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Schwingungsspektroskopie ist eine vielseitige spektroskopische Methode, mit der Molekülstrukturen und inter-/intramolekulare Wechselwirkungen untersucht werden können. Sie ist deshalb ein hervorragendes Mittel für die Identifikation von Molekülen. Die vorliegende Arbeit umfasst drei Projekte, in denen Schwingungsspektroskopie angewandt wurde, um reaktive Moleküle und ihre Hochtemperatur-Reaktionsprodukte zu untersuchen:
1. Die Aufklärung der Entstehungsmechanismen von polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAKs) in Verbrennungsprozessen ist eines der Hauptanliegen der Verbrennungschemie.
In der vorliegenden Arbeit wurde IR/UV-Ion-Dip-Spektroskopie in Verbindung mit DFT-Frequenzrechnungen und FTIR-Messungen angewandt, um Produkte von Radikal-Radikal-Reaktionen in einem Mikroreaktor bei hohen Temperaturen zu identifizieren. Als IR-Laserquelle für die IR/UV-Ion-Dip-Experimente diente der Freie-Elektronen-Laser FELIX (Free-Electron Laser for Infrared eXperiments) in Nijmegen (Niederlande).
In einem Teilprojekt wurde der A 1A´ (S1) <- X 1A´ (S0) Übergang in 1-(Phenylethinyl)naphthalin (1-PEN), einem mutmaßlich verbrennungsrelevanten Molekül, mit [1+1]-REMPI-Spektroskopie untersucht.
2. Die Identifikation von gasförmigen Reaktionsprodukten bei der thermischen Analyse (EGA: Emissionsgasanalyse) kann als komplementäre Methode zur DTA/TG zusätzliche Informationen für die Aufklärung von Reaktionsmechanismen liefern.
Der Aufbau eines elementaren EGA/FTIR-Experiments, basierend auf einer heizbaren IR-Gaszelle, ermöglichte in der vorliegenden Arbeit die Durchführung dynamischer IR-Messungen, mit denen thermische Umsetzungen von Übergangsmetall-Precursorkomplexen zu Koordinationspolymeren untersucht wurden.
3. Die Synthese des ersten bei Raumtemperatur stabilen Diborins, einer Verbindung mit einer Bor-Bor-Dreifachbindung, stellte einen Meilenstein in der elementorganischen Chemie dar. Dies implizierte eine umfassende Untersuchung der Eigenschaften der BB-Bindung und hatte die Synthese einer Reihe ähnlicher Bor-Bor-Mehrfachbindungssysteme mit variierenden Bindungseigenschaften zur Folge.
In der vorliegenden Arbeit wurde Raman-Spektroskopie in Verbindung mit DFT-Frequenzrechnungen angewandt, um für diese Bor-Bor-Systeme die strukturellen/elektronischen Eigenschaften der zentralen CBBC-Einheit zu untersuchen.
Die vorliegenden Arbeit behandelt VUV Valenz-Photoionisations-Experimente in der Gasphase. Zunächst wird die Photoionisation von stickstoffhaltigen Radikalen und deren Pyrolyseprodukten untersucht. Im Anschluss werden molekulare Biradikale betrachtet. Da in der Literatur bislang nur wenige solcher Biradikale als Intermediate experimentell zugänglich waren, war es das Ziel dieser Arbeit, neue reaktive Spezies dieser Substanzklassen in der Gasphase zu isolieren und deren Struktur, Eigenschaften und Reaktivität besser zu verstehen. Im Mittelpunkt stehen dabei Intermediate, die als echte Biradikale, Biradikaloide oder Triplett Carbene auftreten. Zu letzteren zählen das Methylbismut sowie die Pentadiinylidene. Biradikale bilden in Verbrennungsprozessen sehr effizient Ruß(vorläufer), was anhand des ortho-Benz-ins dargelegt wurde, indem dessen Pyrolyseprodukte charakterisiert und mögliche PAH-Bildungswege aufgezeigt wurden. Vakuum Flash Pyrolyse wurde verwendet, um in situ aus den geeigneten Vorläufermolekülen die radikalischen und biradikalischen Intermediate zu erzeugen. Während für biradikalische Zwischenstufen meist spezielle Verbindungen als Vorläufer synthetisiert werden müssen, waren die verwendeten Vorläufer für die stickstoffhaltigen Radikale kommerziell erhältlich. Die reaktiven Spezies wurden alle mittels monochromatischer VUV Synchrotronstrahlung an der Swiss Light Source in Villigen/ Schweiz ionisiert. Die Ionisationsereignisse wurden mit der Schwellenphotoelektronen-Photoionen-Koinzidenz (TPEPICO) Technik detektiert und ausgewertet. Anhand der resultierenden massenselektiven Schwellenphotoelektronenspektren wurden die Ionisierungsenergien der (Bi)radikale bestimmt und die Schwingungsstruktur der jeweiligen Kationen analysiert. Die erhaltenen Spektren und Daten wurden in Zusammenarbeit mit der theoretischen Chemie interpretiert.
