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Im Zuge der Bemühungen um neue, tumorspezifische Therapieansätze für die Myelomerkrankung hat sich der C-X-C-Chemokinrezeptor 4 (CXCR4) aufgrund seiner zentralen Rolle in der Tumorgenese als vielversprechender Angriffspunkt hervorgetan. Im Sinne eines theranostischen Konzepts wird der Rezeptor mithilfe eines radioaktiv markierten Liganden quantifiziert und anschließend von rezeptorspezifischen Radiotherapeutika als Zielstruktur genutzt. Die CXCR4-Expression ist allerdings ein höchst dynamischer Prozess mit großer inter- und intraindividueller Heterogenität, der u.a. durch eine begleitende Chemotherapie beeinflusst werden kann. Ob sich therapieinduzierte Veränderungen der Rezeptorexpression gezielt nutzen lassen, um die CXCR4-Expression zu optimieren und so die Effektivität der CXCR4-gerichteten Strategien zu steigern, wurde bislang nicht untersucht.
Vor diesem Hintergrund wurden in der vorliegenden Arbeit verschiedene, in der Myelomtherapie etablierte Substanzen sowohl einzeln als auch in Kombination hinsichtlich ihres Einflusses auf die CXCR4-Expression von MM-Zelllinien und primären MM-Zellen unter in vitro Bedingungen analysiert.
In den durchgeführten Experimenten zeigte sich eine hohe Variabilität der CXCR4-Expression der MM-Zellen nach Therapieinduktion, die sich als substanz-, dosis- und zeitabhängig herausstellte. Die Ergebnisse bestätigten das große Potenzial der therapieinduzierten Modulation der CXCR4-Expression. Im weiteren Verlauf sind translationale Forschungsansätze gerechtfertigt, die die Übertragbarkeit der in vitro gewonnenen Ergebnisse auf die komplexen Vorgänge im lebenden Organismus überprüfen. Langfristiges Ziel ist der Entwurf eines patientenzentrierten, multimodalen Therapiekonzepts, welches das CXCR4-gerichtete theranostische Konzept mit einer individuell angepassten, medikamentösen MM-Therapie kombiniert.
Trotz der Fortschritte in der Therapie des Multiplen Myeloms und des stetig wachsenden Arsenals effektiver anti-MM-Medikamente muss ein Teil der Patienten mit bestimmten zytogenetischen Veränderungen der Tumorzellen nach wie vor der Hochrisiko-Gruppe zugeordnet werden und hat eine Lebens-erwartung von nur wenigen Jahren. Einer der ungünstigsten prognostischen Marker ist die Inaktivierung des Tumorsuppressorgens TP53 durch Mutationen des Gens oder Deletionen des kurzen Arms von Chromosom 17, del(17p). Diese wird häufig mit einer Chemoresistenz der entarteten Plasmazellen in Verbindung gebracht.
In der vorliegenden Arbeit gelang es mittels des CRISPR/Cas9-Systems TP53-Läsionen zu erzeugen und isogene Klone der TP53wt/wt Zelllinie AMO-1 zu generieren. Diese wurden anhand der Sequenzanalysen von beiden TP53-Allelen den Gruppen der biallelisch TP53-inaktivierten, der monoallelisch TP53-inaktivierten und der TP53wt/wt Klone zugeordnet. Das gruppenspezifische Verhalten der Klone aller drei Gruppen hinsichtlich deren Expression von p53, p21 und Mdm2 unterstrich die Validität des etablierten Zelllinienmodells zur Untersuchung der Bedeutung von TP53-Läsionen beim Multiplen Myelom. Neben einer kompletten Ausschaltung durch biallelische TP53-Inaktivierung zeigten die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit auch eine Haploinsuffizienz des p53-Systems. Diese äußerte sich in einer Abschwächung der Nutlin-3A-abhängigen p53-, p21- und Mdm2-Induktion bereits nach Inaktivierung eines TP53-Allels durch Frameshift-Mutation. Korrelierend zu dem Proteinexpressions¬muster konnte eine zunehmende Resistenzentwicklung der Klone je nach Grad der TP53-Inaktivierung (mono- bzw. biallelisch) gegen Nutlin 3A sowie genotoxische Substanzen nachgewiesen werden, während die Sensibilität der MM-Zellen gegen Proteasominhibitoren unbeeinträchtigt blieb. Einschränkungen hinsichtlich der Übertragbarkeit der Ergebnisse der vorliegenden Arbeit auf das Multiple Myelom im Allgemeinen bestehen in dem Umstand, dass die beschriebenen Beobachtungen lediglich an einer einzigen MM-Zelllinie gemacht werden konnten. Dies ist durch die geringe Auswahl an TP53wt/wt MM-Zelllinien, die zudem noch oft eine schlechte Transfektabilität und niedrige Zellteilungsrate nach Einzelzellselektion aufweisen, bedingt.
