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Derzeit gilt das Vulnerabilitäts-Stressmodell im Sinne eines multifaktoriellen Erklärungsmodells als am besten geeignet, um die Ätiopathogenese der Angsterkrankungen abzubilden. Als Brücke zwischen den genetischen Faktoren und den auf ein Individuum einwirkenden Umweltfaktoren werden epigenetische Mechanismen verstanden. Hierzu zählt die Methylierung bestimmter DNA-Bereiche, welche durch die DNA-Methyltransferasen vermittelt wird. Diese Enzyme waren in Verbindung mit Angsterkrankungen bisher kaum im Fokus psychiatrischer Forschung.
Diese Arbeit beschäftigt sich daher mit ausgewählten Einzelnukleotidpolymorphismen des DNMT3A- und DNMT3B-Gens und untersucht, ob diese SNPs und/oder deren Haplotypen zum einen mit der Panikstörung und zum andern mit dimensionalen psychologischen Charakteristiken, wie angstbezogener Kognition oder Angstsensitivität, assoziiert sind.
Zusammenfassend konnte eine signifikante bzw. nominal signifikante Assoziation der zweier SNPs mit angstbezogenen Charakteristiken wie der angstbezogenen Kognition und der Angstsensitivität gezeigt werden.
Um die gefundenen Assoziationen besser beurteilen zu können, ist in Folgeuntersuchungen eine Replikation in einer weiteren Probandengruppe und in einer angemessen großen Patienten- und Fall-Kontroll-Gruppe mit ausreichender Teststärke erforderlich. Aufgrund der nachgewiesenen Assoziation mit dem PSWQ bietet sich auch die Untersuchung eines anderen Angstphänotypen, der Generalisierten Angststörung, an. Als weiterer Schritt sind Untersuchungen zur Klärung der Funktionalität der signifikant assoziierten SNPs anzustreben. In der Literatur wird zudem eine weitere DNMT, die Dnmt1, mit der Furchtkonditionierung assoziiert und auch die Methylierungsmuster der DNMTs selbst scheinen einen Einfluss auf die Entwicklung von Angststörungen zu haben. Eine Untersuchung des DNMT1-Gens und der Methylierungsmuster der DNMT-Gene sind daher weitere sinnvolle Schritte, um einen möglichen Einfluss von DNMTs auf die Entstehung von Angsterkrankungen und auf angstbezogene psychologische Charakteristiken besser zu verstehen.
SLC6A2-regulierende microRNAs bei Angsterkrankungen: Genexpressions- und Assoziationsuntersuchungen
(2021)
Angsterkrankungen sind häufige Krankheitsbilder mit bislang nicht vollständig geklärter multifaktorieller Ätiologie. Neben Umwelt- und psychosozialen Faktoren zeigen Studien eine signifikante familiäre Häufung und lassen eine genetische Komponente mit einer Heritabilität in einem Bereich von 30-60 % vermuten. Da hierbei am ehesten von einem komplexen Zusammenspiel verschiedenster Gene mit unterschiedlicher Relevanz auszugehen ist, stellen miRNAs eine bedeutende Größe dar, da sie es vermögen auf transkriptioneller Ebene Einfluss auf die Regulierung einer Vielzahl von Genen zu nehmen.
Verschiedene Aspekte liefern Hinweise darauf, dass eine Neurotransmitterdysregulation eine wichtige Komponente in der Pathogenese von Angsterkrankungen einnimmt – insbesondere veränderte noradrenerge Signalwege sind hierbei entscheidend beteiligt. Dies macht den Noradrenalin-Transporter bzw. SLC6A2 zu einem interessanten Kandidatengen, und stellt die Bezugsgröße der angestellten Untersuchungen in dieser Arbeit dar. miRNAs, welche die SLC6A2-Expression modulieren, können somit Einfluss auf zentrale Verarbeitungswege von Angst nehmen.
Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit wurden potentielle miRNA-Regulatoren von SLC6A2 in silico ermittelt und in einem weiteren Schritt in vitro überprüft. Zehn der miRNAs (hsa-miR-378g, hsa-miR-330-5p, hsa-miR-4781-5p, hsa-miR664b-3p, hsa-miR-4715-3p, hsa-miR-579-3p, hsa-miR-3921, hsa-miR-3622b-5p, hsa-miR-4773, hsa-miR-532-3p) zeigten hierbei eine relevante Abnahme der Luciferase-Aktivität als Hinweis auf ihre funktionelle Relevanz und stellen damit die Basis der nachfolgenden Untersuchungen dar.
Im zweiten Teil der Arbeit wurden Einzelbasenpolymorphismen im Bereich der zuvor ermittelten miRNA-Gene sowie eines SNP innerhalb der 3’-UTR von SLC6A2 mittels Fall-Kontroll-Studie in einer Population von Patienten mit Panikstörung und entsprechenden Kontrollen untersucht. Eine nominelle Assoziation ließ sich für das (minor) T-Allel von rs2910931 (stromaufwärts von MIR579) (p-allel = 0,004) sowie das (major) A-Allel von rs2582372 (p-allel = 0,023) feststellen. In Einklang hiermit ließ sich weiterhin für rs2910931 eine signifikante Assoziation zwischen der Anzahl der (minor) T-Allele und dem ASI-Wert (β = 0,371, p = 0,029, 95 %-CI 0,039-0,702) sowie dem ACQ-Wert (β = 0,012, p = 0,041, 95 %-CI 0,000-0,023) ermitteln. Somit zeigt sich eine Einflussnahme der genetischen Variante um MIR579 auf die Feinmodulation der Noradrenalin-Homöostase als möglichem ätiopathogenetischen Faktor von Angsterkrankungen.