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Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit waren 3041 Lautäußerungen der ersten zwölf Lebenswochen von 14 Säuglingen mit orofazialen Spalten (OFS-Gruppe). Diese wurden, soweit die Indikation dazu vorlag, kieferorthopädisch mit einer Oberkieferplatte frühbehandelt, die sie auch während der Lautaufnahmen trugen. Um die Ergebnisse mit Referenzdaten von Säuglingen ohne Spaltbildungen vergleichen zu können, wurde eine Kontrollgruppe von 17 Säuglingen hinzugezogen. Im Anschluss an die Spektralanalyse mit dem CSL-System wurden die aufgenommenen Laute bezüglich ihrer Melodiestruktur und ausgewählter spektraler Eigenschaften mit Hilfe des Programms CDAP (Cry-Data-Analysis- Program) analysiert und klassifiziert. Dabei stand die Klassifizierung der Melodiestruktur anhand der Frequenz- und Intensitätsverläufe der Vokalisationen im Fokus der Untersuchung, denn es sollte überprüft werden, ob sich die Melodieentwicklung als Frühindikator bei der Diagnostik einer Sprachentwicklungsstörung bei Kindern mit orofazialen Spalten eignet. Dazu wurde der von Wermke et al. (2007) beschriebene Melody-Complexity- Index (MCI) bestimmt, der den Anteil der Vokalisationen mit einer komplexen Melodiestruktur angibt. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie haben gezeigt, dass sich der MCI, speziell des 2. Lebensmonats, prinzipiell auch bei Säuglingen mit Spaltbildungen als Frühindikator für eine Sprachentwicklungsstörung eignet. Allerdings zeigte knapp die Hälfte der Säuglinge der OFS-Gruppe eine Verzögerung in ihrer Melodieentwicklung um etwa vier Wochen, sodass jene Säuglinge eine adäquate Melodiekomplexität in ihren Lautäußerungen erst in der 9. – 12 Lebenswoche erreichten. Dadurch wäre es für eine valide vorsprachliche Diagnostik bei diesen Säuglingen notwendig, den MCI in der 9. – 12. Lebenswoche erneut zu evaluieren. Sollte auch dann noch der Grenzwert von 0,45 unterschritten sein, liegt ein potentiell zusätzliches Risiko für eine Sprachentwicklungsstörung vor. Auf die Bestimmung des MCI in den ersten vier Lebenswochen kann hingegen bei der Diagnostik verzichtet werden, da hier der indikative Wert der Melodieentwicklung durch postnatale Anpassungsvorgänge vergleichsweise gering ist. Nicht nur bei der Entwicklungsgeschwindigkeit, sondern auch bei der Art der komplexen Strukturbildungen zeigte die OFS-Gruppe Besonderheiten. Bei der differenzierten Analyse der komplexen Strukturen zeigten die Säuglinge mit orofazialen Spalten signifikant häufiger die Melodiestruktur vom Typ 1S (Vokalisation mit zwei Melodiebögen, die durch eine Vokalisationspause getrennt sind) und signifikant seltener das Melodiemuster KS (Vokalisation mit drei oder mehr Melodiebögen und einer Pause). Inwieweit diese Unterschiede von Relevanz für die Frühdiagnostik sind, müsste durch weitere Studien untersucht werden. Dabei wäre insbesondere von Interesse, in welcher Weise die einzelnen Melodiemuster als Bausteine für die spätere Babbelphase und erste Worte und Sätze dienen. Des Weiteren würde eine Identifizierung weiterer sensibler Phasen der Sprachentwicklung, wie es eben der 2. Monat für die Melodieentwicklung ist, eine kontinuierliche Diagnostik und Überwachung der Kinder mit orofazialen Spalten erlauben und eine optimierte individuelle Therapie ermöglichen. Die vorliegende Arbeit demonstriert Besonderheiten in der frühen vorsprachlichen Lautentwicklung bei Säuglingen mit orofazialen Spalten, die in keinem direkten Zusammenhang mit den Malformationen des Vokaltrakts stehen. Unabhängig vom Spalttyp und lange bevor eine kieferchirurgische Intervention stattgefunden hat, sind bereits Besonderheiten in der Melodieentwicklung nachweisbar. Diese zeigen interindividuelle Variationen, die es erlauben, für einzelne Säuglinge angepasste Betreuungspläne zu erstellen bzw. Risikokinder zu identifizieren.