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Kohlenhydrat-Protein-Wechselwirkungen sind häufig entscheidend beteiligt an verschiedenen einer Infektion oder malignen Erkrankung zugrunde liegenden molekularen Erkennungs-prozessen, die zu Adhäsion, Zell-Zell-Interaktion sowie Immunreaktion und -toleranz führen. Trotz der hohen Relevanz für Diagnostik und Therapie dieser Erkrankungen sind die betreffenden Strukturen und Mechanismen bisher nur ungenügend untersucht und verstanden. Ziel dieser stark interdisziplinär angelegten Arbeit war es daher, Methoden der Fachbereiche Chemie und Pharmazie, Biologie und Medizin, aber auch Physik zu kombinieren, um Kohlenhydraterkennungsprozesse im Detail zu untersuchen und auf dieser Basis strukturell neuartige diagnostische und therapeutische Anwendungen zu entwerfen.
Die hochkomplexe Zusammensetzung einer Zelloberfläche wurde zunächst auf ihren Glycan-anteil reduziert und stark vereinfacht auf der Oberfläche sogenannter Glycochips imitiert. Die verwendeten Systeme auf Basis einer Gold- bzw. Glasoberfläche ergänzen sich optimal in ihrer Eignung für komplementäre analytische Methoden wie Massenspektrometrie sowie quantifizierbare Fluoreszenzspektroskopie.
Der Übergang auf die lebende Zelloberfläche gelang mit Hilfe des Metabolic Glyco-engineering, das die kovalente Präsentation definierter Motive durch eine Cycloaddition zwischen zwei bioorthogonalen Reaktionspartnern (z.B. Azid und Alkin) ermöglicht.
Auf diese Weise wurden in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Sauer (Universität Würzburg) zunächst die Dichte und Verteilung verschiedener Oberflächenglycane auf humanen Zellen mittels hochauflösender Fluoreszenzmikroskopie (dSTORM) bestimmt. Diese Parameter zeigten im Modell des Glycochips einen entscheidenden Einfluss auf Bindungsereignisse und multivalente Erkennung und zählen auch auf natürlichen Zelloberflächen – in engem Zusammenhang mit der lateralen und temporalen Dynamik der Motive – zu den wichtigen Faktoren molekularer Erkennungsprozesse.
Die gezielte Modifikation zellulärer Oberflächenglycane eignet sich aber auch selbst als Methode zur Beeinflussung molekularer Wechselwirkungsprozesse. Dies wurde anhand des humanpathogenen Bakteriums S. aureus gezeigt, dessen Adhäsion auf Epithelzellen der Blasenwand durch Metabolic Glycoengineering partiell unterdrückt werden konnte.
In einem ergänzenden Projekt wurden zwei potentielle Metabolite eines konventionellen Antibiotikums – des Nitroxolins – mit bakteriostatischer sowie antiadhäsiver Wirksamkeit dargestellt. Diese dienten als Referenzsubstanzen zur Verifizierung der postulierten Struktur der Derivate, werden aber auch selbst auf ihr Wirkprofil hin untersucht. Gleichzeitig stehen sie zusammen mit der Grundverbindung zudem als Referenz für die Wirkstärke potentieller neu entwickelter Antiadhäsiva zur Verfügung.
Methoden der Fluoreszenz-Lokalisationsmikroskopie (engl. single-molecule localization microscopy, SMLM) ermöglichen es Moleküle zu quantifizieren und deren Verteilung zu analysieren. Im Rahmen dieser Arbeit wurden verschiedene Membranmoleküle auf unterschiedlichen eukaryotischen Zellen, aber auch auf Prokaryoten mit dSTORM (engl. direct stochastic optical reconstruction microscopy) oder PALM (engl.: photoactivated localization microscopy) aufgenommen und quantifiziert. Bevor jedoch diese hochauflösende fluoreszenzbasierte Technik für biologische Fragestellungen angewendet werden konnten, mussten zunächst potentielle Artefakt-auslösende Quellen identifiziert und Strategien gefunden werden, um diese zu eliminieren.
Eine mögliche Artefakt-Quelle ist eine zu niedrige Photonenzahl, die von Fluorophoren emittiert wird. Werden zu wenige Photonen detektiert, kann die Lokalisation eines Fluorophors weniger präzise bestimmt werden. Dies kann zu einer falschen Abbildung von Strukturen führen oder zu falschen Rückschlüssen über die Verteilung von Molekülen. Eine Möglichkeit die Anzahl der emittierten Photonen zu erhöhen, ist chemische Additive als Triplettlöscher einzusetzen. Sie bewirken, dass die Fluorophore wieder in den Grundzustand relaxieren und somit wieder angeregt werden können. Es wurden verschiedene Additive, die in der Literatur als Triplettlöscher beschrieben sind, getestet. Dazu wurden zunächst ihre Auswirkungen auf den Triplettzustand verschiedener Fluorophore (Alexa Fluor (Al) 488, 532 und 647 und Atto655) mit Hilfe von Fluoreszenzkorrelationsspektroskopie (FCS) untersucht. Cyclooctatetraen (COT) bewirkte dabei eine Abnahme der Triplettausbeute von Al488, Al532 und Al647 um ~ 40-60%, bei Atto655 veränderte sie sich nicht. Obwohl die Ergebnisse der FCS-Messungen darauf hindeuten, dass COT in einer erhöhten Anzahl an emittierten Photonen resultiert, konnte dies bei dSTORM-Messungen nicht bestätigt werden. Hier hatte COT nur einen größeren positiven Effekt auf das Fluorophor Al647 (Zunahme um ~ 60%). Eine Erklärung für diese Widersprüchlichkeit zu den Ergebnissen aus den FCS-Messungen, könnte das Vorhandensein des Schaltpuffers bei dSTORM-Messungen sein. Dieser bewirkt den Übergang der Fluorophore in den Aus-Zustand bzw. entzieht dem Puffer Sauerstoff.
