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Forensische DNA-Analytik
(2002)
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden verschiedene Möglichkeiten, die die mitochondriale DNA-Analytik für die Spurenkunde und die Populationsgenetik eröffnet, ausgelotet. Polymorphismen der beiden nichtcodierenden hypervariablen Regionen HV1 und HV2 wurden durch Sequenzierung erschlossen und ergaben zusammen für eine deutsche Populationsstichprobe (Unterfranken, n = 180) einen Diskriminationsindex (DI) von 0,99. Der DI betrug bei alleiniger Betrachtung der HV1 für eine deutsche (n = 198), türkische (n = 37), äthiopische (n = 65) und chinesische (n = 60) Populationsstichprobe jeweils 0,97, 0,97, 0,96 und 0,98. Lösungen für spezifische Sequenzierungsprobleme der mitochondrialen DNA wurden gefunden, so dass ein reibungsloser Einsatz in der Laborroutine gewährleistet ist. Die Mutationshäufigkeit in der HV1 und HV2 wurde mit einem Wert von ca. einem Basenaustausch bei 50 Generationswechseln festgestellt. Die Nützlichkeit der mitochondrialen DNA für rechtsmedizinische Belange hat sich bereits mehrfach bestätigt. Insbesondere bei der Untersuchung von Haarschäften und telogenen Haaren zeigte sich, dass mit Hilfe mitochondrialer DNA noch erfolgreiche Amplifikationen durchgeführt werden können, wenn die klassischen STR-Systeme bereits versagen. Die für spurenkundliche Analysen sinnvolle Sequenz-Analyse der HVs wurde für populationsgenetische Untersuchungen als ungeeignet erkannt. Untersuchungen auf Grund einer Einteilung in Haplogruppen erbrachten hingegen verwertbare Ergebnisse. Beim Vergleich der verschiedenen Populationen unter Zuhilfenahme weiterer, andernorts untersuchter Bevölkerungsgruppen zeigte sich, dass es durchaus möglich ist, an Hand der mitochondrialen DNA Populationen verschiedener Kontinente voneinander abzugrenzen. Innerhalb Europas (Kaukasier) ist eine derartige Abgrenzung hingegen nicht möglich, geschweige denn, dass Wanderungsbewegungen o.ä. nachweisbar wären. Dies gilt sowohl für Untersuchungen auf Grund der Sequenzen der hypervariablen Regionen, als auch basierend auf Untersuchungen der Haplogruppen. Andere variable Regionen der mitochondrialen DNA erwiesen sich als zu wenig aussagekräftig, als dass sie in der rechtsmedizinischen Praxis von besonderer Relevanz wären. Die Analyse des hochkonservierten Cytochrom b Genes kann dagegen als geeignetes Mittel zur Speziesidentifikation betrachtet werden. Unsicherheiten bei der RFLP-Darstellung machen jedoch unter Umständen eine Sequenzierung des Genes nötig. Ein im ersten Intron des X-Y homologen Amelogenin-Gens liegendes, geschlechtspezifisch polymorphes STR-System wurde eingeführt, welches auch für die automatisierte Auftrennung im Sequenz-Analysator geeignet ist. Die vier autosomalen STR-Systeme D3S1358, D8S1179, D18S51 und D21S11 wurden für die forensische Praxis als Einzelsysteme etabliert. Zu diesen Systemen wurden jeweils unterfränkische Populationsstichproben typisiert, um für diese Region relevantes Datenmaterial zu erhalten. Zur Erweiterung der bereits vorhandenen Y-chromosomalen STR-Spektrums wurde das aussagekräftige Mikrosatellitensystem DYS385 eingeführt. Auch mit diesem System wurde eine unterfränkische Populationsstichprobe typisiert. Die Mutationshäufigkeit verschiedener STR-Systeme wurde untersucht und die gefundenen Ergebnisse lagen im Vergleich mit anderen Arbeiten im erwarteten Rahmen. Für die DNA-Extraktion aus in Formalin fixiertem und in Paraffin eingebettetem Gewebe wurde eine geeignete Methode gefunden, auch aus Geweben, die sehr lange in Formalin fixiert wurden, noch typisierbare DNA zu extrahieren. Die untersuchten Extraktionsprotokolle für unbehandelte Gewebeproben zeigten untereinander keine gravierenden Unterschiede. Der begrenzende Faktor für eine erfolgreiche DNA-Extraktion ist hier vielmehr der Zersetzungsgrad des behandelten Gewebes und die damit einhergehende Degradation der DNA. Insofern ist es sinnvoll in Fällen, in denen unbehandeltes Gewebematerial längere Zeit unwirtlichen Bedingungen ausgesetzt war, gleich auf eine DNA-Extraktionsmethode aus Knochenmaterial, wie die in dieser Arbeit beschriebene, zurückzugreifen.
