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Intrazerebrale stereotaktische Eingriffe werden zu einem großen Teil ohne direkte Sichtkontrolle durchgeführt. Ein Operateur muss sich deshalb bei der räumlichen Festlegung von Strukturen und beim Anfahren dieser Strukturen auf Hilfsmittel wie stereotaktische Geräte und auf Atlanten, über welche die stereotaktischen Geräte gesteuert werden, verlassen. Trotz großer Fortschritte bei den bildgebenden Verfahren während der letzten dreißig Jahre, ist es gegenwärtig noch nicht möglich, zuverlässig alle subkortikalen Strukturen mit computertomographischen (CT) oder magnetresonanztomographischen (MRT) zu identifizieren oder begrenzen. Eine ganze Reihe zytoarchitektonischer beziehungsweise immunhistochemischer Atlanten wurde veröffentlicht. Dennoch ist es nicht gelungen, die Ergebnisse und Abbildungen dieser Atlanten mit bildgebenden Verfahren bis in die gewünschten Details zu kombinieren, um auf diese Weise das immer noch geringe Auflösungsvermögen radiologischer Methoden zu erhöhen. Deformationen bei der Gewebsentnahme des Gehirns, bei der anschließenden Einbettung, bei der alkoholischen Dehydrierung des Gewebes, Verformungen beim Schneiden und Färben der Schnitte überfordern selbst hoch komplexe mathematische Verfahren und Algorithmen beim Versuch, zytoarchitektonische und immunhistochemische Schnitte mit der gewünschten Präzision den radiologischen Ergebnissen und Bildern und damit indirekt auch den Verhältnissen in vivo anzupassen. Als Alternative verwendeten wir ungewöhnlich dicke (350 – 440 µm) Gallozyanin- (Nissl) gefärbte Serienschnitte durch die Gehirne (ZNS) von drei Personen im Alter von 56, 68 und 36 Jahren. Bei einem Fall wurde das ZNS post mortem mit einem Kernspintomographen vor der Entnahme gescannt. Die Serienschnitte durch dieses Gehirn und das eines zweiten und dritten nicht-gescannten Falles wurden mit Gallozyanin gefärbt, die zytoarchitektonischen Grenzen des Thalamuskomplexes und seiner Unterkerne wurden nach Hassler (1982) identifiziert, jede ihrer Grenzen mit dem Cursor eines Graphiktabletts umfahren und die Gestalt des Thalamuskomplexes und seiner Unterkerne mit Hilfe von Photoshop CS5® und eines computergestützten 3D-Rekonstruktionsprogramms (Amira®) dargestellt. Im Fall 3 ließen sich nach Dunkelfeldbeleuchten die Verteilung markhaltiger Fasern studieren und die zytoarchitektonischen mit myeloarchitektonischen Befunden erweitern und ergänzen. Zusätzlich konnten im Fall 1 die histologischen Serienschnitte und ihre 3D Rekonstruktion mit dem post mortem in cranio MRT registriert werden. Insgesamt kann dieser methodische Ansatz als eine robuste und relativ einfache wenn auch mit umfangreicherer manueller Tätigkeit verbundene Technik zur sehr detailreichen unverformten Korrelation zytoarchitektonischer und kernspinotomographsicher Darstellung des Thalamuskomplexus und seiner Unterkerne angesehen werden. Sie könnte als Grundlage für die Herausgabe eines multimedialen 3D stereotaktischen Atlas des menschlichen Gehirns dienen.