Bei der Zugabe von 5 mM Kaliumiodid (KI) nahm die Triplettamplitude bei FCS-Messungen nur bei Al488 ab (um ~ 80%). Eine geringe Steigerung (um ~ 10%) der Intensität von Al488 mit KI konnte bei dSTORM-Messungen mit niedrigen Konzentrationen (~ 0,5 mM) erzielt werden. Bei einer Konzentration von 5 mM sank die Intensität jedoch wieder um 40%.
Deuteriumoxid (D2O) soll, anders als die Triplettlöscher, eine Verbesserung der Photonenausbeute dadurch bewirken, dass strahlungslose Relaxationsprozesse minimiert werden. Mit dSTORM-Messungen konnte gezeigt werden, dass Atto655 und Al647 in D2O zwar pro An-Zustand mehr Photonen emittieren als in Schaltpuffer ohne D2O, da die Fluorophore hier jedoch schneller bleichen, letztendlich die gleiche Anzahl an Photonen detektiert werden.
Um die Anzahl an emittierten Photonen zu erhöhen, eignet sich also nur COT bei dSTORM-Messungen mit AL647 und KI in sehr geringen Konzentrationen bei Al488. D2O kann eingesetzt werden, wenn eine Probe schnell vermessen werden muss, wie zum Beispiel bei Lebendzellmessungen.
Nicht nur eine zu niedrige Photonenzahl, auch eine zu geringe Photoschaltrate kann Artefakte bei dSTORM-Messungen erzeugen. Dies wurde anhand von verschiedenen biologischen Strukturen, die mit unterschiedlichen Anregungsintensitäten aufgenommen wurden, deutlich gemacht. Besonders die Aufnahmen von Plasmamembranen sind anfällig für die Generierung von Artefakten. Sie weisen viele inhomogene und lokal dichte Regionen auf. Wenn nun mehr als ein Emitter pro µm² gleichzeitig an ist, erzeugt das Auswertungsprogramm große artifizielle Cluster. Die hier durchgeführten Messungen machen deutlich, wie wichtig es ist, dSTORM-Bilder immer auf mögliche Artefakte hin zu untersuchen, besonders wenn Moleküle quantifiziert werden sollen. Dafür müssen die unbearbeiteten Rohdaten sorgfältig gesichtet werden und notfalls die Messungen mit einer höheren Laserleistung wiederholt werden. Da dSTORM mittlerweile immer mehr zur Quantifizierung eingesetzt wird und Clusteranalysen durchgeführt werden, wäre es sinnvoll bei Veröffentlichungen die Rohdaten von entscheidenden Aufnahmen der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.
Die Färbemethode ist ein weiterer Punkt, durch den Artefakte bei der Abbildung von Molekülen mittels SMLM entstehen können. Häufig werden Antikörper zum Markieren verwendet. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass möglichst kleine Antikörper oder Antikörperfragmente verwendet werden, besonders wenn Clusteranalysen durchgeführt werden sollen. Anderenfalls leidet die Auflösung darunter, bzw. erhöht sich die Gefahr der Kreuzvernetzung von Molekülen.
Im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit, wurden Plasmamembran-Ceramide untersucht. Ceramide gehören zu den Sphingolipiden und regulieren diverse zelluläre Prozesse. Verschiedene Stimuli bewirken eine Aktivierung von Sphingomyelinasen (SMasen), die Ceramide in der Plasmamembran synthetisieren. Steigt die Konzentration von Ceramiden in der Plasmamembran an, kondensieren diese zu Ceramid-reichen Plattformen (CRPs). Bisher ist noch wenig über die Verteilung der Ceramide und die Größe der CRPs bekannt. Sie wurden hier über IgG-Antikörper in der Plasmamembran von Jurkat-, U2OS-, HBME- und primären T-Zellen angefärbt und erstmals mit dSTORM hochaufgelöst, um sie dann zu quantifizieren. Unabhängig von der Zelllinie befanden sich 50% aller Ceramidmoleküle in ~ 75 nm großen CRPs. Im Mittel bestanden die CRPs aus ~ 20 Ceramiden. Mit Hilfe einer Titrationsreihe konnte ausgeschlossen werden, dass diese Cluster nur durch die Antikörper-Färbung artifiziell erzeugt wurden. Bei Inkubation der Zellen mit Bacillus cereus Sphingomyelinase (bSMase) stieg die Gesamtkonzentration der Ceramide in der Plasmamembran an, ebenso wie die Ceramidanzahl innerhalb der CRPs, außerdem die Anzahl und Größe der CRPs. Dies könnte zu einer Veränderung der Löslichkeit von Membrankomponenten führen, was wiederum eine Akkumulation bestimmter Rezeptoren oder eine Kompartimentierung bestimmter Proteine erleichtern könnte. Die Anhäufung der Ceramide in den CRPs könnte ebenfalls die lokale Interaktion mit anderen Membranmolekülen erleichtern und dadurch möglicherweise die Reaktivität von Rezeptoren verändern.
