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Hoher Faktor XI stellt einen Risikofaktor der venösen Thrombose dar, über welchen Mechanismus hohe Faktor XI-Spiegel dabei thrombogen wirken ist noch weitestgehend unklar. Denkbar wäre eine Faktor XI-abhängige gesteigerte Thrombingenerierung. Andererseits ist eine gesteigerte Thrombingenerierung ein Merkmal von Patienten mit einer Faktor V Leiden-Mutation. Allerdings zeigen bei weitem nicht alle dieser Patienten eine Hyperkoagulabilität und nur ein Bruchteil davon wird jemals durch Thrombosen auffällig. Entsprechend den Vorstellungen einer multifaktoriellen Thrombogenese war es daher unsere Vermutung, dass erhöhte Faktor XI-Spiegel bei bereits bestehender thrombophiler Gerinnungsstörung die Thrombinbildung zusätzlich triggern könnten und so das Risiko der Thromboseentstehung bei diesen Patienten weiter steigern. Zwei Patientengruppen nach venöser Thrombose wurden untersucht: 76 Faktor V Leiden-Träger und 116 nicht-thrombophile Thrombosepatienten, alters- und geschlechtsgematchte Blutspender dienten als Kontrollen. Faktor XI, TAFIa/ai und F1+2-Spiegel wurden mittels ELISA, die Faktor V Leiden-Mutation, der Prothrombin-Polymorphismus, Faktor VIII, AT, PC und PS, sowie Antiphospholipid-Antikörper mittels Routine-Assays bestimmt. Mit unseren Ergebnissen konnten wir zeigen, dass ein erhöhter Faktor XI-Spiegel keinen eigenständigen Risikofaktor für die venöse Thromboembolie darstellt, sondern seine thrombogene Wirkung erst im Zusammenwirken mit einer zugrunde liegenden Faktor V Leiden-Mutation erhält. Bei diesen Patienten scheint das mit hohen Faktor XI-Spiegeln assoziierte Thromboserisiko in einer beschleunigten Thrombinbildung und weniger in einer Faktor XI-abhängigen Fibrinpolysehemmung begründet zu sein. Wir konnten daher Faktor XI als einen von der Faktor V Leiden-Mutation abhängigen, in seiner Ausprägung moderaten Risikofaktor der Thrombose identifizieren. Dies steht in Einklang mit unseren Ergebnissen: Faktor XI nimmt bei diesen Patienten Einfluss auf die Thrombingenerierung, darüber hinaus jedoch nicht auf das fibrinolytische System.
Genetische und erworbene thrombophile Gerinnungsstörungen als Quelle chronischer Schmerzsyndrome
(2012)
Anhand einer umfassenden Falldarstellung einer jungen Patientin mit einem lebensbedrohlichen Gesichtsschmerzsyndrom, das nach septischer Thrombose der periorbitalen venösen und arteriellen Gefäße aufgetreten war, wurde die Bedeutung einer medikamentösen Antikoagulation für die erfolgreiche Schmerztherapie herausgearbeitet. An diesem Fallbeispiel konnte aber auch gezeigt werden, dass keine sicheren Parameter für die Indikation einer solchen Gerinnungstherapie vorlagen. Die Bedeutung dieses Falls lag unzweifelhaft in der Erkenntnis, dass in einer anhaltenden Aktivierung des Kontaktsystems der Gerinnung ein bislang unterschätztes Potential für die Entstehung und Unterhaltung ungeklärter Schmerzen liegen könnte und nicht zuletzt auch daran, dass sich diese ätiologische Komponente in der Komplexität der Erkrankung diagnostisch nicht eindeutig sichern ließ. Mit der Translokation von LPS aus der intestinalen Mukosa in endothelial vorgeschädigte Gefäßabschnitte wurde eine Hypothese vorgetragen, die neben einer schwer detektierbaren inflammatorischen Komponente auch das prokoagulatorische Potential der Schmerzentstehung erklären könnte. Die prokoagulatorische Komponente dieses hypothetischen Entstehungs-mechanismus chronischer Schmerzen müsste, so die Arbeitshypothese, umso dominanter sein, wenn prokoagulatorisch wirksame genetische Faktoren bei den Patienten hinzukommen. Unter der