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Hintergrund: Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) umfasst die klinischen Symptome Hyperaktivität, Impulsivität und Unaufmerksamkeit und besitzt eine große erbliche Komponente. Veränderungen des Dopaminstoffwechsels und des präfrontalen Kortex scheinen mit der Erkrankung assoziiert zu sein. Bekannt sind auch Defizite in exekutiven Funktionen wie Arbeitsgedächtnis und Antworthemmung, welche gemeinsam als ein Endophänotyp der ADHS betrachtet werden. Solche sogenannten intermediären Phänotypen bilden möglicherweise ätiopathogenetisch sinnvollere Untergruppen von Krankheitsbildern als die Unterteilung nach den klassischen Diagnosesystemen. Zahlreiche Untersuchungen zu Arbeitsgedächtnis und Antworthemmung bei ADHS finden Mittelwertsunterschiede im Vergleich zu gesunden Stichproben in behavioralen und hirnphysiologischen Maßen. Ein genetischer Polymorphismus (Val158Met) mit Einfluss auf die Synthese der Catechol-O-Methyltransferase (COMT) moduliert Arbeitsgedächtnis und Antworthemmung bei Gesunden und Patienten mit ADHS. COMT ist ein Enzym, das den Abbau von präfrontalem Dopamin katalysiert. Das Valin(Val)-Allel ist mit einer geringeren, das Methionin(Met)-Allel mit einer höheren Verfügbarkeit von Dopamin in kortikalen Arealen assoziiert. Letzteres scheint die Funktion präfrontaler Hirnareale zu optimieren. Ziel: Es ist unklar, ob die beiden Prozesse Arbeitsgedächtnis und Antworthemmung miteinander in Verbindung stehen, also einen gemeinsamen Endophänotypen bezeichnen, und ob ein möglicher Zusammenhang dieser beiden Funktionen durch Dopamin moduliert wird. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist, (1) die bekannten Mittelwertsunterschiede zwischen Patienten mit ADHS und gesunden Kontrollpersonen zu replizieren, (2) den Zusammenhang von Arbeitsgedächtnis und Antworthemmung mit Korrelationsanalysen zu überprüfen, (3) den Einfluss des COMT-Polymorphismus auf Arbeitsgedächtnis und Antworthemmung zu untersuchen und (4) festzustellen, ob der COMT-Polymorphismus die Stärke der Korrelationen beeinflusst. Die Fragestellungen 3 und 4 sind aufgrund der kleinen Stichproben als explorativ zu bewerten. Methoden: In die Auswertung aufgenommen wurden 45 erwachsene Patienten mit ADHS und 41 nach Alter, Geschlecht, Händigkeit, Intelligenz, Bildungsniveau und Kopfumfang vergleichbare Kontrollen. Arbeitsgedächtnis und Antworthemmung wurden durch eine N-Back- bzw. eine Stoppsignal-Aufgabe operationalisiert. Als abhängige Variablen dienten als behaviorale Maße die Anzahl richtiger Antworten, Reaktionszeiten und Effizienz und als hirnphysiologische Parameter Konzentrationsveränderungen von oxygeniertem (O2Hb) und deoxygeniertem Hämoglobin (HHb) in präfrontalen Arealen, die mittels funktioneller Nah-Infrarot Spektroskopie gemessen wurden. Korrelationen wurden zwischen den Kontrollbedingungen (1-Back und Go-Trials) und zwischen den eigentlichen Bedingungen der Arbeitsgedächtnis- und Stoppsignal-Aufgabe (2-Back und Stopperfolge) berechnet. Ergebnisse: Kontrollen und Patienten zeigten hirnphysiologisch aufgabentypische signifikante Aktivierungsmuster, für das Arbeitsgedächtnis mehr ausgeprägt über dem dorso-lateralen präfrontalen Kortex (DLPFC), für die Antworthemmung mehr über dem inferioren frontalen Kortex (IFC). Fragestellung 1: Patienten