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Aufklärung des Pathomechanismus bei der pmn-Mausmutante, einem Mausmodell für Motoneuronerkrankungen
(2007)
Die pmn-Maus dient als Modell für degenerative Motoneuronerkrankungen: Während heterozygote Mäuse klinisch unauffällig sind, entwickeln homozygote einige Anzeichen, wie man sie auch bei humanen Motoneuronerkrankungen findet. Ab der 2. postnatalen Woche weisen sie eine progrediente Schwäche der Hinterläufe auf. Innerhalb kurzer Zeit sind auch andere Muskelgruppen betroffen, was zwischen der 4. und 6. postnatalen Woche zum Tod durch Atemversagen führt. Verantwortlich für die Erkrankung der pmn-Mäuse ist eine Punktmutation im Tubulin-spezifischen Chaperon E (tbce) Gen, die zu einem Aminosäureaustausch an einer evolutionär konservierten Aminosäure im TBCE-Protein führt. TBCE wird ubiquitär exprimiert und spielt eine Rolle bei der Assemblierung der Mikrotubuli. Phänotypisch sind von der Mutation spezifisch Motoneurone betroffen. Nach der Herstellung und Charakterisierung eines Antiserums gegen TBCE war es möglich, nach Unterschieden zwischen pmn-mutierten und wildtypischen Motoneuronen hinsichtlich der Stabilität und der subzellulären Lokalisation des TBCE Proteins zu suchen. Western Blot Analysen mit Rückenmarkslysaten von vier Wochen alten pmn-Mäusen zeigen eine deutliche Reduktion der TBCE-Expression. Mittels Immunfluoreszenz waren in isolierten embryonalen Motoneuronen indes keine Unterschiede hinsichtlich der Expressionsstärke und der subzellulären Lokalisation festzustellen. Das TBCE-Protein wird überwiegend im Zellsoma exprimiert und befindet sich dort im Golgi-Apparat und an den Centrosomen, die als Generatoren der axonalen Mikrotubuli angesehen werden. Obwohl mittels Immunfluoreszenz zu diesem Zeitpunkt keine Unterschiede detektierbar sind, weisen die pmn-mutierten Motoneurone nach sieben Tagen in Kultur einige axonale Pathologien auf, wenn sie in Gegenwart des neurotrophen Faktors BDNF kultiviert werden: Das Längenwachstum der Axone ist deutlich reduziert und entlang der Axone finden sich zahlreiche axonale Schwellungen mit Proteinaggregaten. Elektronenmikroskopisch findet sich eine Reduktion der Mikrotubulianzahl im proximalen Axonabschnitt, während die medialen und distalen Teile eine unveränderte Anzahl an Mikrotubuli aufweisen. Parallel findet sich in allen Axonabschnitten der pmn-mutierten Motoneurone eine deutliche Zunahme an Neurofilamenten. Neben den morphologischen Veränderungen weisen die Motoneurone aus pmn-Mäusen zu diesem Zeitpunkt auch eine Störung im axonalen Transport der Mitochondrien auf, die in den Axonen saltatorisch und bidirektional entlang von Mikrotubuli transportiert werden, auf. So ist die Anzahl stationärer Mitochondrien in pmn-mutierten Motoneuronen signifikant erhöht, während die Anzahl an transportierten Mitochondrien und deren maximale Transportgeschwindigkeit reduziert ist. Die morphologischen Veränderungen und die Störungen im axonalen Transport können kompensiert werden, wenn die pmn-mutierten Motoneurone statt mit BDNF mit dem neurotrophen Faktor CNTF kultiviert werden. Die Effekte von CNTF auf das Längenwachstum der Axone ist STAT3 vermittelt, da pmn-mutierte Motoneurone mit einer STAT3-Defizienz keine Reaktion mehr auf die Gabe von CNTF zeigen. Da STAT3 direkt mit Stathmin interagieren kann und dessen destabilisierende Wirkung auf Mikrotubuli dadurch verhindert, wurde angenommen, dass die STAT3 vermittelten CNTF Effekte auf eine lokale Wirkung von STAT3 in Axonen zurückzuführen ist. Diese Hypothese wird dadurch gestützt, dass die Herunterregulation der Stathmin Expression in pmn-mutierten Motoneuronen den gleichen Effekt auf das Längenwachstum zeigt, wie eine CNTF Gabe während der Kultivierung.