Annahme, dass eine solche zusätzliche Diathese nicht nur eine Schrittmacherfunktion haben, sondern auch einen diagnostischen Beitrag liefern könnte, wurde dieses diagnostische Pilotprojekt mit der empirisch begründeten Heparintherapie von 97 Schmerzpatienten verbunden. Alle Pa-tienten wurden mit dem niedermolekularen Heparin Enoxaparin behandelt und nach zehn Behandlungstagen in vier verschiedene Respondergruppen (Gruppe 1 bis 4) eingeteilt. Diese Gruppen wurden auf fünf prothrombotische Parameter untersucht. Dazu wurden die Allelprävalenzen des Plasminogen Aktivator Inhibitor-(PAI-1 4G/5G) Polymorphismus, der Faktor V-Leiden-Mutation, der Prothrombin (G20210A) Genmutation sowie die Prävalenzen der Hyperfibrinogenämie und des Protein S-Mangels ermittelt. Mit Hilfe des exakten Fisher Tests wurden jeweils die Allelprävalenzen und Parameter sowohl der Respondergruppen 1 bis 3 mit einem Kollektiv der Allgemeinbevölkerung als auch mit dem Kollektiv der Non-Responder (Gruppe 4) verglichen. Die Prävalenz des Allels A der Faktor V-Leiden-Mutation G1691A war im Enoxaparin-Kollektiv bei den Respondern der Gruppen 1 bis 3 im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung und zur Non-Respondergruppe (Gruppe 4) signifikant erhöht. Die Allelprävalenzen und Parameter der übrigen prokoagulatorischen Faktoren unterschieden sich von denen der Kontrollgruppen nicht. Anhand des Kallikrein-Kinin-Systems als möglichem Effektor des Hämosta-sesystems konnten Hinweise auf die kausale Wirksamkeit des nieder-molekularen Heparins Enoxaparin bei der Behandlung chronischer Schmerzen gegeben werden.
Mit der vermehrten Nutzung zentralvenöser Katheter in der Pädiatrie stieg die Inzidenz der katheterassoziierten Komplikationen, darunter auch das Auftreten von katheterassoziierten Thrombosen, in den letzten Jahren an. Aufgrund der geringen Studienzahl und großer Unterschiede zwischen den existierenden Studien gibt es diesbezüglich für pädiatrische Patienten bisher noch wenig evidentes Wissen.
Ziel dieser Promotionsarbeit war es einerseits, eine aktuelle epidemiologische Erhebung der katheterassoziierten Thrombose bei onkologisch pädiatrischen Patienten durchzuführen. Zum anderen sollten Zusammenhänge zwischen patienten-/diagnose/katheterspezifischen Charakteristika und dem Auftreten katheterassoziierter Thrombosen erfasst werden, um mögliche Risikogruppen ausfindig zu machen, welche möglicherweise von der Anwendung präventiver Maßnahmen profitieren.
Zu diesem Zweck wurde die retrospektive Untersuchung an der onkologisch pädiatrischen Abteilung der Universitätskinderklinik Würzburg über den Zeitraum von 2008 bis 2012 durchgeführt.
Mittels der Datenerhebung über das klinikinterne SAP-System sowie anhand der Durchsicht von Patientenakten wurden insgesamt 448 neu diagnostizierte onkologisch pädiatrische Patienten, darunter 43 mit katheterassoziierter Thrombose, in die retrospektive Erhebung eingeschlossen.
Durch die statistische Auswertung der Daten konnte eine Inzidenz von 15.9% der katheterassoziierten Thrombose berechnet werden, wobei die Anzahl der neu aufgetretenen, dokumentierten Thrombosefälle im Laufe der beobachteten Jahre um fast das Doppelte anstiegen. Obwohl weder Geschlecht noch Alter als Risikofaktor für das Auftreten von katheterassoziierten Thrombosen identifiziert wurden, waren die weiblichen Patienten zum Zeitpunkt der Thrombose signifikant älter als die männlichen. Auf der Suche nach weiteren Risikofaktoren der katheterassoziierten Thrombose, konnten wir überdies feststellen, dass die Anwendung von Asparaginase Therapie signifikant mit dem Auftreten von Thrombosen assoziiert war.
