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Eine der größten Herausforderungen in der Neurobiologie ist es, die neuronalen Prozesse zu verstehen, die Lernen und Gedächtnis zugrundeliegen. Welche biochemischen Pfade liegen z.B. der Koinzidenzdetektion von Reizen (klassische Konditionierung) oder einer Handlung und ihren Konsequenzen (operante Konditionierung) zugrunde? In welchen neuronalen Unterstrukturen werden diese Informationen gespeichert? Wie ähnlich sind die Stoffwechselwege, die diese beiden Arten des assoziativen Lernens vermitteln und auf welchem Niveau divergieren sie? Drosophila melanogaster ist wegen der Verfügbarkeit von Lern-Paradigmen und neurogenetischen Werkzeugen ein geeigneter Modell-Organismus, zum diese Fragen zu adressieren. Er ermöglicht eine umfangreiche Studie der Funktion des Gens S6KII, das in der Taufliege in klassischer und operanter Konditionierung unterschiedlich involviert ist (Bertolucci, 2002; Putz et al., 2004). Rettungsexperimenten zeigen, dass die olfaktorische Konditionierung in der Tully Maschine (ein klassisches, Pawlow’sches Konditionierungsparadigma) von dem Vorhandensein eines intakten S6KII Gens abhängt. Die Rettung war sowohl mit einer vollständigen, als auch einer partiellen Deletion erfolgreich und dies zeigt, dass der Verlust der phosphorylierenden Untereinheit der Kinase die Hauptursache des Funktionsdefektes war. Das GAL4/UAS System wurde benutzt, um die S6KII Expression zeitlich und räumlich zu steuern. Es wurde gezeigt, dass die Expression der Kinase während des adulten Stadiums für die Rettung hinreichend war. Dieser Befund schließt eine Entwicklungsstörung als Ursache für den mutanten Phänotyp aus. Außerdem zeigte die gezielte räumliche Rettung von S6KII die Notwendigkeit der Pilzkörper und schloss Strukturen wie das mediane Bündel, die Antennalloben und den Zentralkomplex aus. Dieses Muster ist dem vorher mit der rutabaga Mutation identifizierten sehr ähnlich (Zars et al., 2000). Experimente mit der Doppelmutante rut, ign58-1 deuten an, dass rutabaga und S6KII im gleichen Signalweg aktiv sind. Vorhergehende Studien hatten bereits gezeigt, dass die unterschiedlichen Ergebnisse bei operanter und klassischer Konditionierung auf verschiedenen Rollen für S6KII in den zwei Arten des Lernens hindeuten (Bertolucci, 2002; Putz, 2002). Diese Schlussfolgerung wurde durch den mutanten Phänotyp der transgenen Linien in der Positionskonditionierung und ihr wildtypisches Verhalten in der klassischen Konditionierung zusätzlich bekräftigt. Eine neue Art von Lern-Experiment, genannt „Idle Experiment“, wurde entworfen. Es basiert auf der Konditionierung der Laufaktivität, stellt eine operante Aufgabenstellung dar und überwindet einige der Limitationen des „Standard“ Heat-Box Experimentes. Die neue Art des Idle Experimentes erlaubt es, „gelernte Hilflosigkeit“ in Fliegen zu erforschen, dabei zeigte sich eine erstaunliche Ähnlichkeit zu den Vorgängen in komplizierteren Organismen wie Ratten, Mäusen oder Menschen. Gelernte Hilflosigkeit in der Taufliege wurde nur in den Weibchen beobachtet und wird von Antidepressiva beeinflusst.
In dieser Doktorarbeit habe ich die Regulation der Expression des zuckerbelohnten Verhaltens durch den Fütterungszustand bei Drosophila melanogaster untersucht. Die Fliegen können während einer Trainingsphase mit Hilfe einer Zuckerbelohnung auf einen bestimmten Duft konditioniert werden. Nach dem Training können die Fliegen dann auf das olfaktorische Gedächtnis getestet werden. Die Bereitschaft das zuckerkonditionierte Gedächtnis im Test zu zeigen wird vom Fütterungszustand kontrolliert, wie ich in Übereinstimmung mit den Ergebnissen früherer Arbeiten demonstrierte (Tempel et al. 1983; Gruber 2006; Krashes et al. 2008). Nur nicht gefütterte Fliegen exprimieren das Gedächtnis, während Fütterungen bis kurz vor dem Test eine reversibel supprimierende Wirkung haben. Einen ähnlichen regulatorischen Einfluss übt der Futterentzug auch auf die Expression anderer futterbezogener Verhaltensweisen, wie z.B. die naive Zuckerpräferenz, aus. Nachdem ich den drastischen Einfluss des Fütterungszustands auf die Ausprägung des zuckerkonditionierten Verhaltens gezeigt bzw. bestätigt hatte, habe ich nach verhaltensregulierenden Faktoren gesucht, die bei einer Fütterung die Gedächtnisexpression unterdrücken. Als mögliche Kandidaten untersuchte ich Parameter, die zum Teil bereits bei verschiedenen futterbezogenen Verhaltensweisen unterschiedlicher Tierarten als „Sättigungssignale“ identifiziert worden waren (Marty et al. 2007; Powley and Phillips 2004; Havel 2001; Bernays and Chapman 1974; Simpson and Bernays 1983; Gelperin 1971a). Dabei stellte sich heraus, dass weder die „ernährende“ Eigenschaft des Futters, noch ein durch Futteraufnahme bedingter Anstieg der internen Glukosekonzentration für die Suppression des zuckerkonditionierten Gedächtnisses notwendig sind. Die Unterdrückung der Gedächtnisexpression kann auch nicht durch Unterschiede in den aufgenommenen Futtermengen, die als verhaltensinhibitorische