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In der vorliegenden Arbeit wird über die Synthese, Struktur und katalytische Aktivität von borverbrückten Gruppe 4 Metallocenophanen berichtet, die als Katalysatoren in der Ziegler-Natta-artigen Olefinpolymerisation eingesetzt werden können. Neben den bereits bekannten [1]Borametallocenophanen wurden weitere Komplexe mit unterschiedlichen Substituenten, als auch die bislang unbekannten [2]Borametallocenophane synthetisiert und charakterisiert. Vergleichende Polymerisationsstudien einer Reihe von unterschiedlich substituierten [n]Borametallocenophanen (n = 1,2) wurden unter definierten Standardbedingungen durchgeführt, um einen möglichen Einfluss der am Boratom gebundenen Substituenten zu beobachten. Weitergehende Untersuchungen bezogen sich auf den Einfluss dieser Substituenten auf sterische und elektronische Einflüsse, die mit den Polymerisationsergebnissen korreliert wurden. Hierbei wurden die sterischen Einflüsse der verschiedenen Substituenten anhand der Kristallstrukturen festgemacht; elektronische Einflüsse sollten anhand von CO Schwingungen, die mittels Infrarotspektroskopie beobachtet werden können, von korrespondierenden Carbonylkomplexen und alternativ mittels 91Zr-NMR Spektroskopie untersucht werden.
Im Rahmen dieser Arbeit konnten im Ersten Teil durch Anwendung verschiedener Synthesestrategien neuartige ansa-Halbsandwichkomplexe der sechsten, achten und zehnten Gruppe der Übergangsmetalle synthetisiert und umfassend charakterisiert werden. Die dargestellten Verbindungen wurden in Reaktivitätsstudien auf ihr Verhalten gegenüber Chalkogenen, sowie gegenüber niedervalenten späten Übergangsmetallkomplexen untersucht. Weiterhin wurden die erhalten Komplexe auf ihrer Eignung als mögliche Vorstufen für metallhaltige Polymere hin untersucht. Dabei wurden verschiedene Polymerisationsmethoden wie thermische, katalytische oder anionische induzierte Ringöffnungsreaktion eingesetzt und die erhaltenen Polymere mit Hilfe der Gelpermeations-Chromatographie auf ihr Molekulargewicht bzw. auf ihre Polydisperisität hin untersucht.
Im zweiten Teil dieser Arbeit konnten verschiedene neuartige Basenaddukte von Tetrabromdiboran(4) dargestellt und charakterisiert werden. Durch schrittweise Reduktion gelang die Synthese basenstabilisierter neutraler Diborene auf einer bisher unbekannten Syntheseroute. Durch die erschöpfende Reduktion von [B2Br4(IDip)2] konnte erstmals ein basenstabilisiertes Diborin außerhalb einer inerten Edelgasmatrix isoliert und charakterisiert werden. Zum Verständnis der Bindungssituation sowie der Konstitution in Lösung und Festkörper wurden umfangreiche physikochemische und theoretische Studien angefertigt. Die erhaltenen Daten belegen die Synthese von [B2(IDip)2] mit einer Bindungsordnung von drei entlang der zentralen B2-Einheit. Es wurden umfangreiche Reaktivitätsstudien gegenüber verschiedenen Substraten durchgeführt. Die Umsetzung von [B2(IDip)2] mit CO lieferte ein basenstabilisiertes Bis-boralacton, bei dessen Bildung eine gänzlich unbekannte CO-Verknüpfungsreaktion auftritt, welche für Hauptgruppenelementverbindungen bisher nicht beobachtet werden konnte. Im Zuge mechanistischer Studien gelang der Nachweis eines Reaktionsintermediates. Weiterhin zeigt das Diborin [B2(IDip)2] (140) eine interessante Koordinationschemie gegenüber Kupfer(I)-Verbindungen. Dabei gelang die Darstellung von tri- und dinuklearen Kupfer(I)-Komplexen von [B2(IDip)2]. Diese wurden durch multinukleare NMR-Spektroskopie sowie mit Hilfe der Röntgenstrukturanalyse umfassend charakterisiert.
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Synthese neuer Borolderivate des Typs Ph4C4BR' (R' = Substituent am Borzentrum). Zudem wurde die Reaktivität ausgewählter Borole gegenüber Lewis-Basen, gesättigten und ungesättigten Substraten sowie unter Reduktionsbedingungen untersucht. Auf diese Weise konnten neue Strategien für die Synthese von Bor-haltigen konjugierten Systemen erschlossen werden. Alle wichtigen Strukturmotive wurden durch Multikern-NMR-Spektroskopie in Lösung sowie durch Einkristall-Röntgenstrukturanalyse im Festkörper charakterisiert.
