Refine
Has Fulltext
- yes (2)
Is part of the Bibliography
- yes (2) (remove)
Document Type
- Doctoral Thesis (2)
Language
- German (2) (remove)
Keywords
- startle disease (2) (remove)
Institute
Mutationen im Glycintransporter 2 (GlyT2) stellen die präsynaptische Komponente der neurologischen Erkrankung Hyperekplexie oder Startle Disease dar. Der neuronale Na+/Cl- -abhängige GlyT2 ist für das Recycling von Glycin verantwortlich und bildet an inhibitorischen glycinergen Synapsen die Hauptquelle des freigesetzten Transmitters. Dominante, rezessive und zusammengesetzte heterozygote Mutationen wurden bereits identifiziert, von denen die meisten zu einer beeinträchtigten Glycinaufnahme führen. In dieser Arbeit konnten wir eine neue pathogene Mutation innerhalb des neuronalen Glycintransporter-2-Gens (SLC6A5, OMIM604159) in einer Familie identifizieren, in der beide Elternteile heterozygote Träger waren. Ein homozygotes Kind litt an schweren neuromotorischen Defiziten, wohingegen Heterozygote keine Symptome aufwiesen. Die neue rezessive Mutation c.1286C>T erzeugte einen missense Aminosäureaustausch von Prolin gegen Leucin an Position 429 (pP429L) in der Transmembrandomäne 5. Wir haben die GlyT2P429L-Variante mittels Homologiemodellierung, immuncytochemischer Färbungen, Western Blot Analysen, Biotinylierung und funktioneller Glycinaufnahmetests charakterisiert. Der mutierte GlyT2 zeigte beim Proteintransport durch verschiedene intrazelluläre Kompartimente zur Zelloberfläche keine Defizite. Die gesamte Proteinexpression war jedoch signifikant verringert. Obwohl GlyT2P429L an der Zelloberfläche vorhanden ist, zeigte er einen Verlust der Proteinfunktion. Die Co-Expression der Mutante mit dem Wildtyp-Protein, die die Situation der Eltern widerspiegelte, hatte keinen Einfluss auf die Transporterfunktion und erklärte somit ihren nicht symptomatischen Phänotyp. Wenn jedoch die Mutante im Vergleich zum Wildtyp-Protein im Überschuss exprimiert wurde, war die Glycinaufnahme signifikant verringert. Die Strukturanalyse ergab, dass der eingeführte Leucinrest an Position 429 zu Konformationsänderungen in der α-Helix 5 führt, die in unmittelbarer Nähe zur Natriumbindungsstelle des Transporters lokalisiert sind. Dies deutet darauf hin, dass die Zugangsmechanismen des GlyT2 gestört sein könnten und einen vollständigen Verlust der Transportaktivität verursachen. Unsere Ergebnisse belegen, dass P429 in GlyT2 ein strukturell wichtiger Aminosäurerest ist, der eine wichtige funktionelle Rolle beim Glycintransport spielt.
Der Glycin-Rezeptor ist Teil der inhibitorischen liganden-gesteuerten Ionenkanäle im ZNS und wird am stärksten im adulten Rückenmark sowie im Hirnstamm exprimiert. In der Nerv-Muskel-Synapse sind GlyR für die rekurrente Hemmung der Motoneuronen wichtig und steuern das Gleichgewicht zwischen Erregung und Hemmung der Muskelzellen. Für die glycinerge Neurotransmission sind neben den präsynaptischen GlyR 𝛼1 insbesondere postsynaptische GlyR 𝛼1/𝛽 verantwortlich. Durch Mutationen des GlyR entsteht das Erkrankungsbild der Hyperekplexie mit übersteigerter Schreckhaftigkeit, Muskelsteifheit und Apnoe. Hauptursächlich dafür sind Mutationen im GLRA1-Gen. Die shaky Maus stellt ein gutes Modell zur Erforschung dieser seltenen Erkrankung dar.
Die shaky Missense-Mutation Q177K in der extrazellulären 𝛽8-𝛽9 Schleife der Glycin- Rezeptor-𝛼1-Untereinheit zeigte strukturell ein gestörtes Wasserstoffbrückennetzwerk. Funktionell konnten eingeschränkt leitfähige Ionenkanäle identifiziert werden. Der letale Phänotyp äußert sich beim homozygoten shaky Tier durch Schrecksymptome mit einem einhergehenden zunehmenden Gewichtsverlust. Die Quantifizierung der Oberflächenexpression deutete auf einen Verlust synaptischer GlyR 𝛼1/𝛽 hin. Aussagen bezüglich der GlyR-𝛽-Untereinheit, die Teil des synaptischen GlyR Komplexes ist, waren aufgrund fehlender stabiler Antikörper bisher nicht möglich. Das neuartige KI- Mausmodell Glrb eos exprimiert endogen fluoreszierende 𝛽 -Untereinheiten und ermöglicht damit erstmalig eine Betrachtung der GlyR- 𝛽-Expression in Tiermodellen der Startle Erkrankung.
Ziel dieser Arbeit war es, die Auswirkungen der shaky Mutation auf die Interaktion mit der 𝛽 -Untereinheit und Gephyrin zu erforschen. Dafür wurden Markerproteine der glycinergen Synapse in Rückenmarksneuronen der Kreuzung Glrb eos x Glra1 sh gefärbt und quantifiziert. Die durchgeführte Gewichtsbestimmung der Nachkommen im zeitlichen Verlauf zeigte keinen Einfluss der eingefügten mEos4b-Sequenz auf das Körpergewicht der Tiere und schließt damit funktionelle Einschränkungen bedingt durch die mEos4b-Sequenz aus. Zur Verstärkung des 𝛽 eos-Signals wurde ein Antikörper verwendet. Die Quantifizierung der GlyR- 𝛽- Untereinheit an Rückenmarksneuronen zeigte für homozygote shaky Tiere im Vergleich zum Wildtyp signifikant reduzierte 𝛽eos Oberflächenexpressionen in Gephyrin Clustern sowie signifikant erniedrigte Kolokalisationen von Gephyrin/𝛼1, 𝛽eos/𝛼1 und 𝛽eos/Gephyrin. Die mutierte GlyR-𝛼1- Untereinheit wurde hingegen vermehrt an der Oberfläche in shaky Tieren exprimiert. Die Ergebnisse der Rückenmarksschnitte unterstützen diese Befunde aus den Primärneuronen. Die Untersuchung der Präsynapse erbrachte für Glrb eos/eos x Glra1 sh/sh eine signifikant verminderte Synapsin und Synapsin/𝛼1 Expression.
Die Ergebnisse dieser Arbeit erweitern die Daten früherer Arbeiten zur shaky Maus und zeigen einen starken Verlust synaptischer GlyR 𝛼 1/ 𝛽 an der Oberfläche von Motoneuronen. Ein möglicher kompensatorischer Versuch durch erhöhte 𝛼1 Expression bleibt infolge der Funktionsbeeinträchtigung dieser mutierten GlyR- 𝛼 1 Rezeptoren erfolglos mit letalem Ausgang. In vorherigen Arbeiten wurde vermutet, dass die Mutation in der extrazellulären Bindungsstelle in der Lage ist, Konformationsänderungen in die TM3-TM4-Schleifenstruktur zu übertragen und dadurch die Gephyrin Bindung und synaptische Verankerung zu stören. Die Daten dieser Arbeit stützen diese Annahme und weisen darüber hinaus auf eine gestörte Rezeptorkomplexbindung hin. Die vorliegende Arbeit trägt somit zum besseren Verständnis der Startle Erkrankung auf synaptischer Ebene bei.