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Die Identifizierung endogener Stammzellen mit kardiogenem Potenzial und die Möglichkeit, deren Differenzierung zu steuern, würde einen Meilenstein in der kardioregenerativen Therapie darstellen. Innerhalb der Gefäßwand konnten unterschiedliche Stamm- und Vorläuferzellen identifiziert werden, die sog. Gefäßwand-residenten Stammzellen (VW-SCs). Zuletzt konnten aus CD34(+) VW-SCs, ohne genetische Manipulation, Kardiomyozyten generiert werden. Zusätzlich fungiert die Gefäßwand als Quelle inflammatorischer Zellen, die essenziell für die kardiogene Differenzierung der VW-SCs zu sein scheinen.
Ziel dieser Arbeit war es, das Verhalten von CD44(+) VW-SCs zu untersuchen, um herauszufinden, inwieweit dieser Stammzelltyp eine endogene Generierung von Kardiomyozyten unterstützen könnte. Dabei wurde mit infarzierten Mäuseherzen, dem Aortenringassay (ARA) und dem kardialen Angiogeneseassay (CAA) gearbeitet.
Sowohl in vivo in ischämischen Arealen infarzierter Mäuseherzen als auch ex vivo im CAA kam es zu einem signifikanten Anstieg von CD44(+) Zellen. Mittels Färbungen auf CD44 und Ki-67 konnte die Teilungsfähigkeit dieser Zellen demonstriert werden.
Ex vivo ließen sich aus CD44(+) Zellen F4/80(+) Makrophagen generieren. Die CD44(+) VW-SCs können sich dabei sowohl zu pro-inflammatorischen iNOS(+) M1- als auch zu anti-inflammatorischen IL-10(+) M2-Makrophagen differenzieren. Eine Modulation der kardialen Inflammation könnte einen entscheidenden Einfluss auf die Kardiomyogenese haben.
Unter VEGF-A kam es im CAA zu einer deutlichen Zunahme von CD44(+) Zellen. Unter Lenvatinib blieb das kardiale Sprouting gänzlich aus, die Anzahl der CD44(+) Zellen stagnierte und die VW-SCs verblieben in ihren physiologischen Nischen innerhalb der Gefäßwand.
Warum es nach einem MI kaum zu einer funktionellen Herzmuskelregeneration kommt, ist weiterhin unklar. Die therapeutische Beeinflussung koronaradventitieller CD44(+) VW-SCs und inflammatorischer Prozesse könnte dabei zukünftig eine wichtige therapeutische Option darstellen.
Die alveoläre Echinokokkose (AE), verursacht durch das Metacestoden- Larvenstadium des Fuchsbandwurms Echinococcus multilocularis (E. multilocularis), ist eine lebensbedrohliche Zoonose der nördlichen Hemisphäre mit eingeschränkten therapeutischen Möglichkeiten. Bei der Suche nach neuen Therapeutika haben Mitogen-activated Proteinkinase (MAPK) -Kaskaden als pharmakologische Zielstrukturen aufgrund ihrer essentiellen Rolle bei der Zellproliferation und -differenzierung ein großes Potenzial. In der vorliegenden Arbeit wurden durch BLAST- und reziproke BLAST-Analysen elf potenzielle MAPK Kinase Kinasen (MAP3K), fünf potenzielle MAPK Kinasen (MAP2K) und sechs potenzielle MAPK im E. multilocularis-Genom identifiziert, die teils hoch konserviert sind und in nahezu allen Entwicklungsstadien des Parasiten exprimiert werden. Diese Erkenntnisse lassen auf ein komplexes MAPK-Signaltransduktions- system in E. multilocularis mit großer Bedeutung für den Parasiten schließen. Transkriptomdatenanalysen und Whole Mount in Situ Hybridisierung (WMISH) zeigten, dass emmkkk1 (EmuJ_000389600) als einzige MAP3K neben der Expression in postmitotischen Zellen in besonderem Maße in proliferativen Stammzellen des Parasiten exprimiert wird und somit eine wichtige Rolle bei der Differenzierung von Stammzellen spielen könnte. In Yeast-Two-Hybrid (Y2H) -Wechselwirkungsassays wurden Interaktionen von mehreren upstream- (EmGRB2) und downstream- wirkenden Signalkaskadekomponenten des JNK (EmMKK3, EmMPK3) und ERK (EmMKK3, EmMPK4) -Signalwegs gefunden. Daraus lässt sich schließen, dass EmMKKK1, analog zu seinem humanen Homolog HsM3K1, eine zentrale Rolle bei der Echinococcus-Wachstumsregulation durch Rezeptortyrosinkinasen und vielfältige weitere Funktionen im Parasiten besitzt. Anhand von Erkenntnissen an Platyhelminthes kann daher von einem großen Potenzial dieser neu charakterisierten Signalwege als chemotherapeutische Angriffspunkte ausgegangen werden, wenngleich erste RNA-Interferenz (RNAi)- und Inhibitorstudien an emmkkk1, emmpk1 und emmpk4 keine durchschlagenden Effekte auf das Überleben von Primärzellkulturen und die Bildung von Metacestodenvesikeln zeigten. Zusammenfassend konnte in der vorliegenden Arbeit mit EmMKKK1 und neuen ERK- und JNK-Signalwegen zentrale Komponenten der komplexen MAPK-Signalkaskaden in E. multilocularis identifiziert werden, die höchstwahrscheinlich einen großen Beitrag zur enormen Regenerationsfähigkeit der Echinococcus-Stammzellen leisten und vom Wirt abgeleitete Signale wie Insulin, Epidermaler Wachstumsfaktor (EGF) und Fibroblasten-Wachstumsfaktor (FGF) über EmGRB2 in Proliferationsnetzwerke des Parasiten integrieren. Arzneimittel-Screening-Assays, die auf diese Signalwege abzielen, könnten daher zu alternativen Arzneimitteln führen, die alleine oder in Kombination mit einer bestehenden Chemotherapie (Benzimidazol) die Prognose von für AE-Patienten verbessern könnten.
Das Multiple Myelom (MM) ist ungeachtet neuer medikamentöser Therapien weiterhin eine für die allermeisten Patienten unheilbare Erkrankung. Aktuelle Whole-Genome-Sequenzierungen konnten die Annahme, dass hierfür die genetische Heterogenität des MM verantwortlich ist, bestätigen. Um dieses onkogene Signalnetzwerk auf effiziente Weise zu untersuchen, wurde ein induzierbares Knock-down-System basierend auf der weitverbreiteten RNA-Interferenz und dem neuen, innovativen Sleeping Beauty Transposon System (SBTS) entwickelt. Die Etablierung des SBTS im MM zeigte, dass die CMV-Promotor-vermittelte EGFP-Expression über 231 Tage stabil ist. Die Verwendung des SBTS ermöglicht es, Zellen bei niedrigster biologischer Schutzstufe (S1) stabil zu transfizieren. Am Beispiel des MAPK-Signalweges konnten stabile shRNA-vermittelte Knock-downs in verschiedenen MM-Zelllinien erfolgreich durchgeführt werden. Um ein induzierbares Tet-On-System zur shRNA-Expression zu erstellen, wurden zum einen dem verwendeten H1-Promotor zwei TetO-Sequenzen hinzugefügt. Zum anderen wurde durch die Verwendung eines zweiten, neu konstruierten SBTS Vektors mit anderer Selektionsresistenz in den verwendeten Zellen das Tet-Repressor-Protein (TetR) stabil exprimiert. Die notwendige Expression von TetR konnte nur mittels CAG-Promotors erreicht werden. Am Beispiel von ERK2 konnte gezeigt werden, dass es durch die stabile Transfektion und die Induktion des Knock-downs mit Doxycyclin möglich ist, den Knock-down Effekt zu erzielen. Das etablierte Plasmid-basierte System stellt somit ein versatiles, einfach anwendbares, kostengünstiges und zeitsparendes Werkzeug dar, induzierbare Knock-downs durch RNA-Interferenz für einzelne oder mehrere Proteine gleichzeitig zu erzielen. Es ist davon auszugehen, dass die Anwendung aufgrund der Verwendung etablierter Techniken und der leichten Modifizierbarkeit nicht nur auf das MM begrenzt sein wird.
Während der letzten Jahrzehnte ist eine steigende Inzidenz von Infektionen durch Pilze der Ordnung Mucorales zu beobachten. Rhizopus arrhizus ist der häufigste Erreger dieser lebensbedrohlichen Infektionen, die vor allem immunsupprimierte Patienten betreffen. Aufgrund der oft schwierigen Diagnosestellung und limitierter therapeutischer Optionen liegt derzeit die Letalität von Mucormykosen zwischen 50 bis 100 %. Eine Voraussetzung für die Etablierung neuer Biomarker oder immuntherapeutischer Strategien ist ein verbessertes Verständnis der immunpathologischen Prozesse bei der Abwehr von Mucorales.
