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Die Vorsprachliche Diagnostik beschäftigt sich mit der Aufzeichnung, Auswertung und therapiebegleitenden Verwendung akustischer Lautäußerungen von Säuglingen und Kleinkindern, insbesondere für jene mit einem erhöhten Risiko für eine Sprech- und/oder Sprachentwicklungsstörung.
Zielsetzung dieser Arbeit war die semi-automatische, computergestützte Analyse von Säuglingslauten im Rahmen eines Kooperationsprojektes mit einer Forschungsgruppe der Universität Iowa. Dafür wurden neurobiologische Untersuchungen durchgeführt und aufgezeichnete akustische Lautäußerungen von Kindern mit und ohne Lippen- Kiefer- Gaumen- Segelspalten untersucht.
Für die Analyse der aufgezeichneten Lautäußerungen wurden im Rahmen dieser Arbeit für die Phonetiksoftware PRAAT Skripte (Programmroutinen) entwickelt, getestet und am Zentrum für Vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen (ZVES) implementiert. Diese sollen einen Beitrag zur Automatisierung der Vorsprachlichen Diagnostik leisten.
Eine ausführliche Dokumentation der erstellten Skripte sollte zukünftigen Anwendern das Verständnis und die Anwendung der Skripte erleichtern. Die Funktion der Skripte wurde an geeigneten Testsignalen aus dem Archiv des ZVES überprüft und mit bisher gebräuchlichen manuellen Analyseroutinen am selben Datensatz verglichen. Schließlich wurden die erstellen Skripte erfolgreich auf die Projektdaten angewendet sowie die Ergebnisse im Journal „Pediatric Research“ veröffentlicht.
Die Ergebnisse stellen erstmals einen potenziellen Zusammenhang zwischen dem Segmentierungsverhalten und der Hirnreifung von Säuglingen mit LKGS-Spalten her, die in Nachfolgestudien mit größerer Probandenzahl überprüft werden müssen.
In der vorliegenden Arbeit wurden vorsprachliche Fähigkeiten von Kindern mit isolierten Sagittalnahtsynostosen zu einem prä- und postoperativen Zeitpunkt untersucht. Diese wurden präoperativ mit Säuglingen mit lagerungsbedingtem Plagiocephalus und einer gleichaltrigen Kontrollgruppe verglichen.
Die Untersuchungen erfolgten im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojektes „Dreidimensionale stereophotogrammetrische Diagnostik des Schädels und Evaluierung der Therapie bei Kindern mit kraniofazialen Fehlbildungen“ des CFCW des Universitätsklinikums Würzburg.
Grundlage zur Annahme von Entwicklungsdefiziten waren vorausgehende Studien, die postulierten, dass kraniofaziale Fehlbildungen zu neurophysiologischen Entwicklungsstörungen und somit Einschränkungen in Motorik, Kognition und Sprache führen können (Boltshauser et al. 2003, Chieffo et al. 2010, Korpilahti et al. 2012, Shipster et al. 2003, Virtanen et al. 1999). Vorangegangene projektinterne Untersuchungen konnten bisher jedoch keine signifikanten Unterschiede von Säuglingen mit Lagerungsplagiocephalus bzw. isolierten Sagittalnahtsynostosen bezüglich der vorsprachlichen Leistungen zu unauffälligen Kontrollkindern nachweisen. Die vorliegende Arbeit bestätigt diese Ergebnisse.
Zur vorsprachlichen Entwicklung von Kindern mit isolierten Sagittalnahtsynostosen im prä- / postoperativen Vergleich gab es bisher keine Untersuchung. Daher wurden in der vorliegenden Arbeit akustische Eigenschaften von Komfortvokalisationen dieser Probanden analysiert. Sowohl artikulatorische Fähigkeiten, als auch grundfrequenzbasierte und temporale Stimmleistungen dienten in den Untersuchungen als Messgrößen.
Im Signalanalyselabor des Zentrums für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen (ZVES) konnten insgesamt 2836 Vokalisationen von 39 Kindern (13 Kinder pro Gruppe) ausgewertet werden. Die Laute der Kinder mit isolierter Sagittalnahtsynostose wurden zu einem prä- und postoperativen Zeitpunkt analysiert. Die ausgewählten Messgrößen wurden mittels standardisierter Verfahren der Vorsprachlichen Diagnostik und mit Hilfe am ZVES implementierter Computersoftware (CSL, PRAAT, CDAP) ausgewertet.
Die Ergebnisse der Babbelanalyse zeigten keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Allerdings fanden sich signifikante prä-/ postoperative-Unterschiede in der SMO-Gruppe:
Die postoperativen Lautlängen segmentierter Vokalisationen der SMO-Probanden waren länger als die präoperativen und zeigten einen deutlich kleineren Pausenindex.
Zudem unterschieden sich die prä- und postoperativen Werte der SMO-Gruppe bezüglich der mittleren Grundfrequenz signifikant voneinander: Postoperativ waren deutlich geringere mittlere Grundfrequenzen feststellbar. Die Unterschiede zwischen den prä- und postoperativen Daten werden als entwicklungsbedingte Effekte interpretiert, solange keine Vergleiche zu Kindern mit Sagittalnahtsynostosen ohne operative Therapie vorliegen.
Die vorliegende Studie liefert Argumente für notwendige weiterführende Untersuchungen unter Einbeziehung von Kindern mit isolierten Sagittalnahtsynostosen ohne operative Therapie. Erst danach lassen sich Entwicklungseffekte von potenziellen Entwicklungsstörungen unterscheiden. Zusätzlich sind dazu auch Langzeitstudien erforderlich, die die Sprachkompetenz der Kinder im Alter von zwei bis fünf Jahren erfassen.