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Aktivitätsbasierte Verhaltensmodellierung und ihre Unterstützung bei Multiagentensimulationen
(2000)
Durch Zusammenführung traditioneller Methoden zur individuenbasierten Simulation und dem Konzept der Multiagentensysteme steht mit der Multiagentensimulation eine Methodik zur Verfügung, die es ermöglicht, sowohl technisch als auch konzeptionell eine neue Ebene an Detaillierung bei Modellbildung und Simulation zu erreichen. Ein Modell beruht dabei auf dem Konzept einer Gesellschaft: Es besteht aus einer Menge interagierender, aber in ihren Entscheidungen autonomen Einheiten, den Agenten. Diese ändern durch ihre Aktionen ihre Umwelt und reagieren ebenso auf die für sie wahrnehmbaren Änderungen in der Umwelt. Durch die Simulation jedes Agenten zusammen mit der Umwelt, in der er "lebt", wird die Dynamik im Gesamtsystem beobachtbar. In der vorliegenden Dissertation wurde ein Repräsentationsschema für Multiagentensimulationen entwickelt werden, das es Fachexperten, wie zum Beispiel Biologen, ermöglicht, selbständig ohne traditionelles Programmieren Multiagentenmodelle zu implementieren und mit diesen Experimente durchzuführen. Dieses deklarative Schema beruht auf zwei Basiskonzepten: Der Körper eines Agenten besteht aus Zustandsvariablen. Das Verhalten des Agenten kann mit Regeln beschrieben werden. Ausgehend davon werden verschiedene Strukturierungsansätze behandelt. Das wichtigste Konzept ist das der "Aktivität", einer Art "Verhaltenszustand": Während der Agent in einer Aktivität A verweilt, führt er die zugehörigen Aktionen aus und dies solange, bis eine Regel feuert, die diese Aktivität beendet und eine neue Aktivität auswählt. Durch Indizierung dieser Regeln bei den zugehörigen Aktivitäten und Einführung von abstrakten Aktivitäten entsteht ein Schema für eine vielfältig strukturierbare Verhaltensbeschreibung. Zu diesem Schema wurde ein Interpreter entwickelt, der ein derartig repräsentiertes Modell ausführt und so Simulationsexperimente mit dem Multiagentenmodell erlaubt. Auf dieser Basis wurde die Modellierungs- und Experimentierumgebung SeSAm ("Shell für Simulierte Agentensysteme") entwickelt. Sie verwendet vorhandene Konzepte aus dem visuellen Programmieren. Mit dieser Umgebung wurden Anwendungsmodelle aus verschiedenen Domänen realisiert: Neben abstrakten Spielbeispielen waren dies vor allem Fragestellungen zu sozialen Insekten, z.B. zum Verhalten von Ameisen, Bienen oder der Interaktion zwischen Bienenvölkern und Milbenpopulationen.
Röntgencomputertomographie (CT) hat in ihrer industriellen Anwendung ein sehr breites Spektrum möglicher Prüfobjekte. Ziel einer CT-Messung sind dreidimensionale Abbilder der Verteilung des Schwächungskoeffizienten der Objekte mit möglichst großer Genauigkeit. Die Parametrierung eines CT-Systems für ein optimales Messergebnis hängt stark vom zu untersuchenden Objekt ab. Eine Vorhersage der optimalen Parameter muss die physikalischen Wechselwirkungen mit Röntgenstrahlung des Objektes und des CT-Systems berücksichtigen. Die vorliegende Arbeit befasst sich damit, diese Wechselwirkungen zu modellieren und mit der Möglichkeit den Prozess zur Parametrierung anhand von Gütemaßen zu automatisieren. Ziel ist eine simulationsgetriebene, automatische Parameteroptimierungsmethode, welche die Objektabhängigkeit berücksichtigt. Hinsichtlich der Genauigkeit und der Effizienz wird die bestehende Röntgensimulationsmethodik erweitert. Es wird ein Ansatz verfolgt, der es ermöglicht, die Simulation eines CT-Systems auf reale Systeme zu kalibrieren. Darüber hinaus wird ein Modell vorgestellt, welches zur Berechnung der zweiten Ordnung der Streustrahlung im Objekt dient. Wegen des analytischen Ansatzes kann dabei auf eine Monte-Carlo Methode verzichtet werden. Es gibt in der Literatur bisher keine eindeutige Definition für die Güte eines CT-Messergebnisses. Eine solche Definition wird, basierend auf der Informationstheorie von Shannon, entwickelt. Die Verbesserungen der Simulationsmethodik sowie die Anwendung des Gütemaßes zur simulationsgetriebenen Parameteroptimierung werden in Beispielen erfolgreich angewendet beziehungsweise mittels Referenzmethoden validiert.