Mittels Azid-modifizierten Ceramidanaloga und kupferfreier Click-Chemie wurden Plasmamembran-Ceramide auch in lebenden Jurkat-Zellen mit Hilfe konfokaler Laser-Raster-Mikroskopie (CLSM, engl. confocal laser scanning microscopy) und Strukturierter Beleuchtungsmikroskopie (SIM, engl. structured illumination microscopy) untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Fettsäure-Kettenlänge und die Position des Azids bei den Ceramidanaloga eine entscheidende Rolle spielt, wie hoch das detektierte Signal in der Plasmamembran letztendlich ist. Die Versuche machen auch deutlich, dass die klickbaren Ceramidanaloga lebendzellkompatibel sind, sodass sie eine hervorragende Möglichkeit darstellen, zelluläre Reaktionen zu verfolgen.
Es wurden hier nicht nur Ceramide in eukaryotischen Zellen analysiert, sondern auch in Bakterien. Neisseria meningitidis (N. meningitidis) sind gramnegative Bakterien, die im Menschen eine Sepsis oder eine Meningitis auslösen können. Es wurde mittels immunhistochemischen Färbungen mit dem anti-Ceramid IgG-Antikörper, aber auch mit den klickbaren Ceramidanaloga, ein Signal in der Membran erhalten, was mit dSTORM hochaufgelöst wurde. In anderen Bakterien wurden ebenfalls schon Sphingolipide nachgewiesen. Studien zu Ceramiden in N. meningitidis wurden bisher jedoch noch nicht veröffentlicht. Im Rahmen dieser Arbeit konnten erstmals Ergebnisse erhalten werden, die darauf hinweisen, dass N. meningitidis ebenfalls Ceramide besitzen könnten.
In einem dritten Projekt wurde die Interaktion zwischen NK-Zellen und Aspergillus fumigatus untersucht. Der Schimmelpilz kann eine Invasive Aspergillose in immunsupprimierten Menschen auslösen, was zum Tod führen kann. Verschiedene Studien konnten schon zeigen, dass NK-Zellen eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung des Pilzes spielen. Der genaue Mechanismus ist jedoch noch unbekannt. Im Rahmen dieser Arbeit konnte nachgewiesen werden, dass der NK-Zell-Marker CD56 entscheidend für die Pilzerkennung ist. Mit immunhistochemischen Färbungen und LSM-, aber auch dSTORM-Messungen, konnte gezeigt werden, dass die normalerweise homogen verteilten CD56-Rezeptoren auf der Plasmamembran von NK-Zellen aktiv an die Interaktionsstelle zu A. fumigatus transportiert werden. Mit der Zeit akkumulieren hier immer mehr CD56-Proteine, während das Signal in der restlichen Membran immer weiter abnimmt. Es konnte erstmals CD56 als wichtiger Erkennungsrezeptor für A. fumigatus identifiziert werden.
In dem letzten bearbeiteten Projekt, wurde die Bindung von Anti-N-Methyl-D-Aspartat (NMDA)-Rezeptor Enzephalitis Autoantikörper an Neuronen untersucht. Bei einer Anti-NMDA-Rezeptor Enzephalitis bilden die Patienten Autoantikörper gegen die NR1-Untereinheit ihrer eigenen postsynaptischen NMDA-Rezeptoren. Da die Krankheit oft sehr spät erkannt wird und die Behandlungsmöglichkeiten noch sehr eingeschränkt sind, führt sie noch oft zum Tod. Sie wurde erst vor wenigen Jahren beschrieben, sodass der genaue Mechanismus noch unbekannt ist. Im Rahmen dieser Arbeit, konnten erste Färbungen mit aufgereinigten Antikörper aus Anti-NMDA-Rezeptor Enzephalitis Patienten an NMDA-Rezeptor-transfizierte HEK-Zellen und hippocampalen Maus-Neuronen durchgeführt und mit dSTORM hochaufgelöst werden. Mit den Messungen der HEK-Zellen konnte bestätigt werden, dass die Autoantikörper an die NR1-Untereinheit der Rezeptoren binden. Es konnten erstmals auch die Bindung der Antikörper an Neuronen hochaufgelöst werden. Dabei wurde sichtbar, dass die Antikörper zum einen dicht gepackt in den Synapsen vorliegen, aber auch dünner verteilt in den extrasynaptischen Regionen. Basierend auf der Ripley’s H-Funktion konnten in den Synapsen große Cluster von ~ 90 nm Durchmesser und im Mittel ~ 500 Lokalisationen und extrasynaptisch kleinere Cluster mit einem durchschnittlichen Durchmesser von ~ 70 nm und ~ 100 Lokalisationen ausgemacht werden. Diese ersten Ergebnisse legen den Grundstein für weitere Messungen, mit denen der Mechanismus der Krankheit untersucht werden kann.