In dieser Arbeit wurden daher verschiedene Immunzellpopulationen durch ruhende und ausgekeimte Stadien von R. arrhizus stimuliert und anschließend deren proinflammatorische Immunantwort gemessen. Als Vergleich diente die proinflammatorische Immunantwort der untersuchten Immunzellen nach Stimulation mit Aspergillus fumigatus. Darüber hinaus war es Gegenstand dieser Arbeit, zu charakterisieren welche Pattern Recognition Receptors (PRRs) an der Erkennung von Mucorales durch verschiedene innate Immunzellen beteiligt sind. Zugleich wurde untersucht, ob unterschiedliche Morphotypen der Pilzspezies Auswirkungen auf die Stimulation der jeweiligen PRRs haben. Hierfür wurden Koinkubations-Experimente mit neutrophilen Granulozyten sowie Peripheral Blood Mononuclear Cells (PBMCs), Monozyten und monocyte derived dendritic cells (moDCs) mit verschiedenen Morphotypen von R. arrhizus durchgeführt. Die Rezeptoren TLR2, TLR4 und/oder Dectin-1 wurden dabei durch neutralisierende Antikörper oder RNA-Interferenz blockiert.
Ausgekeimte Stadien von A. fumigatus sowie R. arrhizus induzierten eine erhöhte ROS-Freisetzung in Neutrophilen, die durch isolierte oder kombinierte Blockade von TLR2, TLR4 und Dectin-1 abgeschwächt wurde. Ebenso wurde die Phagozytoseaktivität neutrophiler Granulozyten gegenüber R. arrhizus-Konidien durch Blockade von TLR4 und Dectin-1 deutlich reduziert.
Im Gegensatz zu A. fumigatus induzierten sowohl ruhende Konidien als auch ausgekeimte Stadien (Keimschläuche und Hyphen) von R. arrhizus eine robuste pro-inflammatorische Zytokinantwort durch moDCs. Nach Inhibition der Dectin-1 Expression durch RNA-Interferenz zeigte sich die Transkription und Sekretion von Interleukin-1β in Gegenwart aller drei untersuchten Morphotypen von
R. arrhizus deutlich vermindert (Transkription um 46 bis 68 % und Sekretion um 75 bis 79 % vermindert). Diese Ergebnisse legen nahe, dass Dectin-1 ein wichtiger Mediator bei der Einleitung der innaten Immunantwort verschiedener Zelltypen gegen R. arrhizus ist. Diese Beobachtung sollte in weiteren Studien eingehender untersucht werden, z. B. um die Eignung von Dectin-1 als Rezeptor für zelltherapeutische Ansätze wie T-Zell-Konstrukte mit chimären Antigen-Rezeptoren zu evaluieren.
Trotz einer Vielzahl neuer Therapieansätze in den letzten Jahren, die ein längeres Überleben der Patienten ermöglichen, stellt das multiple Myelom weiterhin eine unheilbare Krankheit dar. Der Großteil der Patienten entwickelt letztlich ein rezidiviertes oder refraktäres multiples Myelom (RRMM). Bei Erstdiagnose und bei RRMM sind immunmodulierende Medikamente (IMiDs), wie Lenalidomid, eine bedeutende Therapieoption. Durch die Bindung von Lenalidomid an den CRL4CRBN Ligase Komplex entwickelt dieser eine modifizierte Substratspezifität: die Transkriptionsfaktoren IKZF1 (Ikaros) und IKZF3 (Aiolos) werden ubiquitinyliert und proteasomal abgebaut. Von Krönke et al. (2014) wurde eine 30 Aminosäuren lange Sequenz (Degron) am N-Terminus von IKZF1/3 definiert, die essenziell für die Lenalidomid-Sensitivität ist. Durch Next Generation Sequencing (NGS)-Technologien wurde ein signifikanter Anstieg der Mutationsfrequenz unter Therapie verzeichnet und vier Missense-Mutationen in IKZF1 und eine in IKZF3 bei Patienten mit RRMM identifiziert. Die Mutationen IKZF1-A152T und IKZF3-G159R sind innerhalb der Degron-Sequenz lokalisiert, IKZF1-E170D liegt unmittelbar daneben und IKZF1-Y413C bzw. IKZF1-R439H befinden sich am C-Terminus des Proteins. Für diese mutierten IKZF-Proteine wurden im Rahmen dieser Arbeit Expressionsvektoren kloniert und stabil in humane Myelomzelllinien transfiziert. Durch Western Analysen und funktionelle Assays der Zellviabilität (alamarBlue) bzw. des Zelltods (Annexin V-PI) wurden diese polyklonalen Sublinien bezüglich ihrer Implikationen für die Lenalidomid-Sensibilität untersucht. Nur die IKZF1-Mutationen A152T und E170D führten zu einer verminderten, bei A152T geradezu aufgehobenen, Degradierung von Ikaros nach Lenalidomid-Behandlung. In den funktionellen Analysen führte A152T ebenfalls zu stark verminderter Lenalidomid-Aktivität und zu deutlich höherem Überleben. Obwohl Sleeping Beauty Vektoren mit unterschiedlichen Expressionskassetten für Aiolos eingesetzt wurden, war keine eindeutige Überexpression von IKZF3 feststellbar, daher sind diese Ergebnisse nur eingeschränkt zu verwerten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in vivo bei Patienten aufgetretene und in vitro analysierte Mutationen, gezeigt an der in der Degron-Sequenz lokalisierten Mutation IKZF1-A152T, im Zellmodell eine Resistenz vermitteln und damit Einfluss auf mögliche Therapieresistenzen haben können.
Testung verschiedener Strategien für die Regeneration von Knorpeldefekten im Ex vivo-Testsystem
(2021)
Die Degeneration des Gelenkknorpels ist Hauptursache für chronische Schmerzen und eine dadurch bedingte Einschränkung der Lebensqualität. Für die Sozialversicherungssysteme ist dies mit steigenden Kosten verbunden. Gegenwärtige Behandlungsoptionen wie die Mikrofrakturierung oder die (matrix-assoziierte) Autologe Chondrozytentransplantation (M-) ACT führen zu einem minderwertigen Reparaturgewebe aus Faserknorpel mit unzureichenden mechanischen Eigenschaften an der Defektstelle. Es besteht ein Bedarf an der Entwicklung und Testung neuer Knorpeltherapien, die ein funktionelles Reparaturgewebe für nachhaltige Beschwerdefreiheit erzeugen. Das hier verwendete kürzlich etablierte osteochondrale Ex vivo-Testsystem (EVTS) eignet sich zur Evaluation unterschiedlicher zellbasierter Behandlungsansätze für die Knorpelregeneration.
Aus der medialen Femurkondyle von Schweinen wurden zylindrische 8 mm große osteochondrale Explantate (OCE) isoliert. Es wurden Knorpel-Knochendefekte und reine Knorpeldefekte kreiert und mit autologen Schweine-Chondrozyten (CZ) bzw. einer Mischung aus CZ und mesenchymalen Stammzellen (MSC) gefüllt, die in Kollagen Typ I Hydrogel eingebettet waren. Nach vierwöchiger Kultivierung wurden die Proben histologisch und immunhistochemisch gefärbt (Safranin-O-Färbung, Kollagen Typ II, Aggrekan), die Zellvitalität (Lebend-Tot-Färbung) überprüft und die extrazelluläre Matrixproduktion analysiert. Nach vierwöchiger Kultur im EVTS in Normoxie und Hypoxie zeigten sich die in Kollagen-I-Hydrogel eingebetteten Zellen lebensfähig. Die Auswertung der verschiedenen Ansätze erfolgte über den standardisierten ICRS-II-Score der International Cartilage Repair Society (ICRS) mit drei unabhängigen Bewertern. Insgesamt resultierten bessere Ergebnisse im Hinblick auf die Matrixsynthese in den Monokulturen aus CZ im Vergleich zu den Co-Kulturen aus CZ und MSCs. Da dieser Unterschied nicht groß war, könnten MSCs zur Einsparung autologer CZ eine Alternative in der Behandlung von Knorpeldefekten darstellen. Hypoxie spielte eine Rolle bei reinen Knorpeldefekten, nicht bei Knorpel-Knochendefekten. Dies bestätigt die Bedeutung des physiologischen hypoxischen Milieus des Gelenkknorpels, das einen niedrigen Sauerstoffgehalt von 2-5
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% aufweist. Die Ergebnisse zeigen, dass die unterschiedlichen Faktoren aus Zellkombination, Knorpeldefektgröße und Kultivierung in Hypoxie oder Normoxie Einfluss auf die Ausbildung der extrazellulären Matrix haben. Weiterhin fehlt jedoch das Verständnis für die genauen Mechanismen des Knorpelregenerationsverhaltens. Ex vivo-Testsysteme können dabei helfen ein weiteres Verständnis zu erlangen und entsprechende Behandlungsstrategien zu evaluieren.