Zusammenfassend konnte durch unsere Daten die eingangs gestellte Hypothese, dass Patienten mit SFN eine lokal und systemisch erhöhte Expression pro-inflammatorischer und algetischer Zytokine haben, auf lokaler Ebene bei der Untergruppe mit LD-SFN bestätigt werden. Bei der Untergruppe mit NLD-SFN waren keine Unterschiede bei den Zytokinexpressionen zwischen proximalen und distalen Hautbiopsien im Vergleich zu Kontrollprobanden nachweisbar. Zudem zeigten sich deutliche Unterschiede bei den Quotienten der IENFD zwischen beiden Untergruppen. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Unterteilung in LD-SFN und NLD-SFN klinisch bedeutsam und ein möglicher Grundstein für das Verständnis der pathophysiologischen Mechanismen der SFN sein könnte. Hieraus könnten sich Fortschritte in der Diagnostik ergeben und gezielte symptomatische und vielleicht sogar kausale Therapien auf lokaler Ebene bei der SFN entwickeln.
Bei Yeast Two-Hybrid Untersuchungen wurde in unserer Arbeitsgruppe das RNA-Bindungsprotein hnRNP-R als Interaktionspartner von SMN gefunden und es konnte gezeigt werden, dass hnRNP-R mit SMN in Axonen von primären Motoneuronen kolokalisiert (Rossoll et al., 2002). hnRNP-R assoziiert mit der β-Aktin mRNA und nach Überexpression kommt es zu einer Akkumulation von β-Aktin in den Wachstumskegeln von neuronalen Zellen, sowie zu verstärktem Neuritenwachstum bei PC12 Zellen. Wird die SMN-Bindungsdomäne von hnRNP-R deletiert, ist dieser Effekt stark reduziert (Rossoll et al., 2003). Auf diesen in vitro Befunden ist die Hypothese begründet, dass hnRNP-R an der Translokation der β-Aktin mRNA in die Wachstumskegel von neuronalen Zellen beteiligt ist. Deshalb wurde im Rahmen dieser Arbeit die Rolle von hnRNP-R bei der Entwicklung in Neuronen des Nervensystems näher untersucht. Dazu wurden Zebrafisch Embryonen als in vivo Modellsystem für Morpholino vermittelte Knockdown Untersuchungen gewählt. Zunächst wurde ein gegen murines Protein hergestelltes hnRNP-R Antiserum charakterisiert und gezeigt, dass es das Zebrafisch Protein spezifisch erkennt. Dieses Antiserum wurde in Western Blot Analysen verwendet um den hnRNP-R Knockdown in Zebrafisch Embryonen zu verifizieren. Bei den hnRNP-R Morpholino injizierten Embryonen konnten dosisabhängig axonale Veränderungen beobachtet werden. Diese Veränderungen stimmen mit einem Krankheitsmodell für SMA im Zebrafisch überein. Es konnte gezeigt werden, dass das Überleben primärer Motoneurone in Zebrafisch Embryonen nicht beeinträchtigt ist und dass andere neuronale Zellen keine signifikante Beeinflussung durch einen hnRNP-R Knockdown erfahren. Um die Spezifität des axonalen Phänotyps, der durch hnRNP-R Knockdown hervorgerufen wurde zu belegen, wurde mit muriner hnRNP-R mRNA ein Rescue-Experiment durchgeführt. Es konnte gezeigt werden, dass dabei der axonale Phänotyp weitestgehend wieder aufgehoben wurde. Parallel zu den Zebrafisch Experimenten wurde ein hnRNP-R Knockout Konstrukt mittels homologer Rekombination in Escherichia coli hergestellt und in murine embryonale Stammzellen elektroporiert. Die Charakterisierung einer hnRNP-R Knockout Maus könnte weitere bedeutende Einsichten in die in vivo Funktionen von hnRNP-R bei der Embryonalentwicklung und speziell der Entwicklung von Motoneuronen gewähren. Um der Frage nach zu gehen, welche mRNAs in Wachstumskegeln von Axonen primärer Maus Motoneuronen zu finden sind oder durch Transportprozesse lokal akkumuliert sind,wurden Versuche unternommen, um mittels Laser-Mikrodissektion einzelne Wachstumskegel von Motoneuronen für Untersuchungen der enthaltenen mRNAs zu gewinnen. Erstmalig ist es im Rahmen dieser Arbeit gelungen, kompartimentalisierte Kulturen von primären Motoneuronen der Maus zu etablieren. Damit wurde die Grundlage geschaffen, um RNA-Profile von distalen Zellkompartimenten wie den Axonen und Wachstumskegeln zu bestimmen.