zeigten im Vergleich zu den gesunden Kontrollpersonen signifikante Defizite in allen erhobenen behavioralen Maßen. Sie zeigten auch signifikant reduzierte Anstiege von O2Hb über dem linken und rechten IFC für Stopperfolge und eine statistisch tendenziell verringerte O2Hb-Konzentration im linken DLPFC für die 2-Back-Bedingung. Es fanden sich jedoch auch Defizite in den einfachen Kontrollaufgaben (behaviorale Maße und O2Hb während 1-Back). Nach einer Anpassung der Gruppen für die Unterschiede in den Kontrollaufgaben blieben die Gruppenunterschiede in den Aufgaben für Arbeitsgedächtnis und Antworthemmung bestehen. Fragestellung 2: Nur bei den Patienten und nur für die behavioralen Maße zeigten sich signifikante positive Assoziationen. Die Effizienz während 1-Back korrelierte mit der Reaktionszeit während der Go-Trials, und die Effizienz während 2-Back korrelierte mit der Stoppsignal-Reaktionszeit. Diese beiden Korrelationen unterschieden sich statistisch nicht in ihrer Stärke. In den für die Unterschiede in den Kontrollaufgaben angepassten Gruppen blieb nur die Korrelation der Kontrollaufgaben tendenziell signifikant, die Korrelation von Effizienz während 2-Back und Stoppsignal-Reaktionszeit verschwand. Die Patienten zeigten erhöhte Impulsivität (erhoben mit einem Fragebogen), die positiv mit behavioralen Maßen der beiden untersuchten Prozesse korrelierte. Fragestellung 3: Für 1-Back (O2Hb in rechter Hemisphäre) und 2-Back (O2Hb in linker Hemisphäre) wurden statistisch tendenzielle COMT x Gruppe Interaktionen gefunden. Für 1-Back zeigten die Kontrollen mit dem Val/Val-Genoytp sowohl im Vergleich zu Kontrollen mit dem Met/Met-Genotyp als auch im Vergleich zu Patienten mit zwei Val-Allelen eine signifikant höhere O2Hb-Konzentration. Gleichzeitig wies die Analyse der Verhaltensdaten auf eine höhere Effizienz der Kontrollen mit Met-Allelen im Vergleich zu Patienten mit Met-Allelen hin. Für 2-Back zeigte der Val/Val-Genotyp der Kontrollen eine höhere O2Hb-Konzentration als der Val/Val-Genotyp der Patienten. Zusätzlich wies der Met/Met-Genotyp in der ADHS-Gruppe einen stärkeren Anstieg von O2Hb im Vergleich zu dem Val/Val-Genotyp in der ADHS-Gruppe auf. Die Analyse der Verhaltensdaten zeigte eine höhere Effizienz der Kontrollen im Vergleich zu den Patienten für die Gruppen mit einem oder zwei Val-Allelen. Für Stopperfolge zeigten sich signifikante COMT x Gruppe Interaktionen für O2Hb in beiden Hemisphären. Die Kontrollen mit Val/Met-Genotyp hatten höhere O2Hb-Konzentrationen als Kontrollen mit Val/Val- oder Met/Met-Genotyp und als Patienten mit Val/Met-Genotyp. Patienten mit Val/Met-Genotyp hatten langsamere Stoppsignal-Reaktionszeiten im Vergleich zu den Kontrollen mit Val/Met-Genotyp. Fragestellung 4: Die Korrelationen in Abhängigkeit der Stichproben und COMT-Gruppen zeigten unterschiedlich hohe und unterschiedlich gerichtete Korrelationskoeffizienten. Nur in der Gruppe der Patienten und nur für die Verhaltensdaten wurden positive Assoziationen für alle COMT-Gruppen gefunden, vergleichbar mit den Ergebnissen aus Fragestellung 2. Diskussion: Die behavioralen und hirnphysiologischen Unterschiede in den Aufgaben zum Arbeitsgedächtnis und zur Antworthemmung zwischen Patienten mit ADHS und Kontrollen replizieren gut die Ergebnisse früherer Arbeiten. Ausgehend von den Gruppenunterschieden in den einfachen