Die an der Zelllinie AMO-1 gemachten Beobachtungen stehen in Einklang mit der in klinischen Studien festgestellten Verkürzung des progressionsfreien- (PFS) und Gesamt-Überlebens (OS) bei MM-Patienten mit TP53-Alterationen. Die zunehmende Chemoresistenz der malignen Plasmazellen nach mono- bzw. biallelischer TP53-Inaktivierung kann als Grund für die Akkumulation entsprechender Klone im Rezidiv und in fortgeschrittenen Krankheitsstadien des MM angesehen werden. Mittels möglichst umfassender Erfassung des genauen TP53-Läsions-Status in zukünftigen klinischen Studien zu multiplen Zeitpunkten des Krankheitsverlaufs könnte der Einfluss verschiedener, in der Therapie des MM zum Einsatz kommender Substanzen auf die Selektion bzw. die Unterdrückung besonders virulenter Subklone mit TP53-Läsionen untersucht werden.
Die Zellen des Multiplen Myeloms (MM) zeichnen sich durch eine klonale Heterogenität aus, die eine kurative Therapie erschwert und zu Resistenzen gegenüber Medikamenten führt. Neue Substanzen, wie die Smac Mimetics Birinapant, BV6 und LCL161, sollen durch Nachahmung des in der Krebszelle reduziert vorkommenden Gegenspielers (SMAC/Diablo) der Apoptose-Inhibitoren (IAPs) die Apoptose der entarteten Zellen induzieren. In der vorliegenden Arbeit wurde die Wirksamkeit der Smac Mimetics Birinapant, BV6 und LCL161 und der Zytostatika Docetaxel und Paclitaxel auf 10 humane MM-Zellen in vitro untersucht. Es konnte bei einigen Zelllinien ein synergetischer Effekt auf die Reduktion der Zellzahl in einer Kombinationstherapie mit den Smac Mimetics und den Zytostatika nachgewiesen und teilweise Resistenzen überwunden werden. Weitere Forschungsarbeit zu Kombinationstherapien mit Smac Mimetics sollen deren Rolle und klinischen Nutzen in einer Therapiemöglichkeit bei rezidivierenden und refraktären MM-Patienten untersuchen.
