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Seit ihrem Aufkommen beschäftigt sich die Organisationsforschung mit dem Antagonismus von Organisation und Individuum, ohne jedoch immer eindeutig fassen zu können, worin genau der Unterschied zwischen beiden besteht. Wollte Taylor den „Horden-Menschen“ noch durch wissenschaftliche Betriebsführung domestizieren und in den Mechanismus der Organisation integrieren, erkannte Barnard bereits, dass nur ein gewisser Teil des Individu-ums in Organisationen kommunikativ erreichbar ist und ersann vor diesem Hintergrund eine Führungstheorie mit dem Ziel, den Bereich erwartbarer Aufgaben-Kommunikation auf ein Maximum auszudehnen und hierdurch die „zone of indifference“ der Mitarbeiter so zu er-weitern, dass selbige möglichst viele Aufgaben und Arbeiten als Teil ihrer Organisations-persönlichkeit internalisieren.
Erst mit den Arbeiten Luhmanns in den 1960er Jahren war man jedoch in der Lage, Informa-lität – also auf personale Erwartungen abzielende Kommunikation – nicht mehr allein als Störung oder Dysfunktionalität, sondern vielmehr als Folge des Umgangs mit der Formal-struktur des Organisationssystems zu beschreiben und die beiden Begriffe folglich in einen funktionalen Zusammenhang zu bringen.
Innerhalb dieses theoriegeschichtlichen Rahmens geht unsere Untersuchung der Frage nach, in welcher Weise Führung im Kontext des Spannungsfeldes zwischen Formalität und Infor-malität operiert und welche Implikationen neuere Semantiken der Managementliteratur (z.B. „die authentische Führungskraft“, „Vertrauen“ oder „Menschsein“), die insbesondere auf eine Personalisierung des Mitarbeiters abzielen, dabei generieren. Hierdurch können wir zeigen, dass Führung mittels informaler Kommunikation, die wir als „Umweghandeln“ be-zeichnen, ein Spiel mit der Grenze zwischen System und Umwelt – also Mitarbeiter – etab-liert, wodurch sie in der Lage ist, den Mitarbeiter als Beobachtung der Differenz zwischen System und Umwelt in das System wieder einzuführen und hierdurch informaler Kommuni-kation Anschlussfähigkeit zu verleihen. Letztlich wird für die Organisation so genau das kommunikativ anschlussfähig, was formal eigentlich immer ausgeschlossen wurde – die Person des Mitarbeiters.
Einleitung: Die gesamtgesellschaftlichen Veränderungen und der Wandel der Arbeit halten auch in den Hochschulen Einzug und stellen diese vor große Herausforderungen. Weitreichende und anhaltende Reformen sowie Veränderungsprozesse bedürfen in den einzelnen Hochschulen Maßnahmen, um die Leistungsbereitschaft und die psychische Gesundheit der Beschäftigten zu erhalten und zu fördern. Organisationskultur stellt einen wichtigen zu berücksichtigenden Faktor innerhalb diesen Wandels dar und ist in der Literatur ein oft benutztes Konzept zur Vorhersage der Leistungsfähigkeit in Wirtschafts-, aber auch Nonprofit – Organisationen. Bedeutsame Zusammenhänge zwischen Organisationskultur und Gesundheit zeigen sich insbesondere in den ver- schiedenen Studien zum Bielefelder Sozialkapitalansatz. Im Hochschulkontext findet das Konzept Organisationskultur jedoch kaum Berücksichtigung.
Um die Gestaltungsmöglichkeiten zu einer gesundheitsförderlichen und motivieren den Organisation aufzeigen zu können, war es das Ziel der vorliegenden Arbeit her- auszustellen, dass Hochschulen individuelle Organisationskulturen innehaben und Or- ganisationskultur auch im Hochschulkontext ein wichtiger Einflussfaktor für die Vorher- sage der psychischen Gesundheit und der Leistungsbereitschaft ist. Die Dissertation richtete sich an zwei Forschungsfragen aus:
1.Weisen Hochschulen spezifische Organisationskulturen auf?
