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Harnwegsinfektionen (HWI) gehören zu den häufigsten bakteriell bedingten Erkrankungen; vor allem Frauen sind sehr häufig betroffen. Harnwegsinfektionen kommt große medizinische und volkswirtschaftliche Bedeutung zu. Bei akuten unkomplizierten Infekten ist allein Escherichia coli in über 70 % der Fälle die Ursache. Auch bei komplizierten chronischen Infektionen spielt Escherichia coli in über 40 % aller Fälle eine große Rolle. E. coli Stämme, die die Nieren und ableitenden Harnwege inklusive Harnblase infizieren, werden als uropathogene E. coli (UPEC) bezeichnet. Sie unterscheiden sich von anderen, apathogenen E. coli Stämmen dadurch, daß sie bestimmte Virulenzfaktoren (VF) und Fitnessfaktoren besitzen, die ihnen besondere Virulenz verleihen. Solche Virulenzfaktoren sind vor allem Kapseln, Adhäsine, Toxine und Eisenaufnahmesysteme. In dieser Arbeit wurden Stuhl- und Urinproben von acht Patientinnen untersucht, die in der nephrologischen Abteilung der Universitätsklinik Jena betreut wurden und alle an chronisch rezidivierenden Harnwegsinfektionen leiden. Die gewonnenen Isolate wurden mittels Multiplex-PCR auf Virulenzfaktoren getestet, die für UPEC typisch sind. Des Weiteren wurden mit Hilfe der „Repetitive Extragenic Palindromic“ (Rep)-PCR und den Ergebnissen aus der Multiplex-PCR-Analyse Klone definiert. Ausgewählte Isolate wurden mittels Pulsfeldgelelektrophorese (PFGE) untersucht. Die Rep-PCR- und PFGE-Ergebnisse aus vorangegangenen Arbeiten (L. Brauchle, 2002 und M. Maibaum, 2003) wurden in diese Arbeit mit integriert und nomenklatorisch angeglichen. Die 167 Stuhl- und 186 Urinisolate dieser Arbeit konnten 81 Stuhl- und 64 Urinklonen zugeordnet werden. In der vorliegenden Studie scheinen die Häufigkeiten UPEC-typischer Virulenzfaktoren nach längerer chronischer Harnwegsinfektion wieder etwas anzusteigen. Insbesondere aber nahmen die Häufigkeiten der Virulenzfaktoren innerhalb der Stuhlstämme zu und entsprachen oftmals nahezu den Häufigkeiten bei Urinstämmen. Kapselgene, die bei Urinstämmen deutlich häufiger gefunden wurden, scheinen bei Chronizität eine Rolle zu spielen. Auch innerhalb der Urinklone häufiger zu finden waren die für Hämolysin, P-Fimbrien, S- bzw. F1C-Fimbrien codierenden Gencluster. Als Erregerreservoir scheint auch bei chronischen Harnwegsinfektionen der Darm festzustehen. Im Gesamtstudienzeitraum von 38 Monaten (1997-2000) koexistierten 18 Stämme in Stuhl und Urin gleichzeitig. Zehn dieser Koexistenzen wurden nochmals zu anderen Zeitpunkten gefunden (Persistenzen). Über den Vergleich der PFGE-Muster von Stuhl- und Urinklonen konnten bei Probandin Pat. 2 (HF) Klone mit dem PFGE-Muster IV und XV identifiziert werden, deren Bandenmuster sich so ähnlich sind (nur ein einziger Bandenshift), daß hier vermutlich eine DNA-Umlagerung stattgefunden hat. Innerhalb von 51 Untersuchungsterminen konnte lediglich vier Mal eine akute Exazerbation erfaßt werden. Tendenziell läßt sich über den gesamten Studienzeitraum ein Rückgang an erneuten Ausbrüchen bei ähnlicher Verteilung des Virulenzfaktorspektrums in den gefundenen Stuhl- und Urinstämmen beobachten. Eine prophylaktische Gabe von L-Methionin (Acimethin®) verminderte die Häufigkeit der untersuchten Virulenzfaktoren innerhalb der Stuhlstämme, kann aber bei chronischen Harnwegsinfektionen eine Exazerbation nicht sicher verhindern, möglicherweise jedoch deren Anzahl verringern.