Funktionelle Charakterisierung des Ras family small GTP binding protein RAL im Multiplen Myelom
(2020)
Die monoklonale Proliferation maligner Plasmazellen im Knochenmark ist charakteristisch für das multiple Myelom (MM) und kann bei Erkrankten zu Störungen in der Hämatopoese sowie zu Knochenläsionen und Niereninsuffizienz führen. Die Weiterentwicklung und der Einsatz neuer Therapieoptionen konnten das Überleben von MM-Patienten zwar erheblich verbessern, jedoch gilt diese Krankheit weiterhin als unheilbar. Onkogene Mutationen und das Knochenmarkmikromilieu führen in MM-Zellen zur Entstehung eines onkogenen Signalnetzwerks, das das Wachstum und Überleben der Zellen aufrechterhält. Mutationen der GTPase RAS treten bei bis zu 50 % der MM-Patienten auf und tragen zum Überleben von MM-Zellen bei. Trotz der Häufigkeit und Bedeutsamkeit von onkogenem RAS, auch in anderen Tumorentitäten, ist die GTPase nach wie vor therapeutisch nicht angreifbar. Die GTPase RAL aus der Familie der RAS-GTPasen wird als Downstream-Effektor von RAS angesehen, der damit ebenfalls zur Aufrechterhaltung des Tumorzellüberlebens beitragen könnte. In einigen Tumorentitäten konnte bisher gezeigt werden, dass eine Überexpression von RAL in den Tumorzellen vorliegt und die Proliferation und Apoptose von Tumorzellen durch RAL beeinflusst wird. Daher stellte sich die Frage, ob RAL im MM ebenfalls das Überleben von Tumorzellen beeinflusst und ob eine direkte Verbindung zwischen onkogenem RAS und RAL besteht.
In dieser Arbeit wurde die funktionelle Rolle von RAL sowie dessen Zusammenhang mit onkogenem RAS im MM untersucht. Hierbei konnte eine Überexpression von RAL in MM-Zellen im Vergleich zu MGUS oder normalen Plasmazellen beobachtet werden. In Knockdown-Analysen wurde gezeigt, dass RAL überlebensnotwendig für MM-Zellen ist. Dabei wurde in Western Blot-Analysen festgestellt, dass diese Überlebenseffekte unabhängig von MAPK/ERK-Signaling vermittelt werden. Es konnte teilweise jedoch eine Abhängigkeit von der AKT-Aktivität beobachtet werden. Da RAL-Knockdown Einfluss auf das Überleben von MM-Zellen hat, wurde eine pharmakologische Inhibition von RAL durch den Inhibitor RBC8 untersucht. RBC8 zeigte in höheren Dosen nur bei einem Teil der MM-Zelllinien eine Wirkung auf das Zellüberleben sowie auf die RAL-Aktivierung. Die Weiterentwicklung potenter RAL-Inhibitoren ist daher für eine klinische Translation einer RAL-Inhibition von großer Bedeutung. Zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen onkogenem RAS und der RAL-Aktivierung wurden RAL-Pulldown-Analysen nach Knockdown von onkogenem RAS durchgeführt. In diesen Experimenten wurde keine Abhängigkeit der RAL-Aktivierung von onkogenem RAS festgestellt. Darüber hinaus zeigten Genexpressionsanalysen nach RAS- bzw. RAL-Knockdown unterschiedliche Genexpressionsprofile. In Massenspektrometrie-Analysen wurden mögliche Effektoren, die mit RAL an der Beeinflussung des Zellüberlebens beteiligt sein könnten, untersucht. Hierbei wurden die Komponenten des Exozyst-Komplexes EXO84 und SEC5 als Interaktionspartner von RAL identifiziert. Nachdem gezeigt wurde, dass RAL ausschlaggebend für das Überleben von MM-Zellen ist, wurde eine Kombination von RAL-Knockdown mit klinisch relevanten Wirkstoffen analysiert. Diese zeigte bei der Kombination mit PI3K oder AKT-Inhibitoren verstärkte Effekte auf das Zellüberleben der MM-Zellen.
Zusammenfassend wurde die Bedeutung von RAL für das Überleben von Tumorzellen im MM gezeigt und RAL als potentielles therapeutisches Target im MM beschrieben, welches unabhängig von onkogenem RAS reguliert wird.