Das menschliche Genom verschlüsselt 30000 bis 40000 Proteine, von denen ein Großteil kovalent gebundene Karbohydrat-Gruppen an Asparagin-, Serin-, Threonin- oder Hydroxylysin-Resten trägt. Diese sogenannten Glykoproteine sind allgegenwärtige Bestandteile der extrazellulären Matrix von Zelloberflächen. Sie steuern Zell-Zell- und Zell-Matrix-Kommunikationen, können bei der roteinfaltung helfen bzw. die Proteinstabilität erhöhen oder Immunantworten regulieren. Die Auslösung von biologischen Prozesse erfordert aber Übersetzer der zuckerbasierten Informationen. Solche Effektoren sind die Lektine, unter ihnen auch die Galektine. Galektine binden spezifisch β-Galaktosen, weisen strukturelle Übereinstimmungen in der Aminosäuresequenz ihrer Zuckererkennungsdomänen (CRDs) auf und zeigen ein „jelly-roll“-Faltungsmuster, bestehend aus einem β-Sandwich mit zwei antiparallelen Faltblättern. Strukturell werden die CRDs in drei verschiedenen, topologischen Formen präsentiert. Proto-Typen existieren als nicht-kovalent verknüpfte Dimere der CRDs, Chimera-Typen besitzen neben der CRD eine Nicht-Lektin-Domäne und bei den Tandem-Repeat-Typen sind zwei verschiedene CRDs über ein kurzes Linker-Peptid kovalent verbunden. Galektine werden sowohl in normalem wie auch pathogenem Gewebe exprimiert und das zunehmende Wissen über die Beteiligung an verschiedenen Krankheiten und Tumorwachstum liefert die Motivation, strukturelle Aspekte und die Vernetzung von Lektinen detailliert, insbesondere im Hinblick auf ihre intrafamiliären Unterschiede, zu untersuchen. Durch die Kombination verschiedener Spektroskopie-Techniken mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung, basierend auf der Verwendung von Fluorophoren (intrinsisch und extrinsisch), werden in dieser Arbeit die Eigenschaften von Galektinen näher untersucht. Mit Fluoreszenz-Korrelations-Spektroskopie (FCS) und Anisotropie-Messungen wird gezeigt, dass eine Liganden-Bindung bei Proto-Typ-Galektinen mit einer Verringerung des hydrodynamischen Radius einhergeht. Bei Tandem-Repeat- und Chimera-Typen bleibt der Radius konstant. Dafür skaliert die Diffusionskonstante von Tandem-Repeat-Typen anormal mit der molaren Masse. Die Anisotropie-Messungen werden parallel zu den FCS-Messungen durchgeführt, um einen Einfluss des Fluoreszenzmarkers auszuschließen. Mit Hilfe dieser Technik wird außerdem gezeigt, dass unterschiedliche Dissoziationskonstanten und Kinetiken für den Bindungsprozess innerhalb der Proto-Typ-Gruppe möglichweise auf unterschiedliche Konformationsdynamiken zurückgehen. Der Vergleich von hGal-1 und cG-1B verdeutlicht, dass strukturelle Ähnlichkeiten zwar ein identisches Bindungsverhalten hervorrufen können, der Oxidationsprozess der Proteine aber unterschiedlich ablaufen kann. Beide Methoden können so als sehr sensitive Techniken zur Untersuchung von Strukturmerkmalen bei Galektinen etabliert werden, wobei die Übertragbarkeit auf andere Glykoproteine gewährleistet ist. Weiterhin gilt Quervernetzung als eine der wichtigsten Eigenschaften von Galektinen, da durch die Vernetzung von Glykoproteinen auf der Zelloberfläche Signalwege aktiviert und Immunantworten reguliert werden. Um die räumliche organisation und Quervernetzung von hGal-1 auf den Oberflächen von Neuroblastomzellen nachzuweisen, eignet sich das hochauflösende Mikroskopieverfahren dSTORM sehr gut. Durch Verwendung des photoschaltbaren Fluorophors Alexa647 als spezifischem Marker für hGal-1, einem Standard-Weitfeld-Aufbau und verschiedenen Analyseverfahren, kann eine Clusterformation von hGal-1 auf der Zelloberfläche bestätigt werden. hGal-1 bildet Cluster mit einem mittleren Durchmesser von 81±7 nm aus. Der Durchmesser ist unabhängig von der Konzentration, während die Anzahl der Cluster davon abhängt. Für die Clusterausbildung ist ein Startpunkt, also eine minimale Dichte der Galektin-Moleküle, notwendig. Durch Blockierung der CRDs mit Laktose wird die Clusterbildung unterdrückt und die Spezifität der CRDs gegenüber β-Galaktosen erneut herausgestellt. Anders als dimeres hGal-1 binden Monomere deutlich schlechter an die Membranrezeptoren. Es werden keine Cluster ausgebildet, eine Quervernetzung von Membranrezeptoren ist nicht möglich. Außerdem kann es durch die Monomere zu einer vollständigen Markierung und damit Abkugellung der Zellen kommen. Möglicherweise wird der Zelltod induziert. Hochauflösende Mikroskopieverfahren sind durch den Markierungsprozess limitiert. Die bioorthogonale Click-Chemie eröffnet jedoch neue Möglichkeiten zur Markierung und Visualisierung von Biomolekülen, ohne die Notwenigkeit genetischer Manipulationen. Es werden modifizierte Zuckermoleküle in die Zellmembranen eingebaut, über eine 1,3-polare Cycloaddition mit einem Alkin markiert und ihre Verteilung mit Hilfe von dSTORM untersucht. Es wird nachgewiesen, dass die Zuckermoleküle in Clustern auftreten und Click-Chemie trotz dem Katalysator Kupfer an lebenden Zellen durchführbar ist. Die Bewegung der Gesamtcluster wird mittels Mean Square Displacement aufgeschlüsselt und eine Diffusionskonstante für Cluster im Bereich von 40 - 250 nm bestimmt. Zusammenfassend stellt die Kombination verschiedener Spektroskopie-Techniken ein gutes Werkzeug zur Untersuchung von Karbohydrat-bindendenden Proteinen mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung dar und ermöglicht einen neuen Einblick in die Biologie der Galektine.
