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Geschlechtsspezifische Differenzen in Hirnorganisation und –funktion sowie deren Entstehung sind gegenwärtig Gegenstand intensiver Forschung. Neben genetischen und epigenetischen Faktoren rückt dabei der potenzielle Einfluss von Sexualhormonen auf die frühkindliche Gehirnentwicklung und Hemisphärenlateralisierung zunehmend in den Fokus. Die vorliegende Arbeit widmete sich dieser aktuellen Thematik durch die zeitgleiche Untersuchung der postnatalen Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse, auch als „Minipubertät“ bezeichnet, und frühkindlichen Sprachentwicklungsindikatoren. Sie entstand im Rahmen des Teilprojekts „Hormonstudie“ innerhalb der interdisziplinären Längsschnittstudie „GLaD-Study“ (Deutsche Sprachentwicklungsstudie) unter der Leitung von Prof. Dr. Kathleen Wermke am Zentrum für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen (ZVES) der Poliklinik für Kieferorthopädie der Universität Würzburg. Erstmals wurde der Einfluss postnataler Sexualhormonkonzentrationen, d.h. der Östradiol- und Testosteronkonzentration, auf frühkindliche stimm- und sprachphysiologische Kenngrößen wie den artikulatorischen Entwicklungsstand, die Variablen der Grundfrequenz und die Lautlänge von marginalen Babbellauten im Alter von fünf Lebensmonaten analysiert. Hierfür wurden insgesamt über 2700 spontan geäußerte Vokalisationen von sechzehn Probanden (männlich: 7, weiblich: 9; Alter: 145 ± 7 Tage) nach der am ZVES vorgeschriebenen Routine mit Hilfe spezifischer Analysemethoden (CSL, PRAAT, CDAP) im Signalanalyselabor objektiv untersucht. Nach einer audiovisuellen Voranalyse unter Eliminierung sämtlicher Wein- und Schreilaute wurde ein altersadäquates, repräsentatives Lautspektrum von 911 marginalen Babbellauten ausgewählt und in melodischen und spektralen Analysen untersucht. Die daraus berechnete artikulatorische Leistung, die Melodiekomplexität, die Variablen der Grundfrequenz und die Lautlänge wurden mit den freien, bioaktiven Sexualhormonkonzentrationen sowie den Hormongesamtkonzentrationen korreliert. Eine multiple, hierarchische Regressionsanalyse identifizierte einen robusten, statistisch signifikanten positiven Zusammenhang zwischen der freien Östradiolkonzentration im Alter von vier Lebenswochen und den artikulatorischen Fähigkeiten der Säuglinge. Im Gegensatz dazu zeigte sich zwischen der logarithmierten freien Testosteronkonzentration der zwanzigsten Lebenswoche und den artikulatorischen Fähigkeiten eine statistisch signifikante, negative Korrelation. Darüberhinaus zeigten sich Korrelationen auf stimmphysiologischer Ebene. Die freie Östradiolkonzentration im Alter von zwanzig Wochen zeigte einen signifikanten, positiven Zusammenhang mit der minimalen Grundfrequenz. Die logarithmierte, freie Testosteronkonzentration zum Zeitpunkt der zwanzigsten Lebenswoche korrelierte negativ mit der Lautlänge. Diese Ergebnisse stützen die Annahme einer sprachfunktionellen Relevanz der „Minipubertät“. In einem hormonspezifischen Zeitfenster scheinen Sexualhormone die vorsprachliche Entwicklung von Säuglingen sowohl auf laryngealer als auch auf zerebraler Ebene zu beeinflussen. Dem Geschlecht per se fällt weniger Bedeutung zu als dem individuellen Verlauf der Sexualhormonkonzentrationen. Trotz zahlreicher offener Fragen bezüglich des Wirkmechanismus der Sexualhormone, könnte die postnatale Messung von freien Östradiol- bzw. Testosteronkonzentrationen zukünftig zur Identifikation potenzieller „Risikokinder“ dienen und eine frühzeitig einsetzende Sprachförderung dieser Kinder ermöglichen. Sollte sich dieser Ansatz bestätigen, wäre dies ein Durchbruch für die Frühdiagnostik von Sprachentwicklungsstörungen. Weiterführende Längsschnittstudien mit größerem Probandenkollektiv sind notwendig um die Generalisierbarkeit der Ergebnisse zu prüfen und die langfristige Auswirkung der „Minipubertät“ auf den Spracherwerb zu belegen.