Der neurotrophe Wachstumsfaktor BDNF gehört neben NGF, NT-3 und NT-4/5 zur Familie der Neurotrophine. Er spielt eine wichtige Rolle für Überleben und Differenzierung von Nervenzellen und ist insbesondere auch verantwortlich für die Regulation synaptischer Plastizität. Besonders im Hippocampus, dem Ort der höchsten Expression von BDNF im adulten Gehirn, wirkt BDNF bei den Vorgängen von Lernen und Gedächtnis mit, welches als Phänomen der LTP untersucht werden kann. Bisher ist eine Lokalisation von BDNF-Protein mittels Immunfluoreszenz-Techniken im Gehirn der Maus oder Ratte nur sehr schwer gelungen. In den meisten Arbeiten gelang die Lokalisation von BDNF über den Nachweis von mRNA oder im Western Blot, die Gruppe von Conner et al. konnte einen qualitativen Nachweis von BDNF-Protein mittels eines eigens hergestellten Antiserums erbringen (Conner et al. 1997). Das Ziel dieser Arbeit war die Entwicklung eines Antiserums gegen BDNF zur subzellulären Lokalisation mittels Immunhistochemie. Durch die Verwendung von Immunfluoreszenz-gekoppelten Sekundärantikörpern sollte zum einen eine quantitative Bestimmung von BDNF möglich sein, zum anderen sollte durch die Möglichkeit einer nahezu dreidimensionalen Darstellung des Gewebes mittels Vibratomschnitten auch eine Aussage über eine genauere Lokalisation von BDNF gemacht werden können. Um den immunhistochemischen Nachweis von BDNF-Protein im Hippocampus der Maus mittels Immunfluoreszenz führen zu können, wurde zunächst ein geeignetes Anti-serum benötigt. Zwei zu Vergleichszwecken ausgetestete kommerzielle Antikörper zeigten keine Färbung. Nach dem Vorbild zweier Arbeitsgruppen (Yan et al. 1997b und Conner et al. 1996, 1997) wurde ein Antiserum gegen humanes rekombinantes BDNF in Kaninchen hergestellt. Das Antiserum erhielt den Namen „BDNF RabbitB“. Die Spezifität des Antiserums wurde mittels Western Blot und in der Zellkultur anhand von Hühnchen-DRGs überprüft. Im Western Blot zeigte das Antiserum eine spezifische Anfärbung von rekombinantem BDNF sowie im Hippocampus-Proteinextrakt. In der Kontrolle mit Präimmunserum zeigte sich keine Anfärbung. In der Zellkultur mit Hühnchen-DRGs konnte eine blockierende Wirkung des Antiserums in Gegenwart von BDNF als neurotrophem Wachstumsfaktor im Zellkulturmedium nachgewiesen werden, es zeigte sich eine signifikante Reduktion des Überlebens von Zellen bei einer Verdünnung des Antiserums von 1:1.000. Das Präimmunserum zeigte keine Wirkung. Eine Kreuzreaktivität mit NGF als strukturähnlichem Protein konnte ausgeschlossen werden, da das Antiserum in Gegenwart von NGF im Kulturmedium keine Wirkung zeigte. Anschließend galt es, die Methoden für die Immunhistochemie mit diesem Antiserum zu optimieren, da es Hinweise gab, daß gerade die Immunhistochemie neurotropher Faktoren sehr sensibel auf verschiedene Methoden reagiert. Daher wurden sowohl die Fixierungsmethode, unterschiedliche Gewebeschnitte, verschiedene Puffersysteme und immunhistochemische Färbemethoden untersucht und verglichen. Die Standard-Fixierungsmethode mit Phosphat-Puffer, modifiziert nach der Methode nach Yan et al. 1997b mit maximal 2 h Nachfixierung stellte sich als beste Methode heraus. Eine Kombination zweier verschiedener Puffer (TBS und PB) innerhalb der Fixierung ist ungünstig. Daher sollte innerhalb einer Methode immer bei einem Puffersystem geblieben werden, wobei hier insgesamt bei dem Vergleich von PBS, TBS und TRIS-Puffer sowohl in der Fixierung als auch in der Färbemethode dem Phosphat-Puffer der Vorzug gegeben wird, welches auch das Standard-System darstellt. Bei den Gewebeschnitten sind, wie ursprünglich geplant Vibratomschnitte zu bevorzugen. Insgesamt konnten jedoch mögliche Ursachen für die Anfälligkeit der BDNF-Immunreaktivität bei Fixierungs- und Färbemethoden hier nicht abschließend erklärt werden. Problematisch war die ausgeprägte Hintergrundfärbung des Antiserums v.a. in der Immunhistochemie, die nicht ausreichend behoben werden konnte. Insofern sollte das Antiserum für die Verwendung bei immunhistochemischen Färbungen noch weiter optimiert werden. Für die Verwendung in der Zellkultur ist das Antiserum auf Grund seiner BDNF-blockierenden Eigenschaften gut einsetzbar. Im Western Blot sollte „BDNF RabbitB“ in einer Verdünnung von 1:5.000, in Zellkultur mit 1:1.000 und in der Immunhistochemie mit Vibratomschnitten mit 1:2.000 eingesetzt werden.