Dehnungssignale des Verdauungstrakts wirken könnten, oder mit der Stärke des süßen Geschmacks erklärt werden. Die Suppression des zuckerbelohnten Verhaltens folgte den Konzentrationen der gefütterten Substanzen und war unabhängig von deren chemischen Spezifität. Deshalb wird die Osmolarität des aufgenommenen Futters als ein entscheidender Faktor für die Unterdrückung der zuckerkonditionierten Gedächtnisexpression angenommen. Weil nur inkorporierte Substanzen einen Unterdrückungseffekt hatten, wird ein osmolaritätsdetektierender Mechanismus im Körper 67 postuliert, wahrscheinlich im Verdauungstrakt und/oder der Hämolymphe. Die Hämolymphosmolarität ist als „Sättigungssignal“ bei einigen wirbellosen Tieren bereits nachgewiesen worden (Bernays and Chapman 1974; Simpson and Raubenheimer 1993; Gelperin 1971a; Phifer and Prior 1985). Deshalb habe ich mit Hilfe genetischer Methoden und ohne die Fliegen zu füttern, versucht über einen künstlich induzierten Anstieg der Trehaloseund Lipidkonzentrationen die Osmolarität der Hämolymphe in Drosophila zu erhöhen. Eine solche konzentrationserhöhende Wirkung für Lipide und die Trehalose, dem Hauptblutzucker der Insekten, ist bereits für das adipokinetische Hormon (AKH), das von Zellen der Corpora cardiaca exprimiert wird, nachgewiesen worden (Kim and Rulifson 2004; Lee and Park 2004; Isabel et al. 2005). Es stellte sich heraus, dass die künstliche Stimulierung AKH-produzierender Neurone das zuckerkonditionierten Verhalten temporär, reversible und selektiv unterdrückt. Gleiche Behandlungen hatten keinen Effekt auf ein aversiv konditioniertes olfaktorisches Gedächtnis oder ein naives Zuckerpräferenzverhalten. Wie aus dieser Arbeit hervorgeht, stellt wahrscheinlich die Osmolarität des Verdauungstrakts und der Hämolymphe oder nur der Hämolymphe ein physiologisches Korrelat zum Fütterungszustand dar und wirkt als unterdrückendes Signal. Dass Fütterungen das zuckerkonditionierte Verhalten und die Zuckerpräferenz supprimieren, die künstliche Stimulation AKH-produzierender Zellen aber selektiv nur die zuckerbelohnte Gedächtnisexpression unterdrückt, deutet auf mindestens zwei unterschiedliche „Sättigungssignalwege“ hin. Außerdem macht es deutlich wie uneinheitlich futterbezogene Verhaltensweisen, wie das zuckerbelohnte Verhalten und die naive Zuckerpräferenz, reguliert werden.
In dieser Arbeit wurden zwei Techniken zur Analyse der Funktion diverser Neuronen in Drosophila melanogaster angewendet. Im ersten Teil wurde mittels in-vivo Calcium Imaging Technik unter Verwendung des Calciumsensors Cameleon neuronale Aktivität entlang des olfaktorischen Signalweges registriert. Hierbei wurde die neuronale Repräsentation der Duftidentität und der Duftintensität untersucht. In Bezug auf diese Fragestellung wurde die Datenverarbeitung und Datenanalyse weiterentwickelt und standardisiert. Die Experimente führten zu dem Ergebnis, dass duftspezifische Aktivitätsmuster auf der Ebene des Antennallobus sehr gut unterscheidbar sind. Manche Aktivitätsmuster der präsentierten Düfte zeigten interessanterweise einen hohen Ähnlichkeitsgrad, wohingegen andere unähnlich waren. In höheren Gehirnzentren wie den Orten der terminalen Aborisationen der Projektionsneurone oder den Pilzkörper Kenyonzellen liegt eine starke Variabilität der duftevozierten Aktivitätsmuster vor, was generelle Interpretationen unmöglich macht und höchstens Vergleiche innerhalb eines Individuums zulässt. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass die Calciumsignale in den Rezeptorneuronen sowie prä- und postsynaptisch in den Projektionsneuronen bei Erhöhung der Konzentration der verschiedenen präsentierten Düfte über einen Bereich von mindestens drei Größenordnungen ansteigen. In den Kenyonzellen des Pilzkörper-Calyx und der Pilzkörper-Loben ist diese Konzentrationsabhängigkeit weniger deutlich ausgeprägt und im Falle der Loben nur für bestimmte Düfte detektierbar. Eine Bestätigung des postulierten „sparsed code“ der Duftpräsentation in den Pilzkörpern konnte in dieser Arbeit nicht erbracht werden, was möglicherweise daran liegt, dass eine Einzelzellauflösung mit der verwendeten Technik nicht erreicht werden kann. Im zweiten Teil dieser Arbeit sollte durch die Nutzung des lichtabhängigen Kationenkanals Channelrhodopsin-2 der Frage nachgegangen werden, ob bestimmte modulatorische Neurone die verstärkenden Eigenschaften eines bestrafenden oder belohnenden Stimulus vermitteln. Die lichtinduzierte Aktivierung von Channelrhodopsin-2 exprimierenden dopaminergen Neuronen als Ersatz für einen aversiven Reiz führte bei einer olfaktorischen Konditionierung bei Larven zur Bildung eines aversiven assoziativen Gedächtnisses. Im Gegensatz dazu induzierte die Aktivierung von Channelrhodopsin-2 in oktopaminergen/tyraminergen Neuronen als Ersatz für einen appetitiven Reiz ein appetitives assoziatives Gedächtnis. Diese Ergebnisse zeigen, dass dopaminerge Neurone bei Larven aversives Duftlernen, oktopaminerge/tyraminerge Neurone dagegen appetitives Duftlernen induzieren.