Die WHO-Klassifikation der Hirntumoren von 2016 ebnete den Weg für molekulare Marker und Therapie-Angriffspunkte. Der Transkriptionsfaktor ATF5 könnte ein solcher sein. Er unterdrückt die Differenzierung von neuronalen Vorläuferzellen und wird in Glioblastomen (GBM) überexprimiert. Daten zur ATF5-Expression in WHO Grad II Gliomen (LGG) und GBM-Rezidiven sind nur spärlich vorhanden. Daher untersuchten wir 79 GBM, 40 LGG und 10 Normalhirnproben auf ihre ATF5-mRNA- und Proteinexpression mit quantitativer Echtzeit-PCR bzw. Immunhistochemie und verglichen sie mit multiplen, retrospektiv erhobenen klinischen Charakteristika der Patienten. ATF5 war in LGG und GBM verglichen zum Normalhirn sowohl auf mRNA-, als auch Proteinebene überexprimiert. Obwohl die ATF5-mRNA-Expression im GBM eine erhebliche Fluktuationsrate zeigte, gab es keine signifikanten Expressionsunterschiede zwischen GBM-Gruppen unterschiedlicher biologischer Wachstumsmuster. ATF5-mRNA korrelierte mit dem Alter der Patienten und invers mit der Ki67-Färbung. Kaplan Meier- und Cox-Regressionsanalysen zeigten eine signifikante Korrelation der ATF5-mRNA-Expression mit dem Überleben nach 12 Monaten sowie dem progressionsfreien Überleben. Die Methylierung des Promotors der O6-Methylguanin-DNA-Methyltransferase (MGMT) ist ein etablierter Marker in der Therapie des GBMs. Sie ist mit dem therapeutischen Ansprechen auf Temozolomid und dem Überleben assoziiert. Uns fielen inzidentell Veränderungen der MGMT-Promotormethylierung auf, woraufhin wir den aktuellen Wissensstand mittels einer ausführlichen Literatur-Metaanalyse zusammenfassten. Dabei fanden wir Veränderungen der MGMT-Promotormethylierung bei 115 der 476 Patienten. Wir schlussfolgern, dass die ATF5-mRNA-Expression als prognostischer Faktor für das Überleben der Patienten dienen könnte. Da seine in vitro-Inhibition zu einem selektiven Zelltod von Gliomzellen führte und wir eine Überexpression in glialen Tumoren nachweisen konnten, zeigt ATF5 Potential als ubiquitäres Therapieziel in Gliomen. Zum aktuellen Zeitpunkt ergibt sich keine klare Indikation, den klinischen Standard der MGMT-Teststrategie zu verändern. Trotzdem könnte eine erneute Testung der MGMT-Promotormethylierung für zukünftige Therapieentscheidungen sinnvoll sein und wir regen an, dass dieses Thema in klinischen Studien weiter untersucht wird.
Pyrrolizidinalkaloide (PA) sind sekundäre Pflanzenstoffe, welche über Nahrungsmittel in den menschlichen Organismus gelangen können. Zahlreiche Studien belegen, dass PA in der Leber verstoffwechselt und dabei in aktive genotoxische Metabolite umgewandelt werden. Diese verursachen vor allem in der Leber zelluläre Schäden, was sich klinisch in Form einer hepatischen venösen okklusiven Leberkrankheit, aber auch in der Entstehung von Tumoren zeigt. Die vorliegende Arbeit testet das genotoxische Potential der drei PA Lasiocarpin, Senecionin und Seneciphyllin anhand der Leberzelllinie Huh6 mit Hilfe des Mikrokerntests. Darüber hinaus wird die Wirkung von Lasiocarpin auf den intrazellulären Glutathion-Gehalt, die Superoxidproduktion und das mitochondriale Membranpotential analysiert. Zudem werden sowohl der eventuell negative Einfluss einer Glutathion Depletion, als auch die möglicherweise schützenden Effekte des pflanzlichen Antioxidans Delphinidin in Bezug auf die Genotoxizität von Lasiocarpin untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass alle drei ausgewählten PA einen signifikanten Anstieg der Mikrokernfrequenz bewirken.Unsere Messungen zeigten für Lasiocarpin eine dezente Reduktion des Glutathion Gehalts. Dagegen führte eine Glutathion-Depletion in den Huh6 Zellen zu keiner Steigerung der Genotoxizität von Lasiocarpin. In Kombination mit dem Antioxidans Delphinidin zeigte sich für Lasiocarpin eine signifikante Reduktion der Mikrokernfrequenz. Abschließend ist anzumerken, dass in Zukunft vor allem die Wechselwirkung der PA untereinander und mit anderen (Pflanzen-)bestandteilen für eine verbesserte Risikoabschätzung der PA-Exposition untersucht werden sollte.
CD84 ist ein Transmembran-Glykoprotein vom Typ 1, welches ein Mitglied der Familie der SLAM 5 ist. Es ist ein homophiles Adhäsionsmolekül, das von unterschiedlichen Immunzellpopulationen exprimiert wird, einschließlich Monozyten, Makrophagen, Granulozyten, T-Zellen, dendritischen Zellen und Mastzellen, die im Zusammenhang mit der Entstehung der Atherosklerose stehen.
Um die funktionelle Bedeutung von CD84 in der Pathogenese der Atherosklerose bestimmen zu können, wurden CD84-/- Mäuse mit ApoE-/- Mäusen gekreuzt, um Tiere zu erhalten, die CD84-defizient und anfällig für Atherosklerose waren.
Die Bedeutung dieses Moleküls für die Atherogenese sowie für die Adhäsion, Transmigration, Immunzellrekrutierung allgemein und Integrinexpression und -aktivierung wurde im Mausmodell in vivo und in vitro untersucht.
Nach acht und 16 Wochen pro-atherogener, fettreicher Western-Type Diät waren die Ausprägung der atherosklerotischen Läsionen in der Aortenwurzel, sowie deren Gehalt an Makrophagen in den ApoE-/-.CD84-/- Tieren im Vergleich zu den ApoE-/- Kontrolltieren signifikant vermindert.
Weiter zeigten die Ergebnisse, dass die Viabilität von Makrophagen, denen CD84 fehlte, in vitro nicht verändert war.
Der Einfluss von CD84 auf die akute Immunzellrekrutierung wurde mittels verschiedener in vivo und in vitro Experimente untersucht. Eine verminderte Rekrutierung von CD84-/- proinflammatorischer Ly6Chigh Monozyten konnte in vivo im Rahmen des Hintergliedmaßen-Ischämiemodells festgestellt werden, nicht hingegen im Air pouch-Modell.
Es konnte weiterhin weder eine Veränderung der Adhäsion und chemotaktischen Transmigration von Monozyten in vitro noch der Immunzellrekrutierung in atherosklerotische Läsionen in Ldlr-/- Mäusen in vivo bei Abwesenheit von CD84 festgestellt werden.
Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass CD84 zwar keine Bedeutung für die Integri-nexpression auf Monozyten hat, jedoch für die adäquate Aktivierung von LFA-1 auf T-Zellen.
Diese Arbeit trägt summa summarum zum verbesserten Verständnis des Prozesses der Atherogenese sowie der funktionellen Bedeutung von CD84 innerhalb dieses Prozesses sowie im Rahmen der Immunzellrekrutierung und Integrinaktivierung bei.
Diese Erkenntnisse könnten in Zukunft dabei helfen, durch die Entwicklung neuer phar-makologischer Therapieansätze, spezifischer in von CD84 mitregulierte inflammatorische Prozesse, wie die Atherosklerose, einzugreifen.
Dies könnte im Zusammenspiel mit Forschungsarbeiten gelingen, die weitere präzise Erkenntnisse zu spezifischen funktionellen Eigenschaften von CD84 hinsichtlich der Im-munzellrekrutierung und Integrinaktivierung liefern.
Differenzierte β-Arrestin2 Rekrutierung am μ-Opioid Rezeptor durch klinisch eingesetzte Opioide
(2021)
Opioide gehören zu den potentesten Analgetika für die Behandlung akuter und chronischer Schmerzen, werden jedoch in ihrer Anwendung durch analgetische Toleranz aber auch Nebenwirkungen wie Abhängigkeit, Atemdepression und Obstipation limitiert. Opioid-Analgetika vermitteln dabei nahezu alle klinisch relevanten Wirkungen durch Stimulation des μ-Opioidrezeptors, einem G- Protein-gekoppelten Rezeptor. Die „klassische“ Signaltransduktion durch Aktivierung inhibitorischer Gi/0-Proteine kann durch G-Protein gekoppelte Rezeptorkinasen (GRKs) und β-Arrestine negativ reguliert werden. Zusätzlich können durch β-Arrestin-Bindung an den Rezeptor G-Protein-unabhängige Signalwege aktiviert werden. Die genauen Mechanismen wie β-Arrestin- assoziierte Rezeptordesensibilisierung, -internalisierung und G-Protein- unabhängige Signalwege an der physiologischen Antwort und insbesondere an Toleranzentwicklung und Abhängigkeit von Opioid-Analgetika beteiligt sind, können bislang nicht ausreichend erklärt werden.
In dieser Arbeit konnte in HEK293-Zellen mit Lebendzell-Konfokalmikroskopie und Luciferase-Komplementierung für 17 Opioide eine differenzierte β-Arrestin2- Rekrutierung zum μ-Opioidrezeptor gezeigt werden. Von den untersuchten Opioiden sind 13 häufig eingesetzte Opioid-Analgetika. Durch die Erstellung detaillierter pharmakologischer Profile ließen sich die Opioide bezüglich ihres β- Arrestin2-Rekrutierungsvermögens in Voll-, Partial und Antagonisten eingruppieren. Bemerkenswert war die fehlende β-Arrestin2-Rekrutierung für Buprenorphin, Tramadol und Tilidin, sodass diese interessante Substanzen für weitere Untersuchungen in physiologischerem Kontext sind. Durch Überexpression von GRK2 konnte die β-Arrestin2-Rekrutierung insbesondere für Partialagonisten gesteigert werden, was die Abhängigkeit der β-Arrestin- Rekrutierung vom GRK-Expressionslevel, das in verschiedenen Assays und Gewebetypen variieren kann, zeigt. Außerdem konnte ein heterogenes Bild der Rezeptorregulierung demonstriert werden, welches indirekt durch Endozytosehemmung unter Verwendung von Dynamin-Inhibitoren erfasst wurde. Die erhobenen Daten dienen als Anknüpfungspunkt für weiteren Arbeiten auf dem Gebiet der μ-Opioidrezeptorregulation. Ein besseres Verständnis der molekularen Mechanismen ist nötig, um sichere und nebenwirkungsärmere Opioid-Analgetika entwickeln zu können.
