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Mutationstests werden in vitro und in vivo durchgeführt. Insbesondere die phänotypselektiven Mutationstests sind meist beschränkt auf die Detektion von Mutationen im Exon und gegebenenfalls in Promotorregionen. Um zunächst die Datenlage zu den üblicherweise verwendeten in vitro Mutationstests zu erweitern und somit eine Bewertung der zu untersuchenden Substanz zu erleichtern, sollte eine Methode zur Erfassung des Mutationsspektrums etabliert und im Rahmen der Untersuchung des mutagenen Potentials des Lebensmittelinhaltsstoffes Irilon angewendet werden.
Es wurde eine Methode entwickelt, welche die Sequenzierung eines jeden einzelnen im Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase-Test enstandenen 6-Thioguanin-resistenten Mutanten erlaubt und somit auch Rückschlüsse auf Mechanismen der Mutationsentstehung zulässt. Im Rahmen der Untersuchung zum mutagenen Potential des Lebensmittelinhaltsstoffes Irilon, wurde zwar kein Unterschied in der Mutantenfrequenz, jedoch sehr wohl ein mit steigenden Deletionen und sinkenden Basenpaarsubstitutionen verändertes Mutationsspektrum detektiert. Die Auswertung des Mikrokerntests unterstützte die Annahme, dass Irilon Chromosomenmutationenen induziert. Zudem wies Irilon ein starkes aneugenes Potential auf. Im Gegensatz zu den phänotypselektiven Mutationstests weisen genotypselektive Tests hingegen theoretisch keine Limitierungen hinsichtlich der zu untersuchenden Zielsequenz und der Organwahl auf. Ein Vertreter der genotypselektiven Tests ist der Random Mutation Capture Assay, der 2005 von Bielas und Loeb für das Intron 6 des humanen TP53-Gens publiziert wurde. Ein weiteres Ziel dieser Arbeit war es zu untersuchen ob die Technik des Random Mutation Capture Assays auf die Ratte übertragbar und ob bzw.unter welchen Bedingungen die Bestimmung von spontanen und induzierten Mutationsfrequenzen in verschiedenen Zielsequenzen möglich ist. Deshalb wurden zunächst das für das Tumorsuppressor Protein 53 kodierenden Gen p53, die für die 18S ribosomale RNA kodierenden DNA und das mitochondriale Cytochrom b Gen als Zielsequenzen gewählt und deren Eignung für die Anwendung im Random Mutation Capture Assays geprüft. Für jede Zielsequenz wurden alle für die Durchführung des Random Mutations Capture Assays benötigten molekularen Werkzeuge unter optimierten PCR-Bedingungen hergestellt und verifiziert. Für die Quantifizierung der Gesamtkopiezahl wurde je Zielsequenz eine spezifische Echtzeit-PCR-Methode entwickelt, welche TaqMan®-Sonden-basiert ist. Nach Optimierung der PCR-Bedingungen wurden je Zielsequenz Wiederfindungen im angestrebten Bereich von ca. 90-100% mit Schwankungen von maximal 20% erreicht. Ausgenommen hiervon war die für die 18S ribosomale DNA kodierende Zielsequenz. Eine Änderung der Echtzeit-PCR-Bedingungen führte zu keiner praktikablen Methode. Daher war diese Zielsequenz, welche trotz geringer DNA-Mengen versprach mehr DNA Kopien zu erhalten und somit die Bestimmung von geringen Mutationsfrequenzen zu erleichtern, nicht im Random Mutation capture Assay anwendbar.
