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Stathmin als Kandidatengen für Cluster C Persönlichkeitsstörungen, Panikstörung und Agoraphobie
(2013)
Es wurde bereits mehrfach vermutet, dass das auf dem Chromosomabschnitt 1p36.11 lokalisierte Stathmin-Gen, welches durch seine Funktion als Regulator der Mikrotubulidynamik für die neuronale Plastizität bei Vertebraten eine entscheidende Rolle spielt, für die Angstentstehung von essentieller Bedeutung sein könnte. Zum einen wurde von Shumyatsky und Kollegen der Befund erbracht, dass Stathmin-defiziente Mäuse weder angeborene noch erlernte Furcht zeigten. Zum anderen konnten Brocke und Mitarbeiter für gesunde Probanden nachweisen, dass zwei Promotor-SNPs rs182455 und rs213641 mit der Induktion von Angst und psychosozialem Stress assoziiert sind. Aus diesen Gründen, die Stathmin zu einem ausgezeichneten Kandidatengen für angstrelevante Erkrankungen machen, wurde in der vorliegenden Arbeit eine Fall-Kontroll-Studie durchgeführt, die den oben genannten rs182455 und einen neu identifizierten Promotor-Polymorphismus in Form eines STR-Bereichs analysierte. Das untersuchte Patientenkollektiv bestand aus 642 Patienten mit Persönlichkeitsstörungen, von denen 115 eine „ängstliche“ Cluster C Persönlichkeitsstörung aufwiesen. Des Weiteren wurden 239 Patienten mit einer Panikstörung und komorbider Agoraphobie und eine Kontrollgruppe aus 239 gesunden Blutspendern analysiert. Methodisch wurde hierbei zunächst eine Sequenzierung des Stathmin-Gens zur genaueren Analyse des STR-Bereichs durchgeführt. Die Genotypisierung des STR-Bereichs erfolgte anschließend mit Hilfe drei verschiedener PCR-Ansätze und einer Kapillar-Gelelektrophorese. Die Genotypisierung des rs182455 wurde mittels PCR, einem nachfolgenden Restriktionsverdau und einer Gelelektrophorese durchgeführt. Abschließend wurden die Allelfrequenzen des rs182455 und des STR-Bereichs auf eine mögliche Assoziation mit Persönlichkeitseigenschaften, Persönlichkeitsstörungen und Panikstörung und Agoraphobie statistisch untersucht. Die in dieser Arbeit durchgeführten Assoziationsanalysen von rs182455 zeigen zum einen eine signifikante Assoziation mit der TPQ Dimension „reward dependence“ (p=0,009), insbesondere mit der Subskala „Bindung“, mit der NEO-PI-R Dimension Extraversion (p=0,035), insbesondere mit den Facetten „Wärme“ und „Geselligkeit/Zusammenleben“. Bezüglich der NEO-PI-R Dimension Neurotizismus ergab sich bei geschlechtsgetrennten Analysen eine signifikante Assoziation für die Facette „Ängstlichkeit“ bei Frauen (p=0,026). Zum anderen wurde bei geschlechtsgetrennten Analysen eine signifikante Assoziation mit Cluster C Persönlichkeitsstörungen bei weiblichen Patienten (p=0,025) nachgewiesen. Darüber hinaus zeigte sich eine signifikante Assoziation des rs182455 mit der Panikstörung, wobei diese Assoziation insbesondere auf die Patienten mit Agoraphobie zurückzuführen ist (p=0,041). Die Assoziationsanalysen des STR-Bereichs, der aus einem ATC-Insertionspolymorphismus und einer TAA-Trinukleotidwiederholung besteht, ergaben bezüglich der NEO-PI-R Dimension Neurotizismus im Hinblick auf die Facette „Ängstlichkeit“ ebenfalls eine signifikante Assoziation (p=0,011) mit dem ATC-Insertionspolymorphismus. Im Hinblick auf Cluster C Persönlichkeitsstörungen