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Das akute Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist eine akute Erkrankung des peripheren Nervensystems, bei der es aufgrund komplexer immunologischer Prozesse häufig im Anschluss an einen bakteriellen Infekt zu Sensibilitätsstörungen und aufsteigenden Paresen bis hin zur Panplegie mit Beatmungspflichtigkeit kommt. Die Hirnnerven und das autonome Nervensystem sind oft mitbetroffen. Aufgrund der Paresen ist die Kommunikationsfähigkeit bei erhaltenem Bewusstsein zum Teil erheblich eingeschränkt. Bei intensivmedizinisch behandelten Patienten mit schwerer Verlaufsform werden häufig psychische Veränderungen beobachtet. Die vorliegende Arbeit beschreibt Ergebnisse einer Untersuchung an 54 Patienten mit einem akuten Guillain-Barré-Syndrom, die im Zeitraum von April 1989 bis Juni 1996 in der Neurologischen Universitätsklinik Würzburg behandelt wurden. Ziel dieser Arbeit war es, mögliche Korrelationen zwischen Liquorparametern, somatischen Befunden und Psychopathologie bei manifestem Guillain-Barré-Syndrom zu untersuchen, um Hinweise für mögliche diagnostisch und ätiologisch bedeutsame Zusammenhänge dieser in der Regel sowohl in Forschung als auch Patientenversorgung getrennt betrachteter Krankheitsparameter zu erhalten. Annähernd ein Viertel der Patienten entwickelte während der akuten Krankheitsphase produktiv-psychotische Symptome wie Halluzinationen, Wahnvorstellungen oder oneiroides Erleben (24,1%). Mit dem Auftreten einer psychotischen Symptomatik korrelierten neben der Höhe des Gesamteiweißes im Liquor auch der Ausprägungsgrad der somatischen Befunde (multiple Hirnnervendysfunktion, ausgeprägte Tetraparese) sowie die Beatmungspflichtigkeit. Signifikante Korrelationen ergaben sich des weiteren für das Auftreten der psychotischen Symptome Halluzinationen, wahnhaftes Verhalten und oneiroides Erleben mit der Konzentration einiger Immunglobuline im Liquor. Hinweise für das Vorliegen einer Depression fanden sich bei 67,9% der untersuchten Patienten. Das Vorhandensein depressiver Symptome korrelierte mit der Konzentration von Gesamteiweiß und IgG im Liquor, wie auch mit dem Auftreten von Beatmungspflichtigkeit und ausgeprägter Tetraparese signifikant. Als häufigster psychopathologischer Befund wurde das Auftreten einer Angstsymptomatik beobachtet, welche bei fast allen Patienten evident war (88,7%). Das Vorhandensein von Angst korrelierte weder mit der Höhe der Liquorwerte noch mit dem neurologischen Status. Auch für den Ausprägungsgrad einiger somatischen Befunde ließen sich statistisch signifikante Zusammenhänge mit der Höhe der Liquorparameter Gesamtprotein, Albumin, Albuminquotient und IgM nachweisen. Aus der vorliegenden Untersuchung geht hervor, dass psychische Symptome bei GBS-Patienten häufig vorkommen. Als Ursache der psychischen Veränderungen werden eine Reihe psychodynamisch-somatischer Interaktionstheorien angeführt, welche die Entstehung psychopathologischer Befunde vornehmlich durch die gestörte Kommunikations- und Wahrnehmungsfähigkeit der Patienten in der akuten Krankheitsphase erklären. Die hier vorgelegte Arbeit stützt im Kontext mit Ergebnissen anderer Autoren darüber hinaus die These, dass immunologische und pathologische Veränderungen im ZNS möglicherweise als zusätzliche Faktoren bei der Entstehung und Vermittlung der psychischen Krankheitssymptome in Betracht kommen. Inwiefern die hier vorgelegten Ergebnisse auch prädiktiv-diagnostisch nutzbar gemacht werden können sollte in nachfolgenden prospektiv-randomisierten Studien untersucht werden. Zusammenfassend betont die vorliegende Arbeit, dass beim akuten Guillain-Barré-Syndrom, wie bei vielen weiteren Krankheitsentitäten, eine komplexe Interaktion zwischen somatischen und psychischen Alterationen besteht. Daraus folgert, dass zum Verständnis und zur Weiterentwicklung der Behandlung der Erkrankung die Entwicklung eines integrativen Gesamtkonzeptes unter Berücksichtigung aller Parameter und ihrer komplexen Wechselwirkungen anzustreben ist.
Um die psychischen, physischen und psychosozialen Langzeitbeeinträchtigungen bei Patienten nach schwerem Guillain-Barré-Syndrom erheben und zu beschreiben wurden 1994 41 Patienten in der Neurologischen Universitätsklinik Würzburg nachuntersucht. 1 bis 12 Jahre nach der akuten Erkrankung wurden die Patienten mittels eines halbstrukturierten Interviews befragt und neurologisch nachuntersucht. 17% der Patienten zeigten zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung keinerlei neurologische Ausfälle mehr. 76% wiesen leichte sensible Ausfälle auf. An motorischen Ausfällen litten 37% der Patienten. Als Folge der motorischen Deprivation und des Verlustes von Kommunikationsfähigkeiten litten 17% der Patienten an depressiven Symptomen, 32% an vermehrten Stimmungsschwankungen und 34% an einer verminderten seelischen Belastbarkeit. Ein Zusammenhang zwischen vermehrten Stimmungsschwankungen und motorischen Ausfällen zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung (p<0,05) und einer Beatmungsnotwendigkeit zum Zeitpunkt der stärksten Ausprägung (p<0,01) konnte nachgewiesen werden. 44% der Patienten waren beruflich eingeschränkt, 29% beschrieben Änderungen in ihrer Partnerschaft und 29% änderten ihre Freizeitgestaltung. Zwei Drittel der Befragten (66%) beschrieben positive Veränderungen ihrer Lebenseinstellung. Das GBS zeigt langfristige, komplexe psychische und psychosoziale Beeinträchtigungen, so dass eine langfristige Betreuung der GBS-Patienten, zum Erkennen und Behandeln psychischer Beschwerden wünschenswert und sinnvoll erscheint.