Für die Wahl einer DNA-Isolierungsmethode wurden 5 Methoden hinsichtlich einer für die Mutationsfrequenz-Bestimmung ausreichenden Kopiezahlausbeute, der Reinheit und des Kosten-/Zeitaufwands verglichen. Mit zwei der fünf Methoden wurde aus 100 mg Gewebe die höchste nukleären Kopienzahl isoliert, ausreichend um Mutationsfrequenzen im Bereich 1-2*10-7/bp zu bestimmen. Um jedoch die erwarteten Mutationsfrequenzen im Bereich von 1-3*10-8/bp (Intron) bzw. 2-3*10-9/bp (Exon) zu detektieren, wären 2-3 g Gewebe bzw. 3 mg DNA notwendig. Auf Grund der anatomischen Organgewichte wäre die Durchführung des nukleären Random Mutation Capture Assays somit auf vereinzelte Organe wie Leber, Dünndarm und Gehirn beschränkt. Zudem bestanden mit der Hybridisierung und dem Uracil-DNA-Glycosylase-Verdau zwei zusätzliche kritische Punkte, welche zu einer Minimierung der Kopiezahl oder einer fehlerhaften Einschätzung der Mutationsfrequenz führen können. Aus diesen Gründen wurde eine Entwicklung des Random Mutation Capture Assays für die Zielsequenz im p53-Gen verworfen. Die Kopiezahlausbeuten der mitochondrialen DNA waren ab 50 mg Gewebeeinsatz bei jeder der 5 untersuchten Methoden ausreichend zur Bestimmung einer angestrebten Spontanmutationsfrequenz zwischen 6-100*10-7/bp. Bei Gewebemengen unter 50 mg erwies sich die Aufarbeitung mit DNAzol® auf Grund zu niedriger Kopiezahlausbeuten als ungeeignet. In dieser Arbeit wurde nachfolgend die Phenol-Chloroform-Extraktion nach Vermulst et al (2008) verwendet.
Im Rahmen der Etablierung der PCR zur Erfassung der Anzahl mutierter Kopien (Mutations-PCR) wurde ein Mutanten-Standard zur Anwendung als Positivkontrolle in PCR und Agarose-Gelelektrophorese hergestellt, verifiziert und fluorimetrisch quantifiziert. Wiederfindungsexperimente bestätigten, dass mit der etablierten Mutations-PCR eine einzelne Kopie amplifizier- und detektierbar ist. Um eine Auswertung einer Sequenzierung hinsichtlich Anzahl der Mutanten als auch der Sequenz an sich zu gewährleisten, wurde der akzeptierte Bereich an detektierten 1-19 (80 Reaktionen) gesetzt.
Nachfolgend wurde in der gesunden Leber von männlichen und weiblichen Ratten erfolgreich die mitochondriale Spontanmutationsfrequenz mit dem entwickelten Random Mutation Capture Assay bestimmt. Diese betrug innerhalb einer mitochondrialen DNA-Lösung 3,2 ± 3,1 *10-6/bp (Median 2,7). Die Mutationsfrequenzen von 3 unabhängigen mitochondrialen DNA-Lösungen -isoliert aus demselben Organpulver- betrugen durchschnittlich 11,5 ± 8,6 *10-6/bp (Median 8,0) und waren somit ca. 3-mal höher. Ein Vergleich zwischen den Mutationsfrequenzen der männlichen und weiblichen Tiere resultierte in mitochondrialen Mutationsfrequenzen zwischen 1,6-34,4 *10-6/bp (männlich) und 3,0-12,9 *10-6/bp (weiblich), wobei zwischen männlichen und weiblichen Tieren kein statistischer Unterschied bestand (Mann-Whitney-Test; p<0,05). Um zu prüfen, ob die Mutationsraten bestimmt mit dem mitochondrialen Random Mutation Capture Assay und einem phänotypselektiven Mutationstest zu gleichem Maße auf ein mutagenes Potential hinweisen, wurde als nächstes der phänotypselektive Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase-Test für normale Nierenepithelzellen der Ratte (NRK-Zelllinie) entwickelt. Nach einer 24 h Inkubation mit 0,1 µM 4-Nitrochinolin-1-oxid, einem bekannten Adduktbildner, stieg die Mutationsfrequenz im Exon des Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase-Gens um den Faktor 5 im Vergleich zur Lösemittelkontrolle an. Mit Hilfe des entwickelten Random Mutation Capture Assays wurde in der DNA -isoliert zum Zeitpunkt der Selektion- eine dreifache Steigerung der Mutationsfrequenz im mt-Cytb-Gen detektiert. Somit war mit beiden Tests eine Erhöhung der Mutationsfrequenz in der gleichen Größenordnung detektierbar, wobei der phänotypselektive Mutationstest sensitiver war.
