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Neisseria meningitidis ist eine der führenden Ursachen von Morbidität und Mortalität sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. Die Typisierung ist die Grundlage für die epidemiologische Überwachung der Erkrankung durch Meningokokken. Die Endonuklease NmeDI ist spezifisch für die klonalen Linien des ST-8 und ST-11 Komplex Meninkokken, die mit Erkrankungen der Serogruppe C assoziiert sind. Deshalb wurde für die rasche Identifizierung von Stämmen dieser Linien ein monoklonaler Antikörper entwickelt. Der Antikörper erkennt spezifisch die ST-8 und ST-11 Komplex Meningokokken in Western-Blot und Dot-Blot. Er wird mitlerweile routinemäßig im Nationalen Referenzzentrum für Meningokokken zur Identifizierung der Linien ohne zusätzliche Anwendung der Multilokus Sequenz Typisierung (MLST) eingesetzt.
Meningokokken sind nach wie vor eine wichtige Ursache für Gehirnhautentzündungen und Sepsen weltweit, vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Weil viele Pathomechanismen dieses Erregers bislang noch unvollständig verstanden sind, wurden im Rahmen der vorliegenden Doktorarbeit populationsbiologische und pathogenetische Aspekte von Neisseria meningitidis untersucht. Die Kapsel ist der hauptsächliche Pathogenitätsfaktor von Meningokokken und wichtig für die Besiedelung von neuen Wirten. Isolate von symptomfreien Trägern sind allerdings häufig unbekapselt. Um Ursachen oder Mechanismen für den Verlust der Kapselexpression aufzudecken, wurden insgesamt 166 Isolate der Bayerischen Meningokokkenträgerstudie untersucht. Alle Isolate besaßen sämtliche zur Kapselsynthese notwendigen Gene, exprimierten aber keine Kapsel. Bei 39 Isolaten fanden sich Längenvariationen in homopolymeren Sequenzen (slipped strand mispairing, SSM) in den Genen siaA und siaD. 46 Isolate enthielten Insertionselemente (IS1301, IS1016 und IS1106) in den Genen der Kapselsynthese. Irreversible Mutationen (Deletionen, Insertionen, Basensubstitutionen) wurden bei 47 Isolaten gefunden. Veränderungen der Promotorregion schienen keine Rolle zu spielen. Es wurden bei insgesamt sechs Isolaten zwei nicht-synonyme Mutationen in unmittelbarer Nähe zum putativen aktiven Zentrum der UDP-N- Acetylglukosamin-2-Epimerase entdeckt, die einen Verlust der Kapselsynthese erklären könnten. Insgesamt wurden keine Akkumulationen von Mutationen in defekten Genen gefunden und es gab auch keine Korrelationen zwischen den verschieden Ursachen und bestimmten klonalen Linien. Die erhaltenen Ergebnisse legen nahe, dass die meisten der zur Blockierung der Kapselexpression führenden Ereignisse erst im aktuellen Wirt aufgetreten sind und dass zumindest bei bestimmten klonalen Linien die Verbreitung von der Expression einer Kapsel abhängig ist. Viele pathogene Bakterien nutzen zur Infektion des Menschen die ubiquitär im Körper vorkommende Protease Plasmin. Dazu binden diese Plasmin oder das Proenzym Plasminogen. Auch Meningokokken interagieren mit Plasmin und Plasminogen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnten drei Rezeptormoleküle für Plasminogen identifiziert werden. Die drei Proteine Enolase, DnaK und Peroxiredoxin konnten mit verschiedenen Methoden auf der Oberfläche der Erreger nachgewiesen werden. Die Bindung des Plasminogens ist bei Meningokokken ausschließlich über Lysinreste der Rezeptoren vermittelt, die C-terminalen Lysinreste der hier identifizierten Rezeptormoleküle spielen aber, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Die Bindung von Plasminogen war durch rekombinante Rezeptorproteine konzentrationsabhängig inhibierbar. Plasminogen konnte von Meningokokken auch aus dem Serum rekrutiert werden. Gebundenes Plasminogen war mit uPA (Urokinase Plasminogen Aktivator) aktivierbar und physiologisch aktiv, was durch die Degradation von Fibrinogen nachgewiesen wurde. Das gebundene Plasmin wurde durch die Bakterien vor der Desaktivierung durch α2- Antiplasmin geschützt. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass Meningokokken auch mit weiteren Faktoren des Fibrinolyse-Systems (uPA) interagieren. Sie rekrutierten uPA an ihre Oberfläche und gebundenes uPA war physiologisch aktiv. Die erhaltenen Ergebnisse bestärken die These, dass Meningokokken die Faktoren des Fibrinolyse-Systems für ihre Pathogenese nutzen.