2.Welche kulturellen Aspekte beeinflussen die psychische Gesundheit, sowie die motivationalen Aspekte von Hochschulmitarbeiter*innen?
Methodik: Nach der theoretischen Einführung in die Besonderheiten der Organisation Hochschule und der Darstellung des Bielefelder Sozialkapitalkonzepts mit Schwerpunkt auf der Organisationskultur wird auf Grundlage einer Fragebogenerhebung untersucht, ob sich die Hochschulen in ihren Ausprägungen der Organisationskultur unterscheiden und ob diese eine Ressource für die psychische Gesundheit und einen Garanten für Leistungsbereitschaft darstellt. Der Einfluss der einzelnen Dimensionen von Organisationskultur wurde detailliert untersucht, um ein differenziertes Bild über die Wirkmechanismen zu erhalten und Handlungsempfehlungen ableiten zu können. Zusätzlich wurde geprüft, ob der Zugang zur Ressource Organisationskultur von soziodemografischen Daten abhängig ist.
Die Querschnittsanalyse basierte auf schriftlichen Befragungen an insgesamt 10 Hochschulen in Deutschland. In die Analyse wurden die Daten von 5453 Befragten eingeschlossen. Diese wurden mittels einer multiplen Imputation bearbeitet, um trotz fehlender Werte die inferenzstatistischen Verfahren umsetzen zu können. Die Datenanalyse erfolgte anhand uni-, bi- und schließlich multivariater Verfahren.
Ergebnisse: Die Varianzaufklärung durch die Hochschulen in Bezug auf die Organisationskultur mittels Random-Intercept-Only-Modellen ergab für 2 von 3 Dimensionen signifikante Effekte (p < 0,05) mit einem ICC von 0,047 für die Ebene Dezernat / Fakultät und einem ICC von 0,074 für die Ebene Hochschule. Die zentralen Ergebnisse der Zusammenhangsanalysen mittels multipler linearer Regressionen zeigen, dass Organisationskultur unter Adjustierung soziodemografischer Daten einen Einfluss auf die Aspekte der psychischen Gesundheit und der motivationalen Aspekte hat. Der Anteil aufgeklärter Varianz für die Modelle beläuft sich für die Vorhersagen zwischen R²kor =
.092 für das Merkmal kognitiven Stresssymptome und R²kor = .361 für das Merkmal Arbeitszufriedenheit. Mittels einfacher linearer Regressionen konnte aufgezeigt wer- den, dass sowohl das Commitment als auch die Arbeitszufriedenheit Einfluss auf das Wohlbefinden, die depressive Verstimmung und die Erschöpfungszustände haben. Die Haupteinflussfaktoren der Organisationskultur sind auf die Dimensionen Arbeitsbereich und Hochschule zurückzuführen. Hierzu zählen im Arbeitsbereich die Partizipation, das Vorhandensein gemeinsamer Ziele und Werte und der Umgang mit Problemen, für die Dimension Hochschule die gelebte Kultur und die Verlässlichkeit der Hochschulleitung.
Diskussion: Aufgrund der Ergebnisse kann angenommen werden, dass Hochschulen individuelle Organisationskulturen innehaben. Dies bietet den Entscheidungsträgern der einzelnen Hochschulen individuelle Ansatzpunkte zur Gestaltung einer gesund- heitsförderlichen und motivierenden Organisationskultur. Es zeigt sich außerdem, dass die Organisationskultur auch im Hochschulkontext einen wichtigen Einflussfaktor für die psychische Gesundheit und die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter*innen darstellt. Insbesondere im Arbeitsbereich und auf Ebene der Hochschulleitung bestehen Ansatz- punkte, um eine an Mitarbeiter*innen orientierte, gesundheitsförderliche und motivierende Arbeitsumgebung für die Mitarbeiter*innen zu gestalten und zu fördern.