Das Multiple Myelom muss trotz stetiger Fortschritte im Hinblick auf die verfügbaren Therapieoptionen und die Krankheitsprognose weiterhin im Wesentlichen als eine unheilbare Erkrankung angesehen werden. Dies kann vor allem auf die große inter- und intraindividuelle Heterogenität des MM zurückgeführt werden, welche die Entwicklung gezielter molekularer Therapiestrategien erheblich erschwert. Hierbei stellen loss-of-function- Experimente, welche die Identifikation einzelner oder mehrerer potenziell therapeutisch relevanter Zielstrukturen durch die (kombinierte) Depletion von Proteinen ermöglichen, eine wichtige Säule dar, für deren Durchführung verschiedene Systeme mit jeweils eigenen Vor- und Nachteilen zur Verfügung stehen. Im Rahmen dieser Arbeit konnte die Etablierung eines auf RNA-Interferenz basierenden stabilen und induzierbaren Knockdownsystems durch Elektroporation von MM Zelllinien mit Einzel- und Mehrfach-shRNA-Vektoren abgeschlossen werden. Die Transfektion von tet-Repressor-exprimierenden Zellinien mit einer oder mehreren shRNAExpressionskassetten innerhalb eines Plasmidvektors ermöglicht durch die vollständige Repression der shRNA-Transkription im nicht-induzierten Zustand die Selektion erfolgreich transponierter Zellen ohne Effekt-vermittelte Bias und die Generierung großer Zellmengen für Versuchsreihen in vergleichsweise kurzer Zeit. Die Induktion der verschiedenen in dieser Arbeit evaluierten Einzel- und Mehrfach-shRNA-Konstrukte gegen (Kombinationen von) Zielstrukturen im Ras/MAPK- sowie im NFκB-Signalsystem mittels Doxyzyklin als Induktionsagens zeigte durchweg deutliche und den Erwartungen aus transienten Experimenten entsprechende Knockdownergebnisse. Auch die Resultate hinsichtlich funktioneller Readouts und zellphysiologischer Effekte der induzierten Knockouts stehen im Einklang mit vorangegangenen Experimenten und bestätigen somit die Äquivalenz des stabilen induzierbaren Systems zu transienten Ansätzen auf RNAi-Basis oder zu pharmakologischen Inhibitoren. Der hierbei erzielte hypomorphe Phänotyp innerhalb einer polyklonalen Zellpopulation bildet die Realität einer medikamentösen Blockade einer oder weniger Zielstrukturen einer heterogenen MM Tumorpopulation näherungsweise ab, weshalb das vorgestellte System ein hilfreiches, kosteneffizientes und leicht zu handhabendes Werkzeug für die Identifikation potenziell relevanter Zielstrukturen für molekulare Therapieansätze im Multiplen Myelom darstellt
Beim Multiplen Myelom handelt es sich um eine klinisch sehr heterogene Erkrankung, bei der eine genaue Prognoseabschätzung schwierig ist. In den letzten Jahrzehnten haben sich mehrere klinische, laborchemische sowie genetische Parameter als Risikofaktoren etabliert. Das Cystein-rich-Protein 61 (CYR61) ist ein Signalprotein, das bei verschiedensten Prozessen im menschlichen Körper eine Rolle spielt. Im Knochen ist CYR61 zuständig für die Angiogenese, die Proliferation und Migration mesenchymaler Stammzellen sowie für die Differenzierung von Osteoblasten und Endothelzellen. Im Zusammenhang mit dem Multiplen Myelom konnte in Studien gezeigt werden, dass CYR61 dort in signifikant höheren Konzentrationen vorliegt und hohe CYR61-Werte bei Myelom-Patienten mit einer besseren Prognose und einem längeren Überleben einherzugehen scheinen.