Kontrollaufgaben muss aber überlegt werden, inwieweit Patienten mit ADHS auch in einfachen psychomotorischen Aufgaben bereits Defizite zeigen. Die Korrelation behavioraler Maße der eigentlichen Arbeitsgedächtnis- und Inhibitionsaufgabe in der Gruppe der Patienten, die allerdings die Assoziation der Kontrollaufgaben nicht überschritt, und die mit dem Anpassen für Unterschiede in den Kontrollenaufgaben verschwand, lässt Zweifel an dem spezifischen Zusammenhang der beiden Prozesse bei ADHS aufkommen. Zudem werfen die positiven Assoziationen dieser Prozesse (behaviorale Maße) mit der Impulsivität (Fragebogen) die Frage auf, ob es sich um die Operationalisierung des gleichen Konstrukts handelt bzw. ob Impulsivität in Form behavioraler Tests das Gleiche misst wie Impulsivität auf symptomatischer Ebene. Ein Faktor, der möglicherweise Einfluss auf die Korrelationen zwischen den Aufgaben hat, könnte der Dopamingehalt sein, wie er in der vorliegenden Arbeit durch den COMT Polymorphismus operationalisiert wurde. Die Ergebnisse der COMT x Gruppe Interaktionen zeigten eine erhöhte O2Hb-Konzentration der Val-Allelträger der Kontrollen für die N-Back-Aufgaben bei teilweise besserer Effizienz und eine erhöhte O2Hb-Konzentration und teilweise schnellere Stoppsignal-Reaktionszeit der Val/Met-Allelträger der Kontrollen bei Stopperfolgen. Unsere Ergebnisse entsprechen nicht unbedingt den Annahmen aus der Literatur, dass das Met-Allel das günstige Allel in Bezug auf gute präfrontale Hirnfunktion sei. Diese Unterschiede in den COMT x Gruppe Interaktionen legen eine Abhängigkeit präfrontaler Hirnfunktionen vom allgemeinen dopaminergen Gehalt (Patienten vs. Kontrollen), vom präfrontalen dopaminergen Niveau (COMT-Genotyp) und von der Aufgabenart (Arbeitsgedächtnis vs. Antworthemmung) nahe. Diese Hypothese wird unterstützt durch die Unterschiede in den Korrelationskoeffizienten der beiden Prozesse in Abhängigkeit der Stichproben und Genotyp-Gruppen. Schlussfolgerung: Die Befunde stützen nicht die Annahme, dass es sich bei Arbeitsgedächtnis und Antworthemmung um zusammenhängende Funktionen bei ADHS oder Gesunden handelt, oder dass der exekutive Endophänotyp einen einheitlichen Subtyp der ADHS darstellt. Zudem scheint eine mögliche Assoziation der beiden Prozesse von mehreren Faktoren wie z. B. der Dopamin-Konzentration moduliert zu werden. Zukünftige Arbeiten sollten die Fragestellungen bearbeiten, welche Faktoren den Zusammenhang dieser Prozesse beeinflussen und welche Kombination solcher Faktoren eine Subgruppe von Patienten mit ADHS mit einem gemeinsamen exekutiven Endophänotyp darstellen könnten.
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) zeichnet sich durch eine starke klinische Heterogenität aus, deren Ursachen bislang noch nicht völlig geklärt sind. Als erfolgversprechendes Erklärungsmodell hat sich das Endophänotypenkonzept herausgestellt, das davon ausgeht, dass unterschiedliche Dysfunktionen den vielfältigen klinischen Phänotypen der ADHS zugrunde liegen. Emotional-motivationalen Defiziten wird hierbei eine große Bedeutung beigemessen, allerdings wurden diese bislang kaum untersucht. Die wenigen vorliegenden Studien bezogen sich auf subjektive Daten und differenzierten nicht nach klinischen Subgruppen, wodurch sich heterogene Ergebnisse ergaben. Die vorliegende Arbeit hatte somit zum Ziel, einen