Zahlreiche humanpathogene bakterielle Erreger können ihre Fähigkeit zur Kolonisation epithelialer Barrieren optimieren, indem sie mit dem Zellzyklus der infizierten Wirtszelle in Wechselwirkung treten und so die Abschilferung und Erneuerung des Epithels verzögern. Die hierbei wirksamen bakteriellen Effektoren sind als „Cyclomoduline“ bekannt und gelten als neue Klasse bakterieller Pathogenitätsfaktoren. Ziel der vorliegenden Promotionsarbeit war es zu untersuchen, ob durch die Infektion menschlicher pharyngealer Epithelzellen mit N. meningitidis der Zellzyklus der Wirtszelle beeinflusst wird. Mit zwei verschiedenen Untersuchungsmethoden konnte übereinstimmend gezeigt werden, dass die Infektion der Epithelzelllinie Detroit 562 mit verschiedenen Meningokokkenisolaten zu einer signifikanten Akkumulation von Epithelzellen in der G1-Phase führte. Dieser Effekt wurde sowohl von pathogenen Meningokokkenstämmen als auch von Trägerstämmen ausgelöst, jedoch nur durch Isolate, die fähig zur Adhärenz und zur Invasion in die Epithelzelle waren. Durch Hitzebehandlung der Bakterien konnte der Zellzyklusarrest vollständig aufgehoben werden. Ebenso konnte der Effekt durch Inkubation der Epithelzellen mit bakteriellen Kulturüberständen und durch Infektion der Zellen mit E. coli-Stämmen, welche die Meningokokkenadhäsine Opa und Opc überexprimieren, nicht ausgelöst werden.
Es konnte weiterhin nachgewiesen werden, dass die Infektion mit N. meningitidis in der Zielzelle zu einer signifikant gesteigerten Expression des CDK-Inhibitors p21WAF1/Cip1 führte, begleitet von einer vermehrten Lokalisation im Zellkern. Auch zeigte sich eine veränderte Proteinexpression der für die G1-Phase relevanten Cycline D und E. Diese scheint sich erst posttranslational zu ereignen, da die unterschiedliche Expression auf mRNA-Ebene nicht festgestellt werden konnte.
Zusammenfassend konnte dargestellt werden, dass die Infektion von Pharynxepithelzellen mit lebenden, zur Adhärenz und Invasion fähigen Meningokokkenstämmen in der menschlichen Zielzelle einen Zellzyklusarrest in der G1-Phase verursacht, vermutlich durch veränderte Expression der Zellzyklusregulatoren p21WAF1/Cip1, Cyclin D und Cyclin E. Möglicherweise stellt die Induktion dieses Zellzyklusarrestes einen wichtigen Schritt in der Pathogenese der bakteriellen Kolonisation des oberen Atemwegsepithels durch N. meningitidis dar.
