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Die Kernhülle umgibt als geschlossenes Membransystem einen jeden Zellkern und ist damit ein gemeinsames Merkmal aller eukaryotischen Zellen. Sie besteht aus einer inneren und einer äußeren Kernmembran sowie der nukleoplasmatischen Kernlamina, die aufgrund zahlreicher assoziierter Proteine in enger Wechselbeziehung mit der inneren Kernmembran steht. Neben der rein räumlichen Trennung nukleärer und zytoplasmatischer Strukturen hat die Kernhülle bedeutenden regulatorischen Einfluss auf die gesamte Zelle. So ist sie unter anderem an der Steuerung der genomischen Aktivität, an der nukleo- und zytoplasmatischen Signalübertragung und in hohem Maße an der Positionierung und Formerhaltung des Zellkerns beteiligt. Es mehren sich die Hinweise, dass die Kernhülle auch während der Gametogenese, der Differenzierung befruchtungsfähiger Keimzellen, eine zentrale Rolle einnimmt und folglich auch mit bislang ungeklärten Ursachen humaner Infertilität in Kontext stehen könnte. Um die Bedeutung der Kernhülle für die Keimbahn der Säuger generell besser verstehen zu können, wurden in dieser Arbeit ausgewählte Bestandteile der Keimzellkernhülle untersucht. Dadurch sollte der Kenntnisstand erweitert werden, in welcher Weise die Kernhülle dynamische, morphologische und vor allem für die Keimbahn essentielle Prozesse beeinflusst; insbesondere während der meiotischen und der postmeiotischen Differenzierungsphase bei männlichen Mäusen. Im Mittelpunkt stand dabei einerseits Lamin C2, ein meiosespezifisches A-Typ Lamin, dessen Verlust zu einer schwer geschädigten Meiose und infolgedessen zu vollständiger männlicher Infertilität führt. Es zeigte sich, dass Lamin C2-defiziente männliche Mäuse schwerwiegende Defekte bei der Paarung und Synapsis der homologen Chromosomen in der meiotischen Prophase I aufweisen und aufgrund apoptotischer Spermatocyten keine reifen Spermien bilden können. Es wird angenommen, dass die Assoziation homologer Chromosomen bzw. die Abstoßung nicht-homologer durch gerichtete Telomerbewegungen entlang der Kernhüllenperipherie vorangetrieben bzw. verhindert wird. Da Lamin C2 seinerseits diese Wanderung der Telomere durch eine Flexibilisierung der Spermatocytenkernhülle vereinfachen soll, ist es durchaus vorstellbar, dass sein Verlust verlangsamte Telomerbewegungen, eine gestörte Homologenfindung und folglich Fehlpaarungen zur Folge hat. Ein weiteres zentrales Thema war die Erforschung potentieller LINC-Komplexe während der Differenzierungs- und morphologischen Umgestaltungsphase postmeiotischer Keimzellen. LINC-Komplexe sind kernhüllendurchspannende Proteingebilde aus SUN-Proteinen in der inneren und Nesprinen in der äußeren Kernmembran, die nukleäre Strukturen an das Zytoskelett binden. Da sie aufgrund dieser strukturellen Eigenschaft die Kernmorphologie beeinflussen können, erscheinen sie als äußerst geeignet, an der Formierung des Spermienkopfes beteiligt zu sein. Die detaillierte Untersuchung spermiogeneserelevanter LINC-Komplex-Bestandteile ergab, dass während der Spermiogenese tatsächlich zwei neue, strukturell einzigartige LINC-Komplexe gebildet werden, die darüber hinaus auf den entgegengesetzten Seiten differenzierender Spermatiden polarisieren. Da sie den Kern dort an jeweils spezielle Zytoskelettelemente binden könnten, wurde in dieser Arbeit das Modell der LINC-Komplex vermittelten Umformung des Spermienkopfes aufgestellt. Insgesamt trägt diese Arbeit durch die funktionelle Analyse von Lamin C2 und die Identifizierung neuer LINC-Komplexe dazu bei, die Wichtigkeit der Kernhülle für die Spermatogenese zu vertiefen und auszuweiten.
