 wurde somit auch ein neues Substrat dieser konstitutiv aktiven Tyrosinkinase entdeckt. Phosphoryliert an Tyrosin 171 kann LASP1 an die SH2-Domäne von CrkL, genauer an das FLVR-Motif innerhalb dieser, binden. Jedoch selbst an Tyrosin 207 durch die BCR-ABL-Kinase phosphoryliert, blockiert CrkL die eigene SH2-Domäne durch intramolekulare Wechselwirkungen für andere Protein-Protein-Interaktionen in gewissem Umfang. Diese neu gewonnenen Erkenntnisse liefern ein weiteres Puzzlestück zum Verständnis des molekularen Netzwerks, das einer CML-Erkrankung zugrunde liegt und tragen so dazu bei, die Therapieoptionen dieser stetig zu verbessern.
Die Phosphoglykolat-Phosphatase PGP (früher auch als AUM bezeichnet) wurde in unserem Labor als Mitglied der HAD-Typ-Phosphatasen identifiziert. Die genetische Inaktivierung des Enzyms im gesamten Mausorganismus führt ab E8.5 zu einer Wachstumsverzögerung muriner Embryonen und bis E12.5 schließlich zu deren Tod. Im Gegensatz dazu sind Mäuse mit einer PGP-Inaktivierung in hämatopoetischen Zellen und im Endothel lebensfähig und phänotypisch unauffällig. Neue Erkenntnisse schreiben dem Enzym neben einer Aktivität gegenüber Phosphoglykolat auch Aktivitäten gegenüber Glycerin-3-phosphat (G3P), P-Erythronat und P-Lactat zu. Da diese Phosphatase-Aktivitäten Auswirkungen auf den Lipidstoffwechsel nahelegen, wurde in der vorliegenden Arbeit mittels massenspektrometrischer Methoden der Einfluss der Phosphoglykolat-Phosphatase auf den Metabolismus von Signal-, Membran- und Speicherlipiden in murinen Embryonen und Lymphozyten untersucht.
Nach Inaktivierung der PGP im gesamten Organismus wurden in E8.5-Embryonen erhöhte Diacylglycerin (DG)-, Triacylglycerin (TG)- und Sphingomyelin (SM)-Spiegel gemessen, während niedrigere Phosphatidylcholin (PC)-Level vorlagen.
In PGP-inaktivierten Lymphozyten waren G3P-, DG-, TG-, PC- und SM-Level nicht verändert. Dafür kam es zu signifikanten Erhöhungen der Phosphatidylglycerol (PG*)- und Cardiolipin (CL)-Spiegel.
Zusammenfassend konnte gezeigt werden, dass die PGP in unterschiedlichen Geweben differenzielle Effekte auf die Spiegel verschiedener Lipide hat. Dies deckt neue Funktionen der PGP für die Regulation des Lipidmetabolismus auf. Die vorliegende Arbeit stellt somit die Grundlage für weitere Untersuchungen über die genauen Ursachen und Folgen dieser Regulation dar und lässt auf eine wichtige Rolle der PGP als metabolische Phosphatase im Organismus schließen.
Der Hörsinn ist für uns Menschen von entscheidender Bedeutung, um mit der Umwelt kommunizieren zu können. Hörstörungen werden dabei in sensorineurale Erkrankungen der neuronalen Strukturen und nicht-sensorineurale Schallleitungsschwerhörigkeiten unterschieden.
In der vorliegenden Studie sollte es darum gehen zu untersuchen, inwiefern ein neues konditionelles Mausmodell, die Brn3.1 IRES Cre Maus, und ein bestehendes Mausmodell, die pmn-Maus, sich eignen, um die Erkrankung der auditorischen Neuropathie nachzubilden. Die Brn3.1 IRES Cre Maus wurde zur Evaluation der Expression von Cre-Rekombinase unter der Aktivität des Brn3.1 Promotors mit gefloxten Reporter-Mauslinien verkreuzt. Die pmn-Maus ist ein anerkanntes Modell einer Motoneuronerkrankung, hatte aber in vorherigen Untersuchungen erhöhte Hörschwellen gezeigt.
Alle verwendeten Mauslinien wurden mittels ABR und DPOAE frequenzspezifisch untersucht, um die Funktion der Haarzellen im Corti´schen Organ zu evaluieren. Bei der pmn-Linie wurden die audiologischen Untersuchungen wöchentlich zwischen P21 und P35 durchgeführt. Zusätzlich wurde das Corti´sche Organ zu diesen Zeitpunkten morphologisch untersucht.