Die Mikrostruktur von Zirkonoxid–Aluminiumoxid Keramiken wurde im Rasterelektronenmikroskop (REM) untersucht und mittels quantitativer Bildanalyse weiter charakterisiert. Die so erhaltenen spezifischen morphologischen Kennwerte wurden mit denen, die an dreidimensionalen Modellstrukturen äquivalent gewonnen wurden, verglichen. Es wurden modifizierte Voronoistrukturen benutzt, um die beteiligten Phasen in repräsentativen Volumenelementen (RVE) auf Voxelbasis zu erzeugen. Poren wurden an den Ecken und Kanten dieser Strukturen nachträglich hinzugefüg.
Nachdem alle relevanten Kennwerte der Modellstrukturen an die realen keramischen Mikrostrukturen angepasst wurden, musste das RVE für die Finite Element Simulationen (FES) geeignet vernetzt werden. Eine einfache Übernahme der Voxelstrukturen in hexaedrische Elemente führt zu sehr langen Rechenzeiten, und die erforderliche Genauigkeit der FES konnte nicht erreicht werden. Deshalb wurde zunächst eine adaptive Oberflächenvernetzung ausgehend von einem generally classed marching tetrahedra Algorithmus erzeugt. Dabei wurde besonderer Wert auf die Beibehaltung der zuvor angepassten Kennwerte gelegt. Um die Rechenzeiten zu verkürzen ohne die Genauigkeit der FES zu beeinträchtigen, wurden die Oberflächenvernetzungen dergestalt vereinfacht, dass eine hohe Auflösung an den Ecken und Kanten der Strukturen erhalten blieb, während sie an flachen Korngrenzen stark verringert wurde. Auf Basis dieser Oberflächenvernetzung wurden Volumenvernetzungen, inklusive der Abbildung der Korngrenzen durch Volumenelemente, erzeugt und für die FES benutzt. Dazu wurde ein FE-Modell zur Simulation der Impedanzspektren aufgestellt und validiert.
Um das makroskopische elektrische Verhalten der polykristallinen Keramiken zu simulieren, mussten zunächst die elektrischen Eigenschaften der beteiligten Einzelphasen gemessen werden. Dazu wurde eine Anlage zur Impedanzspektroskopie bis 1000 °C aufgebaut und verwendet. Durch weitere Auswertung der experimentellen Daten unter besonderer Berücksichtigung der Korngrenzeffekte wurden die individuellen Phaseneigenschaften erhalten.
Die Zusammensetzung der Mischkeramiken reichte von purem Zirkonoxid (3YSZ) bis zu purem Aluminiumoxid. Es wurde eine sehr gute Übereinstimmung zwischen den experimentellen und simulierten Werten bezüglich der betrachteten elektrischen, mechanischen und thermischen Eigenschaften erreicht. Die FES wurden verwendet, um die Einflüsse verschiedener mikrostruktureller Parameter, wie Porosität, Korngröße und Komposition, auf das makroskopische Materialverhalten näher zu untersuchen.