zeigte sich bei geschlechtsgetrennten Analysen eine signifikante Assoziation des ATC-Insertionspolymorphismus (p=0,019) bei weiblichen Patienten und eine signifikante Assoziation mit der Trinukleotid-Wiederholung TAA (p=0,031). Bezüglich des ATC-Insertionspolymorphismus wurde darüber hinaus eine signifikante Assoziation des STR-Bereichs mit der Panikstörung (p=0,020) und komorbider Agoraphobie (p=0,024) nachgewiesen. Diese Resultate bestätigen die Annahme, dass dem Stathmin-Gen für die Angstentstehung und für die Genese angstrelevanter Erkrankungen möglicherweise eine Bedeutung zukommt. Die Assoziation mit den Persönlichkeitseigenschaften „Ängstlichkeit“, „Bindung“, „Wärme“ und „Geselligkeit/Zusammenleben“, die eventuell als maternale Eigenschaften gewertet werden können, entspricht ebenfalls dem Modell der Stathmin-defizienten Maus, da außer dem Nichtvorhandensein angeborener oder erlernter Furcht weibliche Stathmin-defiziente Mäuse die Aufzucht der Jungtiere vernachlässigen. Dies könnte auch eine mögliche Erklärung für den Geschlechtereffekt im Sinne einer Frauenwendigkeit darstellen, der sich insbesondere für die genannten Persönlichkeitseigenschaften und für die Cluster C Persönlichkeitsstörungen, aber auch für die Panikstörung und Agoraphobie detektieren ließ. Zusammenfassend sprechen diese Daten für die Hypothese, dass es sich bei Stathmin um ein geschlechtsspezifisches Suszeptibiltätsgen für Cluster C Persönlichkeitsstörungen und die Panikstörung und Agoraphobie handelt.
Bereits in vorausgegangenen Studien konnte nachgewiesen werden, dass das Stathmin-Gen eine entscheidende Rolle im Hinblick auf erlernte und angeborene Angstreaktionen spielt. So konnte Frau Dr. Julia Katharina Heupel in ihrer Arbeit aus dem Jahr 2013 eine Assoziation eines (TAA)n-Polymorphismus, welcher sich ca. 2 kb upstream des ersten Exons des Stathmin-Gens und ca. 4 kb upstream des Translationsstarts befindet, mit Cluster-C-Persönlichkeitsstörungen belegen.
Sie vermutete, dass eine Hochregulation der Expression des Stathmin-Gens ein Risikofaktor für die Entstehung von Cluster C Persönlichkeitsstörungen darstellen könnte.
Da sich der beschriebene Polymorphismus in der Promotor-Region des Stathmin-Gens befindet, ist eine allelspezifische Auswirkung auf die Genexpression vorstellbar. Um diese Vermutung zu stützen, wurde in dieser Arbeit die Auswirkung zweier Allele des STR-Polymorphismus im Bereich der Promotorregion des Stathmin-Gens im Hinblick auf die Promotoraktivität untersucht.
Hierzu wurde die zu untersuchende Sequenz zunächst mittels Polymerase-Ketten-Reaktion vervielfältigt und anschließend in einen pGL4.23.Vektor kloniert.
Im Anschluss daran erfolgte die Untersuchung der Promotoraktivität mittels eines Luciferase-Assays in der humanen Neuroblastomzelllinie SH-SY5Y.
Nach statischer Auswertung der Messreihen zeigte sich eine signifikant höhere Luciferase-Aktivität des STR-Polymorphismus (TAA)12 im Vergleich zu dem STR-Polymorphismus (TAA)13.
Hierdurch kann von einer höheren Promotoraktivität bei dem Genotyp (TAA)12 gegenüber dem Genotyp (TAA)13 ausgegangen werden.
Zusammenfassend unterstützen die Ergebnisse dieser Arbeit die These, dass es sich bei dem Stathmin-Gen um ein Suszeptibilitätsgen für die Entstehung von Cluster C Persönlichkeitsstörungen handeln könnte.