Refine
Has Fulltext
- yes (2) (remove)
Is part of the Bibliography
- yes (2)
Document Type
- Doctoral Thesis (2) (remove)
Language
- German (2)
Keywords
- Prosodie (2) (remove)
Institute
- Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, plastische und ästhetische Operationen (2) (remove)
Die Wahrnehmung prosodischer Merkmale geht über die reine Semantik des Sprachverstehens hinaus und beeinflusst maßgeblich die Lebensqualität von Personen mit Hörstörungen oder Hörhilfen, die in der Prosodieperzeption eingeschränkt sind. Zur Untersuchung der Wahrnehmung prosodischer Aspekte liegt derzeit im deutschsprachigen Raum kein adäquates Testinstrumentarium vor. Aufbauend auf der Vorgängerarbeit von Bauer (2005) wurde der bereits bestehende Prosodietest weiterentwickelt und an einer größeren Anzahl Normalhörender, die bei späteren Tests mit Hörhilfeträgern als Vergleichsgruppe fungieren sollen, auf sein Eignungspotential untersucht. Der Prosodietest besteht aus zwei unterschiedlichen Testarten (Sprecher- und Kategorientest), die verschiedene prosodische Merkmale abdecken. Beim Sprechertest sollen die drei Sprecher Mann, Frau und Kind erkannt werden, deren Unterscheidbarkeit auf den entsprechenden Tonhöhen (Grundfrequenzen) beruht. Der Kategorientest zielt auf die Erkennung von Grundfrequenzverläufen sowie Akzenten ab, die typischerweise bei den dargebotenen Kategorien Aussage, Frage und Ausruf unterschiedlich ausgeprägt sind. Das Testmaterial wurde in Form von fünf Listen pro Testart mit jeweils 36 Sätzen präsentiert, wobei die Sätze für die jeweiligen Kategorien sowie Sprecher syntaktisch und grammatisch identisch sind. Auf diese Weise wird ausschließlich das Prosodieverständnis abgefragt. Es wurden 30 junge Erwachsene im Alter zwischen 20 und 30 Jahren ausgewählt und deren Normalhörigkeit mittels eines Tonaudiogramms festgestellt. Durch Überlagerung der Testsätze mit einem Störgeräusch in verschiedenen Lautstärken wurden unterschiedliche Schwierigkeitsstufen geschaffen. Zur Anwendung kam ein CCITT-Rauschen, das nach Vorversuchen zur Einschätzung der Prosodieperzeption Normalhörender, in den sechs Hörkonditionen 0 dB SNR, -6 dB SNR, -12 dB SNR, -18 dB SNR und -24 dB SNR verwendet wurde. Als leichter Übungsdurchlauf wurde zusätzlich die Hörkondition +6 dB SNR dargeboten. Um möglichst gleiche Bedingungen für alle Versuchsteilnehmer zu schaffen und unerwünschte Einflussfaktoren so gering wie möglich zu halten, wurde bei der Konzeption des Tests das Verfahren der permutierten Blockrandomisierung angewendet. Des weiteren erhielten alle Probanden die gleiche schriftliche Instruktion. Erwartungsgemäß lagen die Ergebnisse der Probanden im Bereich zwischen der 33,3 %-Marke des reinen Ratens und der 100 %-Grenze der maximalen Leistung. Die Ergebnisse zeigten bei der Darstellung der Gesamtdaten relativ geringe Streuungen der logistischen Regressionen der einzelnen Probanden sowie deutliche Wendepunkte. Dies spricht für eine hohe Sensitivität des Tests. Der Wendepunkt lag beim Sprechertest bei -14,72 dB SNR, beim Kategorientest bei -11,65 dB SNR, wodurch dieser Test als schwieriger einzustufen ist. Die Anzahl der Verwechslungen von Urteilen stieg vom leichten bis in den schwierigen Hörbereich kontinuierlich an, wobei eine wachsende Ungleichmäßigkeit in der Verteilung der Urteile auffiel. Bei totalem Raten der Versuchsteilnehmer existierte bei den Sprechern für den Mann eine Ratewahrscheinlichkeit von 50,3 %, für die Frau von 31,9 % und für das Kind von nur 17,8 %. Im Kategorientest wurden für die Aussage 45,7 %, für die Frage 23,1% und für den Ausruf 31,2% ermittelt. Bei der satzweisen Auswertung des Tests fielen insbesondere beim Kategorientest einige „Satzausreißer“ auf, die geringgradige Abweichungen vom Gesamtdatensatz darstellten und als Interpretationsfehler angesehen werden müssen. Beim Kategorientest stellten vor allem die Sätze Nr. 3, Nr. 21, Nr. 22 und Nr. 25 Negativausreißer sowie Nr. 15 einen extrem gut erkannten Satz dar, während beim Sprechertest die Sätze Nr. 5, Nr. 14 und Nr. 30 etwas weniger gute Erkennungsraten aufwiesen. Durch die Evaluation des Prosodietests mit normalhörenden Probanden hat sich gezeigt, dass dieser Test das Potential besitzt, brauchbare und umfassende Informationen über die Erfassbarkeit der Prosodie zu erzielen. Um den in dieser Arbeit weiterentwickelten und evaluierten Test in einen Test für die klinische Praxis zu überführen, sind nur noch wenige Arbeitsschritte nötig. Es müssten lediglich die weiter oben genannten „Satzausreißer“ unter Beachtung der in Kapitel 5 aufgeführten Gesichtspunkte entfernt oder durch neue Sätze ersetzt werden (s. Anhang D), bevor der Test zum Einsatz gebracht werden kann.
