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Diverse synthetische Zugänge zu einer neuen Verbindungsklasse, nämlich den chiralen 9-
Oxabispidinen wurden realisiert. Als gemeinsame Ausgangsverbindung diente das Aminodiol. Die Route über ein Bispidinlactam stellte sich aufgrund der geringen Ausbeute (~5%) über 8 Stufen als wenig effektiv heraus. Ein Nitril eignete sich wesentlich besser als Zwischenstufe und lieferte die Zielverbindungen in 9-27% Gesamtausbeute über 8-12 Stufen.
Auch ein Syntheseweg zur Darstellung von Bispidinen konnte ausgehend vom Naturstoff (–)-Cytisin, der aus den Samen des Gemeinen Goldregens isoliert wurde, etabliert werden. Hierzu wurde in Analogie zu O’Briens Arbeiten zunächst die freie Aminofunktion als Carbamat geschützt und der aromatische Ring zum Lactam reduziert, um dann in 5-Position derivatisieren zu können. Verschiedene Substituenten (Me, iPr, F, cPr) konnten sowohl in axialer als auch in äquatorialer Position eingeführt werden. Ein weiterer Reduktionschritt
am Ende der Sequenz lieferte die trizyklischen Diamine in 15-38% Ausbeute über nur 4-6
Stufen ausgehend von (–)-Cytisin. Eine Cyclopropylgruppe wurde durch Einführung einer
Methoxymethylgruppe, Eliminierung und eine Cyclopropanierung mit Diiodmethan/ Diethylzink generiert.
Alle synthetisierten Verbindungen wurden als chirale Liganden in verschiedenen enantioselektiven Reaktionen evaluiert. Im Fokus standen hierbei zunächst die 9-Oxabispidine, die sich–im Gegensatz zu den bekannten Bispidinen–leider nicht als chirale Liganden in enantioselektiven Deprotonierungen einsetzen lassen, da sie selbst deprotoniert werden. In enantioselektiven Henry-Reaktionen stellte sich das trizyklische 9-Oxabispidin als hervorragender Ligand heraus, der als Kupferkomplex mit einer Vielzahl an Aldehyden (aliphatisch, aromatisch) und Nitromethan umgesetzt wurde. Sowohl die Ausbeuten (44-95%) als auch die Enantiomerenüberschüsse (91-98%) waren exzellent und können mit den Ergebnissen der besten Literatur-bekannten Katalysatoren mithalten. Auch in einer diastereoselektiven Umsetzung mit Nitroethan konnte ein dr von 80:20 mit sehr guten 94% ee für das Hauptdiastereomer erzielt werden. Die bizyklischen 9-Oxabispidine eignen sich weniger für Henry-Reaktionen, da die Verbindungen mit sterisch weniger anspruchsvollen Reste nur mittelmäßige Resultate (33-46% ee) ergeben. Mit zunehmender Sterik ist auch eine steigende Tendenz zu einem höheren Enantiomerenüberschuss [z.B. R = Ph, 56/57% ee] zu erkennen. Interessant ist die Stereoselektivität der bizyklischen Oxabispidine: Während das trizyklische Bispidin zu einer S-Konfiguration im Produkt führt–wie es von einem (+)-Spartein-Ersatzstoff zu erwarten ist–liefern R = Et, iPr. cHex und Ph das R-Produkt - genau wie (–)-Spartein. Der Grund hierfür ist wahrscheinlich die exponierte Stellung der äußeren Methylgruppe im annelierten Piperidinring. Ein ähnlicher Effekt trat mit dem 9-Oxabispidin R = tBuPh, das ebenfalls einen weit ausladenden aromatischen Ring besitzt, ein. Auch hier wurden unter Induktionsumkehr im Vergleich zu R = Et, iPr, cHex, Ph das S-konfigurierte Produkt in 38-39 % ee erhalten.
Im Gegensatz zu den 9-Oxabispidinen können die Bispidine in enantioselektiven Deprotonierungsreaktionen eingesetzt werden. Die bei der Umsetzung erzielten Ergebnisse mit den Monomethyl-Verbindungen (92% ee, äquatoriale Me-Gruppe und 79% ee, axiale Me-Gruppe) zeigen, dass eine axiale Methylgruppe den Chiralitätstransfer eher negativ beeinflusst, wohingegen eine äquatoriale Methylgruppe keinen Einfluss ausübt auf den ee (gleicher ee mit 92% wie das trizyklische Bispidin). Bei größeren äquatorialen Substituenten wie iPr (51%) sinkt ebenfalls der Enantiomerenüberschuss. Zwei gleichartige Substituenten (≠ H) in 5-Position stören die Reaktion so sehr, dass der ee-Wert stark abfällt (34% ee bei zwei 5-Methylgruppen). Bei Einführung von kleinen Substituenten in äquatorialer und axialer Position, wie F (65% ee) oder -CH2-CH2- (40% ee) liegen die erzielten ee-Werte auch viel niedriger.