In der vorliegenden Studie haben wir mit Hilfe von SHARP-Screening, einer 16S-rRNA-basierten Heterogenitäts- und phylogenetischen Analyse, die mikrobielle Diversität in entzündlichen Lymphadenitiden ohne vorherige Kenntnis der jeweiligen Erreger an einer Serie von 15 Lymphknoten untersucht. Die Methode wurde erstmals auf diese Fragestellung angewandt. Sie konnte für die Verwendung von paraffineingebettetem Gewebe adaptiert werden, so dass auch Gewebeproben analysiert werden konnten, von denen kein Gefriermaterial zur Verfügung stand und die in Routineverfahren eingebettet und nach Standardmethoden gefärbt wurden. SHARP-Screening beinhaltet zwei komplementäre Schritte: Zuerst erfolgte die Erstellung einer Genbank aller bakteriellen Gene aus der gesamten extrahierten DNA des analysierten Gewebes durch gezielte Amplifikation des 16S-rRNA-Gens mittels universeller eubakterieller Primer. Als zweiter Schritt wurde nach der Transformation mittels Analyse des Restriktionsfragmentlängenpolymorphismus die Selektion der jeweiligen unterschiedlichen Phylotypen der enthaltenen 16S-rRNA-Gene durchgeführt (insgesamt 400). Nach der Sequenzierung wurden die 16S-rRNA-Gene durch den Vergleich mit bekannten bakteriellen Sequenzen mit Hilfe des „Basic-Local-Alignment-Search-Tool“ (BLAST) identifiziert. SHARP-Screening hat sich als geeignete Methode zur Analyse der gesamten, in einer Gewebeprobe enthaltenen bakteriellen Flora erwiesen. Dabei wurden zum Teil andere Erreger gefunden, als aus dem histologischen Bild vermutet wurden. So konnte zum Beispiel mit dem Nachweis von Gluconacetobacter sacchari, als potentieller Erreger einer septischen Granulomatose, eine alternative Differentialdiagnose zur histologisch vermuteten Katzenkratzkrankheit aufgezeigt werden. Darüber hinaus konnten auch gleichartige histologische Bilder bei dem gleichen identifizierten Erreger beobachtet werden. Zum Beispiel konnten im Zusammenhang mit dem Auftreten von Ödemen, Nekrosen, granulomatös eitrigen Veränderungen und einer ausgeprägten Sinus-histiozytose im Lymphknotengewebe immer wieder Comamonadaceae bzw. Janthinobacterium nachgewiesen werden. Oft zeigte sich nicht ein einzelner Erreger der Lymphadenitis, sondern ein ganzes Spektrum, wobei aus dem Vorhandensein der 16S-rRNA nicht auf das Vorhandensein vitaler Erreger geschlossen werden kann. Dennoch erlaubt die Häufigkeit der entsprechenden Klone eine semiquantitative Abschätzung der Bedeutung des jeweiligen Erregers. So wies SHARP-Screening auch Homologien zu Paracoccus yeeii nach. Eine Spezies, die mit klassischen Methoden häufig übersehen wird, die in Lymphknoten jedoch eine pathogene Rolle spielen kann. Im Zusammenhang mit dem histologischen Verdacht auf ein Malignom wurden in einigen Fällen Streptomyces, Roseomonas gilardii rosea und Stenotrophomonas maltophila nachgewiesen, die auch in der Literatur häufig bei immunsupprimierten Patienten vorkommen. Bei dem Verdacht auf ein Lymphgranuloma venerum wurde eine Cyanobacterium-Spezies detektiert, die es nach Literaturangaben Chlamydia trachomatis erst möglich macht, den eigenen Aminosäurestoffwechsel zu betreiben. Insgesamt dürften vom SHARP-Screening noch weitere tiefgreifende Erkenntnisse der bakteriellen Diversität und kausaler Erregerassoziationen in Erkrankungen des lymphatischen Systems zu erwarten sein.