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Kanurennsport ist in Deutschland eine der erfolgreichsten olympischen
Sommersportarten und hat mit 12 potenziellen Goldmedaillenchancen eine hohe
Bedeutung für den deutschen Spitzensport. In der nationalen als auch
internationalen wissenschaftlichen Forschung ist Kanurennsport jedoch bis dato
unzureichend untersucht. Dabei stellt Kanurennsport als eine der wenigen vorrangig
durch die Oberkörpermuskulatur angetriebenen Sportarten eine Besonderheit dar.
Ein zentraler Forschungsschwerpunkt ist seit einigen Jahrzehnten die Erforschung
der optimalen Verteilung der Trainingsintensität (engl. training intensity distribution;
TID) für die Leistungsentwicklung von Ausdauerathlet:innen. Häufig wird die
Trainingsintensität hierzu in einem Drei-Zonen-Modell kategorisiert, bei dem Zone
(Z) 1 einer Intensität unterhalb der aeroben Schwelle, Z2 der Intensität zwischen
der aeroben und anaeroben Schwelle und Z3 Intensitäten oberhalb der anaeroben
Schwelle entspricht. Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass sich die TID
nicht nur in Abhängigkeit von Sportart, Belastungsform, Trainingsstatus und
Saisonphase unterscheidet, sondern auch in Abhängigkeit von der eingesetzten
Quantifizierungsmethode (z.B. Herzfrequenz, Geschwindigkeit, Wattleistung, etc.).
Für die Sportart Kanurennsport besteht bezüglich TID-Forschung großer
Nachholbedarf, da bisherige Untersuchungen ausschließlich in Ausdauerportarten
stattfanden, die hauptsächlich den Unterkörper (z.B. Radfahren, Laufen) oder Oberund
Unterkörper (Schwimmen, Rudern) in die Vortriebsgenerierung einbinden.
Bislang fehlen Informationen zu rein aus dem Oberkörper angetriebenen
Sportarten.
Als Grundlage für die Bestimmung der Trainingsintensitätszonen werden in
Trainingspraxis und Forschung Stufentests zur Bestimmung der maximalen
Sauerstoffaufnahme sowie der Leistung an der aeroben und anaeroben
ventilatorisch- und/oder laktatbasierten Schwelle angewandt. Die Stufentest werden
im Kanurennsport aktuell vorrangig mittels Labordiagnostik auf dem Kanu-
Ergometer durchgeführt, da diese weniger stark durch die diversen Umwelteinflüsse
(Wind, Wellen, Temperatur, Strömung, etc.) beeinträchtigt wird. Jedoch gibt es
Hinweise, dass die Belastung auf dem Ergometer biomechanisch und physiologisch
von der auf dem Wasser im Kanurennsport abweicht, sodass deren Mehrwert für
die Diagnostik und die Trainingsplanung in Frage zu stellen ist.
Ziel der vorliegenden kumulativen Dissertation war es
(1) zu untersuchen, inwiefern eine laborbasierte Leistungsdiagnostik einer
feldbasierten im Kanurennsport entspricht (Studie 1) und daraufhin die
Methoden der Leistungsdiagnostik für die Studien 2 und 3 zu wählen; und
(2) erste wissenschaftliche Erkenntnisse zur TID und deren
Quantifizierungsmethodik in der Sportart Kanurennsport zu gewinnen
(Studie 2 & 3).
Diese sollten dann mit dem Wissensstand aus Sportarten, die obere und untere
Extremitäten (z.B. Biathlon, Rudern) bzw. primär die unteren Extremitäten (z.B.
Radsport, Laufen) für den Vortrieb einsetzen, abgeglichen werden.
Zusammenfassend konnte zunächst in Studie 1 aufgrund von Unterschieden in der
VO2, der Muskeloxygenierung im Musculus biceps brachii sowie im subjektiven
Belastungsempfinden dargestellt werden, dass sich eine Belastung auf dem
Wasser von der auf dem Ergometer unterscheidet und somit eine wasserbasierte
Leistungsdiagnostik im Kanurennsport vorzuziehen ist.
Die Ergebnisse aus den Studien 2 und 3 zeigten, dass die TID im Saisonverlauf
variiert und im Mittel einen hohen Anteil (80–90%) niedrigintensiven Trainings (Z1)
aufwies, wobei in der Vorbereitungsphase eine pyramidale TID Struktur (Z1>Z2>Z3)
und in der Wettkampfvorbereitung die Tendenz zu einer vermehrt polarisierten
Struktur (Z1>Z3>Z2) gefunden wurde. Somit weisen die Ergebnisse trotz der
physiologischen sowie biomechanischen Unterschiede zu Sportarten, die Oberbzw.
Ober- und Unterkörper bei der Vortriebsgenerierung einsetzen, eine
vergleichbare TID Struktur im Kanurennsport auf. Es ist zu vermuten, dass der
geringe Impact auf das Skelettmuskelsystem und die damit einhergehende
Möglichkeit, sehr hohe Trainingsvolumen mit der vergleichsweise kleinen
Oberkörpermuskulatur zu verwirklichen, diese TID-Struktur bedingen. Zudem
konnte dargestellt werden, dass die Wahl der Quantifizierungsmethode (extern vs.
intern; basierend auf physiologischen Parametern vs. Wettkampftempo) die
Darstellung der TID beeinflusst. Für eine adäquate Vergleichbarkeit und den
gezielten Einsatz muss insofern in der Forschung wie auch in den Sportarten ein
Konsens über die Wahl der Quantifizierungsmethode erarbeitet werden. Es scheint
zudem empfehlenswert die TID-Quantifizierungsmethode anhand der
Trainingsphase auszuwählen, wobei sich in der allgemeinen und spezifischen
Vorbereitungsperiode vorzugsweise eine TID Quantifizierung nach physiologischen
Kenngrößen empfiehlt. Hierbei erscheint ein Mix aus HF-basierter Analyse für Z1
sowie für längere Belastungen in Z2 und geschwindigkeitsbasierter Analyse für Z3
sowie kürzere Belastungen der Z2 zweckmäßig. In der Wettkampfvorbereitung stellt
sich dann zusätzlich eine Zoneneinteilung basierend auf dem Wettkampftempo als
sinnvoll dar.
Aufgrund der starken intra- und interindividuellen Variation der TID ist der
individuelle Mehrwert der auf dem Gruppenmittelwert basierenden Ergebnisse
jedoch zu hinterfragen und weist auf den Bedarf nach einer individuelleren
Betrachtung der TID und ihrer Effekte hin. Genauso stellt sich ein starker Einfluss
der allgemeinen physischen Aktivität sowie psychischer Belastungen auf die TID
und ihre Effekte dar, der wiederrum die Notwendigkeit eines holistischen
Betrachtungsansatzes für zukünftige Forschung aufzeigt. Außerdem gibt es im
Allgemeinen eine große Wissenslücke in Bezug auf Athletinnen in der TIDForschung,
weshalb die bisherigen Erkenntnisse für die Trainingsgestaltung
weiblicher Athleten mit Vorsicht behandelt werden müssen.