Wichtige Erkenntnisse
• Es wurde die Ionisierungsenergie der 2-, 3- und 4-Picolylradikale auf 7.70\pm
0.02 eV, 7.59\pm
0.01 eV und 8.01\pm
0.01 eV bestimmt. Diese wurden in der Pyrolyse selektiv aus ihren zugehörigen Picolylaminen erzeugt. Zudem wurde analog zum Benzyl-Radikal für alle drei Radikale eine ausgeprägte Schwingungsprogression ermittelt, die der totalsymmetrischen Deformationsmode des aromatischen Rings entspricht.
• Die Picolyl-Radikale dissoziieren in der Pyrolyse thermisch zu weiteren Produkten. Die Fragmentierung verläuft dabei isomerenunabhängig über ein stickstoffhaltiges Siebenringintermediat, dem Azepinyl-Radikal. Der Fragmentierungsmechanismus wurde mit dem von Benzyl verglichen. Die gewonnenen Erkenntnisse haben Relevanz für Verbrennungsprozesse, beispielsweise von Biokraftstoffen.Im ersten Schritt entstehen vier Isomere, das Cyclopenta-1,4-dien-1-carbonitril, das Cyclopenta-1,3-dien-1-carbonitril, das 2-Ethynyl-1H-pyrrol und das3-Ethynyl-1H-pyrrol mit den zugehörigen Ionisierungsenergien von 9.25\pm
0.02 eV, 9.14\pm
0.02 eV, 7.99\pm
0.02 eV und 8.12\pm
0.02 eV. Durch einen zweiten H-Verlust konnte das Cyanocyclopentadienyl-Radikal mit einer Ionisierungsenergie für die zwei niedrigsten Zustände im Kation mit 9.07\pm
0.02 eV (T0) und 9.21\pm
0.02 eV (S1) untersucht werden. Weitere Pyrolyseprodukte, deren Ionisierungsenergien bereits literaturbekannt sind und die bestätigt wurden, sind das Cyclopentadienyl-Radikal, das Cyclopenta-1,3-dien, das Propargyl-Radikal, das Penta-1,3-diin und das Cyanopropenyl.
• Das ortho-Benz-in wurde pyrolytisch aus dem selbst synthetisierten Benzocyclobutendion erzeugt und ein Schwellenphotoelektronenspektrum frei von Störsignalen konnte aufgenommen werden. Mit Hilfe von Rechnungen aufCASPT2(11,14) Niveau, die neben dem elektronischen Übergang in den kationischen Grundzustand noch die Übergänge in zwei weitere angeregte kationische Zustände beinhalten, wurde die Ionisierungsenergie im Vergleich zu früheren Experimenten auf 9.51 eV revidiert. Eine verdrillte Geometrie für den kationischen Grundzustand konnte erstmals nachgewiesen werden. Zusätzlich wurden die offenkettigen Isomere cis- und trans-Hexa-1,5-diin-3-en im Spektrum detektiert und zugeordnet.
• Die Auftrittsenergien aus der DPI des Vorläufermoleküls Benzocyclobutendion betragen für den ersten CO-Verlust 9.62\pm
0.05 eV und für den zweiten CO-Verlust 12.14\pm
0.10 eV. Damit konnte über einen thermochemischen Kreisprozess eine Bindungsdissoziationsenergie für die Ph-CO Bindung im Benzoylkation von 2.52 eV berechnet werden.