Die Spinale Muskelatrophie (SMA) ist mit einer Inzidenz von 1:6000 die zweithäufigste autosomal-rezessive Erbkrankheit im frühen Kindesalter. Die durch den Verlust des SMN- (survival of motoneuron) Gens reduzierte SMN Protein Expression führt zu einer Degeneration der spinalen Motoneurone mit proximal betonter Muskelschwäche. Deshalb zielen erste Therapieversuche darauf ab, diese zu erhöhen. Es war gezeigt worden, dass durch den Einsatz von Histon Deacetylase Inhibitoren (HDAC) in neuronalen Kontroll Zellen und in nicht neuronalen Zellen von SMA Patienten die SMN Protein Expression signifikant gesteigert werden konnte. In der vorgelegten Arbeit wurde untersucht, ob die HDAC Inhibitoren Valproat, SAHA und FK228 Einfluss auf die SMN Protein Expression in kortikalen neuronalen Vorläuferzellen (NSC), auf primär embryonale Fibroblasten (PMEF) und auf die morphologischen Veränderungen in primär kultivierten embryonalen Motoneuronen eines Mausmodells der SMA haben. Es konnte eine signifikante Steigerung der SMN Protein Expression durch den Einsatz von Valproat und FK228 in kortikalen neuronalen Vorläuferzellen nachgewiesen werden. Es ergab sich jedoch kein Einfluss auf die SMN Protein Expression in primär embryonalen Fibroblasten. Bei NSCs und primär kultivierten embryonalen Motoneuronen wirkten die HDAC Inhibitoren Valproat und FK228 konzentrationsabhängig toxisch auf das Überleben, die Länge der Axone und die Größe der Wachstumskegel. Es konnte kein positiver Einfluss auf die morphologischen Veränderungen des Mausmodells gesehen werden. Zusammenfassend zeigte sich in der vorgelegten Arbeit ein positiver Effekt auf die SMN Protein Expression durch den Einsatz von HDAC Inhibitoren, der jedoch mit einem toxischen Effekt auf die behandelten neuronalen Zellen einherging.
Der Einfluss des Ciliary Neurotrophic Factor (CNTF) auf die mikroskopische Anatomie des Sehnervs und der Retina wurde im Mausmodell untersucht. Unter Verwendung von Immunhistochemie, konfokaler Lasermikroskopie und Elektronenmikroskopie wurde untersucht, inwieweit eine CNTF-Defizienz zu degenerativen Veränderungen in Sehnerv und Retina von insbesondere adulten Mäusen führt. Hinsichtlich der verschiedenen untersuchten Parameter, einschließlich der Myelinisierung des Sehnervs und der retinalen Schichtung, konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen CNTF-defizienten und Wild-Typ-Mäusen festgestellt werden.