Die Entwicklung des Schädeldachs beginnt beim Menschen bereits in der frühen Embryogenese und ist erst im Erwachsenenalter abgeschlossen. Das Wachstum der Schädelknochen muss sich während der Entwicklung fortwährend dem Gehirnwachstum anpassen. An den Stellen, wo zwei Schädelknochen aufeinandertreffen, formen sich Schädelnähte, die aus mesenchymalem Bindegewebe bestehen und als Wachstumsfugen des Schädels dienen. Tritt eine frühzeitige Verknöcherung innerhalb einer oder mehrerer Schädelnähte auf, spricht man von einer Kraniosynostose. Als Konsequenz wird ein weiteres Knochenwachstum verhindert, sodass sich das Neurokranium in dieser Region nicht dem expansiven Wachstum des Gehirns anpassen kann. Dies geht in der Regel mit einem kompensatorischen Wachstum des Schädels und infolgedessen mit kraniofazialen Dysmorphien und einem erhöhten intrakraniellen Druck einher. Klinische Studien und Forschungen an Modellorganismen konnten bereits eine Vielzahl an Genen mit der Entstehung von Kraniosynostosen assoziieren, darunter die Transkriptionsfaktoren TCF12 und TWIST1. Beim Menschen sind heterozygote Mutationen in TCF12 und TWIST1 mit Kraniosynostosen der Koronarnaht assoziiert. Bei Mäusen hingegen führt eine heterozygote Tcf12 Mutation nur in Kombination mit einer heterozygoten Twist1 Mutation zu Fusionen der Koronarnaht.
Der Zebrabärbling (Danio rerio, überwiegend auch Zebrafisch genannt) weist eine bemerkenswerte Ähnlichkeit bezüglich der Anatomie und Morphologie des Schädeldachs zum Menschen auf. Um die genaue Funktion von TCF12 bei der Ausbildung der Schädelnähte zu untersuchen, wurde im Rahmen dieser Arbeit der Zebrafisch als in vivo Modell für die Entstehung tcf12-induzierter Kraniosynostosen etabliert. Zu Beginn der Arbeit wurde das Expressionsmuster von tcf12 über die Entwicklung hinweg analysiert. Ein besonderer Fokus lag dabei auf einem Expressionsnachweis während der Entwicklung der Schädelplatten und der Schädelnähte. Ein erster Expressionsnachweis von tcf12 mittels PCR-Analysen und Whole-mount RNA in-situ Hybridisierungen zeigte eine breite Expression von tcf12 ab dem 1-3 Somiten Stadium an. Für tiefergehende in vivo Analysen wurden im Zuge dieser Arbeit tcf12:EGFP Reportergenlinien generiert. Mit diesen gelang ein Nachweis der tcf12 Expression entlang der Wachstumsfronten der Schädelplatten, innerhalb der Schädelnähte sowie im Periost und der Dura mater.
Mit den tcf12:EGFP Fischen als Referenz wurde in weiterführenden Experimenten die Aktivität drei hochkonservierter CNEs (engl. conserved non-coding elements) in vivo im Zebrafisch untersucht. Zwei der CNEs konnten als tcf12 Enhancer verifiziert werden, die eine Genexpression während der Neurogenese des zentralen Nervensystems (ZNS) steuern. Die beiden Enhancer-Elemente zeichnen sich durch eine hohe Konservierung vom Menschen bis hin zum Zebrafisch aus.
Aufgrund der unterschiedlichen Sensitivität gegenüber einem Funktionsverlust von TCF12 und TWIST1 in Mensch und Maus sollte die Auswirkung eines Knockouts der orthologen Gene auf die Entwicklung der Schädelnähte des Zebrafisches untersucht werden. Mittels CRISPR/Cas9 wurden verschiedene Knockout-Linien für die Gene tcf12, twist1a und twist1b generiert. Analysen der Knockoutmutanten zeigten, dass ein heterozygoter Verlust von tcf12 und twist1b in seltenen Fällen zu partiellen Fusionen der Koronarnähte im Zebrafisch führt. Des Weiteren konnte bei tcf12 und twist1b Einzel- und Doppelmutanten ein abnormes Wachstum der Schädelplatten im Bereich der Suturen beobachtet werden. Die Expressionsstudien und die Analysen der Knockoutmutanten deuten auf eine Regulation von TCF12 bei der Differenzierung der Stammzellen sowie der Proliferation der Osteoblasten innerhalb der Schädelnähte hin.
Um die Auswirkung von TCF12 Mutationen auf funktioneller Ebene zu untersuchen wurden im Verlauf dieser Arbeit Luciferase-Reporter Assays durchgeführt. Anhand dieser konnte nachgewiesen werden, dass Mutationen, die die basic helix-loop-helix (bHLH)-Domäne beeinträchtigen, die Transaktivierungsfähigkeit von TCF12 aufheben. Co-Transfektions-Experimente mit TWIST1 offenbarten eine Regulation der Transaktivierung von TCF12 durch TWIST1, sowohl im Menschen, als auch im Zebrafisch. Im Rahmen dieser Arbeit konnten die genauen Expressionsorte von TCF12 während der Morphogenese des Schädeldachs nachgwiesen und die Funktion von TCF12 und seinem Interaktionspartner TWIST1 bei der Entstehung von Kraniosynostosen weiter aufgeklärt werden.
Schicksal von Mikrokernen bzw. mikrokernhaltigen Zellen und Bedeutung von Mikrokernen als Biomarker
(2021)
Mikrokerne sind als wichtiger Biomarker in der Gentoxizitätsforschung seit langer Zeit etabliert und ihre Bildung ist mechanistisch gut verstanden, wohingegen das Mikrokernschicksal und die genaue Funktion von Mikrokernen in der Kanzerogenese unzureichend erforscht sind. Um das Schicksal von Mikrokernen und mikrokernhaltigen Zellen über einen längeren Zeitraum zu untersuchen, wurden HeLa-Zellen, die mit einem GFP-markierten Histon H2B transfiziert worden sind, mittels Lebendzellmikroskopie nach Behandlung mit verschiedenen gentoxischen Agenzien für 96 h untersucht. Parameter wie die Mitose- oder Zelltodrate wurden dabei ebenso wie das Schicksal der Mikrokerne dokumentiert. Während Persistenz und Reinkorporation von Mikrokernen häufig beobachtet wurden, waren Degradation und Auswurf von Mikrokernen selten bis gar nicht zu sehen. Auch konnte ein Teil der mikrokernhaltigen Zellen über mehrere Zellteilungen persistieren und proliferieren, wodurch die in Mikrokernen manifestierte chromosomale Instabilität unverändert bleiben kann. Ein eindeutiger Substanzeinfluss auf das Mikrokernschicksal konnte nicht ausgemacht werden. Extrusion sollte weiterhin durch Behandlung mit Hydroxyurea oder Cytochalasin B in Kombination mit gentoxischer Behandlung induziert werden, es wurde jedoch kein Effekt auf die Extrusionsrate beobachtet. Degradation wurde mittels γH2AX-Antikörperfärbung und transduziertem dsRed-markierten Autophagiemarker LC3B in HeLa-H2B-GFP-Zellen untersucht. Trotz erhöhter DNA-Degradation in Mikrokernen wurde nur selten eine Ko-Lokalisierung mit LC3B beobachtet. Dafür gab es in HeLa-H2B-GFP-Zellen, die zusätzlich mit dsRed markierten Kernmembranmarker Lamin B1 transduziert worden sind, Anzeichen für eine eingeschränkte Mikrokernmembranintegrität. Weiterhin wurden Zytokinese-Block Mikrokerntests nach Behandlung mit Thebain mit und ohne metabolische Aktivierung sowie Celecoxib und Celecoxibderivaten durchgeführt. Hierbei wurde nach Thebainbehandlung nur ohne metabolische Aktivierung und bei Anwesenheit von Zytotoxizität mehr Mikrokerne gefunden, während nach Behandlung mit Celecoxib und Celecoxibderivaten kein Anstieg beobachtet wurde. Zusätzlich wurde der Einfluss durch neurodegenerative Veränderungen auf Mundschleimhautzellen in zwei großen Kohorten untersucht, wobei keine Effekte auf die Häufigkeit von Mikrokernen oder mikrokernhaltigen Zellen zugeordnet werden konnten, während es teilweise bei Parametern, die auf Zytotoxizität hindeuten, zu Veränderungen kam. Es konnte insgesamt gezeigt werden, dass Mikrokerne und mikrokernhaltige Zellen zusätzlich zu ihrer Funktion als Biomarker über wenigstens mehrere Zellteilungen bestehen bleiben können. Auf diese Weise können sie z. B. über Chromothripsis zu einer beschleunigten Kanzerogenese führen, was zu einer schlechten Prognose für Krebspatienten führen kann.