• Verschiedenen Pyrolyseprodukte des ortho-Benz-ins, wie Ethin, Buta-1,3-diin, Benzol, Biphenylen und 2-Ethinylnaphthalin, werden entweder in bimolekularen Reaktionen gebildet oder ortho-Benz-in fragmentiert unimolekular zu diesen. Die beiden kompetitiven Reaktionspfade tragen zur PAH-Bildung des ortho-Benz-ins bei.
• Die Triplett-Carbene Pentadiinyliden, Methylpentadiinyliden und Dimethylpentadiinyliden wurden als Pyrolyseprodukt aus ihren zugehörigen Diazovorläufern identifiziert und die Ionisierungsenergien mit 8.36\pm
0.03 eV, 7.77\pm
0.04 eV und 7.27\pm
0.06 eV bestimmt. Jede Methylierung stabilisiert folglich das Carben. Zusätzlich konnte ein weiteres C5H2 Isomer, das 3-(Didehydrovinyliden)cyclopropen, mit einer Ionisierungsenergie von 8.60\pm
0.03 eV charakterisiert werden.
• Zwei bismuthaltige, reaktive Spezies, das Dimethylbismut-Radikal\cdot
BiMe2 (IE = 7.27\pm
0.04 eV) und das Methylbismut-Carben :BiMe(IE = 7.88\pm
0.02 eV) wurden als Pyrolyseprodukte aus dem BiMe3 identifiziert. Beide Verbindungen zeigen eine ausgeprägte Schwingungsstruktur, die der Bi-C Streckschwingung zugeordnet wurde. Weiterhin wurden elementares Bismut Bi und das Bismut-Dimer Bi2 nachgewiesen.
• Die homolytische Dissoziation der ersten Me2Bi-CH3 Bindung im BiMe3 wurde untersucht und eine BDE von 210\pm
7 kJ/ mol bestimmt. Sie liegt um +15 % bzw. +28 kJ/ mol über dem aus der Literatur abgeschätzten Wert.
Analyse der chemischen Reaktionen ungesättigter Verbindungen mit FEL- und Synchrotronstrahlung
(2013)
Brilliante Strahlungsquellen werden heute vielfach in der Forschung eingesetzt um Kristallstrukturen, Oberflächeneigenschaften oder Reaktionen zu untersuchen. Als Strahlungsquellen werden dafür bevorzugt Freie Elektronenlaser (FEL) oder Synchrotrons eingesetzt, da sie über weite Bereiche durchstimmbar sind und einen hohen Photonenfluss bereitstellen. Im Rahmen der vorliegenden Dissertation werden beide Lichtquellen verwendet um einerseits Isomere von Kohlenwasserstoffradikalen zu identifizieren und andererseits das Verhalten von Borylen und ungesättigten Verbindungen bei Photoionisation zu dokumentieren. Als erstes Experiment am FEL wurde ein IR-Spektrum von gasförmigen Allylradikalen aufgenommen. Das Allyl war ein Testlauf, da es als Kohlenwasserstoffradikal mit einer kleinen Dipolmomentänderung ein gutes Beispiel für ähnliche Verbindungen ist. Trotz der kleinen Änderung des Dipolmoments und der geringen Teilchendichte der Radikale in der Gasphase konnte ein gutes IR-Spektrum mit der IR-UV-Doppelresonanzmethode aufgenommen werden und die beobachteten Banden mit der Literatur zugeordnet werden. Das 3-Trifluoromethyl-3-Phenyl-carben (TFPC) wurde pyrolytisch aus 3-Trifluoromethyl-3-Phenyl-diazirin erzeugt. Dabei kam es beim Großteil der Carbene zu einer Umlagerung zu Trifluorstyrol. Neben dem Hauptprodukt Trifluorstyrol wurde das Triplett TFPC als Nebenprodukt identifiziert. Zusätzlich wurden die Isomerisierungsbarrieren für den Triplett- und Singulett-Übergangszustand berechnet. Die Radikale 1-Phenylpropargyl und 3-Phenylpropargyl sind anhand ihrer IR-Spektren unterscheidbar und lagern sich nicht ineinander oder in Indenyl um. Ausgehend von beiden Radikalen bilden sich