Trotz der Existenz einer Lebendvakzine gegen Masernvirusinfektionen erkranken jährlich 30-40 Millionen Menschen an Masern und mehr als 1 Million versterben daran. Besonders Kleinkinder besitzen innerhalb des ersten Lebensjahres ein hohes Risiko an Masern zu erkranken und der Anteil an schweren Krankheitsverläufen mit letalem Ausgang ist in dieser Altersgruppe besonders hoch. Aus diesem Grund wäre es sehr wichtig, wenn man Säuglinge bereits in den ersten Lebensmonaten erfolgreich immunisieren könnte. Da eine Immunisierung mit dem derzeitigen MV-Impfstoff in den ersten Lebensmonaten durch maternale MV-spezifische Antikörper inhibiert wird, hat die WHO dazu aufgerufen neuartige Impfstoffe zu entwickeln, die in Gegenwart maternaler Antikörper effektiv sind. Zur Entwicklung und Erprobung von alternativen Impfstoffen in Gegenwart maternaler Antikörper konnte bislang nur das Affenmodell benutzt werden, welches durch das geringe Angebot an Tieren und aus praktischen Gründen nur beschränkt einsetzbar ist. In der hier vorgestellten Dissertation wurde gezeigt, daß Baumwollratten (Sigmodon hispidus) alternativ zum Affen ein hervorragendes Tiermodell sind, um die Immunogenität potentieller Impfstoffvektoren und ihre Effektivität in Gegenwart maternaler Antikörper zu testen. Baumwollratten sind das einzige Nagetiermodell, in dem das Masernvirus wie beim Menschen im Respirationstrakt replizieren und auch in der Peripherie nachgewiesen werden kann. Nach Immunisierung mit MV-Impfstämmen entwickeln Baumwollratten wie der Mensch eine MV-spezifische Immunantwort und sind gegen eine anschließende Infektion mit MV-Wildtypstämmen geschützt. Um zu überprüfen, ob maternale Antikörper wie bei Säuglingen auch bei Baumwollratten die Vakzine-induzierte Serokonversion inhibieren, wurden zwei Modellsysteme für maternale Antikörper entwickelt. MV-immune Weibchen übertragen MV-spezifische maternale Antikörper auf ihre Jungtiere und stellen ein Modell für natürliche maternale Antikörper dar. Im zweiten Modell können nach Injektion eines humanen MV-spezifischen Serums in Baumwollratten maternale Antikörper simuliert werden. Die Vakzine-induzierte Serokonversion wurde sowohl durch natürliche maternale Antikörper, als auch durch passiv transferierte humane MV-spezifische Antikörper inhibiert. Die Verwendung eines heterologen Serums als Modell für maternale Antikörper bietet drei Vorteile: die Gabe von Humanserum ist gut reproduzierbar, humane MV-spezifische Antikörper werden schneller abgebaut, als natürliche maternale Antikörper und passiv transferierte (“maternale”) Antikörper können im ELISA von aktiv induzierten Antikörpern unterschieden werden. Mit Hilfe der DNS-Immunisierung konnte gezeigt werden, daß das MV-Hämagglutinin, das Fusionsprotein und das Nukleokapsidprotein (MV-Hauptantigene) in der Baumwollratte MV-spezifische Antikörper und eine MV-spezifische T-Zellantwort induzieren. Aber nur die beiden Glykoproteine F und H konnten im Gegensatz zum Nukleokapsidprotein MV-neutralisierende Antikörper induzieren und gegen eine Infektion des Respirationstraktes schützen. In Gegenwart maternaler Antikörper führte diese Form der Immunisierung nicht zu einer Vakzine-induzierten Serokonversion und zu Protektion. Um in Gegenwart maternaler Antikörper MV-neutralisierende Antikörper und Schutz gegen eine Infektion mit MV zu induzieren, wurde ein rekombinantes vesikuläres Stomatitis Virus (VSV-H) verwendet, welches das MV-Hämagglutinin (Hauptantigen für MV-neutralisierende Antikörper) in der Hülle von VSV exprimierte. Eine alternative MV-Vakzine muß die beiden MV-Glykoproteine (Hämagglutinin- und Fusionsprotein) enthalten, da sie sonst die atypischen Masern (eine schwere Verlaufsform der akuten Masern) in immunisierten Individuen nach Infektion mit dem Wildtypvirus induzieren