Meningokokken gehören zu den wichtigsten Erregern bakterieller Sepsis und Meningitis. Der Schweregrad des Krankheitsverlaufs bei Meningokokkenerkrankungen korreliert mit der Konzentration an proinflammatorischen Zytokinen im Serum. Dendritische Zellen (DZ) bilden die erste Abwehr am humanen Epithel des Nasopharynx, welches die Eingangspforte von Neisseria meningitidis darstellt und sind eine wichtige Quelle proinflammatorischer Zytokine. In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass bekapselte Meningokokken-Stämme bei DZ signifikant weniger proinflammatorische Zytokine als isogene Kapsel-defiziente Stämme oder obligat unbekapselte Stämme induzieren. Dieser Effekt ist unabhängig von der chemischen Zusammensetzung der Kapsel, da aufgereinigtes Kapselpolysaccharid der Serogruppe B nicht den reduzierenden Effekt der Zytokininduktion beeinflusste. Darüber hinaus spielt die Kapsel-O-Acetylierung bei Serogruppe C, W-135 und Y nur eine untergeordnete Rolle bei der Erkennung von Meningokokken durch DZ. Microarray Versuche zum Transkriptionsprofil von DZ, die mit dem konstitutiv unbekapselten Trägerisolat alpha 14, dem bekapselten MC58 oder dem isogenen unbekapselten Stamm MC58siaD durchgeführt wurden, zeigten nach 4 h ein identisches Profil von proinflammatorischen Zytokinen. Nur der phagozytierte unbekapselten Stamm MC58siaD zeigte eine differentielle Regulation von weiteren Zytokinen. Jedoch glich sich das Profil nach 18 h Infektion durch alle drei Stämme an. Der Scavenger Rezeptor der Klasse A (SR-A) wurde als Hauptrezeptor identifiziert, der die Erkennung und Phagozytose von Meningokokken durch DZ initialisiert. Eine Assoziation phagozytierter Meningokokken mit SR-A konnte mittels Elektronenmikroskopie bestätigt werden. Nach Infektion von THP-1 Makrophagen mit bekapselten Serogruppe B und C Stämmen, den isogenen Kapsel-defizienten Stämmen und dem obligat unbekapselten Stamm alpha 14 wurde auf Transkriptionsebene keine differentielle Regulation der SR-A nachgewiesen. Lediglich eine minimale Hochregulation des SR-A auf der zellulären Oberfläche konnte nach einer Stunde Infektion verzeichnet werden. Nach Infektion von DZ oder THP-1 Makrophagen mit MC58siaD kommt es zur Dephosphorylierung des SR-A. Unter Verwendung von globalen Phagozytose-Inhibitoren konnte gezeigt werden, dass für die maximale Induktion der proinflammatorischen Zytokine TNF-alpha, IL-6 und IL-1 Phagozytose von N. meningitidis benötigen wird, dies ist jedoch für die IL 8 Produktion nicht notwendig. Außerdem konnte gezeigt werden, dass mit dem spezifischen SR-A Inhibitor poly G eine Reduktion von TNF-alpha, IL-6, IL-1 und IL-8 zu verzeichnen war. Folglich ist die Phagozytose über SR-A nötig, um TNF-alpha, IL-6 und IL-1 zu induzieren, jedoch nur die Erkennung aber nicht die Phagozytose via SR-A die IL-8 Produktion initiiert. Die Aufnahme von Neisseria meningitidis über den SR-A durch DZ ist damit nicht nur für die Phagozytose und Abtötung verantwortlich sondern auch für die Zytokininduktion wichtig ist. Es gibt jedoch auch Meningokokken Stämme, die nicht vom SR-A erkannt werden. Mit alpha 14 konnte erstmals ein Meningokokken-Stamm identifiziert werden, der nicht an SR-A bindet. Die Induktion von Zytokinfreisetzung durch alpha 14 erfolgt dementsprechend unabhängig von SR-A und nach Kontakt von alpha 14 mit humanen DZ ist keine Veränderung der Phosphorylierungsstatus dieses Rezeptors zu beobachten. Die erhobenen Daten legen eine zentrale Rolle von SR-A in der Induktion von Immunität gegen N. meningitidis nahe.
Neisseria meningitidis ist ein humaner Infektionserreger, der Meningitis und Sepsis hervorruft. Das asymptomatische Trägertum im Nasenrachenraum ist entscheidend für die Übertragung des Bakteriums und dessen Interaktion mit dem menschlichen Wirt. Frühere Beobachtungen legen die Annahme nahe, dass Meningo¬kokken im Tonsillengewebe in einem biofilmähnlichen Stadium vorliegen. Daher werden in vitro Biofilme als Modell für das Trägertum verwendet. Expressionsunterschiede zwischen Biofilmen und planktonisch gewachsenen pathogenen Neisserien wurden in wenigen Transkriptomanalysen untersucht, während bisher keine Proteomanalysen durchgeführt wurden. Kartierungen des Proteoms und des Immunoproteoms von Meningokokken liegen