Lamin C2
(2000)
In der Kernlamina von Spermatozyten von Nagetieren sind die Lamin A-Genprodukte, Lamin A und C, durch eine meiosespezifische Splicingvariante ersetzt. Dieses Lamin C2 unterscheidet sich auffallend von den somatischen Varianten in Struktur, Menge und Verhalten. Durch eine ektopische Expression von Lamin C2 als EGFP-Lamin C2-Fusionsprotein in einer somatischen Zellinie zeigte sich, daß eine neuartige Hexapeptidsequenz (GNAEGR) am N-terminalen Ende des Proteins anstelle der C-terminal gelegenen CaaX-Box somatischer Lamine für die Interaktion mit der Kernhülle verantwortlich ist. So ermöglicht eine posttranslationelle Myristylierung des ersten Glycins ein Membrantargeting, bei dem der hydrophobe Myristinsäurerest vergleichbar dem hydrophoben Farnesylrest am Cystein der Caax-Box mit den Fettsäureresten der Kernmembran interagiert. Die Deletion des Hexapeptids im Fusionsprotein EGFP-Lamin C2 und die seine N-terminale Insertion in das Fusionsprotein EGFP-Lamin C - es besitzt keine Caax-Box - bestätigt, daß allein das Hexapeptid das Membrantargeting steuert: Die Deletionsmutante EGFP-Lamin C2 bleibt diffus im Kern verteilt, während sich die Insertionsmutante EGFP-Lamin C im Bereich der Kernperipherie anreichert. Eine weitere Besonderheit stellt die Verteilung von Lamin C2 innerhalb der Kernhülle dar, denn es verteilt sich nicht gleichmäßig wie alle bisher bekannten Lamine, sondern bildet zahlreiche Aggregate. Nicht nur in der Kernhülle von Spermatozyten, sondern auch als Fusionsprotein in somatischen Zellen exprimiert, zeigt Lamin C2 diese Akkumulationen. Überraschenderweise treten die Synaptonemal-komplexenden nur im Bereich dieser Lamin C2-Aggregate mit der Kernhülle in Kontakt. Es wird daher postuliert, daß die Lamin C2-Aggregate der lokalen Verstärkung der Kernhülle dienen und wichtig für die auf die Prophase beschränkte Anheftung der SC an die Kernhülle sind. Da zudem in einer Kurzzeitkultur von Pachytänspermatozyten, in der die Prophase künstlich beschleunigt wird, gezeigt werden konnte, daß Lamin C2 mit Ende der Prophase I noch vor dem Auflösen der eigentlichen Kernhülle nicht mehr nachweisbar ist, scheint ein Zusammenhang zwischen Lamin C2 in der Kernhülle und der Umorganisation des genetischen Materials zu bestehen.
Das Synaptonemalkomplexprotein SYCP1 ist eine Strukturkomponente des Synaptonemalkomplexes (SC) von Saeugern, einer meiosespezifischen Struktur, die wesentlich fuer die Synapse, Rekombination und Segregation homologer Chromosomen ist. Der SC besteht aus zwei lateralen Elementen (LEs) und einer zentralen Region (CR), in deren Mitte das zentrale Element (CE) liegt. Dabei sind die LEs den Achsen der homologen Chromosomen aufgelagert und werden in der CR durch Transversalfilamente (TFs) mit dem CE verbunden. Im Protein SYCP1 (125 kDa) flankieren zwei nicht-helikale terminale Domaenen eine ausgedehnte zentrale „Coiled-Coil“-Domaene. Fuer diese Domaene wird angenommen, dass sie die die Kluft zwischen LEs und CE ueberbrueckt, wobei die C-Termini in den LEs verankert sind und die N-Termini im CE lokalisiert wurden. Um die molekulare Architektur des SC besser zu verstehen und die Bedeutung von SYCP1 für die Zusammenlagerung des SC aufzudecken, wurden die Polymerisationseigenschaften von SYCP1 erforscht. Dazu wurde das Protein in somatischen Zellen exprimiert. In diesem experimentellem Ansatz polymerisierte SYCP1 autonom zu filamentoesen Strukturen, welche sich auf ultrastruktureller Ebene als alternierende elektronendichte Balken offenbarten, die ueber TFs verbunden waren. Dieser Aufbau glich parallel aneinander gereihten Stapeln von SCs, so genannten Polykomplexen (PCs). Die Analyse der Orientierung der SYCP1 Molekuele innerhalb der PCs erwies, dass diese hochorganisiert vorliegen und die Organisation von SYCP1 innerhalb von PCs und SCs identisch ist. Folglich kann sich SYCP1 sogar in Abwesenheit anderer SC-Proteine zu Strukturen zusammenlagern, die der CR entsprechen und muss dementsprechend beim Aufbau der CR des SC den grundlegenden Faktor darstellen. Für