Nachdem die Mutations-PCR ca. 1,5 Jahren angewendet wurde, stieg innerhalb von 4 Monaten unabhängig von der verwendeten Templatkonzentration sowohl die Häufigkeit der detektierten Schmierbanden als auch die des DNA hang up an. In 7 Mutations-PCRs, welche nach diesen Phänomenen nur mit Blindwerten durchgeführt wurden, lag der Anteil an detektierten DNA-Schmierbanden pro Mutations-PCR zwischen 25,0% und 38,8%, der des DNA hang up zwischen 17,5% und 48,8%. Das war häufiger als in Reaktionen mit Templat; ein Hinweis dafür, dass das Vorliegen von Templat Nebenreaktionen zu einem gewissen Grad verdrängte und dass die unspezifische Amplifizierung am Mastermix der Mutations-PCR lag. Eine Änderung von chemischen oder physikalischen Parametern innerhalb der PCR-Reaktion führte zu keiner Reduktion der Nebenprodukte. Somit war der für das mitochondriale Cytochrom b-Gen entwickelte Random Mutation Capture Assay nicht robust gegenüber Nebenreaktionen und ist daher nicht für einen routinemäßigen Einsatz geeignet. Zusammenfassend war eine Entwicklung der Primer und der molekularen Werkzeuge des Random Mutation Capture Assays vom Mensch auf Ratte mit allen drei gewählten Zielsequenzen möglich. Im Rahmen der Experimente zeigte sich, dass die Kopiezahl-PCR der Zielsequenz in der 18S ribosomale RNA kodierenden DNA nicht praktikabel und eine Bestimmung der Mutationsfrequenzen für das Tumorsuppressor Protein 53 kodierenden Gen p53 nur unter Berücksichtigung einer eingeschränkten Organauswahl möglich war. Für die Zielsequenz des mitochondrialen Cytochrom b Gens war der Random Mutation Capture Assay durchführbar. Allerdings erwies sich die Mutations-PCR als instabil. Folglich ist eine Bestimmung von Mutationsfrequenzen mit dem Random Mutation Capture Assay in Rattus norvegicus nur sehr begrenzt möglich.
Foamyviren (FVs) sind die genetisch stabilsten Viren der Retrovirus-Familie. Dies steht im Gegensatz zur Fehlerrate, die für die rekombinante FV Reverse Transkriptase (RT) gefunden wurde. Um die Genauigkeit der FV Genomreplikation in vivo zu ermitteln, analysierten wir das Auftreten von Mutationen nach FV-Vektortransfer in einer einzigen Replikationsrunde. Die Sequenzanalyse von mehr als 90000 Nukleotiden ergab 39 Mutationen. Dies entspricht einer Fehlerrate von ungefähr 4 x 10-4 pro Base und Replikationszyklus, wobei alle Mutationen Transitionen von G zu A waren. Eine schwache Expression von APOBEC-Enzymen in den vektorproduzierenden Zellen konnte als wahrscheinlichste Ursache für diesen Typ an Mutationen nachgewiesen werden. Das akzessorische FV Bet Protein wirkt APOBEC entgegen. Kotransfektion von Zellen mit einem bet-Expressionsplasmid resultierte in einer signifikanten Reduktion an Mutationen bei über 170000 zusätzlich sequenzierten Basen. Zwei Mutationen konnten nicht der APOBEC-Aktivität zugeschrieben werden, deshalb postulieren wir eine idealisierte FV-Mutationsrate von angenähert 7,5 x 10-6 pro Base und Replikationszyklus. Im Gegensatz zu in vitro-Analysen wurde nur eine einzige Deletion und keine Insertion bei mehr als 260000 sequenzierten Basen identifiziert. Die Analyse der Rekombinationsrate von FV-Vektorgenomen ergab mehr als ein zusätzliches Template-Switching-Ereignis pro reverser Transkription. Wir konnten auch zeigen, dass ein bestimmtes FV-Partikel in der Lage zum Crosstransfer eines heterologen FV-Genoms ist, jedoch mit einer reduzierten Effizienz als bei Verwendung des homologen Vektors. Zusammenfassend zeigen unsere Ergebnisse einerseits, dass das Kopieren des FV-Genoms mit höherer Genauigkeit geschieht als bisher angenommen, auf der anderen Seite ist Rekombination bei FV-Genomen wahrscheinlich.