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Die vorliegende Arbeit beschreibt die Durchführung computergestützter Untersuchungen an den Wildtyp-Kristallstrukturen dieses Enzyms – einerseits zur Suche nach neuen Inhibitoren im Rahmen von virtuellen Screening- (VS-) Studien, andererseits zur Charakterisierung der strukturellen Flexibilität mit Hilfe von Molekulardynamik- (MD-) Simulationen. Für ein erstes VS wurde zunächst eine Datenbank von mehreren Millionen kommerziell erhältlichen Verbindungen mit Arzneistoff-ähnlichen physikochemischen Eigenschaften erstellt. Als Ausgangspunkt der Screening-Studie diente ein Teildatensatz, welcher mit Hilfe eines auf dem nativen Bindemodus des KasA-Inhibitors Thiolactomycin (TLM) beruhenden Pharmakophormodells erhalten wurde. Diese Verbindungen wurden in die Bindetasche von KasA gedockt und die Qualität der erhaltenen Posen in einem Re- und Konsensus-Scoring-Verfahren bewertet. Schließlich wurden 14 Substanzen käuflich erworben und im Rahmen einer Fluoreszenz-Bindungsstudie experimentell getestet. Für sechs Moleküle war gegenüber KasA eine schwache, zu TLM vergleichbare Aktivität zu verzeichnen. Eine zweite VS-Studie befasste sich mit der Bewertung der Bindungsaffinität synthetisch leicht zugänglicher Derivate von GS95, einem gegenüber dem KasA-Wildtyp aktiven Molekül mit einer 1-Benzyluracil-Grundstruktur. Anhand geeigneter Synthesebausteine wurde eine virtuelle Datenbank von insgesamt 16 Derivaten erstellt, welche in die Bindetasche des Enzyms gedockt wurden. Für die vorhergesagten Bindemodi erfolgte dann eine Abschätzung der freien Bindungsenthalpie. Nach einer Bewertung der Orientierungen auf Basis der errechneten ΔG-Werte sowie einer visuellen Analyse wurden schließlich elf Verbindungen synthetisiert und im Fluoreszenz-Experiment getestet, wobei für alle Uracilderivate eine Aktivität zu beobachten war. Die Kd-Werte fallen jedoch ähnlich hoch aus wie bei GS95. Zur Untersuchung der Strukturdynamik des KasA-Wildtyps wurden drei MD-Simulationen des homodimeren Proteins von je 15 ns Länge durchgeführt. Mit Hilfe von 2D-RMSD-Berechnungen und einer hierarchischen Clusteranalyse wurden aus den drei Simulationen insgesamt zehn repräsentative Snapshots entnommen, welche die im Rahmen der Simulationszeit von insgesamt 90 ns produzierte strukturelle Vielfalt der Bindetasche von KasA wiedergeben. Wie die Analysen zeigen, wird ein dualer Charakter hinsichtlich der Flexibilität der unmittelbaren Taschenreste beobachtet. Hierbei zeigt Phe404 eine besonders ausgeprägte strukturelle Vielfalt; diese Beobachtung deckt sich mit der gatekeeper-Rolle der Aminosäure zwischen der Malonyl-Bindetasche und dem Acyl-Bindekanal, welcher für die Unterbringung der wachsenden Fettsäurekette im Enzym während der Katalyse verantwortlich zeichnet. Darüber hinaus erklärt die hohe Flexibilität von Phe404 möglicherweise die recht schwache Bindungsaffinität von TLM gegenüber dem Wildtyp von KasA, da die gatekeeper–Aminosäure nur in der geschlossenen Form einen stabilisierenden Effekt auf den Liganden ausübt. Besondere Bedeutung kommt hierbei einem Wassermolekül zu, welches als eine Art molekularer Schalter für die Flexibilität von Phe404 betrachtet werden kann und somit die Fixierung von TLM in der Bindetasche maßgeblich beeinflusst. Des Weiteren wurden innerhalb der Tasche hohe Besetzungsraten für je ein Wassermolekül identifiziert. Die aus den MD-Simulationen gewonnenen Erkenntnisse wurden anschließend zur Aufstellung von Empfehlungen für das Design neuartiger KasA-Inhibitoren verwendet. Des Weiteren wurde die Dynamik des oben erwähnten Acyl-Bindekanals, welcher sich aus den Aminosäuren 115-147 zusammensetzt, näher charakterisiert. Hierbei wurden die Reste 115-119 und insbesondere Leu116 als zweiter gatekeeper identifiziert, welcher die Öffnung des Acyl-Bindekanals zur Oberfläche des Proteins reguliert und somit eine entscheidende Funktion bei der Unterbringung der langkettigen Fettsäuresubstrate übernimmt. Schließlich wurden zwei repräsentative Bindetaschenkonformationen aus den MD-Simulationen hinsichtlich einer Verwendung in strukturbasierten VS-Studien näher untersucht. Mit Hilfe von hot spot Analysen und unter Berücksichtigung oben genannter Empfehlungen für das Design neuartiger KasA-Inhibitoren wurden verschiedene Pharmakophormodelle erstellt, welche nach Durchsuchung der zu Anfang dieses Kapitels erwähnten virtuellen Moleküldatenbank zwischen 149 und 420 verschiedene hit-Strukturen lieferten. Folglich scheint eine Adressierung der beiden Konformationen durch arzneistoffartige Verbindungen prinzipiell möglich. Unter den erhaltenen Verbindungen herrscht eine hohe strukturelle Vielfalt; außerdem unterscheiden sich diese im Allgemeinen deutlich von den Molekülen aus den vorangegangenen VS Studien, was das Potential der beiden Bindetaschenkonformationen zur Identifizierung von potentiellen KasA-Inhibitoren mit neuartigen Grundstrukturen zum Ausdruck bringt.