Eine eindeutige Unterscheidung zwischen extraintestinal pathogenen (ExPEC) und kommensalen E. coli-Stämmen zu treffen, fällt häufig schwer, da Virulenz-assoziierte Faktoren von ExPEC auch in kommensalen Stämmen gefunden werden können. Als naher Verwandter des uropathogenen Isolates E. coli CFT073 weist der apathogene, kommensale Stamm E. coli Nissle 1917 (O6:K5:H1) die Expression einer Vielzahl solcher „ExPEC-Virulenzfaktoren“ auf. Dazu gehören verschiedene Fimbrien, Siderophore und Proteine, die an der Biofilmbildung beteiligt sind. Der Vergleich des Stammes mit ExPEC-Isolaten lässt daher Rückschlüsse auf die Funktion dieser Faktoren im jeweiligen ökologischen Kontext zu. E. coli Nissle 1917 bildet den sog. rdar-Morphotyp aus, eine multizelluläre Struktur, die auf der Koexpression von Zellulose und Curli-Fimbrien beruht. Dieser findet sich bei vielen E. coli und Salmonella-Spezies, tritt aber in der Regel nur bei Temperaturen unterhalb 30 °C auf. E. coli Nissle 1917 hingegen weist diesen Phänotyp auch bei 37 °C auf, was vermutlich die Kolonisierungsfähigkeit gegenüber anderen kommensalen E. coli erhöht. Hier konnte demonstriert werden, dass die Expression des rdar-Morphotyps bei E. coli Nissle 1917 unabhängig von den bisher beschriebenen Regulatoren CsgD und YaiC ist. Mittels Mutagenese mit dem Transposon miniTn5 wurde nach rdar-negativen Klonen gesucht mit dem Ziel, einen möglichen übergeordneten Regulator dieses Phänotyps zu identifizieren. Bei dieser Untersuchung wurden einige Gene ermittelt, die bislang nicht dafür bekannt waren, die Expression von Zellulose oder Curli-Fimbrien zu beeinflussen. Während die Funktion vieler der ermittelten ORFs unbekannt war, hatte vor allem die Inaktivierung von Genen, die an der Biosynthese von Oberflächenstrukturen (Fimbrien, Kapsel, Colansäure, LPS) einen veränderten Phänotyp zur Folge. Allerdings konnte in den wenigsten Fällen ein Zusammenhang zu Curli- oder Zellulosesynthese hergestellt werden. Es zeigte sich, dass die Regulation des rdar-Morphotyps offenbar komplexer und von mehr Faktoren zumindest indirekt abhängig ist, als bislang beschrieben. Im zweiten Teil dieser Arbeit wurde eine 55 kb große genomische Insel untersucht, die im asnW-tRNA-Lokus inseriert ist und die Proteine für die Synthese eines hybriden nichtribosomalen Peptid-Polyketids kodiert. Die Insel konnte mittels PCR in extraintestinal pathogenen sowie kommensalen Isolaten der phylogenetischen Gruppe B2 nachgewiesen werden, darunter die Stämme E. coli Nissle 1917, IHE3034, CFT073 und J96. Eine Kokultivierung von HeLa-Zellen mit diesen Bakterien hatte eine Blockierung des Zellzyklus und Megalozytose (zytopathischer Effekt) zur Folge. Die Deletion der asnW-Insel führte zur Aufhebung des zytopathischen Phänotyps, der durch Einbringen des Genclusters auf einem BAC-Vektor wieder hergestellt werden konnte. Der zytopathische Effekt konnte nur nach direktem Kontakt der Bakterien mit HeLa-Zellen beobachtet werden und war weder durch Bakterienlysate, abgetötete Bakterien oder Kulturüberstände zu erzielen. Das PKS/NRPS-Gencluster umfasst 18 ORFs (clbA bis clbR), von denen 17 an der Synthese der aktiven Komponente beteiligt sind. Die Anzahl der Genprodukte und die Abfolge der putativen Domänen unterscheidet sich dabei von allen bislang beschriebenen PKS/NRPSSystemen. Untersuchungen zur Transkription ergaben drei monocistronisch und vier teilweise sehr große (bis 23 kb) polycistronisch transkribierte Einheiten aus bis zu sechs ORFs. Zudem konnte eine konstitutive Transkription aller ORFs festgestellt werden, wenngleich in unterschiedlicher Stärke. Nach Kontakt mit HeLa-Zellen wurde keine erhöhte Transkription oder Promotoraktivität einzelner ORFs festgestellt. Daher scheint die Kontaktabhängigkeit des zytopathischen Effekts nicht auf einer durch HeLa-Zellen hervorgerufenen Induktion der PKS/NRPS-Expression zu beruhen. Die Kontaktabhängigkeit konnte durch die Induktion bzw. Überexpression einer PKS/NRPS (clbB), den putativen Schlüsselenzymen Thioesterase (clbQ) und Phosphopantetheinyl-Transferase (clbA) oder dem möglichen Regulator clbR nicht überwunden werden. Mittels Luziferase-Reportergenfusionen konnte ein Einfluss unterschiedlicher Medien und Kulturbedingungen auf die Promotoraktivität einzelner Gene festgestellt werden. Dies wurde auf den Einfluss des BarA/UvrY- Zweikomponentensystems zurückgeführt, welches über CsrA/CsrBC den Kohlenstoff-Metabolismus von E. coli post-transkriptional reguliert. Die natürliche uvrY-Deletionsmutante UPEC 536 wies trotz des Besitzes des kompletten PKS/NRPS-Genclusters keinen zytopathischen Effekt auf. Dieser konnte jedoch durch Komplementation mit uvrY wieder hergestellt werden. Dies ist der erste Hinweis für einen außerhalb der asnW-Insel liegenden Regulationsmechanismus der PK/NRP-Synthese. Die Funktion des Peptid-Polyketids in vivo bleibt weiterhin unklar und könnte sowohl Fitness als auch Virulenz von E. coli beeinflussen.