Die spinale Muskelatrophie ist nach der zystischen Fibrose die zweithäufigste Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang und Todesfolge bei Kindern. Der Mangel an intaktem SMN-Protein führt zu einer retrograden Degeneration der Motoneurone. Je nach prozentualem Mangel des SMN-Proteins ergeben sich unterschiedliche Verlaufsformen. Im Falle der schwersten Form liegt die Lebenserwartung unter zwei Jahren für Neugeborene. Die genaue Ursache der spinalen Muskelatrophie ist nicht abschließend geklärt. Klar ist jedoch, dass eine Differenzierungsdefekt an der muskulären Endplatte der Motoneurone vorliegt. In Zusammenschau der hier generierten Ergebnisse und zahlreicher Vorarbeiten zeigt sich, dass eine gestörte Kalziumhomöostase mitverantwortlich für diese Differenzierungsstörung ist. Dies ist am ehesten durch gestörte lokale Kalziumtransienten und eine veränderte Mikrostruktur der Endplatte, im Sinne des Fehlens der für die Differenzierung essentiellen Kalziumkanal-Cluster, zu erklären. Auch wenn die Wiederherstellung der Kalziumhomöostase keinen Einfluss auf die Menge an vorhandenem SMN-Protein hat, zeigt der Einsatz des Kalziumkanalagonisten R-Roscovitine eine restitutio des Phänotyps kultivierter Motoneurone in vitro, sowie auch eine signifikante Lebensverlängerung von murinen Tieren mit einer der SMA I äquivalenten Verlaufsform in vivo. Auch wenn es sich im Falle des Einsatzes von Kalziumkanalagonisten nicht um eine kausale Therapie, wie zum Beispiel im Falle gentechnologischer Ansätze, handelt, stellen sie trotzdem eine vielversprechende Ergänzung des Portfolios an therapeutischen Optionen dar. Die Stärke liegt hierbei in dem sofortigen Wirkeintritt nach Applikation mit antizipiert rascher Symptomverbesserung.
Die spinale Muskelatrophie (SMA) ist eine monogenetische Erkrankung, bei der es durch den Verlust des SMN Proteins zur Degeneration der α-Motoneurone im Rückenmark kommt. Abhängig vom Schweregrad zeigen die Patienten bereits innerhalb der ersten Lebensmonate ausgeprägte Lähmungen der Skelettmuskulatur und eine Zwerchfellparese einhergehend mit einer reduzierten Lebenserwartung. Mithilfe von Mausmodellen für die SMA konnte gezeigt werden, dass der Motoneuronenverlust bei Smn-defizienten Mäusen mit Störungen der Neurotransmission an der motorischen Endplatte und mit Differenzierungsstörungen der Motoneurone einhergeht. Die Differenzierungs-störungen primärer Smn-defizienter Motoneurone sind eng gekoppelt mit einer verminderten Clusterbildung spannungsabhängiger Kalziumkanäle im distalen axonalen Bereich. Dies wiederum führt zu einer verminderten Frequenz spontaner Kalziumeinströme am Axonterminus und hat eine veränderte axonale Elongation zur Folge.
Es wurden folgende Aspekte in Bezug auf die Verstärkung und die Induktion spontaner Kalziumeinströme in Mausmodellen für spinale Muskelatrophien in dieser Arbeit adressiert:
1) Lassen sich spontane Kalziumeinströme in Smn-defizienten Motoneuronen durch die externe Applikation von Kalziumkanalagonisten verstärken?
2) Sind spontane Kalziumeinströme in primären Motoneuronen durch den Brain-derived-neurotrophic-factor (BDNF) induzierbar?
3) Zeigen primäre Motoneurone eines Mausmodells für spinale Muskelatrophie mit Ateminsuffizienz Typ 1 (SMARD1) ebenfalls veränderte Kalziumtransienten?
Die Ergebnisse meiner Arbeit zeigen, dass durch den Kalziumkanalagonisten R-Roscovitine die Frequenz der spontanen Kalziumeinströme im distalen Axon von Smn-defizienten Motoneuronen signifikant erhöht wird. Dies hat wiederum einen regulierenden Effekt auf die Differenzierung der SMA Motoneurone zur Folge. Smn-defiziente Motoneurone zeigen somit keine Unterschiede mehr in Bezug auf Axonlängen und Wachstumskegelflächen im Vergleich zu Kontrollzellen. Für R-
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Roscovitine ist neben der agonistischen Wirkung am Kalziumkanal auch ein inhibitorischer Effekt auf die Cyclin-abhängige Kinase 5 beschrieben. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass die erhöhten Kalziumtransienten unter der Behandlung mit R-Roscovitine durch eine direkte Bindung an die Cav2 Kalziumkanäle verursacht werden und nicht durch eine Cdk5 Blockade. Dafür spricht die schnelle und reversible Wirkung von R-Roscovitine, sowie die Aufhebung des R-Roscovitines Effekts bei gleichzeitiger Gabe des Cav2.2 Antagonisten ω-Conotoxin MVIIC.