Angsterkrankungen gehören zu den am weitesten verbreiteten psychischen Erkrankungen und stellen eine beträchtliche soziale und wirtschaftliche Herausforderung für unsere Gesellschaft dar. Aversive frühe Erfahrungen sind ein bekannter Risikofaktor für die Entwicklung verschiedener psychischer Erkrankungen, insbesondere Angststörungen. Während der frühen Entwicklung findet die Programmierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden- (HHN)-Achse, die die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol in Menschen bzw. Corticosteron in Mäusen steuert, statt. Wenn Individuen in dieser kritischen Phase Stress ausgesetzt sind, wird die regelrechte Ausbildung der HHN-Achse gestört, was zu dysregulierten Verhaltensantworten auf Stressreize im späteren Leben führen kann. Das Serotonin (5-HT)-System als eines der ausgedehntesten Neurotransmittersysteme ist an der Vermittlung der Effekte von früher Stressexposition auf angstähnliche Verhaltensweisen beteiligt.
Das Ziel dieser Studie ist es, die Interaktion zwischen genetischer Prädisposition und negativen Einflüssen in frühen Entwicklungsstadien auf die Ausbildung von Angstverhalten im Erwachsenenalter näher zu beleuchten.
In dieser Studie wurden Tryptophanhydroxylase 2 (Tph2)-defiziente weibliche Mäuse als Modell für ein lebenslanges konstitutives 5-HT Synthesedefizit im zentralen Nervensystem verwendet. Nachkommen dieser Mauslinie wurden im frühen Lebensalter Maternaler Separation (MS), d.h. einem mütterlichen Trennungsparadigma, unterzogen und im Erwachsenenalter im „Open field“ (OF) oder in der „Dark-light box“ (DLB) getestet. Im Anschluss an die Verhaltensexperimente wurde die neuronale Aktivierung immunhistochemisch durch Darstellung des frühzeitig auftretenden Genprodukts c-Fos bestimmt.
In der DLB zeigten homozygot Tph2-defiziente Mäuse eine verringerte motorische Aktivität im hellen Kompartiment, und dieser Effekt konnte durch MS normalisiert werden. Zusätzlich verstärkte MS bei diesem Genotyp das Auftreten von fluchtartigen Sprüngen. Im OF hat MS fluchtartige Verhaltensweisen in homo- und heterozygoten Tph2-defizienten Mäusen befördert.
Beide Verhaltenstests führten zu spezifischen neuronalen Aktivierungsmustern, die mithilfe von c-Fos- Immunhistochemie ausgewertet wurden. Die Durchführung des DLB-Tests führte in Abhängigkeit vom Vorhandensein von Tph2 zur Aktivierung des paraventrikulären Kerns des Hypothalamus (PVN) und der basolateralen Amygdala (BL), wohingegen die Exposition gegenüber dem OF-Test zu einer Aktivierung der lateralen Amygdala (La) in Tieren, die einem mütterlichen Trennungsparadigma unterzogen wurden, sowie einer Aktivierung des ventrolateralen (VLPAG) und dorsolateralen (DLPAG) periaquäduktalen Höhlengraus in Abhängigkeit von Tph2 und MS führte.
Zusammenfassend weisen die Ergebnisse dieser Studie darauf hin, dass MS aktive Verhaltensantworten auf aversive Reize in Abhängigkeit vom Vorhandensein von 5-HT im Gehirn fördert. Diese Effekte könnten durch die spezifische Aktivierung von mit Angstverhalten in Zusammenhang stehenden Gehirnregionen während der Verhaltensexperimente vermittelt werden.
Die AAA+ ATPase p97 ist ein essenzielles Protein, das an einer Vielzahl zellulärer Prozesse beteiligt ist und eine Schlüsselrolle in der Protein-Homöostase spielt. Die funktionale Diversität von p97 beruht auf der Interaktion zahlreicher unterschiedlicher Kofaktoren, die vorwiegend an die N-Domäne von p97 binden. Aufgrund seiner Bedeutung in der Regulierung diverser physiologischer und pathologischer Prozesse stellt p97 eine interessante Zielstruktur für die Entwicklung neuer Wirkstoffe dar, die insbesondere in der Krebstherapie von Bedeutung sein könnte. Bekannte p97-Inhibitoren greifen vor allem die ATPase-Funktion des Proteins an. Ein neuer pharmakologischer Ansatz stellt die Inhibierung der Kofaktorbindung an die N-Domäne dar. Ein solcher Protein-Protein-Interaktionsinhibitor wäre nicht nur von therapeutischem Interesse, sondern hätte auch einen besonderen Nutzen für die Entschlüsselung molekularer und zellulärer Funktionen von p97-Kofaktoren. In dieser Arbeit wurde ein fragmentbasierter Ansatz für die Identifizierung von chemischen Startstrukturen für die Entwicklung eines Protein-Protein- Interaktionsinhibitors verfolgt. Als Zielstruktur wurde die SHP-Bindestelle in der N-Domäne gewählt. Die Identifizierung von Liganden erfolgte sowohl durch computergestützte Methoden (insbesondere virtuelles Screening und Molekulardynamik-Simulationen) als auch experimentell durch biophysikalische Techniken (wie Biolayer-Interferometrie, Röntgenstrukturanalyse und ligandbasierte NMR-Techniken). Die Grundlage des computerbasierten Designs stellte eine Analyse der bekannten Kristallstrukturen der p97-Komplexe mit den SHP-Motiven der Kofaktoren UFD1 und Derlin-1 dar. Darüber hinaus dienten Molekulardynamik-Simulationen der Analyse der Wassereigenschaften innerhalb der SHP-Bindestelle. Darauf aufbauend wurden verschiedene Pharmakophormodelle entwickelt, die die Grundlage des im Anschluss durchgeführten virtuellen Screenings und Dockings bildeten. Anhand der Ergebnisse von Molekulardynamik-Simulationen wurden zehn Verbindungen für die experimentelle Validierung ausgewählt. Hiervon konnten zwei Fragmente in STD-NMR- und Biolayer-Interferometrie-Experimenten als Liganden bestätigt werden. In einem parallel durchgeführten biophysikalischen Fragmentscreening mittels Biolayer-Interferometrie wurden unter mehr als 650 Verbindungen 22 identifiziert, die an die N-Domäne binden. 15 dieser Fragmente wurden durch einen orthogonalen STD-NMR-Assay bestätigt. Fünf dieser Verbindungen zeigten Affinitäten mit KD-Werten kleiner 500μMund günstigen Ligandeffizienzen. Des Weiteren konnte die Bindungskinetik und Affinität des in der Literatur als p97-Inhibitor berichteten Naturstoffes Xanthohumol bestimmt und eine Bindung an die N-Domäne bestätigt werden. Zur Identifizierung möglicher Bindestellen dieser fünf Fragmente wurden mixed-solvent Molekulardynamik-Simulationen durchgeführt. Diese ergaben, dass alle Verbindungen die SHP-Bindestelle in der N-Domäne adressieren. Die Regionen fielen mit hot spots der Kofaktorwechselwirkungen zusammen und stellen somit mögliche Ankerpunkte für die Weiterentwicklung dar. Für zwei Fragmente konnten die postulierten Bindestellen mittels Röntgenstrukturanalyse bzw. STD-NMR-Messungen an p97-Alanin-Mutanten bestätigt werden. Die erhaltene Röntgenstruktur ist die erste p97-Struktur, die ein gebundenes Fragment an der N-Domäne zeigt.
Cyclisches Adenosinmonophosphat ist ein ubiquitärer zweiter Botenstoff zahlreicher Signalwege im menschlichen Körper. Auf eine Vielzahl verschiedenster extrazellulärer Signale folgt jedoch eine Erhöhung desselben intrazellulären Botenstoffs - cAMP. Nichtsdestotrotz schafft es die Zelle, Signalspezifität aufrecht zu erhalten. Ein anerkanntes, wenn auch bisher unverstandenes Modell, um dieses zu ermöglichen, ist das Prinzip der Kompartimentierung. Die Zelle besitzt demnach Areale verschieden hoher cAMP-Konzentrationen, welche lokal begrenzt einzelne Signalkaskaden beeinflussen und somit eine differenzierte Signalübertragung ermöglichen. Eine mögliche Ursache für die Ausbildung solcher Bereiche geringerer cAMP- Konzentrationen (hier als Domänen bezeichnet), ist die hydrolytische Aktivität von Phosphodiesterasen (PDEs), welche als einzige Enzyme die Fähigkeiten besitzen, cAMP zu degradieren.
In dieser Arbeit wird der Einfluss der cAMP-Hydrolyse verschiedener PDEs auf die Größe dieser Domänen evaluiert und mit denen der PDE4A1 verglichen, welche bereits durch unsere Arbeitsgruppe aufgrund ihrer Größe als Nanodomänen definiert wurden. Der Fokus wird dabei auf den Einfluss von kinetischen Eigenschaften der Phosphodiesterasen gelegt. So werden eine PDE mit hoher Umsatzgeschwindigkeit (PDE2A3) und eine PDE mit hoher Substrataffinität (PDE8A1) verglichen. Mithilfe sogenannter Linker, Abstandshaltern definierter Länge, werden zusätzlich die Nanodomänen ausgemessen, um einen direkten Zusammenhang zwischen Größe und kinetischer Eigenschaft anzugeben. Die Zusammenschau der Ergebnisse zeigt, dass die maximale Umsatzgeschwindigkeit der Phosphodiesterasen direkt mit der Größe der Nanodomänen korreliert.