Es zeigte sich, dass alle verwendeten Mauslinien unauffällige Hörschwellen verglichen zur Backgroundlinie C57BL/6 hatten sowie DPOAE-Antworten zeigten. Die Verkreuzung der Brn3.1 IRES Cre Linie mit den beiden Reporterlinien zeigte eine nachweisbare Cre-Rekombinase-Expression unter der Aktivität des Brn3.1 Promotors nur an den postnatalen Tagen P14 und P21. Diese Expression erfolgte mosaikartig in den äußeren Haarzellen. Mit Hilfe einer RT-PCR wurde eine Diskrepanz zwischen Genotyp und Expression des Reporterproteins im Gewebe festgestellt. Dies ließ vermuten, dass die Expression von Cre-Rekombinase durch gene silencing Prozesse unterdrückt wurde und Brn3.1 als Promotor nicht leistungsstark genug war, um eine Cre-Rekombinase-Expression steuern zu können.
Die pmn-Linie zeigte in ABR-Untersuchungen bereits zum Zeitpunkt P21 erhöhte Hörschwellen in allen untersuchten Frequenzen im Vergleich zum Wildtyp. DPOAE-Antworten waren in der pmn-Linie nur bedingt auslösbar. Es zeigte sich in der morphologischen Evaluation ein Verlust von äußeren Haarzellen über die gesamte Länge des Corti´schen Organes. Durch einen TUNEL-Assay konnte das Absterben dieser Zellen durch apoptotische Vorgänge nachgewiesen werden. Der pmn-Phänotyp entsteht durch eine Mutation im TBCE Gen. Dieses Gen kodiert für ein Protein, welches einen stabilisierenden Einfluss auf die Organisation der Mikrotubuli hat. Die TBCE-Verteilung im Corti´schen Organ zeigte, dass dieses hauptsächlich in den äußeren Haarzellen und inneren Stützzellen exprimiert wird und damit wahrscheinlich einen bedeutenden Einfluss auf die Erhaltung der Haarzellen hat. Eine Analyse des Hörnervs zeigte einen Verlust von Mikrotubuli.
Neben diesen in vivo Untersuchungen sollte außerdem eine gliazellfreie Kultur von dissoziierten auditorischen Neuronen etabliert werden. Hierfür wurden mehrere Faktoren einer Primärzellkultur in Bezug auf ihren Einfluss auf die Gesamtzellzahl, den prozentualen Neuronanteil und die Axonlänge der Neurone untersucht. Das Medium, die Beschichtung des Zellkulturgefäßes, die Gabe von Neurotrophinen/Zytokinen und der Einsatz eines Zytostatikums wurden separat untersucht. Es zeigte sich, dass das Medium, die Beschichtung und Neurotrophin-/Zytokingabe hauptsächlich einen Einfluss auf das axonale Längenwachstum von Neuronen haben. Den Prozentsatz der Neurone beeinflusste nur der Einsatz des Zytostatikums Cytosin-β-D-arabinofuranosid (AraC) signifikant. Die Ergebnisse wurden auch im Zusammenhang mit der reellen Neuronanzahl in Kultur gesehen.
Es ergab sich weiterhin eine Präferenz für DMEM- über NB-Medium sowie für zusätzliche Lamininbeschichtung, für den Einsatz des Zytokins LIF gegenüber den neurotrophen Faktoren BDNF und NT-3 und die Gabe des Zytostatikums AraC ab Tag 2 nach Ausplattierung in einer Konzentration von 5-10 µM. Ein kombinatorischer Einsatz dieser Präferenzen spiegelte in Summe die Ergebnisse der Versuchsreihen Neurotrophine/Zytokin und AraC wieder. Der Anteil der Neurone in der Kultur konnte im Durchschnitt auf 10-12 % gesteigert werden. Eine Verschiebung des Glia-/Neuronenanteils zugunsten letzterer ist vermutlich nur durch den Einsatz weiterer Faktoren oder anderer Methoden möglich.
Die untersuchten Mausmodelle zeigten auf Grund der Untersuchungsergebnisse nur teilweise Ähnlichkeiten mit der Erkrankung der auditorischen Neuropathie. Die Erkenntnisse zur pmn-Mauslinie über das frequenzspezifische Hörvermögen und die morphologische Degeneration im Corti´schen Organ im altersabhängigen Verlauf können aber hilfreich sein, um neben der motorischen auch die sensorische Degeneration dieser Pathologie besser zu verstehen. Zudem konnten auch umfassende Erkenntnisse für die Kultur von dissoziierten auditorischen Neuronen der Maus in Bezug auf verschiedene Variablen erhalten werden.