In der vorliegenden Dissertation, wurde die CYR61-Konzentration im peripheren Blut bei Myelom-, Osteoporose-Patienten und gesunden Probanden gemessen. Es zeigten sich signifikant höhere CYR61-Werte in der Gruppe der Myelom-Patienten im Vergleich zur Gruppe der Osteoporose-Patienten. Hohe CYR61-Konzentrationen in der Myelom-Gruppe waren assoziiert mit günstigen Prognosefaktoren wie einem Hämoglobin-Wert > 10 g/dl, einem normwertigen Serum-Albumin, einer niedrigen Laktatdehydrogenase, einer geringen Konzentration von Immunglobulinen im Serum und einer normwertigen free light chain ratio. Patienten in "complete response" oder "very good partial response" hatten signifikant höhere CYR61-Werte. Eine Therapie mit immunmodulatorischen Medikamenten ging mit höheren CYR61-Konzentrationen einher. Der Einsatz von Proteasom-Inhibitoren war dagegen mit niedrigeren CYR61-Werten assoziiert. In der Gruppe der Osteoporose-Patienten sowie bei den gesunden Probanden ergaben sich signifikant höhere CYR61-Konzentrationen bei fortgeschrittenem Alter.
Zusammenfassend lassen die Ergebnisse vermuten, dass eine hohe CYR61-Konzentration im Serum von Myelom-Patienten im Zusammenhang mit einer geringeren Krankheitsaktivität bzw. mit einer stattfindenden Regeneration des Knochens steht. Hohe CYR61-Werte bei Myelom-Patienten waren ausschließlich mit günstigen Risiko- und Prognosefaktoren assoziiert. Eine gesteigerte Ausschüttung von CYR61 scheint für einen anabolen Knochenstoffwechsel zu sprechen. Passend dazu zeigten sich bei Osteoporose-Patienten signifikant niedrigere CYR61-Werte. In Bezug auf die durchgeführten Therapien beim Multiplen Myelom ist ein komplexer Zusammenhang zwischen Wirkungsweise der Medikamente auf das Knochenmikromilieu und der Regulation der CYR61-Produktion anzunehmen. CYR61 sollte als sensibler Parameter angesehen werden, dessen Aussage sich mit dem Verlauf der Erkrankung und unter Berücksichtigung der durchgeführten Therapien ändern kann. Beim Einsatz von Proteasom-Inhibitoren kann CYR61 möglicherweise als Parameter für das Ansprechen der Therapie genutzt werden.
Die Alloimmuntherapie beim rezidivierten Multiplen Myelom: Ergebnisse einer retrospektiven Analyse
(2019)
Die Behandlung des Multiplen Myeloms stellt eine Herausforderung sowohl für den Arzt als auch für den Patienten dar. Neue Therapeutika wie IMiDs und Antikörper ermöglichen Therapieerfolge, die bis dato nicht möglich schienen. Allerdings sind diese Erfolge regelhaft von kurzer Dauer, was den Wunsch nach einer potentiell kurativen Option noch verständlicher macht. Zudem verbleibt die Frage, wer tatsächlich von einer Alloimmuntherapie profitiert.
In der vorliegenden Arbeit wurden im Rezidiv allogen transplantierte Myelom-Patienten als besondere Hochrisiko-Gruppe bezüglich der Therapieergebnisse der Alloimmuntherapie untersucht.
Die retrospektive Analyse zeigte, dass nicht jeder der analysierten Patienten von der Therapie profitierte und die Ergebnisse insgesamt eher moderat waren. Innerhalb der Patientenkohorte konnten unabhängige Risikofaktoren identifiziert werden, die das Therapieergebnis nach alloSZT beeinflussten. Von der Alloimmuntherapie profitierten demnach Patienten mit folgenden Risikofaktoren nicht: Patienten mit extramedullärem Myelom, in schlechtem Allgemeinzustand, mit Hochrisiko-Zytogenetik, mit vielen Vortherapien und schlechter Remission vor alloSZT.
