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Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den frühen Vokalisationen von Säuglingen mit orofazialen Spalten. Das Interesse galt dabei dem zeitlichen Ablauf der vorsprachlichen und frühen sprachlichen Entwicklung dieser Patientengruppe im Vergleich zu gesunden Säuglingen, sowie den Unterschieden der realisierten Lautproduktionen zwischen den beiden Gruppen. Dazu wurden individuelle Entwicklungsprofile der vorsprachlichen Entwicklung für die untersuchten Probanden erstellt und ausgewertet. Die akustische Ausführungsqualität und charakteristischen Lauteigenschaften der von den Säuglingen mit orofazialen Spalten hervorgebrachten Vokalisationen wurden zusätzlich anhand von Frequenzspektrogrammen und einer Transkription unter Verwendung der Zeichen des Internationalen Phonetischen Alphabets dargestellt. Zusammenfassend konnte man feststellen, dass der Großteil der untersuchten Säuglinge mit orofazialen Spalten die frühe sprachliche Entwicklung im gleichen zeitlichen Rahmen durchlief wie gesunde Säuglinge. Es war aber gleichzeitig zu beobachten, dass einzelne Phasen bei bestimmten Patienten Besonderheiten in ihrem zeitlichen Verlauf zeigten. Interindividuelle Unterschiede sind jedoch auch bei gesunden Säuglingen bekannt. Dies berücksichtigend war jedoch bei den hier untersuchten Säuglingen eine deutliche Tendenz zu einem verspäteten Sprechbeginn zu erkennen, d. h. das Auftreten der ersten Wörter wurde bei der Mehrheit (78,57%) der Säuglinge verzögert registriert. Im Unterschied zu der relativ hohen Übereinstimmung im Phasenablauf der frühen sprachlichen Entwicklung von Patienten mit orofazialen Spalten zu dem von Säuglingen ohne orofaziale Spaltbildung konnte man hinsichtlich der „Ausführungsqualität“ erzeugter Vokalisationen deutliche Unterschiede feststellen. Dies zeigte sich vor allem in einem eingeschränkten Lautinventar und einer undeutlichen, rückverlagerten und nasalen Aussprache. Die Untersuchung belegt, dass Säuglinge mit orofazialen Spaltbildungen prinzipiell die gleichen vorsprachlichen Entwicklungsprogramme durchlaufen. Es gibt während dieser frühen sprachlichen Entwicklung jedoch bedingt durch die Fehlbildungsanomalie selbst, transitorisch verminderte Hörleistungen und andere Co-Faktoren Besonderheiten im Repertoire und der phonetischen Charakteristik geäußerter vorsprachlicher Vokalisationen.
Datengrundlage der Arbeit waren 4284 vorsprachliche Vokalisationen von 19 Säuglingen mit orofazialer Spaltbildung vom 2.-3. Lebensmonat (OFS-Gruppe), sowie zu Referenzzwecken 4655 vorsprachliche Laute einer aus 19 gesunden, sich nachfolgend sprachlich unauffällig entwickelten Säuglingen bestehenden Kontrollgruppe. Die Motivation für die vorliegende Untersuchung resultierte aus den in vorangegangenen Studien gefundenen Besonderheiten in der Beherrschung segmentierter vorsprachlicher Melodiemuster bei Kindern mit orofazialer Spaltbildung. Die Arbeit setzte sich das Ziel, diese Besonderheiten genauer zu charakterisieren, um so das Spektrum der vorsprachlichen Entwicklungsdiagnostik zu erweitern und nicht zuletzt Möglichkeiten für eine adäquatere und individuell besser abgestimmte Therapie dieser Kinder zu schaffen. Nach der Isolierung aller 157 (OFS) bzw. 180 (KG) komplexen Segmentierungen des Untersuchungszeitraums mit Hilfe des Programms CDAP©, erfolgte eine visuelle, spektrale, sowie akustische Feinanalyse dieser Lautäußerungen. Auf Basis eines neu erstellten Klassifizierungsschemas komplexer Segmentierungen (KSKS) fand eine strukturierte Ordnung und Evaluation der komplexen Segmentierungen statt. Die Ergebnisse der Untersuchung bestätigen das von WERMKE (2002) postulierte zentral generierte universelle Melodieentwicklungsprogramm. So geht aus der Analyse nach Spalttypen hervor, dass periphere Malformationen die Ausführung der generierten melodischen Muster der vorsprachlichen Laute nicht beeinflussen. Für beobachtete Abweichungen im Falle isolierter Gaumenspalten, werden verdeckte Syndrome und somit zentrale Mechanismen vermutet. Es scheinen Defizite in der Regelkapazität des laryngeal-respiratorischen Systems auf Seiten der Spaltkinder vorzuliegen. Eine durchgeführte Retroraster-Analyse zeigte, dass diese Säuglinge Schwierigkeiten haben, die Retroversionen der komplex segmentierten Melodiemuster zu erzeugen. Die Ausführung dieser Retromuster verlangt eine prinzipiell höhere Regelkapazität als die der entsprechenden Anteversionen. Es zeigte sich darüber hinaus, dass Spaltkinder die komplexen Segmentierungen häufig nur unvollständig ausführen, also eine qualitative Ausführungsschwäche zeigen. Ursächlich für die von der Kontrollgruppe abweichenden laryngealen Regelleistungen bei Spaltkindern mögen Abweichungen in neuro-physiologischen Mechanismen der Phonation sein. Neuerdings werden auch Abweichungen in der Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses als ursächliche Komponente angesehen. Die Untersuchung des Einflusses einer Oberkieferplattentherapie im Rahmen einer kieferorthopädischen Frühbehandlung, lieferte keine Hinweise auf eine positive Beeinflussung hinsichtlich der Erzeugung komplexer Segmentierungen. Aus den Ergebnissen der geschlechtsspezifischen Analyse, lässt sich ebenfalls eine Bestätigung der Annahme eines generierten Melodieentwicklungsprogramms ableiten. So ließen sich lediglich marginale Unterschiede in der Mustergenerierung der KS auf Seiten der gesunden KG finden. Die OFS-Gruppe betreffend, lässt die Mischung der Spalttypen untereinander eine rein geschlechtsspezifische Untersuchung nicht zu. Hierzu ist es nötig, einen bereinigten Untersuchungsaufbau frei von Spalttypdifferenzen auszuführen. Alles in allem liefert die vorliegende Arbeit einen überzeugenden Beleg für das zentral generierte Melodieentwicklungsprogramm. Zudem werden Hinweise auf eventuelle Defizite in der zentralen Regelkapazität bei Säuglingen mit orofazialer Spaltbildung gefunden, die zukünftig weitere neuroplastische Therapiemethoden erforderlich machen könnten. Um diese Ergebnisse verifizieren zu können, ist es jedoch nötig die Untersuchung mit einem größeren Probandengut zu wiederholen.