Refine
Has Fulltext
- yes (2)
Is part of the Bibliography
- yes (2)
Year of publication
- 2023 (2) (remove)
Document Type
- Doctoral Thesis (2)
Language
- German (2)
Keywords
- Neuropathie (2) (remove)
Institute
- Neurologische Klinik und Poliklinik (2) (remove)
Die Charcot-Marie-Tooth-Neuropathie umfasst eine heterogene Gruppe von erblichen unter anderem demyelinisierenden Erkrankungen des peripheren Nervensystems. Trotz ihrer hohen Prävalenz von 1:2.500 gibt es bis dato keine kausalen Therapiemöglichkeiten. Durch den progressiven Krankheitsverlauf wird die Lebensqualität der Patienten stetig gemindert; der fortschreitende Verlust der Muskelkraft und Störungen des Gangbildes sind besonders belastend.
Ursächlich für die CMT1-Neuropathie sind unter anderem Mutationen in Genen, die für Moleküle des Myelins von Schwannzellen codieren. Diese Mutationen führen zu einer verminderten Stabilität und Funktion des Myelins und so letzten Endes zu einer Demyelinisierung und axonalen Schädigung der peripheren Nerven. Weitere Studien in CMT1-Mausmodellen zeigten jedoch, dass nicht nur die verringerte Myelinstabilität sondern auch eine durch das Immunsystem vermittelte geringgradige Entzündungsreaktion für die Symptome ursächlich sein könnte. Hier spielen vor allem Makrophagen eine zentrale Rolle. Das Zytokin CSF-1 aktiviert die Makrophagen und verursacht so eine Demyelinisierung der peripheren Nerven. In P0het und Cx32def Mausmodellen konnte nachgewiesen werden, dass eine medikamentöse Inhibition des CSF-1-Rezeptors an Makrophagen zu einem verbesserten Nervphänotypen und einer deutlichen Abmilderung des Krankheitsbildes führte.
In dieser Arbeit wurden in P0het und Cx32def Mausmodellen weiterführende Behandlungsstudien mit einem CSF-1-RI durchgeführt, die untersuchen, zu welchem Zeitpunkt innerhalb des Krankheitsverlaufs (therapeutisch oder präventiv) eine erfolgreiche Therapie noch möglich ist und ob bei einem früheren Beginn eine noch bessere Wirkung erzielt werden kann.
Abhängig von den verschiedenen Start- und Endpunkten waren unterschiedliche Ergebnisse zu beobachten: Hinsichtlich der klinischen Parameter wie der Greifkraft und der Anzahl an abnormal innervierten Synapsen zeigten die Tiere im präventiven Behandlungszweig in beiden Mausmodellen das beste Ergebnis im Vergleich zu den Kontrolltieren. Diese substantielle Verbesserung ließ sich unabhängig von einem Makrophagen-Reflux sogar noch 6 Monate nach Behandlungsabbruch nachweisen.
Bezüglich der endoneuralen Makrophagendepletion war sowohl in den P0het als auch den Cx32def Tieren im präventiven sowie im therapeutischen Behandlungszweig eine signifikante Verbesserung zu beobachten.
Diese Ergebnisse heben ein weiteres Mal die Bedeutung der Makrophagen als Teil einer Entzündungsreaktion in der Pathogenese der CMT1-Neuropathie hervor. Des Weiteren konnte die These gefestigt werden, dass eine Inhibition des CSF-1-Rezeptors zu verbesserten histopathologischen sowie funktionellen Parametern führt. Um ein gutes Ansprechen auf die Therapie zu erzielen, müssen ein möglichst früher Therapiebeginn sowie eine nachhaltige Behandlungsdauer gewährleistet sein.