Ranvier-Schnürringe spielen eine entscheidende Rolle bei der schnellen Weiterleitung von elektrischen Impulsen in Nervenzellen. Bei bestimmten neurologischen Erkrankungen, den Neuropathien, kann es zu Störungen in der ultrastrukturellen Organisation verschiedener Schnürring-Proteine kommen (Doppler et al., 2018, Doppler et al., 2016).
Eine detailliertere Kenntnis der genauen Anordnung dieser Schnürring-Proteine und eventueller Abweichungen von dieser Anordnung im Krankheitsfall, könnte der Schlüssel zu einer vereinfachten Diagnostik von bestimmten Neuropathie- Formen sein.
Ziel meiner Arbeit war es daher, die Untersuchung der ultrastrukturellen Architektur der (para-)nodalen Adhäsionsproteine Neurofascin-155 und Caspr1 unter Verwendung der super-hochauflösenden Mikroskopiemethode dSTORM (direct Stochastic Optical Reconstruction Microscopy) an murinen Zupfnervenpräparaten zu etablieren. Nach erster Optimierung der Probenpräparation für die 2-Farben-dSTORM sowie der korrelationsbasierten Bildanalyse, konnte ich mittels modellbasierter Simulation die zugrundeliegende Molekülorganisation identifizieren und mit Hilfe der Ergebnisse aus früheren Untersuchungen validieren. In einem translationalen Ansatz habe ich anschließend humane Zupfnervenpräparate von 14 Probanden mit unterschiedlichen Formen einer Neuropathie mikroskopiert und ausgewertet, um die Anwendbarkeit dieses Ansatzes in der Diagnostik zu testen.
Obgleich keine signifikanten Unterschiede zwischen physiologischem und pathologischem neurologischem Gewebe hinsichtlich Neurofascin-155 und Caspr1 festgestellt werden konnten, scheint der Ansatz grundsätzlich dennoch vielversprechend zu sein, bedarf jedoch noch weiteren Anstrengungen hinsichtlich Probenpräparation, Auswertungs- und Versuchsprotokollen und einer größeren Anzahl an humanen Biopsien mit homogenerem Krankheitsbild.
Die Entwicklung hochauflösender Fluoreszenzmikroskopiemethoden hat die Lichtmikroskopie revolutioniert. Einerseits ermöglicht die höhere erzielte räumliche Auflösung die Abbildung von Strukturen, die deutlich unterhalb der beugungsbedingten Auflösungsgrenze liegen. Andererseits erhält man durch Einzelmoleküllokalisationsmikroskopiemethoden
wie dSTORM (Direct Stochastic Optical Reconstruction Microscopy) Informationen, welche man für quantitative Analysen heranziehen kann. Aufgrund der sich dadurch bietenden neuen Möglichkeiten, hat sich die hochauflösende Fluoreszenzmikroskopie rasant entwickelt und kommt mittlerweile zur Untersuchung einer Vielzahl biologischer und medizinischer Fragestellungen zum Einsatz. Trotz dieses Erfolgs ist jedoch nicht zu verleugnen, dass auch diese neuen Methoden ihre Nachteile haben. Dazu zählt die Notwendigkeit relativ hoher Laserleistungen, welche Voraussetzung für hohe Auflösung ist und bei lebenden Proben zur Photoschädigung führen kann.
Diese Arbeit widmet sich sowohl dem Thema der Photoschädigung durch Einzelmoleküllokalisationsmikroskopie,
als auch der Anwendung von dSTORM und SIM (Structured Illumination Microscopy) zur Untersuchung neurobiologischer Fragestellungen auf Proteinebene.
Zur Ermittlung der Photoschädigung wurden lebende Zellen unter typischen Bedingungen bestrahlt und anschließend für 20−24 h beobachtet. Als quantitatives Maß für den Grad der Photoschädigung wurde der Anteil sterbender Zellen bestimmt. Neben der zu erwartenden Intensitäts- und Wellenlängenabhängigkeit, zeigte sich, dass die Schwere der Photoschädigung auch von vielen weiteren Faktoren abhängt und dass sich Einzelmoleküllokalisationsmikroskopie bei Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse durchaus mit Lebendzellexperimenten vereinbaren lässt.
Ein weiteres Projekt diente der Untersuchung der A- und B-Typ-Glutamatrezeptoren an der neuromuskulären Synapse von Drosophila melanogaster mittels dSTORM. Dabei konnte eine veränderte Anordnung beider Rezeptortypen infolge synaptischer Plastizität beobachtet, sowie eine absolute Quantifizierung des A-Typ-Rezeptors durchgeführt werden.