In der CI-Forschung ist bislang wenig untersucht worden, ob CI-Träger in der Lage sind, mit Hilfe ihrer Implantate Melodie- und Betonungsverläufe in der menschlichen Sprache zu erkennen. Da Cochlea-Implantate ursprünglich mit dem Fokus auf das phonologische Sprachverstehen entwickelt wurden, in den letzten Jahren jedoch technologische Verbesserungen kontinuierlich eingeführt wurden, ist diese Fragestellung besonders interessant. Solche Merkmale der Sprache, die sich in Form von Grundfrequenz- und Lautheitsschwankungen, sowie Sprechtempo- und Rhythmus darstellen, werden als Prosodie bezeichnet. Die menschliche Sprache ist affektiv geprägt und bei intensiven Gemütsregungen sind diese Melodieverläufe bzw. die prosodischen Merkmale besonders deutlich. Daher bietet es sich an, mit emotionaler Sprache zu arbeiten, sie dient als Lieferant für Grundfrequenz- und Intensitätsschwankungen. Im Rahmen psychologischer und linguistischer Untersuchungen sind solcherlei Versuche bereits an normalhörenden Personen durchgeführt worden, allerdings stets auf der Grundlage semantisch-sinntragender Sprache, deren Inhalt bei der Bewertung des Gehörten nicht ohne Einfluss bleibt. Daher wurde in der vorliegenden Arbeit eine künstliche Sprache automatisiert erzeugt, die in der statistischen Struktur ihrer Buchstabenzusammensetzung und Lautfolge der deutschen Sprache ähnelt. Diese Pseudosprache wurde in Form von 44 Sätzen in zehn verschiedenen Emotionen aufgenommen und durch nachträgliche Schneide- und Auswahlarbeiten als abhörbare Audiodateien fertiggestellt. Dabei lagen sie je zur Hälfte als 10- und 15-silbige Sätze vor. Es kamen professionelle digitale Aufnahmegeräte zum Einsatz, deren Aufstellung in Vorversuchen systematisch optimiert wurde. Die Evaluierung der Sätze und die anschließende Auswertung der Ergebnisse geschahen im Rahmen einer Untersuchung mit Probanden ohne Höreinschränkungen, um diesen neuartigen Test zunächst auf seine prinzipielle Anwendbarkeit hin zu prüfen. Die zugrundeliegende Fragestellung war, ob bei normalhörenden Personen ein korrektes Erkennen von Emotionen in der gesprochenen Sprache nachweisbar ist. Durch die Ergebnisse sollten Hinweise auf die Einsatzmöglichkeiten des Tests bei CI-Trägern gewonnen werden. Der Test wurde erst nach Ablauf einer vorgeschalteten Pilotstudie konstruiert. Dadurch konnten Verbesserungsmöglichkeiten im Design und in der Durchführung des Tests vorab erkannt und umgesetzt werden. Die Sätze wurden den Probanden der Hauptgruppe in einem genau festgelegten Schema vorgespielt, der Test war untergliedert in einen offen und einen geschlossen zu beurteilenden Abschnitt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Fähigkeit der Probanden zur Erkennung der Emotionen nachweislich vorhanden ist, ohne Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Probanden. Dabei wurden sowohl im offenen als auch im geschlossenen Test bestimmte Emotionen (z.B. Gleichgültigkeit, Panik, Trauer) grundsätzlich besser erkannt als andere (z.B. Ekel, Freude, Stolz). Zwei der Emotionen (Ärger, Zorn) erwiesen sich als kaum unterscheidbar, weswegen eine davon herausgenommen werden sollte und somit neun verwendbare Emotionen resultieren. Die Aufsprachen und die Evaluierung der prosodischen Sätze in dieser Arbeit sind Grundsteine für die Erörterung und Durchführung sinnvoller Veränderungen an diesem Prosodieverständnistest, bevor er bei CI-Trägern zur Anwendung kommt. Solche Veränderungen könnten in technischen Verbesserungen bestehen, in der Variation der prosodischen Darstellungsmöglichkeiten von Emotionen, in der Aufsprache durch professionelle Schauspieler oder in der Erweiterung um eine weibliche Sprecherstimme. Das Ziel zukünftiger Arbeiten zu diesem Thema ist es, den vorliegenden Test so weiterzuentwickeln, dass er in der Lage ist, in der CI-Forschung zur Gewinnung neuer Erkenntnisse beizutragen. Im Hinblick auf den weiteren praktischen Einsatz konnten bereits in dieser Arbeit die wichtigsten Voraussetzungen und Anforderungen erfüllt und das Konzept eines klinisch anwendbaren Emotions-Prosodietests erfolgreich umgesetzt werden.