Autoantikörper gegen nodo-paranodale Proteine des Ranvier’schen Schnürrings wie
Neurofascin-155 (NF-155), Contactin-1 und Caspr wurden in der Literatur bei
Patienten/Patientinnen mit Immunneuropathien beschrieben. Bei zwei bis zehn Prozent
der Patienten/Patientinnen mit Immunneuropathien können Autoantikörper gegen
Isoformen des Neurofascin detektiert werden. Patienten/Patientinnen mit
Autoantikörpern gegen NF-155 weisen gemeinsame klinische Merkmale auf, unter
anderem einen schweren Verlauf mit subakutem Beginn, vorwiegend motorischen
Defiziten, Tremor und einem schlechten Ansprechen auf eine Therapie mit intravenösen
Immunglobulinen (IVIG). Ein Grund für Letzteres könnte sein, dass es sich überwiegend
um Autoantikörper der Subklasse IgG4 handelt, die als anti-inflammatorisch gelten und
kein Komplement aktivieren. Neben der IgG4-Subklasse können bei manchen
Erkrankten auch die proinflammatorischen IgG-Subklassen 1 bis 3 nachgewiesen
werden. Bei der Anti-Pan-Neurofascin (155/140/186) Polyneuropathie zeigt sich klinisch
häufig ein fulminanter Phänotyp mit IgG3 Prädominanz. Das Ziel dieser Studie war, die
Autoantikörper-induzierte Komplementablagerung zu detektieren, sowie die Rolle der
IgG Subklasse und die Effekte von IVIG auf Antikörperbindung, Komplementaktivierung
und Effektorfunktionen zu untersuchen.
Hierzu wurde das Serum von 212 Probanden/-innen mit der Verdachtsdiagnose einer
entzündlichen Neuropathie auf Autoantikörper gegen NF-155 mittels ELISA und
Bindungsversuchen an Mäusezupfnerven gescreent. Im Fall eines positiven
Ergebnisses dienten zellbasierte Bindungsversuche mit NF-155-transfizierten HEK-293-
Zellen als Bestätigungstest. Die Effekte unterschiedlicher IVIG Konzentrationen auf die
Antikörperbindung und Komplementablagerung wurden in ELISA,
Komplementbindungsassays und zellbasierten Verfahren getestet. Außerdem wurde
mithilfe von LDH-Zytotoxizitätsmessungen die Komplement-induzierte Zelllyse sowie die
Effekte von IVIG untersucht. Klinische Daten wurden retrospektiv ausgewertet.
Fünf Patienten/Patientinnen mit hohen Autoantikörpertitern gegen NF-155 und ein
Patient mit Anti-Pan-Neurofascin Autoantikörpern konnten in der Studie detektiert
werden. Der Patient mit Autoantikörpern gegen alle drei Isoformen des Neurofascins und
IgG3-Prädominanz zeigte die deutlichste Komplementablagerung. Bei drei
Patienten/Patientinnen, die IgG1, IgG2 und IgG4 aufwiesen, war eine Aktivierung des
Komplementsystems zu beobachten, während bei zwei Patienten mit prädominanter
IgG4-Antikörpersubklasse keine Komplementablagerung nachweisbar war. Bei
Letzteren war eine Therapie mit IVIG in der Vorgeschichte erfolglos, während es bei zwei
der Patienten/Patientinnen mit anderen IgG-Subklassen und Komplementbindung unter
IVIG Therapie zu einer mäßigen bis deutlichen Symptombesserung in der Akutphase
kam. Eine Koinkubation mit IVIG führte in den ELISA basierten und zellbasierten
Versuchen zu keinem Effekt auf die Autoantikörperbindung an das Zielantigen, jedoch
zu einer deutlichen Reduktion der Antikörper-vermittelten Komplementbindung. Diese
Reduktion war sowohl bei Koinkuabtion von IVIG mit dem Komplementfaktor C1q als
auch bei Präinkubation von IVIG vor C1q Gabe zu sehen. Bei zwei der
Patienten/Patientinnen mit hohen Komplementablagerungen konnte eine erhöhte
Zytotoxizität nachgewiesen werden, welche bei Zugabe von IVIG verringert wurde.
Schlussfolgernd ist die Autoantikörper-induzierte Komplementablagerung abhängig von
der prädominanten IgG Subklasse. IVIG führt zu einer deutlichen,
konzentrationsabhängigen Reduktion der Komplementablagerung, sowie möglicher
zytotoxischer Effektorfunktionen wie die Zytolyse myelinisierter Schwannzellen oder
Nervenaxonen. Darüber hinaus könnte die Subklassenanalyse von Erkrankten das
Therapieansprechen auf IVIG vorhersagen und sollte daher eine wichtige Rolle in der
Diagnostik der Nodo-Paranodopathie spielen. IVIG sowie andere über das
Komplementsystem wirkende Therapeutika können in der Behandlung der schwer
betroffenen Patienten/Patientinnen, insbesondere bei Anti-Pan-Neurofascin positiver
Neuropathie, in Betracht gezogen werden.