Im Mittelpunkt eines dritten Projekts standen Cadherin-13 (CDH13) sowie der Glucosetransporter Typ 3 (GluT3), welche beide mit der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung in Verbindung gebracht werden. CDH13 konnte mittels SIM in serotonergen Neuronen, sowie radiären Gliazellen der dorsalen Raphekerne des embryonalen Mausgehirns nachgewiesen werden. Die Rolle von GluT3 wurde in aus induzierten pluripotenten Stammzellen differenzierten Neuronen analysiert, welche verschiedene Kopienzahlvariation des für GluT3-codierenden SLC2A3-Gens aufwiesen. Die Proteine GluT3, Bassoon und Homer wurden mittels dSTORM relativ quantifiziert. Während die Deletion des Gens zu einer erwartenden Verminderung von GluT3 auf Proteinebene führte, hatte die Duplikation keinen Effekt auf die GluT3-Menge. Für Bassoon und Homer zeigte sich weder durch die Deletion noch die Duplikation eine signifikante Veränderung.
The interaction of synaptic proteins orchestrate the function of one of the most complex organs, the brain. The multitude of molecular elements influencing neurological correlations makes imaging processes complicated since conventional fluorescence microscopy methods are unable to resolve structures beyond the diffraction-limit.
The implementation of super-resolution fluorescence microscopy into the field of neuroscience allows the visualisation of the fine details of neural connectivity. The key element of my thesis is the super-resolution technique dSTORM (direct Stochastic Optical Reconstruction Microscopy) and its optimisation as a multi-colour approach. Capturing more than one target, I aim to unravel the distribution of synaptic proteins with nanometer precision and set them into a structural and quantitative context with one another. Therefore dSTORM specific protocols are optimized to serve the peculiarities of particular neural samples.
In one project the brain derived neurotrophic factor (BDNF) is investigated in primary, hippocampal neurons. With a precision beyond 15 nm, preand post-synaptic sites can be identified by staining the active zone proteins bassoon and homer. As a result, hallmarks of mature synapses can be exhibited. The single molecule sensitivity of dSTORM enables the measurement of endogenous BDNF and locates BDNF granules aligned with glutamatergic pre-synapses. This data proofs that hippocampal neurons are capable of enriching BDNF within the mature glutamatergic pre-synapse, possibly influencing synaptic plasticity.
The distribution of the metabotropic glutamate receptor mGlu4 is investigated in physiological brain slices enabling the analysis of the receptor in its natural environment. With dual-colour dSTORM, the spatial arrangement of the mGlu4 receptor in the pre-synaptic sites of parallel fibres in the molecular layer of the mouse cerebellum is visualized, as well as a four to six-fold increase in the density of the receptor in the active zone compared to the nearby environment. Prior functional measurements show that metabotropic glutamate receptors influence voltage-gated calcium channels and proteins that are involved in synaptic vesicle priming. Corresponding dSTORM data indeed suggests that a subset of the mGlu4 receptor is correlated with the voltage-gated calcium channel Cav2.1 on distances around 60 nm.
These results are based on the improvement of the direct analysis of localisation data. Tools like coordinated based correlation analysis and nearest neighbour analysis of clusters centroids are used complementary to map protein connections of the synapse. Limits and possible improvements of these tools are discussed to foster the quantitative analysis of single molecule localisation microscopy data.
Performing super-resolution microscopy on complex samples like brain slices benefits from a maximised field of view in combination with the visualisation of more than two targets to set the protein of interest in a cellular context. This challenge served as a motivation to establish a workflow for correlated structured illumination microscopy (SIM) and dSTORM. The development of the visualisation software coSIdSTORM promotes the combination of these powerful super-resolution techniques even on separated setups. As an example, synapses in the cerebellum that are affiliated to the parallel fibres and the dendrites of the Purkinje cells are identified by SIM and the protein bassoon of those pre-synapses is visualised threedimensionally with nanoscopic precision by dSTORM.
In this work I placed emphasis on the improvement of multi-colour super-resolution imaging and its analysing tools to enable the investigation of synaptic proteins. The unravelling of the structural arrangement of investigated proteins supports the building of a synapse model and therefore helps to understand the relation between structure and function in neural transmission processes.