Die Risikobewertung von Chemikalien ist für die öffentliche Gesundheit von entschei-dender Bedeutung, weshalb strenge Testverfahren zu deren toxikologischer Begutach-tung angewandt werden. Die ursprünglich tierbasierten Testverfahren werden aufgrund von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und wegen ökonomischer Ineffizienz sowie ethischer Fragwürdigkeit immer mehr durch alternative Methoden ohne Tiermodelle ersetzt. Für den toxikologischen Endpunkt der Augenreizung wurden bereits die ersten alternativen Testsysteme auf der Basis von ex vivo- oder in vitro-Modellen entwickelt. Jedoch ist bis dato kein alternatives Testsystem in der Lage, das gesamte Spektrum der verschiedenen Kategorien der Augenreizungen nach dem global harmonisierten System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (GHS) vorherzusagen und damit den tierbasierten Draize-Augenreizungstest vollends zu ersetzen. Gründe hierfür sind fehlende physiologische Merkmale im Modell sowie eine destruktive Analysemethode.
Aufgrund dessen wurden in dieser Studie die Hypothesen getestet, ob ein verbessertes In-vitro-Modell oder eine zerstörungsfreie, hochsensitive Analysemethode die Vorher-sagekraft des Augenreizungstests verbessern können. Dafür wurden zunächst neue Mo-delle aus humanen Hornhaut- und Hautepithelzellen entwickelt. Die Modelle aus pri-mären cornealen Zellen zeigten eine gewebespezifische Expression der Marker Zytokera-tin 3 und 12 sowie Loricrin. In beiden Modellen konnte durch die Verkürzung der Kul-turdauer die Ausbildung einer Hornschicht verhindert werden. Die Modelle wiesen dadurch eine sensiblere Barriere vergleichbar der nativen Cornea auf. Darüber hinaus konnte durch die chemische Quervernetzung mit Polyethylenglykolsuccinimidylglutara-tester ein transparentes, nicht kontrahierendes Stroma-Äquivalent etabliert werden. Der Stroma-Ersatz konnte zur Generierung von Hemi- und Voll-Cornea-Äquivalenten einge-setzt werden und lieferte somit erste Ansatzpunkte für die Rekonstruktion der nativen Hornhaut.
Parallel dazu konnte ein zerstörungsfreies Analyseverfahren basierend auf der Impe-danzspektroskopie entwickelt werden, das wiederholte Messungen der Gewebeintegri-tät zulässt. Zur verbesserten Messung der Barriere in dreidimensionalen Modelle wurde hierfür ein neuer Parameter, der transepitheliale elektrische Widerstand (TEER) bei der Frequenz von 1000 Hz, der TEER1000 Hz definiert, der eine genauere Aussage über die Integrität der Modelle zulässt. Durch die Kombination der entwickelten cornealen Epithelzellmodelle mit der TEER1000 Hz-Messung konnte die Prädikitivität des Augenrei-zungstests auf 78 - 100 % erhöht werden. Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass die nicht destruktive Messung des TEER1000 Hz zum ersten Mal erlaubte, die Persistenz von Irritationen durch wiederholte Messungen in einem in vitro-Modell zu erkennen und somit die GHS-Kategorie 1 von GHS-Kategorie 2 zu unterscheiden. Der wissenschaftli-che Gewinn dieser Forschungsarbeit ist ein neues Testverfahren, das alle GHS-Kategorien in einem einzigen in vitro-Test nachweisen und den Draize-Augenreizungstest gänzlich ersetzen kann.
Die Einhaltung eines gesunden Lebensstils, einschließlich der Behandlung modifizierbarer kardiovaskulärer Risikofaktoren, beeinflusst maßgeblich die Entstehung und Progression von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKE). So reduziert eine ausgewogene Ernährungsweise, ausreichend körperliche Aktivität, Tabakverzicht, das Halten des Normalgewichtes sowie die Behandlung einer Hypertonie, Hyperlipidämie und Diabetes mellitus, die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität.