In der vorliegenden Arbeit wird das Problem der Kalibrierung Agenten-basierter Simulationen (ABS) behandelt, also das Problem, die Parameterwerte eines Agenten-basierten Simulationsmodells so einzustellen, dass valides Simulationsverhalten erreicht wird. Das Kalibrierungsproblem für Simulationen an sich ist nicht neu und ist im Rahmen klassischer Simulationsparadigmen, wie z.B. der Makro-Simulation, fester Bestandteil der Forschung. Im Vergleich zu den dort betrachteten Kalibrierungsproblemen zeichnet sich das Kalibrierungsproblem für ABS jedoch durch eine Reihe zusätzlicher Herausforderungen aus, welche die direkte Anwendung existierender Kalibrierungsverfahren in begrenzter Zeit erschweren, bzw. nicht mehr sinnvoll zulassen. Die Lösung dieser Probleme steht im Zentrum dieser Dissertation: Das Ziel besteht darin, den Nutzer bei der Kalibrierung von ABS auf der Basis von unzureichenden, potentiell fehlerhaften Daten und Wissen zu unterstützen. Dabei sollen drei Hauptprobleme gelöst werden: 1)Vereinfachung der Kalibrierung großer Agenten-Parametermengen auf der Mikro- Ebene in Agenten-basierten Simulationen durch Ausnutzung der spezifischen Struktur von ABS (nämlich dem Aufbau aus einer Menge von Agentenmodellen). 2)Kalibrierung Agenten-basierter Simulationen, so dass auf allen relevanten Beobachtungsebenen valides Simulationsverhalten erzeugt wird (mindestens Mikro und Makro-Ebene). Als erschwerende Randbedingung muss die Kalibrierung unter der Voraussetzung einer Makro-Mikro-Wissenslücke durchgeführt werden. 3)Kalibrierung Agenten-basierter Simulationen auf der Mikro-Ebene unter der Voraussetzung, dass zur Kalibrierung einzelner Agentenmodelle nicht ausreichend und potentiell verfälschte Daten zur Verhaltensvalidierung zur Verfügung stehen. Hierzu wird in dieser Arbeit das sogenannte Makro-Mikro-Verfahren zur Kalibrierung von Agenten-basierten Simulationen entwickelt. Das Verfahren besteht aus einem Basisverfahren, das im Verlauf der Arbeit um verschiedene Zusatzverfahren erweitert wird. Das Makro-Mikro-Verfahren und seine Erweiterungen sollen dazu dienen, die Modellkalibrierung trotz stark verrauschter Daten und eingeschränktem Wissen über die Wirkungszusammenhänge im Originalsystem geeignet zu ermöglichen und dabei den Kalibrierungsprozess zu beschleunigen: 1) Makro-Mikro-Kalibrierungsverfahren: Das in dieser Arbeit entwickelte Makro- Mikro-Verfahren unterstützt den Nutzer durch eine kombinierte Kalibrierung auf der Mikro- und der Makro-Beobachtungsebene, die gegebenenfalls durch Zwischenebenen erweitert werden kann. Der Grundgedanke des Verfahrens besteht darin, das Kalibrierungsproblem in eines auf aggregierter Verhaltensebene und eines auf der Ebene des Mikro-Agentenverhaltens aufzuteilen. Auf der Makro-Ebene wird nach validen idealen aggregierten Verhaltensmodellen (IVM) der Agenten gesucht. Auf der Mikro-Ebene wird versucht die individuellen Modelle der Agenten auf Basis des erwünschten Gesamtverhaltens und der ermittelten IVM so zu kalibrieren, das insgesamt Simulationsverhalten entsteht, das sowohl auf Mikro- als auch auf Makro-Ebene valide ist. 2) Erweiterung 1: Robuste Kalibrierung: Um den Umgang mit potentiell verrauschten Validierungskriterien (d.h. mit verrauschten Daten über ein Originalsystem, auf denen die Validierungskriterien der Simulation beruhen) und Modellteilen während der Kalibrierung von ABS zu ermöglichen, wird eine robuste Kalibrierungstechnik zur Anwendung im Makro-Mikro-Verfahren entwickelt. 3) Erweiterung 2: Kalibrierung mit Heterogenitätssuche: Als zweite Erweiterung des Makro-Mikro-Verfahrens wird ein Verfahren entwickelt, das das Problem des unklaren Detaillierungsgrades von ABS auf der Ebene der Parameterwerte adressiert. Prinzipiell kann zwar jeder Agent unterschiedliche Parameterwerte verwenden, obwohl eine geringere Heterogenität zur Erzeugung validen Verhaltens ausreichend wäre. Die entwickelte Erweiterung versucht, während der Kalibrierung, eine geeignete Heterogenitätsausprägung für die Parameterwerte der Agenten zu ermitteln. Unter einer Heterogenitätsausprägung wird dabei eine Einteilung der simulierten Agenten in Gruppen mit jeweils gleichen Parameterwerten verstanden. Die Heterogenitätssuche dient dazu, einen Kompromiss zu finden zwischen der Notwendigkeit, sehr große Parametersuchräume durchsuchen zu müssen und gleichzeitig den Suchraum so klein wie möglich halten zu wollen.
