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Schutzgebiete und insbesondere Nationalparke haben nach den Richtlinien der IUCN ein Doppelmandat bzw. eine doppelte Funktion: Sie sollen zum einen Räume für Natur- und Artenschutz und zum anderen für Erholung, Umweltbildung und Tourismus bieten und durch letztgenanntes zur Stärkung der Regionalökonomie beitragen. Um diesen Spagat zu meistern, sollten sich Schutzgebiete bzw. deren Verwaltungen und kooperierende Destinationsmarketingorganisationen darüber im Klaren sein, welche Besuchersegmente bzw. Tourismusprodukte im Schutzgebiet anzutreffen sind, bzw. angeboten werden und welchen Einfluss diese auf die Erfüllung des Doppelmandates haben. Die deduktiv entworfene Product-based Typology for Nature-based Tourism von ARNEGGER et al. (2010) bietet hierfür einen zweidimensionalen Analyserahmen, der die Angebots- und Nachfrageperspektive auf den Tourismus und dessen Produkte vereint und bisher noch nicht empirisch angewendet wurde, was das vorrangige Ziel dieser Studie ist.
Hierfür wurde von Theorien und empirischen Studien aus dem Kontext von Natur- und Ökotourismus eine Operationalisierung der Typologie abgeleitet, die am Beispiel des Nationalparks Berchtesgaden eingesetzt wurde. Dabei wurden zwei Ansätze verfolgt, eine angebotsseitige und eine nachfrageseitige Abgrenzung von Tourismusprodukten. Zur empirischen Erfassung von Tourismusprodukten wurde eine umfassende Besucherbefragung in der Sommersaison 2014 durchgeführt, bei der Informationen von rund 1.400 Besuchern des Nationalparks gesammelt werden konnten.
Aus Sicht der Nachfrager wurden sechs Produkt-Cluster identifiziert, die sich bezüglich Reiseaktivitäten und Motiven unterscheiden. Das mit der höchsten Naturaffinität ist das Produkt-Cluster der „Naturbildungsurlauber“ bzw. der „Ökotouristen“. Auf der anderen Seite des Spektrums stehen die „Passiven Erholungsurlauber“ mit einer geringen Nationalparkaffinität. Des Weiteren wurden spezifische Tourismusprodukte aus der Angebotsperspektive, wie Exkursionen der Nationalparkverwaltung oder mehrtägige geführte Wanderungen von spezialisierten Nischenreiseveranstaltern, identifiziert.
Nach der empirischen Abgrenzung der Produkte wurden diese dahingehend überprüft, ob sie sich bezüglich ökonomischer und ökologischer Indikatoren unterscheiden, um zu eruieren, inwieweit die Segmente aus Sicht einer nachhaltigen Regionalentwicklung bzw. aus Sicht des Doppelmandats zu beurteilen sind. Auch hier schneiden etwa die Naturbildungsurlauber relativ gut ab, da sie Muster von structured ecotourism aufweisen und sich durch eine hohe Naturaffinität, positive Einstellungen zu nachhaltigem Tourismus und relativ hohe Reiseausgaben auszeichnen. Bei drei Clustern zeigt sich ein gewisser trade-off: Während die Bergsteiger aus ökologischer jedoch nicht aus ökonomischer Perspektive interessant sind, ist dies bei den allgemeinen Vergnügungs- und Naturerlebnisurlaubern und den passiven Erholungsurlaubern genau umgekehrt.
Basierend auf den Ergebnissen werden mögliche Adaptionen der Typologie diskutiert und darauf aufbauend ein Analyserahmen für eine „Typologie für Nachhaltige Park-Tourismus Produkte“ erarbeitet. Zudem werden theoretische und erste praktische Implikationen für das Management von Schutzgebiets-Destinationen diskutiert, um unter Berücksichtigung der trade-offs das Produktportfolio weiterzuentwickeln, das eine Destination auf den Pfad des sogenannten enlightened mass tourism bringen kann.
Von den drei aktuell in Deutschland zu unterscheidenden Großschutzgebietskategorien Nationalpark, Naturpark und Biosphärenreservat stellt der Nationalpark gewiss die höchsten Ansprüche an den Naturschutz. Im Idealfall sollen bis zu drei Viertel der betreffenden Flächen gänzlich aus der Nutzung genommen werden. Dieser Nutzungsverzicht hat im Vorfeld einer Gebietsausweisung aufgrund der damit verbundenen ökonomischen Einbußen oftmals Bedenken der lokalen Bevölkerung gegenüber diesem Flächenschutzinstrument zur Folge. Nationalparke können jedoch als Attraktionspunkte im Tourismus durchaus zu einer eigenständigen Entwicklung ländlich-peripherer Regionen beitragen. Die vorliegende Arbeit untersucht deshalb die Strukturen des Tourismus und dessen ökonomischen Stellenwert in den deutschen Nationalparkregionen. Auf Grundlage einer Typisierung der bestehenden vierzehn Gebiete wurden zunächst fünf Untersuchungsregionen ausgewählt (Bayerischer Wald, Eifel, Hainich, Kellerwald-Edersee sowie Niedersächsisches Wattenmeer), für die mittels des nachfrageseitigen Vorgehens einer Wertschöpfungsanalyse die regionalwirtschaftlichen Effekte des Tourismus bestimmt wurden. Darauf aufbauend ist schließlich eine Hochrechnung für den gesamtdeutschen Nationalparktourismus durchgeführt worden. Insgesamt halten sich jährlich demnach etwas mehr als 50 Mio. Besucher in den deutschen Nationalparken auf, die einen touristischen Bruttoumsatz von 2,1 Mrd. € generieren. Daraus resultieren Einkommen in Höhe von ungefähr 1,1 Mrd. €, woraus sich ein Einkommensäquivalent von etwas mehr als 69.000 Personen ableitet. Für die vor allem aus regionalpolitischer Sicht relevante Besuchergruppe mit hoher Nationalparkaffinität (= National-parktouristen im engeren Sinn) reduzieren sich diese Werte auf rund 11 Mio. Besucher und 431 Mio. € Bruttoumsatz, was ca. 212 Mio. € Einkommen und ein Einkommensäquivalent von rund 14.000 Personen bewirkt. Diese Resultate auf Ebene der einzelnen Untersuchungsgebiete stellen dabei lediglich den gegenwärtigen Status-quo dar, können aber als Grundlage für ein dauerhaftes Monitoring dienen. Dazu ist allerdings von Managementseite der Wille für eine kontinuierliche Bewertung nicht nur der ökologischen, sondern auch der sozioökonomischen Entwicklung erforderlich. Der aktuelle Forschungsstand zeigt in dieser Hinsicht noch ein enormes Potenzial. Um eine möglichst kostengünstige Variante des eingesetzten Verfahrens zur Erfassung der Besucherstrukturen und des Ausgabeverhaltens der Touristen zu konzipieren, werden Vorschläge für eine mögliche Reduzierung des empirischen Aufwands ausgearbeitet. Denn angesichts der bestehenden Budgets deutscher Nationalparkverwaltungen muss es Ziel sein, das bisher wissenschaftlich ausgerichtete Instrumentarium der empirischen Erhebungen zu einem praxisnahen und leicht anwendbaren Vorgehen weiter zu entwickeln und damit für einen Monitoringeinsatz für die Verantwortlichen vor Ort zu optimieren. Nur dadurch könn-ten auf objektiver Basis die Entwicklungen im Nationalparktourismus und folglich der Stellenwert der Schutzgebiete als Stimuli der regionalen Entwicklung mittel- bis langfristig beurteilt werden.