The development of cellular life on earth is coupled to the formation of lipid-based biological membranes. Although many tools to analyze their biophysical properties already exist, their variety and number is still relatively small compared to the field of protein studies. One reason for this, is their small size and complex assembly into an asymmetric tightly packed lipid bilayer showing characteristics of a two-dimensional heterogenous fluid. Since membranes are capable to form dynamic, nanoscopic domains, enriched in sphingolipids and cholesterol, their detailed investigation is limited to techniques which access information below the diffraction limit of light. In this work, I aimed to extend, optimize and compare three different labeling approaches for sphingolipids and their subsequent analysis by the single-molecule localization microscopy (SMLM) technique direct stochastic optical reconstruction microscopy (dSTORM). First, I applied classical immunofluorescence by immunoglobulin G (IgG) antibody labeling to detect and quantify sphingolipid nanodomains in the plasma membrane of eukaryotic cells. I was able to identify and characterize ceramide-rich platforms (CRPs) with a size of ~ 75nm on the basal and apical membrane of different cell lines. Next, I used click-chemistry to characterize sphingolipid analogs in living and fixed cells. By using a combination of fluorescence microscopy and anisotropy experiments, I analyzed their accessibility and configuration in the plasma membrane, respectively. Azide-modified, short fatty acid side chains, were accessible to membrane impermeable dyes and localized outside the hydrophobic membrane core. In contrast, azide moieties at the end of longer fatty acid side chains were less accessible and conjugated dyes localized deeper within the plasma membrane. By introducing photo-crosslinkable diazirine groups or chemically addressable amine groups, I developed methods to improve their immobilization required for dSTORM. Finally, I harnessed the specific binding characteristics of non-toxic shiga toxin B subunits (STxBs) and cholera toxin B subunits (CTxBs) to label and quantify glycosphingolipid nanodomains in the context of Neisseria meningitidis infection. Under pyhsiological conditions, these glycosphingolipids were distributed homogenously in the plasma membrane but upon bacterial infection CTxB detectable gangliosides accumulated around invasive Neisseria meningitidis. I was able to highlight the importance of cell cycle dependent glycosphingolipid expression for the invasion process. Blocking membrane accessible sugar headgroups by pretreatment with CTxB significantly reduced the number of invasive bacteria which confirmed the importance of gangliosides for bacterial uptake into cells. Based on my results, it can be concluded that labeling of sphingolipids should be carefully optimized depending on the research question and applied microscopy technique. In particular, I was able to develop new tools and protocols which enable the characterization of sphingolipid nanodomains by dSTORM for all three labeling approaches.
Localization microscopy is a class of super-resolution fluorescence microscopy techniques. Localization microscopy methods are characterized by stochastic temporal isolation of fluorophore emission, i.e., making the fluorophores blink so rapidly that no two are
likely to be photoactive at the same time close to each other. Well-known localization microscopy methods include dSTORM}, STORM, PALM, FPALM, or GSDIM. The biological community has taken great interest in localization microscopy, since it can enhance the resolution of common fluorescence microscopy by an order of magnitude at little experimental cost.
However, localization microscopy has considerable computational cost since millions of individual stochastic emissions must be located with nanometer precision. The computational cost of this evaluation, and the organizational cost of implementing the complex algorithms, has impeded adoption of super-resolution microscopy for a long time.
In this work, I describe my algorithmic framework for evaluating localization microscopy data.
I demonstrate how my novel open-source software achieves real-time data evaluation, i.e., can evaluate data faster than the common experimental setups can capture them.
I show how this speed is attained on standard consumer-grade CPUs, removing the need for computing on expensive clusters or deploying graphics processing units.
The evaluation is performed with the widely accepted Gaussian PSF model and a Poissonian maximum-likelihood noise model.
I extend the computational model to show how robust, optimal two-color evaluation is realized, allowing correlative microscopy between multiple proteins or structures. By employing cubic B-splines, I show how the evaluation of three-dimensional samples can be made simple and robust, taking an important step towards precise imaging of micrometer-thick samples.
I uncover the behavior and limits of localization algorithms in the face of increasing emission densities.
Finally, I show up algorithms to extend localization microscopy to common biological problems.
I investigate cellular movement and motility by considering the in vitro movement of myosin-actin filaments. I show how SNAP-tag fusion proteins enable imaging with bright and stable organic fluorophores in live cells. By analyzing the internal structure of protein clusters, I show how localization microscopy can provide new quantitative approaches beyond pure imaging.
The plasma membrane is one of the most thoroughly studied and at the same time most complex, diverse, and least understood cellular structures. Its function is determined by the molecular composition as well as the spatial arrangement of its components. Even after decades of extensive membrane research and the proposal of dozens of models and theories, the structural organization of plasma membranes remains largely unknown. Modern imaging tools such as super-resolution fluorescence microscopy are one of the most efficient techniques in life sciences and are widely used to study the spatial arrangement and quantitative behavior of biomolecules in fixed and living cells. In this work, direct stochastic optical reconstruction microscopy (dSTORM) was used to investigate the structural distribution of mem-brane components with virtually molecular resolution. Key issues are different preparation and staining strategies for membrane imaging as well as localization-based quantitative analyses of membrane molecules.
An essential precondition for the spatial and quantitative analysis of membrane components is the prevention of photoswitching artifacts in reconstructed localization microscopy images. Therefore, the impact of irradiation intensity, label density and photoswitching behavior on the distribution of plasma membrane and mitochondrial membrane proteins in dSTORM images was investigated. It is demonstrated that the combination of densely labeled plasma membranes and inappropriate photoswitching rates induces artificial membrane clusters. Moreover, inhomogeneous localization distributions induced by projections of three-dimensional membrane structures such as microvilli and vesicles are prone to generate artifacts in images of biological membranes. Alternative imaging techniques and ways to prevent artifacts in single-molecule localization microscopy are presented and extensively discussed.
Another central topic addresses the spatial organization of glycosylated components covering the cell membrane. It is shown that a bioorthogonal chemical reporter system consisting of modified monosaccharide precursors and organic fluorophores can be used for specific labeling of membrane-associated glycoproteins and –lipids. The distribution of glycans was visualized by dSTORM showing a homogeneous molecule distribution on different mammalian cell lines without the presence of clusters. An absolute number of around five million glycans per cell was estimated and the results show that the combination of metabolic labeling, click chemistry, and single-molecule localization microscopy can be efficiently used to study cell surface glycoconjugates.