Durch den unmittelbaren Vergleich der gesamten PDE mit ihrer katalytischen Domäne wird zusätzlich der Einfluss von regulatorischen Domänen evaluiert. Es wird gezeigt, dass diese cAMP-Gradienten modulieren können. Bei der PDE2A3 geschieht die Modulation u.a. durch Stimulation mit cGMP, welche höchstwahrscheinlich dosisabhängig ist und somit graduell verläuft. Hiermit präsentieren sich die Domänen als dynamische Bereiche, d.h. sie können in ihrer Ausprägung reguliert werden. In dieser Arbeit wird die Hypothese bestätigt, dass Phosphodiesterasen eine wichtige Rolle in der Kompartimentierung von cAMP spielen, die Gruppe jedoch inhomogener ist, als bislang angenommen. Die Gradienten-Bildung lässt sich nicht bei jeder Phosphodiesterase darstellen (PDE8A1). Einige Phosphodiesterasen (PDE2A3) jedoch bilden Kompartimente, die durch externe Stimuli in ihrer Größe reguliert werden können.
Die Arbeit legt den Grundstein zur breiteren Charakterisierung des spezifischen Einflusses weiterer PDEs auf cAMP-Kompartimentierung, welches nicht nur das Verständnis der Kompartimentierungs-Strategien voranbringt, sondern auch essentiell für das Verständnis der Pathophysiologie zahlreicher Krankheitsbilder, aber auch für das Verständnis bereits angewandter aber auch potentiell neuer Medikamente ist.
Zielsetzung
Die Entwicklung von Präventionsstrategien zur Senkung der Morbidität und Mortalität aufgrund von kardiovaskulären Erkrankungen (KVE) in der Bevölkerung stellt eine Hauptaufgabe der Epidemiologie und Public Health Forschung dar.
In den vergangenen 20 Jahren rückte die Hochrisikoprävention im Zuge der Weiterentwicklung der Scoringsysteme für das KVE Hochrisiko-Screening in den Fokus der Leitlinien zur KVE Prävention.
Jedoch sind die größten Erfolge aus einer komplementären Strategie aus Hochrisiko- und Populationsprävention mit Priorität auf der Reduktion der Exposition von Risikofaktoren für KVE in der gesamten Population zu erwarten.
Die Grundvoraussetzung für die Entwicklung effizienter, populationsweiter Präventionsprogramme ist das Verständnis einerseits der Rolle von Risikofaktoren bei der Krankheitsentstehung und andererseits der Bedeutung der Risikofaktoren auf Populationsebene.
Der Populations-assoziierte Risikoanteil (PAF) ist das bevorzugte statistische Maß zur Quantifizierung des Effekts von Risikofaktoren auf Populationsebene, da er neben der Effektstärke eines Risikofaktors auch dessen Prävalenz berücksichtigt.
In der Praxis erfolgt die Berechnung des PAF in multifaktoriellen Situationen mithilfe von Adjustierungsansätzen oder Partialisierungsansätzen.
Partialisierungsansätze, zu denen auch der gemittelt sequenzielle PAF (gsPAF) gehört, erfüllen die Additivitätseigenschaft.
Insbesondere der gsPAF kommt daher in der praktischen Anwendung zunehmend häufiger zum Einsatz.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Charakterisierung des gsPAF am Beispiel der Epidemiologie von KVE.
Methoden
In Projekt 1 erfolgt die theoretische Abgrenzung des gsPAF von anderen Adjustierungs- und Partialisierungsverfahren in Bezug auf Intention, Definition, Modellvoraussetzungen und -annahmen und Interpretation. Diese verschiedenen Konzepte werden in einer einheitlichen mathematischen Symbolik dargestellt, um das Verständnis zu erleichtern und Abweichungen in den Definitionen hervorzuheben. Anschließend wird in Projekt 2 der praktische Vergleich von modellbasierten Punktschätzern vorgenommen. Im Rahmen der Sekundäranalyse der ProsCIS-Studie über den Populationseinfluss von Risikofaktoren auf schlechtes Outcome nach Schlaganfall werden dem gsPAF ein additiver und ein multiplikativer Adjustierungsansatz gegenübergestellt und die Schätzergebnisse hinsichtlich Übereinstimmung der Größenordnung und Rangfolgen analysiert. In Projekt 3 werden im Rahmen einer Simulationsstudie nach dem proof-of-concept-Prinzip die asymptotischen Eigenschaften existierender modellfreier und modellbasierter Schätzer des gsPAF in Verbindung mit resamplingbasierten Konfidenzschätzern in einer Situation mit einem binären Outcome und drei binären Risikofaktoren unter insgesamt 296 Modellsituationen charakterisiert. Dabei wird die Abhängigkeit von der Stichprobengröße, der Prävalenz des Outcomes, der Prävalenz und Effektstärke der Risikofaktoren, der stochastischen Abhängigkeit der Risikofaktoren und ihrer Effekte auf das Outcome, der Vollständigkeit des statistischen Modells sowie des Outcome-Mechanismus untersucht. Abschließend erfolgt in Projekt 4 die Demonstration der gsPAF-Schätzung exemplarisch im Rahmen der Sekundäranalyse des deutschen Arms der EUROASPIRE IV-Studie. Hier wird der Einfluss von Baselinefaktoren auf das Auftreten rekurrenter kardiovaskulärer Ereignisse nach erstmaliger Hospitalisierung auf Populationsebene modelliert. Die Ergebnisse werden anschließend einer umfassenden Methodenkritik unterzogen. Dazu wird die Modellanpassung der Regressionsmodelle überprüft, die Performanz der gsPAF-Schätzung mit Hilfe der zuvor entwickelten Simulationsstudie evaluiert, eine exemplarische Stichprobenumfangsplanung durchgeführt sowie die Angemessenheit der Modellannahmen des gsPAF diskutiert.
Ergebnisse
%Die Möglichkeiten der statistischen Modellierung von PAF sind nahezu unbegrenzt.
Projekt 1: Adjustierungs- und Partialisierungsmethoden beantworten verschiedene Fragestellungen. Dies resultiert aus dem unterschiedlichen Umgang beider Methoden mit Subgruppen, die bezüglich mehrerer Risikofaktoren gleichzeitig exponiert sind, und führt infolgedessen auch zu unterschiedlichen Interpretationen. Der PAF beschreibt den Anteil an der Ereigniswahrscheinlichkeit, der mit dem Vorliegen eines Risikofaktors assoziiert ist. Für den gsPAF muss zusätzlich betont werden, dass der Effekt in Subgruppen mit mehreren Risikofaktoren auf additive Weise zerlegt und der Anteil des Zusammenwirkens der beteiligten Risikofaktoren (Surplus) zu gleichen Anteilen den Risikofaktoren zugewiesen wird.
Dahinter steckt die Annahme, dass dieser Teil nur durch das Zusammenwirken überhaupt entstehen konnte, wofür beide Risikofaktoren gleichermaßen verantwortlich gemacht werden. Im Gegensatz zu Adjustierungsmethoden erfüllen Partialisierungsmethoden zwar die Additivitätseigenschaft, gehen jedoch gleichzeitig mit spezifischen Modellannahmen einher, die Kenntnisse über die kausalen Verläufe der Risikofaktoren voraussetzen. Im Falle des gsPAF ist dies die Annahme, dass unter den betrachteten Risikofaktoren keine hierarchischen Abhängigkeiten herrschen.
Die theoretische Basis des gsPAF ist derzeit nur für dichotome Outcomes umfangreich erarbeitet und deckt hier alle Ansprüche für den Praxiseinsatz ab: Modellfreie und modellbasierte Punktschätzer, zugehörige Varianzschätzer mit und ohne Berücksichtigung von Störgrößen und Konfidenzschätzer stehen zur Verfügung. Mathematische Eigenschaften wie Symmetrie, Dummyeigenschaft, Additivität und (internen) marginalen Rationalität des gsPAF und anderer Partialisierungsansätze wurden erörtert. Die verfügbare Software stellt derzeit nur Ausschnitte des Methodenspektrums zur Schätzung des gsPAF bereit und ist deshalb für den Einsatz in der empirischen Forschung zu KVE nur begrenzt nützlich. Eine erfolgreiche und effiziente Recherche zum gsPAF wird durch die uneinheitliche Verwendung der Fachtermini ''partieller'' und ''gemittelt sequenzieller'' PAF erschwert.