Zusammengefasst könnte die Identifizierung von Risikofaktoren helfen, eine optimale Patientenselektion zu betreiben, um schlussendlich nur den Patienten eine Alloimmuntherapie anzubieten, die schließlich auch davon profitieren. Im Kontext des
Wissenszuwachses beim Multiplen Myelom erscheint es außer Frage, dass eine genetisch derart heterogene Erkrankung optimalerweise mit einem immuntherapeutischen Konzept vorsorgt wird. Bei optimaler Patientenauswahl kann sicherlich eine Subgruppe einen erheblichen therapeutischen Benefit erreichen, was sogar der Kuration entsprechen könnte.
Das Multiple Myelom (MM) ist eine maligne B-Zell-Erkrankung, welche von einer großen Heterogenität auf der biologischen und klinischen Ebene sowie in der Therapieantwort geprägt ist. Durch die biologische Interpretation von whole exome sequencing (WES)-Daten der Tumor- und Normalproben von fünf MM-Patienten und sechs MM-Zelllinien (ZL) sowie dem Einbezug von publizierten next generation sequencing (NGS)-Daten von 38 MM-Patienten konnten in dieser Dissertation sowohl somatische tumorrelevante Mutationen identifiziert als auch ein MM-spezifisches Signaltransduktionsnetzwerk definiert werden. Interessanterweise wurde in fast 100 % der MM-Patienten mindestens eine Mutation und in ~50 % der MM-Patienten sogar mehr als eine Mutation innerhalb dieses Netzwerkes beobachtet, was auf eine inter- und intra-individuelle Signalweg-Redundanz hinweist, die für die individuelle Therapieentscheidung möglicherweise von Bedeutung sein könnte. Außerdem konnte bestätigt werden, dass identische, positionsspezifische und genspezifische Mutationen im MM selten wiederholt auftreten. Als häufig mutierte Gene im MM konnten KRAS, NRAS, LRP1B, FAM46C, WHSC1, ALOX12B, DIS3 und PKHD1 identifiziert werden. Interessanterweise wurde die DIS3-Mutation in der MM-ZL OPM2 gemeinsam mit einer copy neutral loss of heterozygosity (CNLOH) im DIS3-Lokus detektiert, und in der MM-ZL AMO1 wurde eine noch nicht näher charakterisierte KRAS-Mutation in Exon 4 in Verbindung mit einem copy number (CN)-Zugewinn und einer erhöhten KRAS-Genexpression gefunden. DIS3 ist ein enzymatisch aktiver Teil des humanen RNA-Exosom-Komplexes und KRAS ein zentrales Protein im RTK-Signalweg, wodurch genetische Aberrationen in diesen Genen möglicherweise in der Entstehung oder Progression des MMs eine zentrale Rolle spielen. Daher wurde die gesamte coding sequence (CDS) der Gene DIS3 und KRAS an Tumorproben eines einheitlich behandelten Patientensets der DSMM-XI-Studie mit einem Amplikon-Tiefen-Sequenzierungsansatz untersucht. Das Patientenset bestand aus 81 MM-Patienten mit verfügbaren zytogenetischen und klinischen Daten. Dies ergab Aufschluss über die Verteilung der Mutationen innerhalb der Gene und dem Vorkommen der Mutationen in Haupt- und Nebenklonen des Tumors. Des Weiteren wurde die Assoziation der Mutationen mit weiteren klassischen zytogenetischen Alterationen (z.B. Deletion von Chr 13q14, t(4;14)-Translokation) untersucht und der Einfluss der Mutationen in Haupt- und Nebenklonen auf den klinischen Verlauf und die Therapieantwort bestimmt. Besonders hervorzuheben war dabei die Entdeckung von sieben neuen Mutationen sowie drei zuvor unbeschriebenen hot spot-Mutationen an den Aminosäure (AS)-Positionen p.D488, p.E665 und p.R780 in DIS3. Es wurde des Weiteren die Assoziation von DIS3-Mutationen mit einer Chr 13q14-Deletion und mit IGH-Translokationen bestätigt. Interessanterweise wurde ein niedrigeres medianes overall survival (OS) für MM-Patienten mit einer DIS3-Mutation sowie auch eine schlechtere Therapieantwort für MM-Patienten mit einer DIS3-Mutation im Nebenklon im Vergleich zum Hauptklon beobachtet. In KRAS konnten die bereits publizierten Mutationen bestätigt und keine Auswirkungen der KRAS-Mutationen in Haupt- oder Nebenklon auf den klinischen Verlauf oder die Therapieantwort erkannt werden. Erste siRNA vermittelte knockdown-Experimente von KRAS und Überexpressionsexperimente von KRAS-Wildtyp (WT) und der KRAS-Mutationen p.G12A, p.A146T und p.A146V mittels lentiviraler Transfektion zeigten eine Abhängigkeit der Phosphorylierung von MEK1/2 und ERK1/2 von dem KRAS-Mutationsstatus.