Neben der Evaluation des thrombotischen Einflusses onkologischer Medikamente beobachteten wir, dass überlebende sowie die an ihrer Primärdiagnose verstorbenen Patienten mit fortschreitender Erkrankung mehr thrombotische Ereignisse zu verzeichnen hatten, als jene in kompletter Remission. Wir konnten folglich also in unseren Daten einen Zusammenhang zwischen Krankheitsstadium und Auftreten von katheterassoziierten Thrombosen nachweisen. Neben der Evaluation von patienten- und diagnoseassoziierter Risikofaktoren untersuchten wir auch, ob die erhobenen Parameter des implantierten Katheters mit einer erhöhten Thromboseinzidenz einhergingen. Dabei zeigte die Statistik unserer Daten, dass die in die Vena subclavia implantierten Katheter häufiger mit Thrombosen assoziiert waren als Katheter in der Vena jugularis externa und Vena cephalica.
Bezüglich der klinischen Manifestation der katheterassoziierten Thrombosen ergab die Auswertung unserer Daten zuletzt, dass sich der Großteil der Thrombosen anhand von Katheterdysfunktion manifestierte, während nur wenige Thrombosen mit klinischen Symptomen, wie lokalen Schmerzen, Schwellung von Arm, Hals und Gesicht, Ödembildung, Dilatation und Kollateralisierung oberflächlicher Venen einhergingen.
Wie in der Literatur weitgehend bekannt, konnten wir das thrombotische Risiko von Asparaginase Therapie bestätigen, wobei die Veränderung der Zusammensetzung der Blutgerinnungsfaktoren möglicherweise eine Rolle spielt.
Auch das erhöhte Thromboserisiko der Implantation zentralvenöser Katheter in die Vena subclavia wurde bereits in anderen Studien beobachtet und konnte in unserer pädiatrischen Kohorte bestätigt werden. Bezüglich des Zusammenhangs zwischen Tumorprogress und der erhöhten Inzidenz katheterassoziierter Thrombosen vermuten wir anhand unserer Daten und der vorliegenden Daten aus dem adulten Bereich, dass tumorspezifische Faktoren wie beispielsweise Metastasierung mit sekundärer Stase, Immobilisation, Dehydratation und Inflammation in der letzten Lebensphase zu einem erhöhten Risiko von Katheter assoziierten Thrombosen beitragen könnten.
Insgesamt ist die aktuelle Evidenz von Risikofaktoren katheterassoziierter Thrombosen in pädiatrischen Kohorten sehr limitiert. Prospektive, groß angelegte Studien werden daher dringend benötigt.
Anhand der von uns durchgeführten Studie konnte gezeigt werden, dass ein Zusammenspiel aus bestimmten patientenspezifischer, tumor sowie katheter assoziierter Faktoren auf das Auftreten katheterbedingter Thrombosen Einfluss nehmen kann. Da diese gefundenen Risikofaktoren mittels unserer retrospektiven Studie in erster Linie Hypothesen darstellen, die noch nicht eindeutig verifiziert werden können, sollten die beobachteten Tendenzen als auch Signifikanzen in einer größer angelegten prospektiven Studie evaluiert werden.
Bei der Konzeption zukünftiger Studien sollte daher besonders auf die Definition von Thrombose, die Zusammensetzung des Patientenkollektivs sowie die diagnostischen Mittel zur Erhebung der Daten geachtet werden, um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten. Ein weiteres Ziel für die Zukunft besteht darin, den Nutzen therapeutischer Antikoagulation, sowie primärer und sekundärer Prophylaxe der katheterassoziierten Thrombose, wie auch weitere thromboseassoziierte Risikofaktoren bei kindlichmalignen Grunderkrankungen zu evaluieren, um auf Grundlage evidenter Daten allgemeingültige Empfehlungen zur optimalen Thromboseprävention aussprechen zu können.