Der zweite Aspekt dieser Arbeit behandelt den Einfluss der neurotrophen Faktoren BDNF, CNTF und GDNF auf die Kalziumtransienten am Wachstumskegel wildtypischer Motoneurone. Der Vergleich der neurotrophen Faktoren zeigt, dass nur BDNF eine induzierende Wirkung auf spontane Kalziumtransienten am Wachstumskegel hat.
Der letzte Abschnitt dieser Arbeit beschäftigt sich mit den Kalziumtransienten bei Motoneuronen aus dem Nmd2J (SMARD1) Mausmodell. Die SMARD1 gilt als eigenständige Form der spinalen Muskelatrophien mit unterschiedlicher Genetik und unterschiedlichen klinischen Merkmalen. Die Motoneurone weisen in Bezug auf die Kalziumtransienten keine Unterschiede zwischen Wildtyp und Nmd2J Mutante auf. Es ergibt sich somit kein Hinweis darauf, dass die Degeneration der Motoneurone bei der SMARD1 von einer Störung der Kalziumhomöostase im distalen axonalen Bereich ausgeht.
Die spinale Muskelatrophie ist eine monogenetische Erkrankung, die bereits im Kindesalter aufgrund von Motoneurondegeneration zu Muskelatrophie führt und nicht selten einen tödlichen Verlauf nimmt. Ursache der Erkrankung ist ein Mangel an SMN-Protein. Der hierfür verantwortliche Verlust des SMN1-Gens kann durch das SMN2-Gen aufgrund eines gestörten Spleißprozesses am Exon 7 nicht kompensiert werden. Neben Aufgaben in der RNA-Prozessierung wird das SMN-Protein für den axonalen Transport von Ribonucleinpartikeln in Motoneuronen benötigt, was bei der SMA zu pathologischem Wachstum, Differenzierung und Funktion der Motoraxone führt. Im Rahmen dieser Arbeit wurden kultivierte Motoneurone aus einem Mausmodell für die SMA Typ I (Genotyp Smn-/-;SMN2) mit zwei unterschiedlichen Substanzen behandelt und deren Wirkungen auf das präsynaptische Differenzierungsverhalten der Motoneurone verglichen: R-Roscovitine, ein Agonist/Modulator spannungsabhängiger N-Typ- und P/Q-Typ-Kalziumkanäle, welcher zudem eine CDK-inhibierende Wirkung besitzt, sowie Valproat, ein HDAC-Inhibitor, der eine stimulierende Wirkung auf die SMN-Transkription hat. Es zeigte sich, dass R-Roscovitine in der Lage ist, das pathologische Wachstums- und präsynaptische Differenzierungsverhalten der Smn-defizienten Motoneurone zu normalisieren, ohne hierbei Einfluss auf die erniedrigte Menge an Smn-Protein zu nehmen. Die Behandlung mit Valproat beeinflusst hingegen weder die Menge an Smn-Protein, noch die pathologische Differenzierung der Wachstumskegel Smn-defizienter Motoneurone. Erklären lassen sich diese Effekte in erster Linie durch den Agonismus an spannungsabhängigen Kalziumkanälen durch R-Roscovitine. Durch vermehrten Kalziumeinstrom kommt es zur Normalisierung von Struktur und Funktion der Wachstumskegel. Ein CDK-vermittelter Effekt scheint unwahrscheinlich. Obgleich die genauen Vorgänge noch nicht verstanden sind, zeigen diese Ergebnisse, dass sich Smn-defiziente Motoneurone normal entwickeln können, wenn die hierfür erforderlichen kalziumabhängigen präsynaptischen Differenzierungssignale korrekt ausgelöst werden. Bei weiterer Erforschung sind Therapeutika denkbar, die in Zukunft die überwiegend genetisch orientierten Therapieansätze zur Hochregulation der SMN-Expression bei SMA-Patienten über einen von der Genetik unabhängigen Wirkmechanismus unterstützen können.