Zusammenfassend liefert die vorliegende Dissertation einen detaillierten Einblick in die molekularen Strukturen des MMs, vor allem im Hinblick auf die Rolle von DIS3 und KRAS bei der Tumorentwicklung und dem klinischen Verlauf.
Das multiple Myelom muss trotz aller Therapierfolge in den letzten drei Jahrzehnten seit Einführung der Melphalan-basierten Hochdosistherapie mit autologer Stammzell-Transplantation als eine unheilbare maligne hämatologische Systemerkrankung angesehen werden. Trotz einer großen Anzahl vielversprechender neuer Therapieoptionen im Bereich von IMiDs, PIs und gänzlich neuer immuntherapeutischer Behandlungsansätze stellt dabei die Behandlung eines Myelom-Patienten im späten Krankheitsrezidiv nach Versagen von Lenalidomid und Bortezomib eine therapeutische Herausforderung dar. Daneben erweisen sich dabei im klinischen Alltag mit zunehmender Zahl an Vortherapien insbesondere auch Behandlungs-assoziierte Toxizitäten als den Behandlungserfolg limitierende Faktoren.
Diese retrospektive Analyse zeigt, dass eine dritte Melphalan-Hochdosistherapie mit anschließender autologer Stammzelltransplantation in dieser Situation eine wirkungsvolle Therapieoption darstellt, die zum einen ein überzeugendes Ansprechen (ORR 59 %) bewirkt, und über diese unmittelbare Wirksamkeit hinaus zu einem Zugewinn Progressions-freier Überlebenszeit von im Mittel 9 Monaten führt. Zudem kann insbesondere auch die neuerliche autologe Transplantation durch eine Verbesserung der häufig Therapie-assoziiert erschöpften hämatopoetischen Funktion dazu beitragen, dass Patienten im nahezu unweigerlich auftretenden neuerlichen Rezidiv durch bessere Therapieadhärenz und höhere Therapieintensität maximal von Folgetherapien profitieren. Dieser Effekt spiegelt sich in einem gemessen an einem trotz intensiv vortherapierter Patienten langen mittleren Überlebens von 26 Monaten wider.
Trotz hoher Therapieeffektivität zeigt sich dabei ein günstiges Sicherheitsprofil mit einer Therapie-assoziierten Mortalität von 4,9 %. Daneben konnte diese Arbeit in einer großen Kohorte bestätigen, dass eine lange Kryokonservierung autologer Stammzellen nicht nur in vitro sondern auch in vivo nicht zu einem Qualitätsverlust und somit beeinträchtigtem Stammzell-Engraftment führt.