Fragestellung und wissenschaftlicher Hintergrund:
Anknüpfend an die S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin und an die internationale Choosing Wisely-Kampagne sowie die deutsche Klug Entscheiden-Initiative wurde auf der Palliativstation im Universitätsklinikum Würzburg im Juni 2015 das „Klug Entscheiden am Lebensende“-Programm (= KEL-Programm) eingeführt. Der Fokus der retrospektiven Patientenaktenanalyse lag auf der Thromboembolieprophylaxe in der Sterbephase (die drei bis sieben Tage vor dem eintretenden Tod) durch das NMH Natrium-Enoxaparin. Ein Zusammenhang zwischen tumorbedingten Erkrankungen und thromboembolischen Komplikationen ist unumstritten, konkurrierende Empfehlungen in verschiedenen Leitlinien erschweren jedoch die Entscheidungsfindung zur Indikationsstellung am Lebensende im palliativen Setting. Diese Untersuchung sollte zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Polymedikation am Lebensende am Beispiel der Thromboembolieprophylaxe beitragen und die praktische Umsetzung des KEL-Programms in der täglichen Praxis beleuchten.
Methodik:
Es wurden zwei Patientengruppen untersucht: die Kontrollgruppe (KoG, n = 107) vor der Einführung des KEL-Programmes sowie die Klug-Entscheiden-Gruppe (KEG, n = 85) nach der Implementierung des Programms. Es wurden jeweils nur auf der Station Verstorbene betrachtet. Die Patientendaten und klinischen Informationen wurden der ärztlichen und pflegerischen Dokumentation entnommen, die in den Patientenakten auf der Palliativstation sortiert vorlagen. Mithilfe eines Erfassungsbogens wurde die subkutane Applikation der NMH jeweils am Aufnahmetag, drei bis sieben Tage und zwei Tage vor dem Tod sowie am Todestag festgehalten. Zusätzlich wurden klinische Symptome notiert, die auf ein thromboembolisches Ereignis hinweisen könnten. Des Weiteren wurde die Verordnung der vier essentiellen Medikamente (Opioide, Benzodiazepine, Neuroleptika, Anticholinergika) zur Symptomkontrolle in der Sterbewoche sowie Symptome der Patienten erhoben.
Ergebnis:
Insgesamt erhielten am Aufnahmetag auf der Palliativstation 44,9 % der Patienten in der Kontrollgruppe das NMH Na-Enoxaparin und nur 29,4 % der Patienten in der Klug-Entscheiden-Gruppe und zeigte damit einen signifikanten Unterschied (p = 0,029; Chi-Quadrat-Test). Dieser Trend setzte sich auch in der gesamten Sterbewoche fort. Drei bis sieben Tage vor dem Tod wurde 52,6 % der Patienten in der Kontrollgruppe Na-Enoxaparin appliziert, in der Klug-Entscheiden-Gruppe erhielten es nur 28,6 % (p = 0,004; Chi-Quadrat-Test). Zwei Tage vor dem Tod wurden im ersten Zeitraum 30,8 %, im zweiten Zeitraum 5,5 % der Patienten mit Na-Enoxaparin therapiert (p < 0,001; Exakter Test nach Fisher). Am Todestag wurde es in der Kontrollgruppe 12,1 % gegeben und in der Klug-Entscheiden-Gruppe 3,5 % (p = 0,037; Exakter Test nach Fisher). In der ärztlichen und pflegerischen Dokumentation wurde keine Häufung von Hinweisen auf thromboembolische Ereignissen festgestellt (KoG: 7,5%, KEG: 5,9%, p = 0,662; Chi-Quadrat-Test). Schmerzen und Dyspnoe traten in vergleichbarer Intensität auf, die Symptomausprägung der Unruhe unterschied sich signifikant. Die vier essenziellen Medikamente zur Symptomlinderung in der Sterbephase waren in unverändertem Umfang erforderlich.
Schlussfolgerung:
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass durch individuelle Entscheidungen bezüglich des Absetzens der Thromboembolieprophylaxe am Lebensende kein Anstieg an thromboembolischen Komplikationen befürchtet werden muss. Auf diese Weise kann ein Beitrag zur Vermeidung von Polymedikation am Lebensende geleistet werden, ohne dass die Versorgungsqualität darunter zu leiden hat. Die erfolgreiche Implementierung des Würzburger KEL-Programms und diese Dissertation sollen zur weiteren Reflexion über ärztliches Handeln am Lebensende beitragen und ermutigen. Ärzte aller Fachrichtungen sind weiterhin für die Problematik der Überversorgung zu sensibilisieren und Empfehlungen im Sinne der Klug Entscheiden-Initiative sollen in die tägliche Praxis eingebunden werden.