allerdings vor. In dieser Studie wurde das Biofilmproteom des unbekapselten N. meningitidis Stammes WUE3671 im Vergleich zum Proteom der planktonisch gewachsenen Bakterien untersucht. Dazu wurde ein auf Silikonschläuchen basierendes Biofilmmodell mit kontinuierlichem Fluss etabliert. Es erfolgte eine Anreicherung bakterieller Biomasse über 48 h, wobei die kolonie-bildenden Einheiten bei 24 h ein Plateau erreichten. Licht- und Elektronen¬mikroskopie belegten die deutliche Zunahme der Biomasse über 48 h und zeigten zudem eine Struktur-ierung des 48 h Biofilms in eine apikale Region mit überwiegend vitalen Meningokokken und eine basale Region mit einer verstärkten Anzahl von Bakterien mit avitalem Erscheinungs-bild. Das Proteom von N. meningitidis Biofilmen, die 24 beziehungsweise 48 h gewachsen waren, wurde mit dem einer exponentiell gewachsenen planktonischen Kultur mit 2D-Gelelektro¬phorese verglichen. Unterschiedlich exprimierte Proteine wurden mit Massen-spektrometrie identifiziert und die Ergebnisse mit Spectral Counting und, wenn möglich, mit spezifischen Antikörpern abgesichert. Die Expression von ungefähr 2 % aller Proteinspots im Biofilm unterschied sich von der in planktonischen Zellen wenigstens um das 2-fache. Es wurden Veränderungen beobachtet, die mit einem Nährstoff- und Sauerstoffmangel sowie einer Zunahme von reaktiven Sauerstoffspezies (reactive oxygen species, ROS) in Verbindung gebracht werden können. Die Expression der Proteine SodC und MntC war im Biofilm deutlich erhöht, was mutmaßlich auf ROS im Biofilm zurückzuführen ist. In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass MntC in der Tat essentiell für Biofilmwachstum, nicht aber für planktonisches Wachstum ist. Die Daten zu SodC und MntC legen die Hypothese nahe, dass Meningokokken im Biofilm trainiert werden mit Mediatoren des Immunsystems, wie ROS, umzugehen. Zudem wird NMB0573, ein Lrp-Homolog, als wesentlicher globaler Regulator für metabolische Anpassungen im Biofilm postuliert. Es konnte über die Proteomanalyse hinaus gezeigt werden, dass die Adhäsine Opc und Opa, die unter der Kontrolle von NMB0573 stehen, im Biofilm vermindert exprimiert werden.
128 Meningokokkenstämme unterschiedlicher klonaler Linien und Serogruppen aus verschiedenen Ländern wurden im Rahmen eines Screenings auf die Präsenz von Plasmiden untersucht. Aus 66% der Stämme konnten Plasmide isoliert werden. Diese waren innerhalb der verschiedenen klonalen Linien spezifisch verteilt. Das 1,986 kb große Plasmid pJS-A (EMBL Accession Number AJ238491) fand sich ausschließlich in Serogruppe A Stämmen der Subgruppe VI. Das 7,245 kb große Plasmid pJS-B (EMBL Accession Number AJ277475) wurde in 91% der untersuchten ET-37 Stämme und in 67% der nahe verwandten Cluster A4 Stämme gefunden. Es ist ein hochspezifischer Marker für diese klonalen Linien. Aus Vertretern des ET-5 Komplexes konnten keine Plasmide isoliert werden. Die Plasmide pJS-A und pJS-B wurden vollständig sequenziert. Beide zeichnen sich durch einen für Meningokokken untypisch hohen AT-Gehalt aus (pJS-A: 55,4%, pJS-B: 57,9%). Auf pJS-A befinden sich zwei, auf pJS-B acht offene Leseraster. Der Vergleich der abgeleiteten Aminosäuresequenzen ergab für beide Plasmide keine signifikanten Homologien zu Datenbankeinträgen. Für pJS-B wurde an Position 20 bis 307 eine 93%ige Identität mit einer für das Genom des Gonokokkenstammes MS11-A beschriebenen Region festgestellt, welche die beiden Inverted Repeats IR1 und IR2 enthält und dem Gen pivNG benachbart ist, das für eine Rekombinase kodiert. Bei der Repeat-Region des Gonokokkenstammes MS11-A handelt es sich nach Carrick et al. möglicherweise um eine Rekombinationsstelle. Es konnte gezeigt werden, dass pJS-B über seine homologe Repeat-Region chromosomal integriert. Ob es jedoch als wirkliches Plasmid eigenständig replizieren kann, bleibt zweifelhaft. pJS-A und pJS-B stellen Beispiele für die spezifische und stabile Verteilung von DNA-Elementen in einer Bakterienpopulation dar, die sich grundsätzlich durch genetische Vielfalt und regen Austausch von DNA auszeichnet. pJS-B ist eines von vielen DNA-Elementen, die für den ET-37 Komplex und den Cluster A4 spezifisch sind. Dies unterstützt das Konzept der genetischen Isolierung dieser hypervirulenten Linien.