emotional-motivationalen Endophänotyp der ADHS bei unterschiedlichen klinischen Subgruppen von ADHS-Patienten mit subjektiven und objektiven psychophysiologischen Daten zu untersuchen. Dies wurde mithilfe eines emotionalen Bilderparadigmas untersucht, bei dem neben subjektiven Bildbewertungen die affektmodulierte Startlereaktion als Valenzindikator und die elektrodermale Aktivität als Arousalindikator emotional-motivationaler Reaktivität gemessen wurden. Studie 1 (N = 325) konzentrierte sich auf die klinischen Subtypen der ADHS bei erwachsenen Patienten. Diese Studie konnte aufzeigen, dass ADHS-Patienten in Abhängigkeit vom ADHS-Subtypus Defizite in der emotional-motivationalen Reaktivität aufwiesen. Der Mischtypus und der hyperaktiv-impulsive Typus zeichneten sich durch eine verminderte Reaktivität auf positive Stimuli aus, was sich in einer reduzierten Startleinhibition widerspiegelte. Der hyperaktiv-impulsive Typus reagierte zudem vermindert auf negative Stimuli, was sich in einer verringerten Startlepotenzierung zeigte. Im Gegensatz dazu reagierte der unaufmerksame Typus vergleichbar zu Kontrollpersonen mit einer leicht geringeren Startleinhibition bei positiven Stimuli. Die besonders beeinträchtigte emotionale Reaktivität des hyperaktiv-impulsiven Typus spiegelte sich auch in einem Bias zu positiveren Bewertungen aller Bilder und einer verminderten Arousaleinschätzung negativer Stimuli bei Männern dieses Typus wider. Die ADHS-Patienten zeigten keine elektrodermalen Arousaldysfunktionen, wobei auch hier der hyperaktiv-impulsive Typus deskriptiv auffallend abgeflachte Werte in der Reaktivität auf emotionale Stimuli aufwies. Die gefundenen Dysfunktionen könnten zu hyperaktiv-impulsivem Verhalten und Sensation Seeking durch die Suche nach Verstärkern führen. Gleichzeitig könnten die Ergebnisse die starken sozialen Dysfunktionen und antisoziales Verhalten von ADHS-Patienten mit hyperaktiv-impulsiven Symptomen erklären. Zur Berücksichtigung von Entwicklungsaspekten im Endophänotypenmodell und Untersuchung des emotional-motivationalen Endophänotyps bei Kindern mit ADHS konzentrierte sich Studie 2 (N = 102) auf Jungen mit ADHS, die mit und ohne Methylphenidat untersucht wurden. Durch die zusätzliche Methylphenidatgruppe sollten die klinische Relevanz emotional-motivationaler Dysfunktionen belegt und Erkenntnisse zur Wirkweise von Methylphenidat gewonnen werden. Diese Studie konnte aufzeigen, dass sich ADHS-Kinder ohne Methylphenidat durch Hypoarousal auszeichneten, was sich in verminderten Hautleitfähigkeitsreaktionen auf die Bilder und Startletöne sowie einem verminderten tonischen Hautleitfähigkeitsniveau widerspiegelte. Diese Dysfunktionen wurden durch Methylphenidat normalisiert. Die Startledaten konnten aus methodischen Gründen die affektive Modulation bei den Kindern nicht abbilden. Diese Daten lieferten jedoch Hinweise, dass Methylphenidat die emotional-motivationale Reaktivität steigerte, da die ADHS-Kinder mit Methylphenidat eine verstärkte Startlereaktivität während der Bildbetrachtung aufwiesen. Das gefundene Hypoarousal auf Stimuli könnte dazu führen, dass vermindert auf Umweltreize und auch auf Belohnung und Bestrafung reagiert wird. Dies könnte soziale Dysfunktionen und externalisierendes Verhalten nach sich ziehen. Hyperaktiv-impulsives Verhalten und Sensation Seeking könnten