Die Zahl der Tuberkuloseerkrankungen ist in den letzten Jahrzehnten weltweit gestiegen. Da es an innovativen Antituberkulotika mangelt, werden nach wie vor Medikamente der ersten Generation eingesetzt. Das wachsende Problem sind multi-resistente und extrem-resistente Bakterienstämme, die kaum oder gar nicht auf die medikamentöse Therapie ansprechen. Charakteristisch für M. tuberculosis ist eine dicke Zellwand. Der Aufbau der Zellwand ermöglicht es dem Bakterium in den Makrophagen zu persistieren und sich dort zu vermehren. Die Zellwand ist reich an Mykolsäuren und so wenig durchlässig für Fremdstoffe. Das mykobakterielle Zellwandskelett kann man in zwei Teile unterteilen, den Zellwandkern und die äußere Lipidhülle. Die freien Lipide der äußeren Lipidhülle dienen als Signalmoleküle im Krankheitsverlauf und interkalieren mit den Mykolsäuren des Zellwandkerns. M. tuberculosis besitzt für die Fettsäurebiosynthese zwei Enzymkomplexe: Die Typ-I-Fettsäuresynthase, die auch in Säugetieren zu finden ist, produziert Fettsäuren von C16- bis C26-Kettenlänge, die dann in der Typ-II-Fettsäuresynthase (FAS-II) zu Meromykolsäuren verlängert werden. Im Synthesezyklus des FAS-II sind mehrere monofunktionale Enzyme hintereinander geschaltet. Wird eines dieser Enzyme in seiner Funktion gestört, kumulieren Zwischenprodukte und benötigte Zellwandlipide können nicht synthetisiert werden. In der Folge wird die Zellwand instabil und das Bakterium stirbt. Die mykobakterielle Lipidbiosynthese ist somit ein ideales Target für die Entwicklung neuer Antituberkulotika. Ziel dieser Arbeit war es, eine neue Inhibitorklasse des FAS-II Enzyms InhA des M. tuberculosis mittels virtuellem Screening zu finden. Für das virtuelle Screening wurden drei aufeinander aufbauende Pharmakophorhypothesen entwickelt und mit diesen zwei unabhängige Datenbanken durchsucht. Als Grundlage für die Berechnungen des virtuellen Screenings diente die PDB Röntgenkristallstruktur 2h7m mit dem Liganden 1-Cyclohexyl-N-(3,5-dichlorophenyl)-5-oxopyrrolidin-3-carboxamid. Für die Erstellung der Pharmakophorhypothesen wurden zuerst die Strukturen des Enzyms mit und ohne Ligand bezüglich ihrer Konformationsunterschiede vor allem im Bereich der Bindetasche analysiert. Als nächstes wurden die Wechselwirkungen des Liganden mit den Aminosäuren der Bindetasche und dem Cofaktor näher analysiert und die verschiedenen Wechselwirkungsarten hinsichtlich ihrer Relevanz für eine inhibitorische Aktivität beurteilt. Schließlich wurde eine Bindetaschenanalyse durchgeführt und Hotspots für unterschiedliche chemische Funktionalitäten berechnet. Für das Datenbankenscreening wurden das ZINC 'drug-like' Subset (2005) und CCGs MOE 2006 Vendor Compound 3D Collection verwendet, beides Datenbanken exklusiv kommerziell erhältlicher Verbindungen. Das ZINC 'drug-like' Subset wurde über einen für InhA individuell angepassten hierarchischen Filter numerisch reduziert. Von den verbleibenden Verbindungen wurde eine Konformerendatenbank berechnet. Die MOE 2006 Vendor Compound 3D Collection lag bereits als Konformerendatenbank vor und wurde für das Screening 'as-is' verwendet. Mit den Pharmakophorhypothesen I und II wurde das reduzierte ZINC 'drug-like' Subset gescreent. Für die Treffer wurden Fingerprints berechnet, sie danach mithilfe des Tanimotokoeffizienten nach ihrer Ähnlichkeit in Cluster eingeteilt und visuell analysiert; 149 Verbindungen wurden für die Dockingsimulationen ausgewählt. Die MOE Konformerendatenbank wurde ebenso über einen für InhA individuell angepassten hierarchischen Filter numerisch reduziert und mit der Pharmakophorhypothese III gescreent, 28 Verbindungen wurden für die Dockingsimulationen ausgewählt. Die Dockingsimulationen wurden mit den Programmen MOE Dock und Autodock durchgeführt. Die Ergebnisse wurden numerisch ausgewertet und innerhalb der Bindetasche relativ zur jeweiligen zugrunde liegenden Pharmakophorhypothese visuell analysiert; 27 Substanzen wurden schließlich für die Testungen ausgewählt. Die Testungen erfolgten mit einem enzymatischen Assay und einem Assay an attenuierten M. tuberculosis Für die Etablierung des enzymatischen Assays wurde das Enzym InhA mittels Vektortransformation in E. coli überexprimiert und säulenchromatographisch aufgereinigt. Das Substrat 2-trans-Octenoyl-Coenzym A wurde synthetisiert. Von den 27 ausgewählten Substanzen waren 9 im Handel erhältlich und wurden schließlich auf ihre inhibitorische Aktivität getestet. Es wurden ein Thiazolidin-2,4-dion, ein 2-Thioxoimidazolidin-4-on und ein Sulfonamid als aktive Substanzen gefunden.