Insgesamt kann sich die ASCT3 im späten Krankheitsrezidiv in ihrer Wirksamkeit und Sicherheit in refraktären/relabierten Fällen mit Proteasomen-Inhibitoren sowie immunmodulatorischen Substanzen der zweiten bzw. dritten Generation messen lassen, ist jedoch ebenso wenig wie diese im alleinigen Einsatz in der Lage, den negativ-prognostischen Einfluss einer Doppel-Refraktärität bzw. einer Hochrisiko-Zytogenetik vollständig zu überwinden. Hieraus ergeben sich neue Ansätze für Therapiekonzepte, die beispielsweise immunmodulatorische Substanzen sowie Proteasomen-Inhibitoren der neueren und neuesten Generation ebenso wie Antikörper-basierte Therapien im Rahmen einer prospektiven Studie mit einer dritten Hochdosistherapie und anschließender autologer Stammzelltransplantation kombinieren könnten, um das Gesamtüberleben von Myelom-Patienten weiter zu verlängern.
Diese Dissertation analysiert BMP2 und BMP2-Derivate als neue therapeutische Strategien für die Behandlung des Multiplen Myeloms (MM). Das MM ist eine maligne neoplastische Erkrankung des Knochenmarks mit Plasmazellvermehrung und erhöhten Leveln an Aktivin A im Blutserum, wobei eines der Hauptsymptome das Auftreten von schmerzvollen Osteolysen ist. In den letzten Jahren rückte Aktivin-A als interessantes Target zur Behandlung des Multiplen Myeloms in den Vordergrund. Die Reduzierung der Aktivin-A Level durch decoy-Rezeptoren führte zu einer signifikanten Verbesserung der Osteolysen und einem reduzierten Proliferationsverhalten der neoplastischen B-Zellen, sowohl im Tierexperiment als auch in Studien der klinischen Phase II. Die Aktivin-A-Antagonisierung ist somit ein neuer und vielversprechender Ansatz in der Therapie des Multiplen Myeloms.
Das Bone Morphogenetic Protein 2 ist aufgrund seiner molekularen und biologischen Eigenschaften ein interessantes Target für die Therapie des Multiplen Myeloms. Es ist auf molekularer Ebene ein Aktivin-A-Antagonist, besitzt aber auch osteoinduktives Potential und apoptotische bzw. anti-proliferative Eigenschaften auf neoplastische B-Zellen. Da die in der Literatur bereits beschriebenen, durch Mitglieder der TGF-β-Familie induzierten Apoptosemechanismen, noch nicht genauer untersucht waren, wurde in dieser Arbeit die BMP2-induzierte Apoptose in 10 unterschiedlichen humanen MM-Zellen analysiert. Erstens konnte dabei nachgewiesen werden, dass 7 von 10 Zelllinien nicht BMP2-responsiv waren. Eine genauere Untersuchung ergab, dass neben der Expression spezifischer BMP-Rezeptoren auch die Expression von inhibitorischen Smad-Proteinen über die BMP2-Responsivität entscheidet. Zweitens zeigte die genauere Analyse der Apoptosemechanismen, dass entgegen der in der Literatur publizierten Ergebnisse, BMP2 keine apoptotische Wirkung auf die von uns untersuchten Zelllinien hat. Mehrere verschieden durchgeführte Experimente, u.a. die Verwendung von spezifischen Inhibitoren des programmierten Zelltodes, unterstützen dieses Ergebnis und klassifizieren BMP2 als einen rein anti-proliferativen Faktor.
Der letzte Teil der Arbeit befasst sich mit der Analyse von potentiellen Aktivin-A-Antagonisten in Form verschiedener BMP2- und GDF5-Derivate und inwiefern sie sich zum Einsatz in der Therapie des Multiplen Myeloms eignen. Die unterschiedlichen Eigenschaften der einzelnen Mutanten wurden in verschiedenen Zellsystemen getestet. So konnte aufgezeigt werden, dass neben einer erhöhten biologischen Aktivität in Form eines gesteigerten osteoinduktiven und anti-proliferativen Potentials auf neoplastische B-Zellen (Superagonisten), sich die verschiedenen Derivate als Super-Antagonisten zu Aktivin A eignen und damit unterschiedlichen Ansprüchen der adjuvanten Therapie im Multiplen Myelom gerecht werden.