kompensatorisch zur Anhebung des Arousals resultieren. Unaufmerksamkeit könnte durch einen suboptimalen Aktiviertheitsgrad bedingt sein. Methylphenidat könnte durch eine Steigerung des Arousals und die Verstärkung der emotionalen Reaktivität diesen Symptomen entgegenwirken. Die vorliegende Arbeit konnte somit als erste einen emotional-motivationalen Endophänotyp der ADHS unter Berücksichtigung valenz- und arousalbezogener Maße bei unterschiedlichen klinischen Subgruppen mit objektiven psychophysiologischen Parametern aufzeigen. Die Normalisierung des Hypoarousals von der Kindheit zum Erwachsenenalter könnte mit der Veränderung der ADHS-Symptome über die Entwicklung zusammenhängen. Die weitere Erforschung des Endophänotypenmodells der ADHS ist eine wichtige Aufgabe für die Zukunft. Die vorliegende Arbeit versuchte, hierzu einen Beitrag zu leisten.
In der vorliegenden Arbeit wurde ein Vergleich der klinischen Erscheinungsbilder des vorwiegend unaufmerksamen Subtypus mit dem Mischtypus der ADHS nach DSM-IV-Kriterien vorgenommen. Ausgehend von Ergebnissen vorangehender Studien wurde der Frage nachgegangen, ob die Subtypen unterschiedliche Verteilungsmuster komorbider Störungen zeigen. So wurde überprüft, ob der Mischtypus insgesamt schwerer von Komorbidität betroffen ist und häufiger externale Störungen (Störung mit oppositionellem Trotzverhalten bzw. Sozialverhaltensstörungen) aufweist. Beim vorwiegend unaufmerksamen Subtypus hingegen wurde eine stärkere Belastung mit internalen Störungsbildern (Angst- und depressive Störungen) und der Lese- Rechtschreibstörung angenommen. Der Stichprobenumfang (n=124) erlaubte zusätzlich eine getrennte Betrachtung der Geschlechter sowie von Kindern und Jugendlichen. Dadurch sollten geschlechts- und entwicklungsabhängige Einflüsse aufgezeigt werden, die in der Literatur bisher unberücksichtigt blieben. Erstmals wurden in dieser Untersuchung neben den Tic- und den Ausscheidungsstörungen auch weitere psychiatrische Diagnosen (Substanzmissbrauch, Zwangs- und Essstörungen sowie Belastungsreaktionen) mitberücksichtigt, um empirische Erkenntnisse über eine potentiell differente Assoziation derselben mit den ADHS-Subtypen zu gewinnen. Zur Beurteilung der klinischen Subtypen wurde mit allen Kindern und Jugendlichen sowie deren Eltern ein halbstrukturiertes Interview durchgeführt (K-SADS-PL) und somit die entsprechenden psychiatrischen Lebenszeitdiagnosen der Probanden erhoben. Zur dimensionalen Beurteilung der psychischen Auffälligkeiten der Kinder wurde von den Eltern ein Breitbandfragebogen (CBCL) ausgefüllt; zusätzlich schätzten die Probanden ihre aktuelle depressive Symptomatik mittels eines Selbstbeurteilungsbogens ein. Die ADHS-Symptomatik wurde sowohl klinisch als auch anhand eines störungsspezifischen Lehrerfragebogens (FBB-HKS) beurteilt. Durch diese multimodale Vorgehensweise konnten informanten- und instrumentenabhängige Verzerrungen der Ergebnisse minimiert werden. Alle Ergebnisse der kategorialen Diagnostik mittels K-SADS-PL wurden durch die dimensionale Auswertung des Elternurteils (CBCL) gestützt, was auf eine hohe Validität der durchgeführten Interviews verweist. Die Variablen Alter, Geschlecht sowie kognitives Leistungsniveau wurden im Rahmen dieser Dissertationsarbeit erstmals in einer Studie zur Komorbidität der ADHS-Subtypen ausführlich untersucht. Zudem