Projekt 2: Der Vergleich von Ergebnissen aus einem Adjustierungsansatz mit Ergebnissen aus einem Partialisierungsansatz ist über den kombinierten PAF möglich, da der unterschiedliche Umgang mit Subgruppen, die bezüglich mehrerer Risikofaktoren gleichzeitig exponiert sind, nicht zum Tragen kommt, solange nur der kombinierte Risikofaktor im statistischen Modell berücksichtigt wird. Anhand des Datenbeispiels der ProsCIS-Studie wurde für diesen Parameter keine Abweichung der Ergebnisse des multiplikativen Ansatzes (Faktor 1,0) und nur eine geringe Abweichung des additiven Ansatzes (Faktor 1,1) vom gsPAF beobachtet. Die Größenordnungen der Schätzwerte einzelner Risikofaktoren sowie deren Summe sind zwischen Adjustierungs- und Partialisierungsmethoden nicht vergleichbar. Die Ergebnisse aus dem multiplikativen Regressionsmodell weichen bis zu einem Faktor von 1,3 von den Schätzwerten des gsPAF ab. Die Abweichungen aus dem additiven Regressionsmodell gehen deutlich darüber hinaus. Der gsPAF liefert nahezu additive Schätzergebnisse, während die Summe der risikofaktorspezifischen Schätzwerte aus den beiden Adjustierungsmethoden den kombinierten PAF übersteigt. Im Gegensatz zu vorangegangenen Studien wird die Rangfolge der Risikofaktoren im Datenbeispiel nicht wesentlich von der Schätzmethode beeinflusst.
Projekt 3: Die Simulationsstudie charakterisiert die modellfreien und modellbasierten Punktschätzer des gsPAF und belegt deren Konsistenz und (asymptotische) Erwartungstreue, sofern das statistische Modell korrekt spezifiziert ist. Es zeigt sich, dass in kleinen Stichproben oder bei kleinen Ereigniswahrscheinlichkeiten der modellbasierte Schätzer erwartungstreu und damit dem modellfreien Schätzer überlegen ist. Die Berechnungszeit des modellbasierten Schätzers steigt jedoch superlinear mit steigender Stichprobengröße und mit steigender Anzahl von Variablen im Regressionsmodell an. Resamplingbasierte Methoden wie Bootstrap Normal, Perzentil und Jackknife eignen sich für die Schätzung von Konfidenzintervallen des gsPAF. Auch hier ist ein superlinearer Anstieg der Berechnungszeit insbesondere in Verbindung mit dem modellbasierten Schätzer mit steigender Stichprobengröße und mit steigender Anzahl der Risikofaktoren im statistischen Modell zu beobachten.
Biologische Interaktionen von Risikofaktoren im Outcome-Mechanismus verändern die Wahrscheinlichkeit für Ereignisse in Subgruppen mit mehreren Risikofaktoren weg von einem stochastisch unabhängigen und hin zu einem stochastisch abhängigen Szenario. Diese Ereigniswahrscheinlichkeiten werden durch die Anpassung der Parameter im binär-logistischen Regressionsmodell angenähert. Modelle ohne Interaktionsterme repräsentieren aus statistischer Sicht immer einen Outcome-Mechanismus mit stochastischer Abhängigkeit. Interaktionsterme sind nur dann als biologische Interaktionen zu interpretieren, wenn der biologische Outcome-Mechanismus korrekt durch die logistische Regressionsfunktion beschrieben wird. Anderenfalls dienen die Interaktionsterme nur der Modellanpassung und spiegeln nicht die An- oder Abwesenheit biologischer Interaktionen wider. Die Vernachlässigung von relevanten Interaktionstermen führt zu ernstzunehmenden Verzerrungen der Modellparameter und infolgedessen zu stark verzerrten gsPAF-Schätzungen. Dies ist jedoch durch eine gewissenhafte Überprüfung der Modellanpassung während der Auswertung vermeidbar. Grundsätzlich liefert die modellbasierte Schätzung des gsPAF mit allen Interaktionstermen immer unverzerrte Ergebnisse.
Die benötigte Stichprobengröße für eine aussagekräftige Schätzung des gsPAF übersteigt die für relative Maße und steigt mit der Anzahl zu betrachtender Variablen im Modell und mit sinkender Prävalenz des Outcomes an. Während für den PAF steigende Effektgrößen der Risikofaktoren die benötigte Stichprobengröße verkleinern, wurde in der Simulationsstudie ein umgekehrter Zusammenhang für den gsPAF beobachtet.
Projekt 4: Die in den Projekten 1 und 3 gewonnenen Erkenntnisse wurden im Rahmen der Datenanalyse der EUROASPIRE IV-Studie am Praxisbeispiel untersucht und diskutiert. Das Regressionsmodell ohne Interaktionsterme lieferte verzerrte gsPAF-Schätzungen, was durch die Berücksichtigung von Interaktionstermen korrigiert werden konnte. Die resamplingbasierten Konfidenzintervalle überdeckten große Teile des Wertebereiches des gsPAF und liefern somit keine nützlichen Informationen für die epidemiologische Interpretation der Studienergebnisse. Die Validierung der gsPAF-Schätzungen mit Hilfe der Simulationsstudie machte auf die mangelnde Performanz der Punkt- und Konfidenzintervalle aufgrund der verhältnismäßig kleinen Stichprobengröße für die betrachtete Anzahl der Risikofaktoren aufmerksam. Die benötigte Stichprobengröße für eine performante Schätzung des gsPAF in einer Datensituation wie in der EUROASPIRE IV-Studie beobachtet wurde mit Hilfe der Simulationsstudie ermittelt.
Dabei wurde deutlich, dass etwa das Zehnfache der vorliegenden Stichprobengröße benötigt würde, um den modellfreien Schätzer des gsPAF zusammen mit resamplingbasierten Konfidenzintervallen mit einer ausreichenden Performanz schätzen zu können.
Da unter den in EUROASPIRE IV betrachteten Risikofaktoren hierarchische Abhängigkeiten vorliegen könnten, sind die Voraussetzungen für die Schätzung des gsPAF nicht erfüllt. Anstelle des gsPAF könnte im vorliegenden Beispiel ein adjustierter Schätzer zum Einsatz kommen, oder, sofern genügend Informationen über die kausalen Zusammenhänge unter den Risikofaktoren vorliegen, auch sequenzielle oder proportionale Partialisierungsansätze. Die durchgeführte Methodenkritik in Projekt 4 ermöglicht es, weitere Schritte zur Steigerung der Aussagekraft der Studienergebnisse zu unternehmen, beispielsweise durch die Wahl geeigneter statistischer Methoden und die Erhöhung des Stichprobenumfangs.
Schlussfolgerungen
Die Grundvoraussetzungen für die Gewinnung qualitativ hochwertiger Daten sind bekanntermaßen die Wahl eines der Forschungsfrage angemessenen Studiendesigns sowie die sorgfältige Studienplanung. Aufgrund der hohen Anzahl der Risikofaktoren und Störgrößen für kardiovaskuläre Erkrankungen sowie der Komplexität ihrer kausalen Verläufe erfordern Beobachtungsstudien zu KVE große Stichproben, um eine unverzerrte und valide Schätzung der Effekte von Risikofaktoren zu ermöglichen.
Doch die gewonnenen Erkenntnisse eignen sich nur dann für Schlussfolgerungen im epidemiologischen und Public Health Kontext dann, wenn auch die statistische Analyse der Studiendaten mit einer ebenso hohen Qualität erfolgt.
Eine qualitativ hochwertige Datenanalyse zeichnet sich aus durch
(1) die Auswahl der statistischen Methoden passend zur Forschungsfrage,
(2) die Berücksichtigung aktueller methodischer Forschungsergebnisse,
(3) die sorgfältige Überprüfung der Modellannahmen und Modellanpassung,
(4) die Sicherstellung und Überprüfung einer guten Performanz der Punkt- und Konfidenzschätzer und
(5) die realistische Interpretation der Ergebnisse unter Berücksichtigung der Modellvoraussetzungen und -annahmen.
Ein gewissenhafter Umgang mit den statistischen Methoden ist erforderlich, um belastbare Schlussfolgerungen aus Beobachtungsstudien ziehen zu können. Dies gilt insbesondere im Kontext von Sekundärdatenanalysen, die einen beträchtlichen Anteil der Publikationen darstellen. Simulationsstudien sind ein schlagkräftiges Werkzeug für die Validierung der verwendeten statistischen Methoden und ermöglichen die Einschätzung des Informationsgehaltes von Analyseergebnissen. Sie sind ausgesprochen flexibel und lassen sich an beliebige Datensituationen anpassen. Das macht sie zu einem unverzichtbaren Qualitätskriterium für die Publikation empirischer Studien. Jeder Validierungsschritt trägt wesentlich zu einer verbesserten Qualität der Publikationen bei. Damit entsteht eine solide Basis, um die kausalen Verläufe der Risikofaktoren aufzudecken und die Entwicklung von Präventionsprogrammen zur Verbesserung des Gesundheitsstatus in der Population durch Reduktion der Morbidität und Mortalität von KVE voranzubringen.
Depressionen und Angststörungen sind die beiden häufigsten psychischen Erkrankungen. Für Angststörungen wurde in zahlreichen Untersuchungen die Bedeutung veränderter Muster in den basalen emotional-assoziativen Lernprozessen für die Ätiologie und Aufrechterhaltung der Erkrankung gezeigt. Hierzu zählen eine verstärkte Akquisitionsreaktion auf den konditionierten Stimulus, Defizite in der Inhibition der Furchtreaktion auf den Sicherheit signalisierenden Stimulus, Übergeneralisierung und Beeinträchtigungen in der Extinktion konditionierter Reaktionen.
Aufgrund der hohen Prävalenzen einer Komorbidität mit Depressionen rückte in den letzten Jahren zunehmend die Untersuchung der genannten Prozesse bei Depressionen in den Fokus. Hierfür konnten bisher keine einheitlichen Ergebnisse gezeigt werden.