Neisseria meningitidis kann rasch tödlich verlaufende Erkrankungen wie die Meningokokken-Meningitis und –Sepsis hervorrufen. In den Industriestaaten werden diese Infektionen meist durch Meningokokken der Serogruppen B und C hervorgerufen. Während für die Serogruppe C bereits ein suffizienter Polysaccharidimpfstoff existiert, konnte ein solcher für Stämme der Serogruppe B aufgrund der Immuntoleranz gegen deren N-acetylneuraminsäure noch nicht gefunden werden. Eine Lebendvakzine könnte dieses Problem lösen, da hier viele verschiedene Antigene, welche eine Immunantwort im menschlichen Körper induzieren, zur Verfügung stünden. Die Voraussetzung für eine Lebendvakzine ist Attenuierung eines B-Meningokokken-Stammes durch die Deletion verschiedener Gene. In früheren Untersuchungen ergaben sich Hinweise darauf, dass die LOS-Sialylierung einen Virulenzfaktor darstellt. Das lst-Gen codiert für die α-2,3-Sialyltransferase, deren Aufgabe es ist, die Sialinsäurereste an die Lacto-N-Neotetraose des LOS zu binden. In unserer Arbeit konnten wir zeigen, dass eine lst-Deletionsmutante des Serogruppe-B-Stammes MC58 herstellbar ist. Das Wachstumsverhalten der Mutante in PPM+-Medium unterschied sich nicht von dem des Wildtyps. Auch die Resistenz der Bakterien gegenüber humanem Serum (bis 80%) blieb von der Deletion des lst-Gens unbeeinflusst. Bei der Interaktion mit Epithel- und Endothelzellen allerdings zeigte sich bei der Mutante eine erhöhte Invasivität. Da die Invasion durch Oberflächenproteine wie Opa und Opc vermittelt wird, wäre eine mögliche Begründung für diese Veränderung die bessere Zugänglichkeit dieser Proteine durch das Fehlen der LOS-Sialylierung. Meningokokken mit nicht sialyliertem LOS wurden außerdem von dendritischen Zellen signifikant besser phagozytiert als Wildtyp-Bakterien. Besonders deutlich zeigte sich dies bei fehlender Kapsel. Auch hier ist sicherlich die Maskierung von Bindungsstellen durch Sialinsäuregruppen ein Grund für diese Beobachtung. Weiterhin wurde die Interaktion von Meningokokken verschiedener Serogruppen mit dendritischen Zellen unter besonderer Berücksichtigung des Einflusses der Polysaccharidkapsel untersucht. Die Meningokokken der untersuchten Serogruppen A, B und C wurden von dendritischen Zellen gut phagozytiert und abgetötet. Allerdings waren sowohl die Adhärenz als auch die Phagozytose bei Vorhandensein einer Polysaccharidkapsel stark inhibiert. Neisseria meningitidis-Stämme aller drei getesteten Serogruppen induzierten eine starke Ausschüttung der Zytokine TNF-α, IL-6 und IL-8. Als ein Induktor dieser Substanzen erwiesen sich die Lipooligosaccharide der Meningokokken. Allerdings zeigte sich in den Versuchen auch, dass noch weitere Bakterienbestandteile eine Zytokinausschüttung hervorrufen können. Die Sialylierung der Lipooligosaccharide hatte keinen signifikanten Einfluss auf die Menge der produzierten Zytokine. Mit dieser Arbeit konnten wir zeigen, dass dendritische Zellen mit der Ausschüttung von Zytokinen und der Phagozytose von Bakterien eine wichtige Rolle in der Pathogenese von Erkrankungen durch Meningokokken spielen könnten. Auch beim Zusammenspiel mit DC-s wirkt die Kapsel als Schutzfaktor vor dem Angriff des menschlichen Immunsystems. Dieser Schutz kann durch die LOS-Sialylierung zusätzlich gesteigert werden. Die Deletion des lst-Gens könnte also als ein Baustein für die Konstruktion eines attenuierten Lebendvakzine-Stammes fungieren.