wurden diese im Rahmen der Parallelisierung der Vergleichsgruppen berücksichtigt, ein Vorgehen was sich aus den in der Literatur beschriebenen Interaktionen dieser Variablen mit komorbiden Störungen ergibt. Des Weiteren ist die im Rahmen der Untersuchung durchgeführte differenzierte Leistungstestung der schriftsprachlichen Fertigkeiten bei einer ADHS-Population als Neuerung zu betrachten, da bisher noch keine Untersuchung zur differenten Komorbidität der ADHS-Subtypen mit Legasthenie durchgeführt wurde. Es konnte gezeigt werden, dass die genannten Faktoren signifikanten Einfluss auf die Ergebnisse der Komorbiditätsforschung haben, weshalb deren Berücksichtigung in zukünftigen Forschungsprojekten dringend zu empfehlen ist. Diese Studie widerlegt die Annahme, dass sich die ADHS bei den Geschlechtern in gleicher Weise manifestiert: Nach unseren Ergebnissen ist davon auszugehen, dass eine höhere komorbide Gesamtbelastung des Mischtypus im Vergleich mit dem vorwiegend unaufmerksamen Subtypus nur beim männlichen Geschlecht besteht. Bei Mädchen ist ADHS-U ebenso stark von Komorbidität betroffen wie ADHS-M; der unaufmerksame Subtypus zeigte hier nach Elternurteil sogar stärkere Probleme im sozialen Bereich als der Mischtypus. Eine höhere Rate an externalisierenden Störungsbildern beim Mischtypus war für Gesamtstichprobe und für die männliche Stichprobe nachzuweisen – bei den weiblichen Probanden waren die Subtypen diesbezüglich gleich schwer betroffen. Die im Rahmen dieser Studie gefundenen hohen Komorbiditätsraten mit affektiven Störungen decken sich mit der Annahme, dass eine Assoziation zwischen Unaufmerksamkeit und depressiver Symptomatik besteht. Ob dies zu einer unterschiedlichen Belastung der von Unaufmerksamkeit gekennzeichneten Subtypen ADHS-U und ADHS-M führt, kann nach bisheriger Datenlage nicht beantwortet werden. Hinweise darauf, dass ADHS-U stärker mit depressiven Störungen belastet ist, ergaben sich in unserer Stichprobe in der Altersgruppe unter 12 Jahren. Im Kindesalter war der vorwiegend unaufmerksame Subtypus zudem signifikant häufiger von Lese-Rechtschreibstörung betroffen als der Mischtypus; beide Ergebnisse waren in der Altersgruppe zwischen 12 und 17 Jahren nicht nachweisbar. In Zusammenschau mit Voruntersuchungen lassen sich diese Befunde im Sinne einer heterogenen ADHS-U-Gruppe im Jugendalter deuten: Sie setzt sich sowohl aus Patienten zusammen, die seit Kindheit vorwiegend unaufmerksam klassifiziert wurden sowie aus solchen, die ursprünglich die Kriterien für ADHS-M erfüllten und als Jugendliche – nach entwicklungsbedingtem Rückgang der motorischen Hyperaktivität – ADHS-U zugeordnet werden. Die höchste Rate an affektiven Störungen in unserer Stichprobe war für die weibliche ADHS-U-Gruppe nachzuweisen; diese war auf allen internalen Skalen der CBCL signifikant stärker betroffen als Mädchen vom Mischtypus. Für die Angststörungen zeigte sich hingegen beim Mischtypus eine signifikant stärkere Betroffenheit des männlichen Geschlechts; im Vergleich mit männlichen Versuchsteilnehmern des vorwiegend unaufmerksamen Subtypus deutete sich ein entsprechender Unterschied an. Insofern ergeben sich aus der vorliegenden Untersuchung neue Hypothesen, bei denen besonders die gefundenen Interaktionen zwischen ADHS-Subtyp und Geschlecht und die Entwicklungsaspekte zu berücksichtigen sind.