kann. Da VSV das Fusionsprotein nicht stabil exprimiert, kann VSV nicht als Impfvektor bei Patienten eingesetzt werden. Im Baumwollrattensystem ließen sich mit diesem Vektorsystem jedoch wichtige Untersuchungen zur Immunisierung in Gegenwart maternaler Antikörper duchführen. Das MV-Hämagglutinin ist als zusätzliches Protein ("passenger protein") in die Hüllmembran von VSV inkorporiert und hat keine funktionelle Bedeutung für die virale Replikation. In vitro konnte gezeigt werden, daß VSV-H im Gegensatz zu MV durch MV-spezifische Antikörper nicht neutralisiert werden kann. Eine Immunisierung mit VSV-H induzierte sehr schnell hohe Titer an MV-neutralisierenden Antikörpern, die höher waren als nach Immunisierung mit MV. In vivo konnte bestätigt werden, das VSV-H durch maternale Antikörper nicht neutralisiert wird und auch in Gegenwart maternaler Antikörper MV-neutralisierende Antikörper und Schutz gegen eine respiratorische MV-Infektion induziert. Hierbei ist die Stimulation des mukosalen Immunsystems sehr wichtig, da VSV-H nur nach intranasaler und nicht nach intraperitonealer Immunisierung maternale Antikörper umgehen kann. Die Replikationsfähigkeit von VSV-H ist ebenfalls essentiell, da Immunisierungsversuche mit UV-inaktiviertem VSV-H bzw. mit VSV-H Deletionsmutanten, die eine stark verminderte Replikationsfähigkeit aufweisen, nicht zu Vakzine-induzierter Serokonversion und zu Schutz in Gegenwart maternaler Antikörper führten. An alternative Vektorsysteme muß deshalb die Forderung gestellt werden, daß sie das Schleimhaut-assoziierte Immunsystem stimulieren, Masernvirusproteine als akzessorische Proteine exprimieren und eine gewisse Restvirulenz aufweisen. Für die Untersuchung derartiger Vakzine-Kandidaten auf die Induktion der Serokonversion in Gegenwart maternaler Antikörper und Schutz gegen MV Infektion ist das Baumwollrattenmodell hervorragend geeignet.
Ziel: Die Einblicke in die physiologischen Wachstumsprozesse des Säuglingskopfes, besonders innerhalb des ersten Lebensjahres, sind wichtiger Bestandteil in der Diagnostik und Therapie von Schädeldeformitäten. In der vorliegenden, prospektiv angelegten Longitudinalstudie wurden Wachstumsdurchschnittswerte des Säuglingskopfes in den ersten Lebensmonaten erhoben sowie dynamische Wachstumsprozesse evaluiert.
Material und Methode: Es wurden dreidimensionale stereophotogrammetrische Aufnahmen des Säuglingskopfes von insgesamt 40 Säuglingen mit unauffälliger Kopfform durchgeführt. Die Aufnahmen erfolgten in einem Intervall von 2 Monaten zum 4., 6., 8. und 10. Lebensmonat. Es wurden wachstumsbezogene Variablen (horizontale, sagittale und koronare Zirkumferenz, Länge, Breite, Breite-Längen-Verhältnis CI, Höhe) und symmetriebezogene Variablen (30°Diagonalendifferenz, Ear Offset, anteriorer und posteriorer kranialer Asymmetrieindex) zur Analyse erhoben.
Ergebnisse: Wachstumsbezogene Variablen: Mit Ausnahme des CI nahmen alle wachstumsbezogenen Variablen zum jeweils folgenden Scantermin signifikant zu. Der CI zeigte erst ab dem 6. Lebensmonat eine signifikante Verringerung. Die größte Wachstumsdynamik war zwischen dem 4. und 6. Lebensmonat zu beobachten. Der relative Zuwachs des Gesamtvolumens liegt hier bei 12,94%. Die Werte der männlichen Probanden lagen erwartungsgemäß signifikant über denen der weiblichen Probanden (Ausnahme: CI, Breite und Höhe zum 4. Lebensmonat). Die zeitliche Entwicklung des Gesamtvolumens und der horizontalen Zirkumferenz konnte mithilfe einer nichtlinearen Regression als Wachstumskurve dargestellt werden. Symmetriebezogene Variablen: Bei den symmetriebezogenen Variablen konnten keine signifikanten Veränderungen festgestellt werden.
Schlussfolgerung: In dieser Longitudinalstudie konnten erstmals physiologische Wachstumsprozesse des Kopfes im Säuglingsalter analysiert werden.