Der bekannteste Vertreter der Bispidine ist das Lupinenalkaloid (–)-Spartein, das vor allem in enantioselektiven Deprotonierungen aber auch Übergangsmetall-katalysierten asymmetrischen Reaktionen als Ligand der Wahl eingesetzt wird. Daneben gibt es nur wenige weitere synthetische Vertreter, da keine flexiblen Darstellungsmethoden zu enantiomerenreinen Bispidinen mit variablen Substituenten in 2-endo-Position existieren. Ein zielgerichtetes Design solcher Verbindungen war daher bisher nur eingeschränkt möglich. So sollte in dieser Arbeit eine neue Substanzklasse als chirale Liganden in der asymmetrischen Synthese etabliert werden: 2-endo-substituierte 9-Oxabispidine. Das Brücken-Sauerstoffatom sollte die Synthese stark vereinfachen. Insgesamt wurden drei strategisch unterschiedliche Methoden zur enantioselektiven Synthese von 2-endo-substituierten 9-Oxabispidinen entwickelt. Zunächst ist die sehr kurze Route zu 2-endo-Phenyl-substituierten Derivaten mit diversen Resten R' an den Stickstoff-Funktionen zu nennen. Ausgehend von käuflichem (R,R)-Phenylglycidol wurde (S,S)-3-Benzylamino-3-phenyl-1,2-propandiol dargestellt, das in einer Dreistufen-Eintopf-Reaktion mit (S)-Epichlorhydrin kondensiert und zum all-cis-konfigurierten 2,6-Dimesyloxymethyl-3-phenylmorpholin mesyliert wurde. Die finale Cylisierung erfolgte mit primären Aminen zu verschiedenen 2-endo-Phenyl-9-oxabispidinen in insgesamt drei bis fünf Stufen. Die Darstellung des tricyclischen 9-Oxa-Derivats eines bekannten (+)-Spartein-Ersatzstoffs gelang nach einem verwandten Syntheseprotokoll. Für eine effiziente Variation des 2-endo-Substituenten auf einer späten Synthesestufe wurde zunächst enantiomerenreines 3N-Boc-7N-Methyl-9-oxabispidin-2-on als Schlüsselintermediat ausgewählt, das aus (R)-Epichlorhydrin und racemischem Glycidsäuremethylester dargestellt wurde. Die weitere Überführung in die 9-Oxabispidine wurde durch Grignard-Addition, Abspaltung der N-Boc-Gruppe vom resultierenden, ringoffenen N-Boc-Aminoketon, Cyclisierung zum Imin und abschließende, exo-selektive Reduktion oder Hydrierung erreicht. So wurden bi- und tricyclische 9-Oxabispidine in nur drei Stufen und 51% Ausbeute synthetisiert. Ein größeres Potenzial besitzt jedoch der primär von David Hein parallel zu den eigenen Arbeiten entwickelte Zugang über ein cis-konfiguriertes 6-(N-Boc-Aminomethyl)morpholin-2-carbonitril als zentrale Zwischenstufe, das auch im 10-g-Maßstab problemlos erhältlich war. Die allgemeine Anwendbarkeit und Flexibilität dieser Methode wurde anhand der Darstellung einer Reihe an 9-Oxabispidinen demonstriert. Die dargestellten chiralen 9-Oxabispidine wurden erstmalig in den folgenden fünf unterschiedlichen Gebieten der asymmetrischen Synthese getestet: Organolithium- und Organomagnesium-vermittelte Umsetzungen sowie Pd(II)-, Cu(II) und Zink(II)-katalysierte Reaktionen. Für enantioselektive Deprotonierungen schwach C-H-acider Verbindungen mit sBuLi erwiesen sich die 9-Oxabispidine als ungeeignet, da sie selbst in Brückenkopfposition lithiiert wurden. Die Stabilität der resultierenden -Lithioether war unerwartet hoch; sie ließen sich beispielsweise bei -78 °C in guten Ausbeuten mit Elektrophilen abfangen. Umlagerungen traten erst beim Aufwärmen ein, wenn kein Elektrophil als Reaktionspartner zur Verfügung stand. Als definierte Produkte wurden dabei Ring-kontrahierte N,O-Acetale erhalten. Zusammen mit den weniger basischen Grignard-Reagenzien wurden die 9-Oxabispidine erfolgreich zur Desymmetrisierung von meso-Anhydriden verwendet. Bei Pd(II)-katalysierten oxidativen kinetischen Racematspaltungen sekundärer Alkohole konnten mit einem 9-Oxabispidin-Pd(II)-Katalysator Selektivitätsfaktoren s vergleichbar zu denen mit (–)-Spartein erzielt werden. Die Ursache für die geringere Reaktivität der 9-Oxabispidin-Komplexe liegt gemäß quantenchemischen Berechnungen in der Elektronegativität des Brücken-Sauerstoffatoms, was die Elektronendichte am Palladiumatom verringert. In Kooperation mit David Hein wurde ein von einem tricyclischen 9-Oxabispidin abgeleiteter Cu-Katalysator entwickelt, der bei der Addition von Nitromethan an zahreiche aromatische, heteroaromatische und aliphatische Aldehyde exzellente Enantioselektivitäten im Bereich von 91–97% lieferte. Mit bicyclischen, 2-endo-substituierten 9-Oxabispidinen als chiralen Liganden wurden hingegen lediglich 33-57% ee erreicht bemerkenswerterweise entstanden hierbei bevorzugt die enantiokomplementären β-Nitroalkohole. In Zusammenarbeit mit Janna Börner aus der Arbeitsgruppe von S. Herres-Pawlis wurde der erste chirale, neutrale Diamin-Zink(II)-Katalysator für die Ringöffnungs-Polymerisation von D,L-Lactid entwickelt. Die Reaktion benötigte kein weiteres anionisches Additiv und konnte ohne Lösungsmittel mit nicht-aufgereinigtem, käuflichem Lactid durchgeführt werden.