Die vorliegende Arbeit widmet sich (a) der Prävalenz und leitliniengerechten Kontrolle kardiovaskulärer Risikofaktoren von Teilnehmern aus der Allgemeinbevölkerung der STAAB Kohortenstudie („Häufigkeit und Einflussfaktoren auf frühe Stadien A und B der Herzinsuffizienz in der Bevölkerung“) sowie der Schätzung des 10-Jahres Risikos für tödliche HKE in diesem Kollektiv. Weiterhin wurde (b) der Einfluss von medikamentenbezogenen Überzeugungen auf die Blutdruckkontrolle von Teilnehmern der STAAB Kohortenstudie untersucht. Schließlich wurde (c) der Erhalt von ärztlichen Lebensstilempfehlungen sowie deren Determinanten bei Teilnehmern der STAAB Kohortenstudie sowie der EUROASPIRE IV Studie („European Action on Secondary and Primary Prevention by Intervention to Reduce
Events“) in Deutschland betrachtet.
Die STAAB Kohortenstudie untersucht die frühen asymptomatischen Formen der Herzinsuffizienz-Stadien A und B in einer repräsentativen Stichprobe von 5.000 Personen
ohne symptomatische Herzinsuffizienz im Alter von 30 bis 79 Jahren aus der Allgemeinbevölkerung mit Wohnsitz in der Stadt Würzburg.
Die EUROASPIRE IV Studie untersuchte bei 7.998 Koronarpatienten im Alter von 18 bis 79
Jahren aus insgesamt 24 Europäischen Ländern (536 Patienten aus Deutschland) im Zeitraum 2012 bis 2013 die Risikofaktoren sowie die Umsetzung der leitliniengerechten Versorgung und Prävention von HKE im europäischen Vergleich. Die Datenerhebung beider Studien erfolgte durch ein geschultes Studienpersonal nach standardisierten Vorgaben.
Die Prävalenz und Kontrolle kardiovaskulärer Risikofaktoren nach den aktuellen Vorgaben der „European Society of Cardiology“ (ESC) wurde bei insgesamt 1.379 Teilnehmern, die zwischen Dezember 2013 und April 2015 an der STAAB Kohortenstudie teilgenommen haben, untersucht. Es zeigte sich eine hohe Prävalenz der kardiovaskulären Risikofaktoren Hypertonie (31.8%), Hyperlipidämie (57.6%) und Diabetes mellitus (3.5%). Hierbei erreichten
trotz Pharmakotherapie über die Hälfte der Teilnehmer mit einem Bluthochdruck (52.7%) oder erhöhten LDL-Cholesterinwerten (56.7%) sowie 44.0% der Personen mit einem Diabetes mellitus die empfohlenen Grenzwerte nicht. Weiterhin wurde erstmalig zu Studienbesuch eine Hypertonie (36.0%), Hyperlipidämie (54.2%) oder ein Langzeitzuckerwert (HbA1c) >6.5% (23.3%) detektiert. In der jüngsten Altersgruppe (30-39 Jahre) fand sich der höchste Anteil von unbekanntem Bluthochdruck (76.5%) sowie hohem LDL-Cholesterin (78.0%) und die Altersgruppe 60-69 Jahren wies mit 43.5% die höchste Prävalenz für einen bislang nicht detektierten HbA1c >6.5% auf. Die Akkumulation von drei oder mehr kardiovaskulären Risikofaktoren war mit dem männlichen Geschlecht, einem höheren Alter und einem niedrigeren Bildungsgrad assoziiert. Von 980 mittels SCORE („Systematic Coronary Risk Evaluation“) Risiko-Chart untersuchten Teilnehmern befanden sich jeweils 56.6%, 35.8% und 7.5% in der niedrigen, mittleren und hohen bis sehr hohen SCORE-Risikogruppe für tödliche HKE. Das Hochrisiko-Kollektiv für tödliche HKE war vorwiegend männlich und wies häufiger eine Hypertonie oder ein hohes LDL-Cholesterin auf.