In a third project, dSTORM was performed to investigate low-expressing receptors on cancer cells which can act as targets in personalized immunotherapy. Primary multiple myeloma cells derived from the bone marrow of several patients were analyzed for CD19 expression as potential target for chimeric antigen receptor (CAR)-modified T cells. Depending on the patient, 60–1,600 CD19 molecules per cell were quantified and functional in vitro tests demonstrate that the threshold for CD19 CAR T recognition is below 100 CD19 molecules per target cell. Results are compared with flow cytometry data, and the important roles of efficient labeling and appropriate control experiments are discussed.
HMGA1 Proteine sind kleine, basische, Nicht-Histon Proteine, die in Lösung keine Struktur aufweisen, durch drei AT-Haken, als DNA-Bindungsmotive, gekennzeichnet sind und präferentiell an die kleine Furche der DNA binden. Als differenziell exprimierte Architekturelemente des Chromatins erfüllen sie wichtige Funktionen bei der Regulation DNA abhängiger Prozesse in Zellen und während Entwicklungsprozessen. Aberrante Expressionen führen zu Entwicklungsdefekten und Krebs. In dieser Arbeit wurde der Einfluss von HMGA1 Proteinen auf die Organisation des Chromatins untersucht. Als Modell diente dabei zunächst die Differenzierung von C2C12 Muskelvorläuferzellen. Wie in einer früheren Arbeit gezeigt wurde, ist die Herunterregulation von HMGA1a essentiell für den Eintritt von C2C12 Zellen in die Myogenese. Eine konstante Überexpression von HMGA1a-eGFP hingegen verhindert die Muskeldifferenzierung durch Beeinflussung der Expression myogenesespezifischer Gene und Etablierung einer stabilen Chromatinstruktur. Wie in der vorliegenden Arbeit herausgefunden wurde, nimmt die differenzielle HMGA1a Expression nicht nur Einfluss auf die Expression muskelspezifischer Gene, sondern auch auf die globale Zusammensetzung des Chromatins durch eine reduzierte Expression von H1 Histonen und einer aberranten Expression von HMGB1, HMGN1 und HP1 Proteinen. HMGA1a wurde zusammen mit ORC Proteinen eine Funktion bei der Definition von Replikationsursprüngen in eukaryotischen Zellen zugesprochen. ORC Proteine wurden auch als Komponenten des Heterochromatins und als Interaktionspartner von HP1α identifiziert. Hier konnte mit Hilfe von Co-Immunpräzipitationen, Pull-down Assays und Verdrängungsexperimenten gezeigt werden, dass HMGA1 ein weiterer, direkter Interaktionspartner von ORC Proteinen im Heterochromatin ist und zusammen mit HP1α kooperiert. Pull-down-, Verdrängungs- und siRNA-Experimente zeigten zudem, dass HMGA1 zwar nicht direkt mit HP1α interagiert, die Kooperation der Proteine über ORC aber dennoch wichtig für die Aufrechterhaltung der Heterochromatinsstruktur ist. Damit erweisen sich HMGA1 Proteine als wichtige Stabilisierungsfaktoren des Heterochromatins. Bislang ging man davon aus, dass HMGA1 Moleküle linear, also eindimensional, an ein DNA Molekül binden. Das Vorhandensein von drei DNA-Bindungsmotiven und die eher struktur- als sequenzabhängige Bindung an die DNA lassen vermuten, dass HMGA1 Proteine auch gleichzeitig an benachbarte DNA-Stränge, also auch dreidimensional, binden könnten. Bekräftigt wurde diese Vermutung durch die Bildung von Chromatinaggregaten in Zellen die HMGA1a-eGFP überexprimierten. Dies wurde mittels konfokaler und hochauflösender Mikroskopie (dSTORM) analysiert. Um das Potential einer DNA-Quervernetzung durch HMGA1 Proteine nachzuweisen, wurde eine neue Methode entwickelt. Mit Hilfe eines neuartigen DNA Cross-linking Assays wurde nachgewiesen, dass HMGA1 Proteine in der Lage sind, zwei individuelle DNA Stränge zu vernetzen. Zudem wurde eine neue Domäne in HMGA1 entdeckt die maßgeblich zum Cross-linking beiträgt. Elektronenmikroskopische Analysen bestätigten, dass HMGA1 Proteine in der Lage sind Kreuzungen und Schleifen in DNA Molekülen zu erzeugen. Diese Ergebnisse unterstützen die Vermutung, dass HMGA1 Proteine im Zellkern ein DNA Gerüst bilden können, das Einfluss auf die zelltypische Chromatinorganisation nimmt und dadurch DNA abhängige Prozesse beeinflusst. In wie weit eine HMGA1 induzierte DNA Quervernetzung in vivo zum Beispiel in Chromozentren von C2C12 Zellen oder in Krebszellen, in denen HMGA1 Proteine stark überexprimiert sind, eine Rolle spielen, müssen künftige Untersuchungen zeigen. In dieser Arbeit konnte also gezeigt werden, dass HMGA1 Proteine die Chromatinstruktur auf drei Ebenen organisieren können: Durch Beeinflussung der Chromatinzusammensetzung durch Veränderung der Expression von Chromatinproteinen, durch Interaktion mit anderen Architekturelementen des Chromatins und durch Organisation eines potentiellen DNA Gerüsts.