Neisseria meningitidis, Auslöser der Meningokokken-Meningitis und Sepsis, trägt auch heute noch zur hohen Kindersterblichkeit in Entwicklungsländern bei und sorgt, vor allem im afrikanischen Meningitis-Gürtel, immer wieder für Epidemien mit gravierenden Folgen für die Betroffenen. Im Rahmen dieser Arbeit wurden zwei an der Pathogenität von N. meningitidis beteiligte Proteine, der Transkriptionsregulator FarR und der Transportkanal HrpB, näher charakterisiert, um weitere Einblicke in die immer noch nicht vollständig entschlüsselte Pathogenese der Meningokokken-Meningitis zu erhalten. Das Neisseria adhesin A NadA ist Bestandteil der sich aktuell in der Entwicklung befindenden Impfung gegen Meningokokken der Serogruppe B. Im dem bekapselten B-Stamm MC58 wurde gezeigt, dass nadA unter der negativen Kontrolle des Transkriptionsregulators FarR steht (Schielke et al., 2009). In den ebenfalls zur Gattung Neisseria gehörenden Neisseria gonorrhoeae (Ng) wurde bereits 2001 ein FarR-Homolog beschrieben (Shafer et al., 2001). NgFarR ist an der Resistenz gegenüber antimikrobiellen, langkettigen Fettsäuren beteiligt, indem es die Expression des FarABEffluxpumpen-Systems reguliert, welches eingedrungene Fettsäuren wieder nach extrazellulär befördert. Dagegen zeigten Palmitinsäure-Resistenztests, dass FarR nicht an der intrinsischen Fettsäure-Resistenz der Meningokokken beteiligt ist. Die Deletion und die Komplementierung von farR hatten weder in bekapselten noch in unbekapselten Meningokokken Einfluss auf das normale Wachstumsverhalten. Ein Western Blot- Nachweis des FarR-Proteins in der frühen, mittleren und späten exponentiellen Wachstumsphase von Wildtyp, Kapsel-Deletionsmutante und farR-Komplementante zeigte, dass die Menge an FarR im zeitlichen Verlauf kontinuierlich zunimmt und FarR damit Wachstumsphasen-abhängig exprimiert wird. Dabei scheint es einer posttranskriptionalen oder posttranslationalen Regulation zu unterliegen, da auch in dem farRkomplementierten Stamm unabhängig vom farR-Promotor eine entsprechende Hochregulation stattfindet. In Infektionsversuchen wurde die Interaktion zwischen Meningokokken und humanen polymorphkernigen Granulozyten untersucht. In den Infektionsassays wurde die farRDeletionsmutante innerhalb des dreistündigen Versuchsrahmens deutlich stärker durch die Granulozyten abgetötet als der Serogruppe B-Wildtyp. Als Mitglied der in Bakterien und Archaeen weit verbreiteten Familie der MarR-Transkriptionsregulatoren (Multiple antibiotic resistance Regulator, MarR) bindet FarR mit hoher Wahrscheinlichkeit auch als Homodimer an seine Bindesequenz auf der DNA. FarR erkennt eine 16 bp lange, palindromische Sequenz in der Promotorregion von nadA (NMB1994), wodurch die nadA-Expression verhindert wird. Außerdem erkennt FarR eine ähnliche Bindesequenz im Promotorbereich von farAB (NMB0318/0319), wobei es aber keinen regulatorischen Einfluss ausübt. Mit einer aus diesen beiden Bindestellen berechneten minimalen Bindesequenz wurde im Genom von MC58 weitere mögliche Bindepartner detektiert. Eine Auswahl dieser möglichen Bindestellen wurde in Electrophoretic Mobility Shift Assays auf eine direkte Interaktion mit dem FarR-Protein hin untersucht, wobei sich allerdings keine direkte Bindung nachweisen ließ. Diese Ergebnisse darauf hin, dass der Transkriptionsregulator FarR hoch spezifisch bestimmte DNA-Bindesequenzen erkennt und die entsprechenden Gene reguliert. In der Promotorregion des TpsB-Proteins HrpB wurde in den sequenzierten Referenzstämmen Z2491, MC58, FAM18 und α14 eine mit der minimalen FarR-Bindesequenz kompatible Sequenz gefunden. In Electrophoretic Mobility Shift Assays konnte allerdings gezeigt werden, dass FarR nicht direkt daran bindet. Um das Transport-Protein HrpB näher zu charakterisieren, wurde das entsprechende Gen in 22 N. meningitidis-Isolaten sequenziert. Dabei zeigte sich, dass das Transportprotein hrpB in allen untersuchten invasiven und nicht-invasiven Stämmen vorhanden ist. Dieses äußerst konservierte Protein weist nur im seinem C-terminalen Bereich eine relativ variable Region auf, was vermutlich auf Rekombinationsereignisse zurückzuführen ist. Ein Alignment der Aminosäure-Sequenz des Serogruppe C-Stamms FAM18 mit der des homologen Bordetella pertussis TpsB-Proteins FhaC zeigte, dass die dreidimensionale Struktur des HrpB ebenfalls eine α-Helix, eine transmembranöse Domäne und variable extrazelluläre Loops enthält. Zusammengenommen erfüllt HrpB somit wichtige Bedingungen, um als Vakzine-Bestandteil in Betracht gezogen zu werden.