Weiterhin wird der Subtyp der ängstlichen Depression einerseits mit hohen Prävalenzen beschrieben, andererseits zeigen Untersuchungen eine schlechtere Prognose, stärkere Einschränkungen in der Funktionalität und ein schlechteres Ansprechen auf die Therapie im Vergleich zu depressiven Patienten ohne hohes Ängstlichkeitsniveau.
In dieser Arbeit wurden die Akquisition, Generalisierung und Extinktion in einem differentiellen Konditionierungsparadigma bei schwer depressiven ängstlichen und nicht ängstlich-depressiven Patienten sowie einer gesunden Kontrollgruppe untersucht. Ängstliche und nicht ängstlich-depressive Patienten zeigten ein beeinträchtigtes Sicherheitslernen in der Akquisition und Beeinträchtigungen in der Extinktion der konditionierten Furcht. Es ergaben sich keine Unterschiede hinsichtlich der Stärke der Generalisierung zwischen Patienten und den gesunden Kontrollen und es konnten keine differenzierenden Muster zwischen den ängstlich- und den nicht ängstlich-depressiven Patienten gezeigt werden.
Zusammenfassend weisen die Ergebnisse auf Veränderungen im Furchtlernen bei Patienten mit Depressionen hin. Es konnten keine Belege für unterschiedliche Mechanismen im Furchtlernen von ängstlich- und nicht ängstlich-depressiven Patienten gefunden werden. Unsere Ergebnisse stützen somit die Klassifikation der ängstlichen Depression als Subtyp der Depression. Weiterhin weisen die Ergebnisse der beeinträchtigten Extinktion bei Patienten mit Depressionen darauf hin, dass Expositionselemente, welche bei der Therapie von Angststörungen als Verfahren der Wahl eingesetzt werden, auch bei der Behandlung von Depressionen integriert werden sollten, um so den Therapieerfolg zu verbessern.
In dieser Arbeit wurde untersucht, ob eine anodale tDCS über der Elektrodenposition AF3 und der Kathode über dem kontralateralen Mastoid Extinktionslernen modulieren kann. Auf Basis aktueller Forschungsergebnisse wurden die Hypothesen aufgestellt, dass im Vergleich von real stimulierter zu sham stimulierter Gruppe ein Unterschied in der Hautleitfähigkeitsrekation, dem Arousalrating und dem Valenzrating der Versuchsteilnehmenden im Vergleich von CS+ und CS- und im zeitlichen Verlauf von Akquisition zu Extinktion gezeigt werden kann. Um dies zu prüfen wurde eine randomisiert doppelt-verblindete Studie mit insgesamt 86 Probanden durchgeführt, von denen nach Überprüfen einer suffizienten Furchtkonditionierungsreaktion nach der Akquisitionsphase noch 46 Teilnehmer eingeschlossen wurden. Diese wurden auf zwei tDCS Gruppen im Sinne von realer Stimulation und sham Stimulation verblindet und zufällig aufgeteilt. Alle Teilnehmer durchliefen ein eintägiges Furchtkonditionierungsparadigma mit drei Phasen: Habituation, Akquisition und Extinktion. Während allen Phasen wurde die Hautleitfähigkeitsreaktion gemessen und die Probanden wurden gebeten die ihnen präsentierten Stimuli hinsichtlich deren Valenz und Arousal einzuschätzen. Die tDCS fand in einer zehnminütigen Pause vor der Extinktion und während destdcs
Extinktionsdurchlaufs statt. In den Ergebnissen zeigt sich kein differenzieller Effekt der tDCS. In den erhobenen Hautleitfähigkeitsdaten zeigt sich in der frühen Extinktionsphase eine verringerte Hautleitfähigkeit in der verum stimulierten tDCS Gruppe unabhängig davon, ob ein CS+ oder ein CS- zu sehen war. Dies deutet auf eine generell verminderte Aufregung bei realer tDCS hin. In den Bewertungen bezüglich Arousal und Valenz findet sich ebenfalls kein Effekt der tDCS. In den Bewertungen zeigt sich jedoch die erfolgreiche Konditionierung und deren Extinktion. Nachfolgend stellt sich die Frage, ob zukünftig Paradigmen mit einem zweitägigen Design bevorzugt werden sollten, da diese realen Bedingungen näherkommen und teilweise auch Effekte der tDCS gezeigt haben. Abschließend lässt sich die große Rolle des vmPFC in der Verarbeitung von aversiven Reizen darstellen und betonen, welch großes Potential in einer Beeinflussung der Aktivität des vmPFC liegt, das zukünftig genauer untersucht werden muss.
Multiple Sklerose ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, die zu motorischen, sensiblen und vegetativen Einschränkungen führt. Häufig beginnt die Erkrankung mit einem schubförmigen Verlauf, dem eine progrediente Verschlechterung folgt. Trotzdem leiden ca. 15% der Patienten bereits von Beginn an, an einer primär progressiven Variante der MS, die bereits mit der progredienten Phase beginnt. Bis jetzt ist die Pathophysiologie nicht vollständig verstanden. Lange Zeit dachte man, dass MS primär eine reine Autoimmun-Erkrankung darstellt, aber in den letzten Jahren ergab sich die Frage, ob es vor allem in den progressiven Formen, eine zytodegenerative Komponente gibt, auf die eine sekundäre Inflammation folgt. Eine mögliche Ursache stellen hier Mutationen des PLP 1 Gens dar, die normalerweise mit leukodystrophischen Erkrankungen assoziiert sind. Es gab zwei Fallberichte, in denen von Patienten berichtet wurde, die unterschiedliche Mutationen in diesem Gen hatten und den klinischen Phänotyp einer MS zeigten. Diese Arbeit sollte nun die Auswirkungen der Mutationen, beziehungsweise einer Nullmutation des PLP 1 Gens in 18- und zum Teil 12-Monate alten Mausmutanten untersuchen. Hier konnten Myelin-Veränderungen und axonaler Schaden in immunhistochemischen Untersuchungen sowie mittels Elektronenmikroskopie und optischer Kohärenztomographie gezeigt werden. Weiter konnte eine Neuroinflammation und damit einhergehend eine zunehmende Anzahl CD8+ T-Zellen sowie einer erhöhten Anzahl an Mikroglia/Makrophagen gefunden werden. Dies ging mit vergleichsweise reduzierten Leistungen der Mutanten bei der motorischen Rotarod-Analyse einher. Interessanterweise wurde weniger neuraler Schaden in den heterozygoten Varianten gefunden, obwohl das Ausmaß der Entzündung gleichblieb. Dies könnte für eine zielgerichtete immunvermittelte Schädigung der Oligodendrozyten sprechen, die zu neuronalem Schaden führt. So konnte gezeigt werden, dass es durch Punktmutationen in einem Myelinprotein-codierendem Gen zu einer sekundären Entzündung kommen kann, die mit dem klinischen Phänotyp einer progressiven MS einhergeht. Weiter sind diese Mausmodelle ein Beispiel für eine genetische Erkrankung des ZNS, in denen die Klinik maßgeblich durch die begleitende Inflammation und nicht allein durch den genetischen Schaden verursacht wird.
Bevor ein zellbasiertes GTMP erstmalig beim Menschen angewendet werden kann, müssen verschiedene notwendige nicht-klinische Studien durchgeführt werden. Wichtig ist hier u.a. die Untersuchung der Biodistribution im Tiermodel. Diese umfasst die Verteilung, das Engraftment, die Persistenz, die Eliminierung und gegebenenfalls die Expansion der humanen Zellen in verschiedenen Organen, meistens im Mausmodel. Deshalb wurde eine qPCR-basierte Analysenmethode entwickelt, mit der humane genomische DNA innerhalb von muriner genomischer DNA bestimmt werden kann, und entsprechend den regulatorischen Richtlinien der European Medicines Agency und des International Council for Harmonisation validiert. Anschließend wurde diese Methode innerhalb einer präklinischen worst-case Szenario Biodistributionsstudie angewendet. Das Ziel dieser Studie war die Untersuchung des Biodistributionsprofils von genetisch modifizierten Blood Outgrowth Endothelial Cells von Hämophilie A Patienten 24 Stunden und sieben Tage nach intravenöser Applikation einer Dosis von 2x106 Zellen. Die Isolation, genetische Modifikation und die Expansion der Zellen sollte entsprechend den Richtlinien der Guten Herstellungspraxis durchgeführt werden. Hierbei ist die Auswahl und Anwendung geeigneter und essentieller Rohstoffe wichtig. Gleichermaßen ist die Durchführung einer definierten Qualitätskontrollstrategie notwendig und die Patientenzellen sollten nur innerhalb von nicht-klinischen Studien eingesetzt werden, wenn alle Akzeptanzkriterien erfüllt wurden. Die Validierung der qPCR-Methode zeigte eine hohe Genauigkeit, Präzision und Linearität innerhalb des Konzentrationsintervalls von 1:1x103 bis 1:1x106 humanen zu murinen Genomen. Bei Anwendung dieser Methode für die Biodistributionsstudie konnten nach 24 Stunden humane Genome in vier der acht untersuchten Mausorgane bestimmt werden. Nach sieben Tagen konnten in keinem der acht Organe humane Genome nachgewiesen werden...