Die vorliegende Arbeit ist in zwei Teile gegliedert, von denen der erste Teil den theoretischen Hintergrund und empirische Befunde zum Thema „Komplexes Problemlösen“ behandelt. Der zweite Teil beinhaltet Methodik und Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung. Nach der Einleitung in Kapitel 1 werden in Kapitel 2 die „Grundkonzepte des Komplexen Problemlösens“ vorgestellt, wobei mit der Abgrenzung des Bereichs „Komplexes Problemlösen“ begonnen wird. Anschließend werden die Eigenschaften von komplexen Systemen und deren Anforderungen an Problemlöser beschrieben, wobei die Taxonomie1 von Dörner et al. (1994) zugrunde gelegt wird. In Kapitel 3 werden Modelle der Wissensrepräsentation und des Problemlösens vorgestellt. Dabei wird der Begriff der „Strategie“ diskutiert und im Zusammenhang mit verschiedenen allgemeinen Modellen des Problemlösens erläutert. Kapitel 4 behandelt das Konzept „Delegation“. Delegation wird in dieser Arbeit als Methode verwendet, um Versuchspersonen zur Formalisierung ihrer Strategien zu bewegen, wobei sie die Ausführung der Strategien gleichzeitig beobachten können. Es werden vor allem Befunde aus der Organisationspsychologie und Unternehmensführung berichtet und die Anwendung von Delegation in der Interaktion zwischen Mensch und künstlichem Agent erörtert. In Kapitel 5 werden Waldbrandsimulationen behandelt. Diese zählen zu den klassischen Simulationen, die zur Untersuchung von Komplexem Problemlösen verwendet werden. Zuerst wird auf computergestützte Simulation im Allgemeinen eingegangen, wobei Unterschiede zu traditionellen Untersuchungsmethoden angesprochen werden. Dabei wird auch die Bedeutung der Multiagentensimulation für die Komplexe Problemlöseforschung hervorgehoben. Anschließend wird Feuerverhalten und Feuerbekämpfung als Vorbild für Waldbrandsimulationen erläutert. Dadurch können sowohl Anhaltspunkte zur Beurteilung der Plausibilität als auch für die Implementierung einer Waldbrandsimulation gewonnen werden. Im Anschluss daran werden drei bekannte Beispiele für Waldbrandsimulationen vorgestellt, wobei auch auf domänen- bzw. simulationsspezifische Strategien eingegangen wird. In Kapitel 6 wird ein Überblick über verschiedene empirische Befunde aus dem Bereich des Komplexen Problemlösens gegeben. Diese betreffen sowohl Eigenschaften von komplexen Systemen als auch Merkmale des Problemlösers. In Kapitel 7 werden die wichtigsten Kritikpunkte und Probleme, mit denen die Komplexe Problemlöseforschung zu kämpfen hat, zusammengefasst. Die konkreten Fragestellungen der Untersuchung werden in Kapitel 8 vorgestellt, wobei Kapitel 9 und 10 erläutern, mit welcher Methodik diese Fragen untersucht werden. In diesem Zusammenhang wird auch die Simulationsumgebung SeSAm vorgestellt. Im folgenden Kapitel 11 wird auf die Eigenschaften der implementierten Waldbrandsimulation eingegangen. Kapitel 12 beschreibt den Aufbau und Ablauf der Untersuchung, mit der die Daten gewonnen werden, die in Kapitel 13 berichtet werden. Eine Diskussion der Befunde im Hinblick auf die Fragestellungen und ihre Bedeutung für die zukünftige Forschung erfolgt in Kapitel 14.