Die Interaktion mit Gehirnendothelzellen stellt ein zentraler Schritt in der Infektionspathogenese von Neisseria meningitidis dar. In dieser Promotionsarbeit konnte gezeigt werden, dass die Infektion von menschlichen Gehirnendothelzellen mit N. meningitidis zu einer transienten Aktivierung der sauren Sphingomyelinase (ASM) gefolgt von einer vermehrten Ceramidproduktion führt. Als Antwort auf die Infektion mit N. meningitidis kommt es zu einer vermehrten Präsentation der ASM und von Ceramiden an der äusseren Seite der Plasmamembran und zu einer Ausbildung von großen Ceramid-reichen Membran-Domänen, welche mit cortical plaque assoziierten Proteinen kolokalisieren. Bei dieser N. meningitids vermittelten Aktivierung der ASM spielt das bakterielle Aussenmembranprotein Opc sowie die Aktivierung der Phosphatidylcholin-spezifische Phospholipase C über die Interaktion von Opc mit Heparansulfat-Proteoglykane eine entscheidende Rolle. Die pharmakologische oder genetische Inhibition der ASM Funktion führt zu einer geringeren Invasivität der Meningokokken ohne dabei die Adhärenz zu beeinflussen. Im Einklang mit diesen Ergebnissen steht die Beobachtung, dass die geringere Invasivität von ausgewählten Isolaten des ST-11/ST-8 Komplex in menschlichen Gehirnendothelzellen direkt mit ihrer eingeschränkter Fähigkeit korreliert, die ASM zu aktivieren bzw. eine Ceramidproduktion zu induzieren. Schlussfolgernd ist die ASM Aktivierung und eine nachfolgende Ceramidproduktion essenziell für die Internalisierung von Opc-exprimierende Meningokokken in Gehirnendothelzellen und bietet einen Erklärungsansatz für die unterschiedliche Invasivität von verschiedenen N. meningitidis Stämmen.
Im Rahmen der von November 1999 bis März 2000 durchgeführten bayerischen Meningokokkenträgerstudie wurden in zahlreichen Kindergärten und Schulen der bayerischen Gemeinden Ansbach, Augsburg, Erlangen, Griesbach, Ingolstadt, München, Pfarrkirchen, Sonthofen und Weiden insgesamt 287 Neisseria lactamica-Stämme isoliert. 26 ausgewählte, aus den benachbarten Städten Augsburg, Ingolstadt und München stammende Isolate wurden einer Multi-Lokus-Sequenztypisierung (MLST) zur Untersuchung ihrer genetischen Diversität unterzogen. Dabei wurden sowohl Sequenzen der 3 Stoffwechselgene argF, recA und rho, als auch Sequenzen des 16S rRNA-Gens analysiert. Für das 16S rRNA-Gen fanden sich zehn, für argF fünf, für recA acht und für rho neun differente Allele. Auf Basis der vier analysierten Gene konnten 17 verschiedene Genotypen definiert werden, von denen zwölf nur einmal, fünf hingegen mehrmals vorkamen. Es ist anzunehmen, dass durch Sequenzierung der vier in dieser Studie verwendeten Gene bereits eine ausreichende Diskriminierung von Neisseria lactamica erfolgte, da Versuche eine weiterführende Diskriminierung durch Sequenzierung des porB-Gens zu erreichen, keine wesentlichen zusätzlichen Informationen erbrachten. Durch visuelle Inspektion der Sequenzen konnte bei allen vier Genloci das Überwiegen von Rekombinationsereignissen gegenüber Punktmutationen bestätigt werden, so dass für die Spezies Neisseria lactamica horizontaler Gentransfer anzunehmen ist. Da nur ein einziger Genotyp in zwei verschiedenen Städten beobachtet wurde, zeigen die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit, dass eine klonale Ausbreitung von Neisseria lactamica nur dann nachweisbar ist, wenn eine epidemiologische Verknüpfung zwischen Trägern besteht.