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Der Einsatz von computerchemischen Verfahren zur Vorhersage, Bestätigung oder Erklärung von Moleküleigenschaften hat sich zu einem Wissenschaftszweig innerhalb der Chemie entwickelt, der sowohl im universitären Umfeld als auch in der Industrie eine unverzichtbare Rolle einnimmt. So hat die in unserem Arbeitskreis in Zusammenarbeit mit Prof. J. Fleischhauer entwickelte und immer wieder erweiterte Methode zur Berechnung des Circular-Dichroismus (CD) organischer Moleküle schon in vielen Fällen die Arbeit experimentell arbeitender Naturstoffchemiker unseres Arbeitskreises und die vieler Kooperationspartner erleichtert. Im Rahmen der Strukturaufklärung wurde die Methode als effizientes Verfahren zur eindeutigen Zuordnung der absoluten Konfiguration von neuartigen chiralen Natur- und Wirkstoffen eingesetzt. In der vorliegenden Arbeit wurde die zusammen mit Prof. J. Fleischhauer etablierte Molekulardynamik-Methodik (MD-Methodik) – neben der schon vorher angewandten Boltzmann-Methodik (BM-Methodik) – zur Untersuchung des Circular-Dichroismus flexibler Verbindungen eingesetzt. Begonnen wurden die Studien mit der Evaluierung des Verfahrens an besonders flexiblen Molekülen, um im Anschluß den Circular-Dichroismus von Substanzen untersuchen zu können, deren CD-Spektren auf den ersten Blick sehr ungewöhnlich erschienen oder nicht den gängigen Vorstellungen vom chiroptischen Verhalten organischer Moleküle entsprachen. Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen sehr deutlich, daß der Circular-Dichroismus komplexer organischer Verbindungen immer vorsichtig zu interpretieren ist. Zwar ist der einfachste Weg zur Aufklärung der Absolutkonfiguration eines Moleküls derjenige, das CD-Spektrum der unbekannten Verbindung mit dem einer bereits aufgeklärten Substanz sehr ähnlicher Konstitution zu vergleichen. Doch wie an den untersuchten Beispielen deutlich gezeigt wurde, kann trotz vermeintlich guter Übereinstimmung von CD-Spektren leicht eine falsche Zuordnung erfolgen. Einzig bei Enantiomeren oder sehr einfachen Derivaten enantiomerer Grundstruktur kann man durch den Vergleich experimenteller CD-Spektren eine sichere Aussage treffen. Sobald jedoch die CD-Spektren von Diastereomeren oder gar konstitutionell verschiedenen Substanzen verglichen werden sollen, ist immer äußerste Vorsicht geboten.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit war die Suche nach neuen biologisch aktiven Naturstoffen in Mikroorganismen, welche aus verschiedenen Schwämmen des Mittelmeeres isoliert wurden. Durch die Verwendung mit der Hochdruckflüssigchromatographie (HPLC) gekoppelter spektroskopischer Methoden war es dabei möglich, bekannte Sekundärmetabolite frühzeitig zu erkennen und so die Suche nach neuen Naturstoffen besonders effizient zu gestalten. Dabei wurden neben den gängigen Verfahren HPLC-UV und HPLC-MS auch HPLC-NMR und HPLC-CD eingesetzt. Auf diese Weise nicht als bekannt identifizierte Verbindungen wurden isoliert, ihre Strukturen durch NMR- und MS-Methoden aufgeklärt und die Reinsubstanzen verschiedenen Tests auf biologische Aktivitäten unterzogen. Insgesamt wurden auf diese Weise 13 neue und 21 bekannte Naturstoffe gefunden.
Die absoluten Konfigurationen von mehr als 20 neuartigen Naturstoffen und Syntheseprodukten mit unterschiedlichen Chiralitätselementen (stereogene Zentren, chirale Achsen und chirale Ebenen) wurden durch Vergleich ihrer experimentellen CD-Spektren mit den quantenchemisch berechneten der jeweils möglichen Stereoisomere aufgeklärt. Zur Simulation des molekularen CD kamen dabei semiempirische Verfahren (CNDO/S und OM2) und die zeitabhängige Dichtefunktionaltheorie (TDDFT) zum Einsatz.
Die Natur entwickelte im Laufe der Evolution eine unvorstellbare Vielfalt an unterschiedlichsten Lebewesen. Viele diese Organismen besitzen die Fähigkeit, biologisch aktive Sekundärstoffe zu produzieren, die ihnen im täglichen Überlebenskampf einen Vorteil gegenüber ihren Konkurrenten bieten. Die Effizienz, mit der solche Naturstoffe in lebenden Organismen biosynthetisch dargestellt werden, wurde von der organisch-chemischen Synthese bislang nicht annähernd erreicht. Die Untersuchung von Biosynthese-Routen verspricht daher nicht nur die Entdeckung wissenschaftlich interessanter Phänomene, sondern bietet zudem die Chance, von der Natur zu lernen. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen dabei deutlich, dass sowohl die genaue Analyse des Aufbaus bereits lange bekannter Metabolite, wie z.B. des Furanonaphthochinons I (FNQ I) oder des Chrysophanols, als auch die Untersuchung der Biosynthese strukturell neuartiger Sekundärstoffe, wie etwa des Sorbicillactons A, von großem Interesse sein können. Die gewonnenen Informationen können dann zur optimierten biotechnologischen oder synthetischen Produktion viel versprechender bioaktiver Substanzen genutzt werden. Auch die Gewinnung neuer Substanzen aus der Natur, z.B. als Leitstrukturen für die Pharma-Forschung, ist ein lohnendes Ziel. Eine stete Verbesserung der Methoden zur Charakterisierung von Naturstoffen, z.B. unter Anwendung von Online-Analyse-Verfahren, hilft dabei, die gezielte Entdeckung noch unbekannter Metabolite schneller und einfacher zu gestalten. Für die Aufklärung der Konstitution von Substanzen nützlich ist hier vor allem die Kopplung von HPLC mit NMR und MS, wie beispielsweise im Rahmen der Identifizierung von Secohyperforin und neuer mariner Macrolactame gezeigt. Die Kombination von HPLC mit CD bietet zudem die Chance zur effizienten Aufklärung der absoluten Stereostruktur chiraler Verbindungen direkt am Peak im Chromatogramm. Ziel der vorliegenden Arbeit war die Isolierung, die biosynthetische und strukturelle Charakterisierung sowie die Produktion bioaktiver Sekundärstoffe unter Anwendung und Weiterentwicklung unterschiedlichster Konzepte und Methoden der Naturstoffchemie. Die vielfältigen Ergebnisse sind das Resultat von interdisziplinären Kooperationen innerhalb des SPP 1152 (DFG Schwerpunktprojekts 'Evolution metabolischer Diversität') und des vom BMBF geförderten Exzellenzzentrums BIOTECmarin ('Nachhaltige Nutzung mariner Schwämme').