Der Einfluss von Überzeugungen gegenüber antihypertensiver Medikation auf die Blutdruckkontrolle wurde an 293 Teilnehmern, die von Oktober 2014 bis März 2017 an der STAAB Kohortenstudie teilgenommen haben, untersucht. Auf ihre Medikamente gesundheitlich angewiesen zu sein gaben 87% der Teilnehmer an, 78.1% stimmten der Aussage zu, dass ihre Medikamente sie vor einer Verschlechterung ihrer Gesundheit schützen. Es zeigte sich ein inverser Zusammenhang zwischen einem höheren Maß an Bedenken gegenüber der verordneten blutdrucksenkenden Medikation und einer besseren Blutdruckkontrolle bei Frauen. Ein signifikanter Zusammenhang zwischen Bedenken gegenüber einer antihypertensiven Medikation und der Blutdruckkontrolle bei Männern ließ sich hingegen nicht feststellen. Es konnten keine statistisch signifikanten Assoziationen für die Notwendigkeit von Medikation in der vorliegen Untersuchung gezeigt werden.
Die Häufigkeit und Determinanten für die Empfehlung eines ärztlichen Lebensstils wurde bei 665 Teilnehmern der STAAB Kohortenstudie ohne vorbestehende HKE (Primärprävention) und bei 536 Koronarpatienten der EUROASPIRE IV Studie (Sekundärprävention) untersucht.
Mit Ausnahme der Empfehlung zum Rauchverzicht erhielten die Patienten der EUROASPIRE IV Studie häufiger ärztliche Lebensstilempfehlungen verglichen mit Teilnehmern der STAAB Kohortenstudie: (Rauchverzicht: STAAB 44.0%, EUROASPIRE 36.7%; Gewichtsreduktion: STAAB 43.9%, EUROASPIRE 69.2%; körperliche Aktivität steigern: STAAB 52.1%, EUROASPIRE 71.4%; gesundes Ernährungsverhalten: STAAB 43.9%, EUROASPIRE 73.1%). Die Chance für den Erhalt von mindestens 50% aufgrund der individuellen Risikofaktoren adäquaten ärztlichen Lebensstilempfehlungen war bei STAAB Teilnehmern mit offensichtlichen oder beobachtbaren kardiovaskulären Risikofaktoren signifikant erhöht (BMI >25kg/m2, Hypertonie, Hyperlipidämie und Diabetes mellitus).
Hingegen erhielten Patienten mit einer vorbestehenden HKE signifikant häufiger eine ärztliche Lebensstilempfehlung bei einem Diabetes mellitus, wobei die Empfehlungshäufigkeit mit zunehmendem Alter abnahm. Die weitergehende nicht publizierte Analyse des Interaktions
Modells zeigte, dass der Zusammenhang zwischen dem Alter und der Empfehlungshäufigkeit bei Patienten mit bereits bestehender HKE stärker ausgeprägt war, als bei Teilnehmern der STAAB Kohortenstudie ohne koronare HKE. Weiterhin war der Zusammenhang zwischen einer adäquaten Lebensstilempfehlung und Hyperlipidämie bei Teilnehmern ohne koronares Ereignis signifikant stärker ausgeprägt, im Vergleich zu Patienten mit einer bereits bestehender HKE.
Die Ergebnisse zeigten ein erhebliches Potenzial für eine verbesserte Umsetzung leitliniengerechter Behandlung modifizierbarer kardiovaskulärer Risikofaktoren in der Primär- und Sekundärprävention. Vor dem Hintergrund einer hohen Anzahl kardiovaskulärer Risikofaktoren bei jungen Erwachsenen sollte die Bedeutung der Langzeitfolgen im Arzt
Patienten-Gespräch hervorgehoben und bei der Erarbeitung von Präventionsstrategien, insbesondere für junge Altersgruppen, Beachtung finden. Geschlechtsspezifische
Determinanten hinsichtlich der Kontrolle kardiovaskulärer Risikofaktoren sowie Befürchtungen gegenüber der Medikation sollten stärker im Arzt-Patientengespräch berücksichtigt werden.
Zur Stärkung der Compliance des Patienten bei der Umsetzung eines gesunden Lebensstils,
sollte der Arzt hinsichtlich der Bedeutung von Lebensstilintervention, aber auch im Umgang mit schwierigen Situationen, wie die Empfehlung einer Gewichtsreduktion, sensibilisiert und bei der richtigen Handhabung der Leitlinienempfehlung stärker unterstützt werden.