Im Physikunterricht wurde lange Zeit die Bedeutung quantitativer Zusammenhänge für das Physiklernen überbewertet, qualitative Zusammenhänge spielten dagegen eine eher untergeordnete Rolle. Dies führte dazu, dass das Wissen der Schüler zumeist oberflächlich blieb und nicht auf neue Situationen angewendet werden konnte. TIMSS und Pisa offenbarten diese Schwierigkeiten. In den Abschlussberichten wurde kritisiert, dass die Schüler kaum in der Lage seien, Lernstoff zu transferieren oder problemlösend zu denken. Um physikalische Abläufe deuten und entsprechende Probleme lösen zu können, ist qualitativ-konzeptuelles Wissen nötig. Dieses kann, wie Forschungsergebnisse belegen, am besten durch die konstruktivistisch motivierte Gestaltung von Lernsituationen sowie durch die Integration externer Repräsentationen von Versuchsaussagen in den Schulunterricht erreicht werden. Eine konkrete Umsetzung dieser Bedingungen stellt der Einsatz rechnergestützter Experimente dar, der heutzutage ohne allzu großen technischen Aufwand realisiert werden kann. Diese Experimente erleichtern es dem Lernenden, durch den direkten Umgang mit realen Abläufen, physikalische Konzepte zu erschließen und somit qualitative Zusammenhänge zu verstehen. Während man lange Zeit von einer grundsätzlichen Lernwirksamkeit animierter Lernumgebungen ausging, zeigen dagegen neuere Untersuchungen eher Gegenteiliges auf. Schüler müssen offensichtlich erst lernen, wie mit multicodierten Repräsentationen zu arbeiten ist. Die vorliegende Arbeit will einen Beitrag dazu leisten, herauszufinden, wie lernwirksam sogenannte dynamisch-ikonische Repräsentationen (DIR) sind, die physikalische Größen vor dem Hintergrund konkreter Versuchsabläufe visualisieren. Dazu bearbeiteten im Rahmen einer DFG-Studie insgesamt 110 Schüler jeweils 16 Projekte, in denen mechanische Konzepte (Ort, Geschwindigkeit, Beschleunigung und Kraft) aufgegriffen wurden. Es zeigte sich, dass die Probanden mit den eingesetzten DIR nicht erfolgreicher lernen konnten als vergleichbare Schüler, die die gleichen Lerninhalte ohne die Unterstützung der DIR erarbeiteten. Im Gegenteil: Schüler mit einem geringen visuellen Vorstellungsvermögen schnitten aufgrund der Darbietung einer zusätzlichen Codierung schlechter ab als ihre Mitschüler. Andererseits belegen Untersuchungen von Blaschke, dass solche Repräsentationen in der Erarbeitungsphase einer neu entwickelten Unterrichtskonzeption auch und gerade von schwächeren Schülern konstruktiv zum Wissenserwerb genutzt werden konnten. Es scheint also, dass die Lerner zunächst Hilfe beim Umgang mit neuartigen Repräsentationsformen benötigen, bevor sie diese für den weiteren Aufbau adäquater physikalischer Modelle nutzen können. Eine experimentelle Untersuchung mit Schülern der 10. Jahrgangsstufe bestätigte diese Vermutung. Hier lernten 24 Probanden in zwei Gruppen die mechanischen Konzepte zu Ort, Geschwindigkeit und Beschleunigung kennen, bevor sie im Unterricht behandelt wurden. Während die Teilnehmer der ersten Gruppe nur die Simulationen von Bewegungsabläufen und die zugehörigen Liniendiagramme sahen, wurden für die zweite Gruppe unterstützend DIR eingesetzt, die den Zusammenhang von Bewegungsablauf und Liniendiagramm veranschaulichen sollten. In beiden Gruppen war es den Probanden möglich, Fragen zu stellen und Hilfe von einem Tutor zu erhalten. Die Ergebnisse zeigten auf, dass es den Schülern durch diese Maßnahme ermöglicht wurde, die DIR erfolgreich zum Wissenserwerb einzusetzen und signifikant besser abzuschneiden als die