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Eine Masernvirus- (MV) Infektion induziert eine effiziente virus-spezifische Immunantwort. Aber parallel erfolgt eine generelle Suppression immunologischer Funktionen, die sekundäre Infektionen ermöglichen und verstärken kann. Eine Lymphopenie und die ex vivo beobachtete stark verminderte proliferative Antwort peripherer Lymphozyten auf polyklonale oder antigenspezifische Aktivierung gilt als zentraler Befund für diese Immunsuppression. Bislang konnte in vitro keine Interferenz mit dem von den MV-Glykoproteinen generierten negativen Proliferationssignal nachgewiesen werden. Die in der vorliegenden Arbeit dargestellten Befunde zeigen jedoch, daß der MV induzierte Proliferationsarrest unter bestimmten Bedingungen in IPP/IL-2 (Isopentenylpyrophosphat und Interleukin-2) stimulierten gd T Zellen aufgehoben werden kann. Die Sensitivität der gd T Zellen gegenüber dem von den MV-Glykoproteinen vermittelten Signal gleicht der der konventionellen T Zellen. Dennoch reicht der Kontakt zu Monozyten und mit dem MV Vakzinestamm Edmonston (ED)-infizierten B Zellen oder dendritischen Zellen (DC) aus, eine ungehemmte Expansion der g9d2 T Zellen zu induzieren. Durch eine Interaktion mit ED-infizierten B Zellen und DC reagieren Monozyten wahrscheinlich mit einer Regulation stimulatorischer oder inhibitorischer Oberflächenmoleküle, die bei dem Kontakt mit gd T Zellen einen additiven Stimulus liefert, der das negative Proliferationssignal von MV neutralisiert. Auch Funktionen antigenpräsentierender Zellen (APC) scheinen differentiell durch MV-Stämme regulierbar zu sein. Die Erkennung von molekularen Mustern von Pathogenen über die Toll-ähnlichen Rezeptoren (TLR) ist eine wichtiger Schritt bei der Aktivierung einer Immunantwort durch APCs. Nachdem die Fähigkeit, mikrobieller Produkte APC über TLRs zu aktivieren, dokumentiert ist, sind nur zwei virale Proteine bekannt, die mit TLR4 interagieren. Mithilfe transgener Reporterzellen konnte demonstriert werden, daß MV-Wildtypstämme, nicht aber Vakzinestämme humanes und murines TLR2, wahrscheinlich mit CD14 als Korezeptor, und nicht TLR4, aktivieren. Die TLR2 agonistische Eigenschaft konnte dem MV-Wildtyp Hämagglutininprotein (H) zugeordnet werden. Der Austausch einer einzigen Aminosäure im WTF-H, Asparagin zu Tyrosin an der Positon 481, welche in an CD46 adaptierten Vakzinestämmen zu finden ist, reichte für den Verlust TLR agonistischer Aktivität aus. Auch in humanen Monozyten konnten Viren, die das authentische WTF-H Protein enthielten, die Expression TLR responsiver Gene wie IL-6 induzieren. Gleichzeitig verursachte die Aktivierung der Monozyten durch die TLR Agonisten, einschließlich der Wildtyp MV, die Expression des allgemeinen MV Rezeptors CD150, der von ruhenden Monozyten nicht exprimiert wird. Die Spezifität der WTF-H und TLR2 Interaktion konnte durch blockierende Antikörper und TLR2-/- Mäuse, die kein IL-6 nach Stimulation mit WTF freisetzen, gezeigt werden. Die Fähigkeit von MV-Wildtypstämmen TLR2 zu aktivieren, könnte wesentlich zu der Immunaktivierung, aber auch zur Ausbreitung und Pathogenese der Infektion beitragen und die Attenuierung von Vakzinestämmen erklären. Zusammenfassend liefern die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit Hinweise auf eine MV-stammspezifische Aktivierung angeborener Immunantworten, welche die adaptive Immunität modulieren können.