In dieser Arbeit sollte die Funktion der Ribosomalen S6 Kinase 2 (RSK2) auf neuronaler Ebene untersucht werden. Dahingehend gab es, z.B. auf Grund der Phänotypen von Fliegen und Mäusen mit Mutationen im entsprechenden Gen oder von Patienten mit Coffin-Lowry-Syndrom (CLS) nur Vermutungen. Es bestand letztlich die Hoffnung, einen Beitrag zur Aufklärung der Pathophysiologie des CLS zu leisten. Es stellte sich auf Grund von Experimenten sowohl in vivo als auch in vitro in verschiedenen Modellsystemen in dieser Arbeit heraus, daß RSK2 einen negativen Einfluß auf das Neuriten- und Synapsenwachstum hat. In kultivierten Motoneuronen führte der KO von RSK2 zu längeren Axonen und die Überexpression eines konstitutiv aktiven RSK2-Konstrukts zu kürzeren Axonen. In PC12-Zellen führte die Expression von konstitutiv aktiven RSK2 Konstrukten zur Verkürzung der Neuriten und die Expression eines Kinase-inaktiven RSK2 Konstrukts zu längeren Neuriten. In vivo war die neuromuskuläre Synapse bei RSK2-KO Mäusen vergrößert und hatte bei Drosophila rsk Mutanten mehr Boutons. Das RSK2-Protein ist in Motoneuronen der Maus und in überexprimierter Form in den Boutons der neuromuskulären Synapse bei Drosophila nachweisbar. Damit wurde zum ersten Mal die Funktion von RSK2 auf neuronaler Ebene beschrieben. Bezüglich des Mechanismus, wie RSK2 das Nervenwachstum beeinflußt gab es deutliche Hinweise, die dafür sprechen, daß RSK2 dies über eine in der Literatur schon häufiger beschriebene Hemmung der MAPK ERK1/2 erreicht. Für diese Hypothese spricht die Tatsache, daß die ERK-Phosphorylierung in murinen Motoneuronen und im Rückenmark embryonaler Mäuse der RSK2-Mutante erhöht ist und der Axonwachstumsdefekt durch eine Hemmung von MEK/ERK behoben werden kann. Auch ist die ERK-Phosphorylierung an der murinen Muskel-Endplatte in der Mutante erhöht. Zudem zeigen genetische Epistasis-Experimente in Drosophila, daß RSK die Bouton-Zahl über ERK/RL hemmt. RSK scheint also in Drosophila von der Funktion her der RSK2-Isoform in Wirbeltieren sehr ähnlich zu sein. Ein weiteres wichtiges Ergebnis ist die Beobachtung, daß RSK2 bei Motoneuronen keinen wesentlichen Einfluß auf das Überleben der Zellen in Gegenwart neurotropher Faktoren hat. Möglicherweise spielen hier redundante Funktionen der RSK Familienmitglieder eine Rolle. Ein bislang unerklärter Befund ist die reduzierte Frequenz spontaner Depolarisationen bzw. damit einhergehender Ca2+ Einströme bei RSK2-KO Motoneuronen in Zellkultur. Die Häufigkeit und Dichte von Ca2+-Kanälen und aktive Zonen Proteinen war in Motoneuronen nicht von der Anwesenheit des RSK2-Proteins abhängig. Im Hippocampus konnte außerdem das RSK2-Protein präsynaptisch in den Moosfaser-Boutons der CA3 Region nachgewiesen werden. Es befindet sich auch in den Pyramidenzellen, aber nicht in den Pyramidenzell-Dendriten in CA3. Bezüglich der Bedeutung dieser Befunde für die Aufklärung der Pathologie des CLS ist zu folgern, daß der neuro-psychologische Phänotyp bei CLS Patienten wahrscheinlich nicht durch reduziertes Überleben von Neuronen, sondern eher durch disinhibiertes Axonwachstum oder Synapsenwachstum bedingt ist. Dies kann grob sowohl für die peripheren als auch die zentralen Defekte gelten, denn die Synapsen im ZNS und am Muskel sind in ihrer molekularen Ausstattung z.B. im Bereich der Vesikel, der aktiven Zonen oder der Transmitterausschüttung sehr ähnlich. Weiterhin könnte eine veränderte synaptische Plastizität u.a. an der Moosfaser-Pyramidenzell-Synapse in der CA3 Region des Hippocampus eine Rolle bei den kognitiven und mnestischen Einschränkungen der Patienten spielen. Die Entdeckung, daß aktiviertes ERK bei den beobachteten Effekten eine Rolle spielt kann für die Entwicklung von Therapiestrategien eine wertvolle Erkenntnis sein.