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Die Schilddrüse gehört zu den Organen mit dem höchsten Gehalt an Selen (Se). Dieses ist hauptsächlich in Form von Selenoproteinen gebunden. Hierzu gehören die 5'DI, die in den Stoffwechsel der Schilddrüsenhormone involviert ist, die TRxR, die unter anderem die Redoxstatus-abhängige Aktivität verschiedener Transkriptionsfaktoren reguliert, SePP, ein Protein, dem vor allem eine Funktion als Transportprotein zugeschrieben wird, und einige GPx, die während der H2O2-abhängigen Schilddrüsenhormonbiosynthese eine Rolle beim Abbau von H2O2 spielen. Die Zelllinie XTC.UC1 ist eine hoch differenzierte Schilddrüsenkarzinom-Zelllinie. Sie wurde aus der Weichteilmetastase eines onkozytären Schilddrüsenkarzinoms (Hürthle-Zell-Karzinoms). Hürthle-Zell-Karzinome weisen charakteristische Anomalien auf, wie z.B. eine hohe Zahl an Mitochondrien und verminderten Iodidtransport. Vermehrte Mitochondrien erzeugen eine erhöhte Belastung durch reaktive Sauerstoffspezies (ROS). Dies wirft die Frage auf, ob die Expression von Selenoproteinen, die in erster Linie für den Schutz der Zellen vor oxidativer Schädigung verantwortlich sind, in Hürthle-Zell-Tumoren intakt ist. Im Rahmen der Arbeit wurde die Synthese der oben genannten Selenoproteine in XTC-Zellen überprüft. Retinsäure (RA) bewirkt bei mäßig differenzierten Schilddrüsenkarzinom-Zelllinien wie FTC 133 und 238 eine partielle Redifferenzierung. Aufgrund des seltenen Ansprechens auf eine Radioiodtherapie und der vergleichsweise hohen Tendenz oxyphiler Tumorzellen zur weiteren malignen Entartung wurde die Reaktion von XTC-Zellen auf eine Stimulation mit RA untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Aktivitäten der untersuchten Selenoproteine in XTC-Zellen mit den Aktivitäten in anderen Schilddrüsenzelllinien vergleichbar sind. Die GPx-Aktivität steigt nach Se-Behandlung bis zu einem Maximum bei 300 nmol/l Na2SeO3 an. In der Zeitkurve wird auch nach 144 h Inkubation kein Plateau erreicht. Sie ist klar von der Se-Konzentration im Kulturmedium abhängig und kann als Marker für den Se-Status betrachtet werden. Die Aktivität der TrxR wird in der Dosiskurve schon durch 1 nmol/l Na2SeO3 stimuliert und in der Kinetik nach 24 h. Beide Kurven steigen abrupt an und erreichen rasch ein Plateau. Höhere Na2SeO3-Konzentrationen oder längere Inkubation haben keinen zusätzlichen Effekt. GPx und TRxR können mittels Enzymassay auch in konditioniertem Medium nachgewiesen werden. Auch SePP kann im Western Blot aus konditioniertem Medium nachgewiesen werden, zeigt aber keine Reaktion auf Na2SeO3-Stimulation. Überraschende Ergebnisse zeigt die Untersuchung der 5'DI-Aktivität: Bei Passagenzahlen zwischen 20 und 22 wird die Aktivität der 5'DI zeit- und dosisabhängig durch Na2SeO3 stimuliert. Bei Passagenzahlen zwischen 28 und 31 reagiert die 5'DI nicht länger auf Stimulation mit Na2SeO3, kann aber durch zusätzliche Stimulation mit 1 µmol/l RA wieder induziert werden. Dieses ungleiche Ansprechen auf Se- und RA-Stimulation entspricht der unterschiedlichen Regulation des Enzyms in verschiedenen Schilddrüsenzelllinien: In differenzierten Zelllinien wie FRTL-5, wo eine hohe basale Aktivität an 5'DI vorhanden ist, zeigt RA keinen Einfluss. In eher entdifferenzierten follikulären Karzinom-Zelllinien wie FTC 133 und 238 ist die basale 5'DI-Aktivität niedrig, kann durch Behandlung mit RA aber induziert werden. Dieser Wechsel in der Reaktion auf Se und RA vollzieht vermutlich einen Teil der Veränderungen nach, die während der Entdifferenzierung normaler Thyrozyten zu follikulären Tumorzellen auftreten. Die Selenhierarchie unter den verschiedenen Selenoenzymen ist auch in XTC-Zellen intakt. Wie in anderen Systemen wird die 5'DI in XTC-Zellen im Vergleich zur cGPx bevorzugt mit Se versorgt. Bereits Konzentrationen von 1 nmol/l Na2SeO3 bewirken einen deutlichen Aktivitätszuwachs. Bei Se-Depletion kann man noch 5 Tage nach Beginn des Se-Entzugs 50 % der Maximalaktivität messen, Hinweis auf eine Umverteilung des Se zugunsten der 5'DI. Insgesamt sind also Expression und Aktivität der untersuchten Selenoenzyme in XTC-Zellen im Vergleich mit anderen Schilddrüsenzelllinien nicht erhöht, wie man es als Reaktion auf eine verstärkte Belastung durch ROS erwarten könnte. Andererseits ist die Aktivität auch nicht vermindert, was als Ursache für eine besonders ausgeprägte oxidative Zellschädigung inklusive DNA-Mutation und eine dadurch geförderte Tumorentstehung gewertet werden könnte. Diese Resultate bieten keinen Anhaltspunkt für eine Rolle von Selenoenzymen bei der Entstehung dieser Art von Schilddrüsentumoren. Ferner scheint die Responsivität verschiedener Selenoproteine auf Stimulation mit Na2SeO3 in XTC-Zellen von Passagenzahl oder Differenzierungsstadium abhängig zu sein. Diese Zelllinie könnte daher ein interessantes Modell darstellen, um das Ansprechen menschlicher Schilddrüsenkarzinome auf eine Redifferenzierungstherapie mit RA und evtl. Adjuvanzien wie Se weiter zu untersuchen.