Teilnehmer in der Kontrollgruppe. In einer weiteren Untersuchung wurde abschließend der Frage nachgegangen, ob DIR unter Anleitung eines Tutors eventuell bereits in der Unterstufe sinnvoll eingesetzt werden können. Ausgangspunkt dieser Überlegung war die Tatsache, dass mit der Einführung des neuen bayerischen G8-Lehrplans wesentliche Inhalte, die Bestandteil der vorherigen Untersuchungen waren, aus dem Physikunterricht der 11. Jgst. in die 7. Jahrgangsstufe verlegt wurden. So bot es sich an, mit den Inhalten auch die DIR in der Unterstufe einzusetzen. Die Untersuchungen einer quasiexperimentellen Feldstudie in zwei siebten Klassen belegten, dass die betrachteten Repräsentationen beim Aufbau entsprechender Konzepte keinesfalls hinderlich, sondern sogar förderlich sein dürften. Denn die Schülergruppe, die mit Hilfe der DIR lernte, schnitt im direkten hypothesenprüfenden Vergleich mit der Kontrollklasse deutlich besser ab. Ein Kurztest, der die Nachhaltigkeit des Gelernten nach etwa einem Jahr überprüfen sollte, zeigte zudem auf, dass die Schüler der DIR-Gruppe die Konzepte, die unter Zuhilfenahme der DIR erarbeitet wurden, im Vergleich zu Schülern der Kontrollklasse und zu Schülern aus 11. Klassen insgesamt überraschend gut verstanden und behalten hatten.
Die elektrophysiologischen Vorgänge während der Depolarisation und Repolarisation des Myokards können mittels der Signale des 12-Kanal EKGs selbst bei Vorliegen großen Expertenwissens nur unzureichend beobachtet bzw. interpretiert werden. Grund hierfür sind vor allen Dingen Inhomogenitäten in der kardialen und thorakalen elektrischen Leitfähigkeit sowie die starke Signalabschwächung in den durchlaufenen Geweben. Intrakardiale Verfahren der Signalableitung sind ein Ansatz zu Lösung dieses Problems; sie sind jedoch aufwändig und risikobehaftet. In dem in dieser Arbeit eingesetzten Verfahren hingegen konnte, durch patientenindividuelle Modellierung der Herz- und Thoraxanatomie sowie der Leitfähigkeitsverhältnisse, mittels numerischer Verfahren aus einer Vielzahl von Oberflächen-EKG Ableitungen auf die elektrophysiologischen Vorgänge im Myokard in ihrem zeitlichen und örtlichen Verlauf geschlossen werden (Inverses Problem der Elektrokardiographie). Es konnten bei gesunden Probanden sowie bei Patienten mit verschiedenen kardialen Pathologien zeitlich und örtlich hochaufgelöste Rekonstruktionen von epikardialen- und Transmembranpotentialverteilungen angefertigt werden. Es zeigte sich, dass insbesondere im Bereich großer Infarktnarben der Herzvorder- sowie der Herzhinterwand elektrophysiologische Auffälligkeiten nachweisbar waren. So zeigten sich während der Depolarisationsphase Myokardareale mit einer verminderten Aktivität und Polarisationsumkehr, Bezirke mit verzögerter Depolarisationsaktivität sowie Areale mit atypisch verlaufender Repolarisationsaktivität. Anhand der vorliegenden Ergebnisse konnte gezeigt werden, dass eine Rekonstruktion der physiologischen Abläufe im Myokard während der Depolarisation und der Repolarisation mit dem hierzu implementierten Verfahren möglich ist. Anhand von elektroanatomischen Modellen konnten darüber hinaus die physiologische sowie die pathologisch veränderte Erregungsausbreitung im Myokard simuliert werden. Durch Verbesserung der Rekonstruktionsalgorithmen, der Methoden der Signalverarbeitung und der Regularisierung der Lösungsverfahren ist zukünftig eine weitere Verbesserung der Rekonstruktionsergebnisse zu erwarten. Vor dem klinischen Einsatz der Methode muss eine eingehende Validation erfolgen.