Die Infektion mit MV Wildtypvirus führt zu einer starken Immunsuppression und Sekundärinfektionen, die bei der Immunisierung mit einem attenuierten Vakzinestamm nicht auftreten. In vitro Studien zeigen, dass sowohl MV Wildtyp- als auch Impfstamminfizierte Zellen die Mitogen-induzierte Proliferation von humanen Blutlymphozyten inhibieren. Zur Bestätigung dieser Befunde im Baumwollrattenmodell wurde gezeigt, dass in vitro MV-infizierte Zellen die Proliferation der naiven Milzzellen hemmen und keine Unterschiede zwischen Wildtypen und Impfstämmen bestehen. Im Gegensatz dazu wurden nach intranasaler Infektion von Baumwollratten Unterschiede hinsichtlich der Proliferationsinhibition, Virusreplikation und Ausbreitung zwischen Wildtypvirus WTF und Impfstamm Edm gefunden. Nach intranasaler Infektion mit 105 TCID50 WTF war am Tag 4 die Proliferation bis zu 40% inhibiert. Bis zu 20 Tagen nach Infektion mit WTF wurde eine Proliferationsinhibition gemessen und das Virus in den drainierenden Lymphknoten bis Tag 4 nachgewiesen. Die intranasale Infektion mit Dosen von 103 TCID50 WTF bzw. mit 2-4x106 TCID50 Edm konnten im gleichem Maße die T-Zell- Proliferation hemmen. Somit war eine 1000fach niedrigere Dosis an WTF ausreichend, die gleiche hemmende Wirkung zu erzielen. Der gleiche Effekt wurde bei weiteren Wildtypstämmen (Bilthoven, ICB) und Impfstämmen gefunden. Eine Ursache für den unterschiedlich immunsuppressiven Effekt zwischen Wildtypen und Impfstämmen könnte die unterschiedliche Rezeptornutzung sein. Wildtypviren benutzen CD150 als Rezeptor und Impfstämme sowohl CD150 als auch CD46. Die Impfstämme wurden ursprünglich von Edm Wildtyp durch Passagierung auf Fibroblasten-Zellinien attenuiert und adaptierten an die CD46-Rezeptornutzung. Durch die dabei erfolgte Adaptation an CD46 wurde der Virus attenuiert. Dieses Phänomen konnte auch nach Passagierung eines Wildtypvirus auf verschiedenen Zelllinien gezeigt werden. Der auf lymphoiden Zellen passagierte Wildtyp WTFb und der auf Fibroblasten-Zellen WTFv passagierte haben unterschiedliches immunsuppressives Potential. Interessanterweise zeigte Edm-Wildtyp nach 9 Passagen auf Fibroblasten- Zellinien einen attenuierten Phänotyp im Baumwollrattenmodell. Allerdings revertierte dieser Virus bereits nach 3 Passagen in der Baumwollratte zu einem immunsuppressiven, sich ausbreitenden Virus. Die Untersuchung der rekombinanten Viren Edm (WTF H), Edm (WTF F) und Edm (WTF H+F) zeigte, dass Impfstämme, welche das Oberflächenprotein H von WTF anstelle des H-Proteins von Edm tragen, proliferationshemmend sind und sich im Organismus ausbreiten. Das F-Protein von Edm oder WTF hatte keinen Einfluß auf Immunsuppression und Virusausbreitung, Die Rückmutation in dem WTF H-Protein an der Aminosäure-Position 481 von Aspargin zu Tyrosin (N481Y) veränderte die Rezeptornutzung von CD46 auf CD150 und den Phänotyp von einem immunsuppressiven, sich ausbreitenden Virus zu einem nichtimmunsuppressiven, nicht-ausbreitenden Virus. Da die Aminosäureposition 481 einen starken Einfluß auf die Benutzung von CD46 oder CD150 ausübt, scheint somit das HProtein von WTF die immunsuppressive Wirkung und Virusausbreitung maßgeblich zu beeinflussen. Wie beim Menschen konnten in der Baumwollratte MV-infizierte Makrophagen nachgewiesen werden. Durch die Infektion mit einem GFP-MV wurde die Virusreplikation nachgewiesen, das Virus wurde aus Makrophagen rückisoliert und durch Kokultivierung mit Indikatorzellen die Ausprägung des zytopathischen Effektes fluoreszenzmikroskopisch beobachtet. Weitere Untersuchungen zeigten Unterschiede zwischen WTF und Edm-infizierten Makrophagen hinsichtlich der Proliferationsinhibition von Milzzellen. Der direkte Kontakt von Wildtyp WTFinfizierten Makrophagen hemmte die T-Zell-Proliferation. Dagegen wurde durch Edminfizierte Makrophagen keine T-Zell-Proliferationinhibition ausgelöst. Erklären läßt sich das möglicherweise mit dem unterschiedlichen Sekretionsprofil verschiedener Interleukine von WTF und Edm-infizierten Makrophagen, da bei WTF-infizierten Makrophagen eine Unterdrückung der Produktion von IL-12 gefunden wurde. In der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, dass die im Menschen beobachteten Unterschiede hinsichtlich Virusausbreitung und Immunsuppression zwischen Wildtypenund Impfstämmen mit den Befunden in der Baumwollratte übereinstimmen. Außerdem konnte festgestellt werden, dass die Interaktion von MV H-Protein und den Rezeptoren mit der Immunsuppression und Virusausbreitung korreliert. Die Unterdrückung der Sekretion von IL-12 in Makrophagen aus der Baumwollratte könnte die Hypothese unterstützen, dass die Immunsuppression während der MV-Infektion durch eine fehlgeleitete Th2-Antwort begünstig wird.