Ziel der vorliegenden Arbeit war die erstmalige systematische Untersuchung von Vokalisationssequenzen im Längsschnitt der ersten drei Lebensmonate bei Säuglingen ohne orofaziale Spaltbildungen und nachfolgend unauffälligem Spracherwerb. Es wurden Schreisequenzen von 20 gesunden Säuglingen bezüglich einfacher Rhythmuskomponenten analysiert und verschiedene temporalen Eigenschaften untersucht. Perspektivisch dient dies einer vorsprachlichen Diagnostik, die in Zukunft nicht-invasiv prognostische Aussagen für ein Risiko von Säuglingen mit und ohne orofaziale Spaltbildungen für Sprachentwicklungsverzögerungen treffen könnte. Dies würde eine frühzeitige logopädische und sprachtherapeutische Unterstützung prädisponierter Säuglinge ermöglichen.
Es wurden 20 Säuglinge von der ersten bis zur zwölften Lebenswoche untersucht. Dabei wurden insgesamt 3,22 Stunden Säuglingsschreie interaktiv segmentiert.
Als rhythmische Komponenten wurden die Strophen, Substrophen sowie das Inter-onset Intervall (IOI) untersucht. Während für die Strophenlänge knapp keine signifikante Altersabhängigkeit nachgewiesen werden konnte, zeigten sich die Länge von Substrophen sowie IOIs als signifikant mit dem Säuglingsalter zunehmend. Dies kann als Hinweis einer sich im Altersverlauf steigernden neurophysiologischen Fähigkeit zur Produktion längerer rhythmischer Vokalisationsmuster gedeutet werden.
Signifikante geschlechtsspezifische Unterschiede konnten dabei nur auf Ebene der Strophen gefunden wurden. Die Rhythmuskomponenten Substrophe und IOI lieferten hingegen insgesamt keine Hinweise auf signifikante Entwicklungsunterschiede zwischen weiblichen und männlichen Säuglingen.
Die vorliegende Arbeit liefert damit Analyseergebnisse für rhythmische Komponenten von Säuglingsvokalisationen im Verlauf der ersten drei Lebensmonate. Diese können als Ausgangswerte für künftige Studien mit Einschluss von Säuglingen mit orofazialen Malformationen dienen und dabei helfen, diagnostisch relevante Messgrößen zur frühzeitigen Identifikation von Risikokindern zu definieren.
Vorliegende Untersuchung am Universitätsklinikum Würzburg sowie die Befragung von Anästhesisten/Anästhesistinnen im Raum der 3 DACH-Länder zeigen, dass bildgebende Verfahren bei Säuglingen mit einer niedrigen Rate an Komplikationen, zumeist in medikamentöser Sedierung mit Propofol, durchgeführt werden. Wie international üblich ist im Säuglingsalter die Magnetresonanztomographie das bildgebende Verfahren der Wahl und wird, mit überzeugender Häufigkeit, erfolgreich durchgeführt.
Die Untersuchung am Universitätsklinikum Würzburg legt nahe, dass männliche Säuglinge häufiger eine Bildgebung benötigen und häufiger höheren ASA-Kategorie zugeschrieben werden. Dabei scheinen sie auch häufiger Komplikationen zu erleben und bedürfen daher besonderer Aufmerksamkeit. Eine eventuelle Alternative zur Sedierung kann dabei die „feed-and-sleep“ Methode darstellen. In unserer Umfrage konnten wir erheben, dass diese Methode bisher wenig verbreitet ist, obwohl in diesem Zusammenhang eventuell Abläufe und Prozesszeiten strukturiert und optimiert werden können, da beispielsweise die Nachüberwachung entfällt. Vorstellbar wäre beispielsweise, mehrere Säuglinge zum gleichen Zeitpunkt ins MRT zu bestellen, um gegebenenfalls den am frühesten eingeschlafenen Säugling vorzuziehen. Diese Methode sollte zukünftig Einzug in die wissenschaftliche Untersuchung von bildgebenden Verfahren bei Säuglingen finden.
Die Umfrage im deutschsprachigen Raum zeigt eine Leitlinien-gerechte Betreuung von Säuglingen für bildgebende Verfahren, die mit einer hohen Qualität, und zumeist erfolgreich von erfahrenen Anästhesisten/Anästhesistinnen durchgeführt wird. Eventuelle Verbesserungen können im Bereich der Ausbildung nachfolgender Ärztinnen/Ärzte und in der häufigeren Verwendung der „feed-and-sleep“ Methode liegen, die vielen Kollegen/Kolleginnen bekannt ist, aber nur selten durchgeführt wird.
Ziel ist eine qualitativ hochwertige, schnellstmöglich durchgeführte Bildgebung, die ohne oder mit der niedrigst möglichen Dosierung eines sedierenden Medikamentes zu erreichen ist.