Die Implantation eines Medizinprodukts in den menschlichen Körper ruft eine Immunreaktion hervor, die zur fibrösen Einkapselung führen kann. Makrophagen in direktem Kontakt mit der Oberfläche des Implantats erfassen sensorisch den Fremdkörper und übersetzten das Signal in die Freisetzung zahlreicher löslicher Mediatoren. Das generierte Entzündungsmilieu moduliert die Heilungsreaktion und kann zur Anreicherung von Fibroblasten sowie zur Erhöhung der Matrixsyntheserate in der Wundumgebung führen. Eine dichte fibröse Kapsel um ein Medizinprodukt beeinträchtigt den Ersatz von Körperstrukturen, das Unterstützen physiologischer Körperfunktionen sowie die Effizienz einer medizinischen Therapie. Zur Identifizierung potenzieller Biomaterialkandidaten mit optimalen Eigenschaften ist jedoch eine evidenzbasierte Entscheidungsfindung notwendig und diese wiederum muss durch geeignete Testmethoden unterstützt werden.
Zur Erfassung lokaler Effekte nach Implantation eines Biomaterials begründet die Komplexi-tät der ablaufenden Fremdkörperreaktion die Anwendung von Tiermodellen als Goldstandard. Die Eingliederung von in vitro Modellsystemen in standardisierte Testverfahren scheitert oft an der Verfügbarkeit validierter, verlässlicher und reproduzierbarer Methoden. Demnach ist kein standardisiertes in vitro Testverfahren beschrieben, das die komplexen dreidimensionalen Gewebsstrukturen während einer Fremdkörperreaktion abbildet und sich zur Testung über längere Kontaktphasen zwischen Blutkomponenten und Biomaterialien eignet. Jedoch können in vitro Testungen kosten- und zeiteffizienter sein und durch die Anwendung humaner Zellen eine höhere Übertragbarkeit auf den Menschen aufweisen. Zusätzlich adressiert die Präferenz zu in vitro Testmethoden den Aspekt „Reduzierung“ der 3R-Prinzipien „Replacement, Reduction, Refinement“ (Ersatz, Reduzierung, Verbesserung) von Russel und Burch (1959) zu einer bewussten und begründeten Anwendung von Tiermodellen in der Wissenschaft. Ziel von diesem Forschungsvorhaben war die Entwicklung von humanen in vitro Modellsystemen, die den Kontakt zu Blutkomponenten sowie die Reaktion des umliegenden Bindegewebes bei lokaler Implantation eines Biomaterials abbilden. Referenzmaterialien, deren Gewebsantwort nach Implantation in Tiere oder den Menschen bekannt ist, dienten als Validierungskriterium für die entwickelten Modellsysteme. Die Anreicherung von Zellen sowie die Bildung extrazellulärer Matrix in der Wundumgebung stellen wichtige Teilprozesse während einer Fremdkörperreaktion dar. Für beide Teilprozesse konnte in einem indirekten zellbasierten Modellsystem der Einfluss einer zellvermittelten Konditionierung wie die Freisetzung von löslichen Mediatoren durch materialadhärente Makrophagen auf die gerichtete Wanderung von Fibroblasten sowie den Umbau eines dreidimensionalen Bindegewebsmodells aufgezeigt werden.
Des Weiteren ließ sich das Freisetzungsprofil von Zytokinen durch materialständige Makrophagen unter verschiedenen Testbedingungen wie der Kontamination mit LPS, der Oberflächenbehandlung mit humanem Blutplasma und der Gegenwart von IL-4 bestimmen. Die anschließende vergleichende statistische Modellierung der generierten komplexen multifaktoriellen Datenmatrix ermöglichte die Übersetzung in eine Biomaterialbewertung. Dieses entwickelte Testverfahren eignete sich einerseits zur Validierung von in vitro Testbedingungen sowie andererseits zur Bewertung von Biomaterialien. Darüber hinaus konnte in einem dreidimensionalen Fremdkörpermodell die komplexe dreidimensionale Struktur der extrazellulären Matrix in einer Wunde durch die Kombination unterschiedlicher Zell- und Matrixkomponenten biomimetisch nachgebaut werden. Diese neuartigen dreidimensionalen Fremdkörpermodelle ermöglichten die Testung von Biomaterialien über längere Testphasen und können in anschließenden Studien angewandt werden, um dynamische Prozesse zu untersuchen. Zusammenfassend konnten in dieser Arbeit drei unterschiedliche Teststrategien entwickelt werden, die (I) die Bewertung von Teilprozessen ermöglichen, (II) die Identifizierung verlässlicher Testbedingungen unterstützen und (III) biomimetisch ein Wundgewebe abbilden. Wesentlich ist, dass biomimetisch ein dreidimensionales Gewebemodell entwickelt werden konnte, das eine verlässliche Unterscheidungskapazität zwischen Biomaterialien aufweist.