die identischen Dimerisierungsprodukte im Massenkanal m/z = 230 (p-Terphenyl) und 228 (1-Phenylethinylnaphthalin (1PEN)). Außergewöhnlich war die Exklusivität dieser Produkte. Somit müssen deren Reaktionsmechanismen kinetisch viel schneller sein. Die Massen m/z = 230 und 228 waren bereits aus einer massenspektrometrischen Studie ausgehend von Benzol und Ethin bekannt, in der ihre Struktur jedoch nicht geklärt wurde. Somit müssen die gefundenen Dimerisierungsprodukte p-Terphenyl und 1PEN wichtige Intermediate bei der Entstehung von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) und Ruß sein. Von gasförmigen NTCDA wurde mittels der TPEPICO-Methode am Synchrotron Schwellenphotoelektronenspektren aufgenommen. Dabei konnte die adiabatische Ionisierungsenergie (IE(ad)) zu 9.66 eV bestimmt werden. Weiterhin wurden noch fünf angeregte Zustände beobachtet, die mittels quantenmechanischer Berechnungen zugeordnet wurden. Es wurde die Photoionisation des Cycloheptatrienradikals (Tropyl) untersucht. Dabei wurde die erste Bande bei 6.23 eV der IE(ad) zugeordnet. Mit einer Franck-Condon Simulation wurden die beiden Schwingungsprogressionen einer CC-Streckschwingung (ν16+) und einer Kombination aus einer Ringatmung (ν2+) und ν16+ zugeordnet. Der erste Triplett- und Singulettzustand des angeregten Tropylkations konnte in Übereinstimmung mit der Literatur zugeordnet werden. Eine Schulter bei 9.85 eV und die intensivste Bande bei 11.6 eV konnten nicht eindeutig interpretiert werden. Neben dem Tropyl erscheint bei etwa 10.55 eV sein dissoziatives Zersetzungsprodukt, das Cyclopentadienylkation. Die IE(ad) des Borylenkomplex [(CO)5CrBN(SiMe3)2] wurde zu 7.1 eV bestimmt. Mit steigender Photonenenergie wurden alle CO-Liganden sequenziell abgespalten, während der Borligand auch bei 15 eV noch nicht dissoziierte. Von den fünf abgespaltenen CO-Liganden konnte die Auftrittsenergie bei 0 K unter Berücksichtigung der kinetischen Verschiebung gefittet werden. Durch einen einfachen thermodynamischen Zyklus wurden aus den Auftrittsenergien der Kationen die Bindungsenergien berechnet. Dabei zeigte sich, dass die zweite Bindungsenergie im Kation erheblich stärker ist als die erste. Dies deutet einen starken trans-Effekt des Borliganden an. In der Dissertation wurden die adiabatische Ionisierungsenergie der Moleküle sowie die Auftrittsenergien der Fragmente und die Bindungsenergien bestimmt. Zudem konnten Isomere anhand ihrer IR-Spektren unterschieden und ihre Dimerisierungsprodukte identifiziert werden. Damit wurden mit p-Terphenyl und 1PEN zwei weitere bedeutende Intermediate im Bildungsmechanismus von Ruß strukturell aufgeklärt. Die Beteiligung dieser Dimerisierungsprodukte am Bildungsmechanismus der PAK initiiert zukünftige Fragen. Was geschieht z.B. mit p-Terphenyl und 1PEN nach ihrer Bildung? Reagieren sie chemisch zu größeren Molekülen oder setzt bei ihnen bereits die Akkumulation zu Partikeln ein? Zusätzlich ist die Frage, ob Phenylpropargyl aus der Reaktion von Phenyl- und Propargylradikalen entsteht noch offen. Die erzielten Resultate haben einen wichtigen Schritt im Bildungsmechanismus der PAK identifiziert und damit die Grundlage für zukünftige Experimente gelegt.