Es wurden insgesamt sieben Gallozyanin-gefärbte Schnittserien durch die rechte oder linke Hemisphäre von zwei Kontrollfällen (männlich, 28 Jahre, rechte Hemisphäre, weiblich, 65 Jahre, linke Hemisphäre), einem Fall mit Megalenzephalie (männlich, 48 Jahre, linke Hemisphäre), einem Fall von M. Little (65 Jahre, männlich, linke Hemisphäre), einem Fall von Alzheimerscher Krankheit (85 Jahre, weiblich, linke Hemisphäre) und einem Fall mit Huntingtonscher Krankheit (männlich, 49 Jahre, beide Hemisphären) verwendet. Die zentralen Anteile der Hemisphären mit den kompletten Schnittserien durch Thalami und Corpora striata wurden mit einer digitalen Kamera in Nahaufnahmetechnik aufgenommen, mit einem kommerziellen Bildbearbeitungs-programm (Adobe Photoshop 6.0®) aufbereitet und die derart aufbereiteten Bilder am Computer mit einer Computer gestützten 3D-Rekonstruktionssoftware (Amira®) verar-beitet. Ein wesentlicher Schritt in der Bearbeitung besteht in der Abgrenzung von Thalamus und Striatum von den benachbarten Strukturen. Die hohe Schnittdicke von 440 µm erleichterte dabei die zytoarchitektonische Abgrenzung beider Kerngebiete. Anders als erwartet unterliegen auch Serienschnitte mit einer Dicke von 440 µm Schrumpfungsartefakten, die nicht immer auf den ersten Blick erkennbar sind. Aus diesem Grund beschränken sich die 3D-Rekonstruktionen nicht auf das manuelle Abgrenzen von Strukturen. Vielmehr müssen alle Schnitte sorgfältig den Koordinaten des Raumes angepasst, hintereinander in der z-Achse angeordnet und bei Bedarf gedreht und verschoben werden. Die Rekonstruktionssoftware bietet für diese Prozedur eine halbautomatische Unterstützung. Einzelne stark verformte Schnitte mussten aber dennoch teilweise aufwändig der Serie angepasst werden. Amira® bietet vielseitige Möglichkeiten in der Darstellung der räumlich rekonstruierten Schnitte. Durch Interpolation werden die Rohdaten zum Teil stark verändert und die ursprünglich kantigen und eckigen Formen zunehmend geglättet. Diese Glättung ist der Erfahrung/Willkür des Untersuchers anheim gestellt und folglich werden die Grenzen zwischen einer realistischen 3D-Rekonstruktion und einer Fiktion fließend. Neben 3D-Rekonstruktionen lassen sich mit Amira auch die Volumina von Striatum und Thalamus berechnen. Diese Daten wurden mit den stereologisch bestimmten Kernvolumina und Nervenzellzahlen verglichen. Grundsätzlich liegen die mit Amira erhobenen Volumenwerte zwischen 1,4 und 6,65% unter den stereologisch geschätzten Werten. Diese Diskrepanz ist bei der bekannten biologischen Variabilität des menschlichen ZNS akzeptabel und im Vergleich mit Literaturangaben und -abbildungen dürften Form und Größe der rekonstruierten Thalami und Corpora striata der Wirklichkeit weitgehend entsprechen. Die Nervenzellzahlen schwanken dabei in einem weiten Bereich zwischen rund 71 Millionen im Striatum bei Megalenzephalie und weniger als 7 Millionen bei Chorea Huntington. Im Thalamus liegt die Nervenzellzahl zwischen rund 18 Millionen (Kontrollfall) und etwas mehr als 6 Millionen bei dem untersuchten Fall mit M. Little. Berücksichtigt man die vielfältigen physiologischen Verbindungen zwischen Thalamus und Striatum, so lassen die Schwankungen in den Nervenzellzahlen auf komplexe Interaktionen und Defizite bei den untersuchten Fällen schließen. Im Ergebnis unerwartet ist die weitgehende Konstanz in Form und Aussehen von Thalamus und Striatum im Endstadium von Alzheimerscher Demenz und bei einem Fall von M. Little. Offensichtlich stehen globale Atrophie- bzw. Degenerationsprozesse bei der Alzheimerschen Krankheit im Vordergrund mit der Folge, dass Thalamus und Striatum trotz deutlicher Nervenzellausfälle bei erhöhter Zahl von Gliazellen insgesamt nur wenig kleiner werden. Allerdings tat sich bei dem Fall mit M. Alzheimer an der Ventralseite des Thalamus eine Rinne auf, die bei den anderen untersuchten Fällen nicht gefunden und deren Ursache nicht geklärt werden konnte. Dramatisch erschienen die Größen- und Formveränderung des Striatum beim Chorea-Huntington-Fall. Nervenzell- und Gliazellausfälle im Striatum bei Chorea Huntington dürften die ausgeprägten makroskopischen Veränderungen erklären. Die Kombination von Serienschnitttechnik mit hoher Schnittdicke und einer Computer gestützten 3D-Rekonstruktion bietet bisher nie da gewesene und faszinierende Aspekte vom Bau des menschlichen ZNS. Nach Import in spezielle Computersoftware zur Animation von 3D-Modellen eröffnen die 3D-Rekonstruktionen auch neue Aspekte in der Präsentation der vermuteten Funktionsweise des ZNS. Dabei sollte aber in Anbetracht der komplexen methodischen Faktoren immer eine kritische Distanz zu vielfältigen Darstellungsformen am Bildschirm gewahrt bleiben.