Das Magnetfeld der Sonne ist kein einfaches statisches Dipolfeld, sondern weist
wesentlich kompliziertere Strukturen auf. Wenn Rekonnexion die Topologie eines
Feldlinienbündels verändert, wird viel Energie frei, die zuvor im Magnetfeld
gespeichert war. Das abgetrennte Bündel wird mit dem damit verbundenen Plasma
mit großer Geschwindigkeit durch die Korona
von der Sonne weg bewegen. Dieser Vorgang wird als koronaler Massenauswurf
bezeichnet. Da diese Bewegung mit Geschwindigkeiten deutlich über der
Alfv\'en-Geschwindigkeit, der kritischen Geschwindigkeit im Sonnenwind,
erfolgen kann, bildet sich eine Schockfront, die durch den Sonnenwind
propagiert.
Satelliten, die die Bedingungen im Sonnenwind beobachten, detektieren beim
Auftreten solcher Schockfronten einen erhöhten Fluss von hochenergetischen
Teilchen. Mit Radioinstrumenten empfängt man zeitgleich elektromagnetische
Phänomene, die als Radiobursts bezeichnet werden, und ebenfalls für die
Anwesenheit energiereicher Teilchen sprechen. Daher, und aufgrund von
theoretischen Überlegungen liegt es nahe, anzunehmen, daß Teilchen an der
Schockfront beschleunigt werden können.
Die Untersuchung der Teilchenbeschleunigung an kollisionsfreien Schockfronten
ist aber noch aus einem zweiten Grund interessant. Die Erde wird kontinuierlich
von hochenergetischen Teilchen, die aus historischen Gründen als kosmische
Strahlung bezeichnet werden, erreicht. Die gängige Theorie für deren Herkunft
besagt, daß zumindest der galaktische Anteil durch die Beschleunigung an
Schockfronten, die durch Supernovae ausgelöst wurden, bis zu den beobachteten
hohen Energien gelangt sind. Das Problem bei der Untersuchung der Herkunft der
kosmischen Strahlung ist jedoch, daß die Schockfronten um Supernovaüberreste
aufgrund der großen Entfernung nicht direkt beobachtbar sind.
Es liegt dementsprechend nahe, die Schockbeschleunigung an den wesentlich
näheren und besser zu beobachtenden Schocks im Sonnensystem zu studieren, um so
Modelle und Simulationen entwickeln und testen zu können.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich daher mit Simulationen von
Schockfronten mit Parametern, die etwa denen von CME getriebenen Schocks
entsprechen. Um die Entwicklung der Energieverteilung der Teilchen zu studieren,
ist ein kinetischer Ansatz nötig. Dementsprechend wurden die Simulationen mit
einem Particle-in-Cell Code durchgeführt. Die Herausforderung ist dabei die
große Spanne zwischen den mikrophysikalischen Zeit- und Längenskalen, die aus
Gründen der Genauigkeit und numerischen Stabilität aufgelöst werden müssen und
den wesentlich größeren Skalen, die die Schockfront umfasst und auf der
Teilchenbeschleunigung stattfindet.
Um die Stabilität und physikalische Aussagekraft der Simulationen
sicherzustellen, werden die numerischen Bausteine mittels Testfällen, deren
Verhalten bekannt ist, gründlich auf ihre Tauglichkeit und korrekte
Implementierung geprüft.
Bei den resultierenden Simulationen wird das Zutreffen von analytischen
Vorhersagen (etwa die Einhaltung der Sprungbedingungen) überprüft. Auch die
Vorhersagen einfacherer Plasmamodelle, etwa für das elektrostatischen
Potential an der Schockfront, das man auch aus einer Zwei-Fluid-Beschreibung
erhalten kann, folgen automatisch aus der selbstkonsistenten, kinetischen
Beschreibung. Zusätzlich erhält man Aussagen über das Spektrum und die Bahnen
der beschleunigten Teilchen.