eine genauere Analyse wurden ausgewaehlte Mutanten von SYCP1 exprimiert. Moleküle mit modifizierter Laenge der zentralen alpha-helikalen Domaene resultierten in der Bildung von PCs mit veränderter Weite der CR. Dies beweist, dass die „Coiled-Coil“-Domaene den Abstand der CR eines PC bestimmt und impliziert dieselbe Funktion in der SC-Bildung. Darueber hinaus wurde gezeigt, dass SYCP1 Molekuele mit Deletion des nicht-helikalen N-Terminus immer noch in der Lage sind, PCs zu bilden, diese Eigenschaft aber stark eingeschraenkt ist. Das bezeugt die Bedeutung des N-Terminus sowohl in der PC-Bildung als auch im Aufbau des CE von SCs, weist aber dabei auch dem vorderen Teil der „Coiled-Coil“-Domaene eine wichtige Rolle zu. Im Gegensatz dazu war bei Mutanten mit Deletion des nicht-helikalen C-Terminus die PC-Bildung vollstaendig blockiert, was auf eine große Bedeutung dieser Domaene fuer die Polymerisation hinweist. Ein weiterer Hauptgegenstand der Arbeit war die Charakterisierung von Bindungspartnern von SYCP1. Über Immungoldlokalisation auf Maushoden konnten die Proteine Syce1 und Cesc1 als erste ausschliessliche Komponenten des CE des SC bestimmt werden. Zusaetzlich wurde die Interaktion dieser Proteine mit dem N-Terminus von SYCP1 verifiziert. SYCP1 bildet also die Grundstruktur des CE aus und rekrutiert Syce1 und Cesc1.
Während der Spermatogenese finden erstaunliche Differenzierungsprozessen statt. Reguliert wird die Spermatogenese sowohl hormonell als auch durch Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Zelltypen und der extrazellulärer Matrix. Unterteilt wird die Spermatogenese in drei funktionelle Einheiten. Die Proliferationsphase, die Meiose und die Spermiogenese. Im Laufe der Proliferationsphase gehen aus den Spermatogonien, Spermatocyten hervor, die die Meiose durchlaufen. Während der Prophase I der Meiose kommt es zur Reduktion und Rekombination des genetischen Materials, was mit charakteristischen und höchst dynamischen Bewegungsvorgängen der Telomere einhergeht. Auf die Meiose folgt die Spermiogenese, in der das genetische Material in seine „Transportform“ überführt wird und aus einer stationären, zellverbundenen Einheit ein mobiles autark funktionierendes Vehikel des genetischen Materials wird; das Spermium. Um das Verständnis dieser Vorgänge zu erweitern wurden in dieser Arbeit die Verteilungsmuster einiger Proteine in der Kernhülle von Zellen der Spermatogenese, in Hinblick auf ihre dynamische Umverteilung untersucht. Bei diesen Proteinen handelte es sich um die SUN-Domänen Proteine und das meiosespezifische Lamin C2. Die SUN-Domänen Proteine sind Teil des membrandurchspannenden LINC-Komplexes, der Komponenten des Nukleoplasma mit denen des Cytoplasma verbindet. In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass die SUN-Domänen Proteine, Sun1 und Sun2 während der Meiose exprimiert werden, und an den Anheftungsplatten meiotischer Chromosomen lokalisieren und deren dynamisches Verteilungsmuster dem Verteilungsmuster der Telomere während der Prophase I der Meiose entsprechen. Dies deutet darauf hin, dass Sun1 und Sun2 eine tragende Rolle, während der koordinierten Bewegungsprozessen der Prophase I der Meiose spielen. In der Spermiogenese sind die SUN-Domänen Proteine, Sun1 und Sun3 vertreten. Dabei weist deren unterschiedliche Lokalisation an entgegengesetzten Zellpolen darauf hin, dass Sun1 und Sun3 möglicherweise unterschiedliche Funktionen bei der Umgestaltung des Spermienkopfes während der Spermiogenese erfüllen. Ein weiterer Schwerpunkt dieser Arbeit war die Etablierung einer Mauslinie um die Rolle von Lamin C2 in der Meiose untersuchen zu können. Hierzu wurde eine Lamin C2 Knock-out Studie begonnen. In ersten Untersuchungen der knock-out Tiere konnte eine Größenreduktion der Hoden beobachtet werden. Ebenso konnte ein Abbruch der Meiose vermerkt werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit verdeutlichen, dass sowohl die SUN-Domänen Proteine, als auch Lamin C2, wichtige Rollen in dem komplexen Arrangement der Spermatogenese übernehmen.