Die Reaktion der Verbindungen trans-[Pt{B(Br)(R)}Br(PCy3)2] mit Lewis-aciden Bromboranen BBr2(R) liefert Bromo-verbrückte, zweikernige Borylkomplexe. Sowie die jeweiligen Phosphan–Boran-Addukte Cy3P–BBr2(R). Die Reaktion von [Pt{B(X)(R)}(-X)(PCy3)]2 mit 4-Picolin erfolgt unter Koordination der Base am Boratom unter formaler Halogenidverschiebung zur Entstehung der ersten neutralen, basenstabilisierten Borylenkomplexe cis-[Pt{B(R)(4-Pic)}X2(PCy3)]. Durch oxidative Addition der B–Cl-Bindung von BCl3 an [Pt(PCy3)2] ist trans-[Pt(BCl2)Cl(PCy3)2] zugänglich, welches durch Reaktion mit Na[BArf4] zum kationischen Borylkomplex trans-[Pt(BCl2)(PCy3)2][BArf4] umgesetzt wird. Durch die strukturelle Charakterisierung von trans-[Pt{B(Br)(Fc)}Br(PiPr3)2] und trans-[Pt{B(Br)(Fc)}(PiPr3)2][BArf4] kann gezeigt werden, dass der Borylligand {B(Br)(Fc)} durch das {Pt(PiPr3)2}-Fragment in einem neutralen sowie in einem kationischen, T-förmigen Komplex stabilisiert werden kann. Die Reaktion von trans-[Pt{B(Br)(NMe2)}(PCy3)2][BArf4] mit Acetonitril führt zur Bildung des kationischen Acetonitrilkomplexes trans-[Pt{B(Br)(NMe2)}(NCMe)(PCy3)2][BArf4]. Durch die Reaktion von trans-[Pt{B(Br)(NMe2)}Br(PCy3)2] mit Na2[B12Cl12] im Verhältnis 2:1 und Zugabe von Acetonitril wird trans-[Pt{B(Br)(NMe2)}(NCMe)(PCy3)2]2[B12Cl12] als erste kationische, metallorganische Verbindung, die durch [B12Cl12]2− stabilisiert wird, erhalten. Die Abstraktion des Bromoliganden aus trans-[Pt{B(4-Pic)(NMe2)}Br(PCy3)2][BArf4] mittels Na[BArf4] führt zur Bildung des ersten dikationischen 14-Elektronenkomplexes trans- [Pt{B(NMe2)(4-Pic)}(PCy3)2][BArf4]2 mit einer freien Koordinationsstelle. Die Reaktion von trans-[Pt(BCat’)Br(PCy3)2] mit MeLi liefert trans-[Pt(BCat’)Me(PCy3)2]. Die Anwesenheit von Alkinen oder Bisphosphanen (P–P) beschleunigt die Reduktive Eliminierung von CatBMe. Die Reaktion von trans–[Pt(BCat’)Me(PCy3)2] mit Cat2B2 führt zu einem Reaktionsgemisch, welches auf einen komplexen Reaktionsverlauf schließen lässt. Diese Prozesse verlaufen assoziativ. Es werden zwei mögliche Reaktionsmechanismen vorgeschlagen. Dies sind I) die reduktive Eliminierungsreaktion aus einem anfänglich gebildeten, hexakoordinierten Platinkomplex und II) eine -Bindungsmetathese der B–B- mit der Pt–C- Bindung. Die oxidative Addition von Cat2B2 an [Pt(PCy3)3] erfolgt reversibel. Die strukturellen Parameter des Bisborylkomplexes im Kristall deuten auf einen sterisch überfrachteten cis-Bis(boryl)komplex mit relativ schwach gebundenen Borylliganden hin. Das neuartige Phosphan P(CH2Cy)3, welches sich durch einen flexiblen sterischen Anspruch auszeichnet, wird als Ligand in niedervalenten Phosphankomplexen eingesetzt. Der Platinkomplex reagiert mit 1,3,5-(C6H3)(BBr2)3 selektiv zu 1,3,5-trans-[Pt(BBr)Br{P(CH2Cy)3}2]3(C6H3), dem ersten Tris(boryl)komplex. Die Bis- und Tris(phosphan)rhodium(I)-Komplexe, welche im Überschuss mit Phosphan im Gleichgewicht vorliegen, reagieren mit CatBH zu trans-[Rh(BCat)ClH{P(CH2Cy)3}2]. [Pt(PCy3)2] reagiert mit CatBH in einer cis-selektiv verlaufenden Reaktion. Die Reaktion von [Pt{P(CH2Cy)3}2] mit CatBH im Überschuss führt zur Bildung von trans-[Pt(BCat)H{P(CH2Cy)3}2], cis-[Pt(BCat)2{P(CH2Cy)2}2] und H2 im Gleichgewicht. Gemäß quantenchemischen Berechnungen erfolgt die oxidative Addition der B–H-Bindung an [Pt(PR3)2] (R=Me, Cy, CH2Cy) ausgehend von einem -Präkursorkomplex. Durch die oxidative Addition der B–H-Bindung von CatBH an cis-[Pt(BCat)H(PR3)2] wird ein hyperkoordiniertes Platin(IV)-Intermediat gebildet, aus welchem das thermodynamisch stabilere trans-konfigurierte Isomer gebildet werden kann. Dieses Platin(IV)-Intermediat stellt die Schlüsselverbindung für die nachfolgende Dehydrokupplung dar. Durch einen Übergangszustand, in welchem Diwasserstoff abgespalten werden kann, wird ein cis-Bis(boryl)platinkomplex gebildet. Durch eine -Bindungsmetathese mit der B–H-Bindung von CatBH kann die B–B-Bindung geknüpft und Diboran(4) abgespalten werden. Das metallhaltige Produkt dieser Reaktion ist identisch mit dem trans-(Boryl)(hydrido)platinkomplex. Durch die Flexibilität der P(CH2Cy)3-Liganden werden durchweg Intermediate berechnet, welche geringere Deformationskräfte aufweisen als mit den rigiden PCy3-Liganden.
Es wurden verschiedene Borirene synthetisiert und auf ihre Reaktivität gegenüber Lewis-Basen und Übergangsmetallkomplexen untersucht. Hierbei wurden verschiedene Boriren-Basen-Addukte dargestellt. Zudem konnte der erste Platin-BC-sigma-Komplex dargestellt werden. Des Weiteren wurde die Metall-vermittelte Darstellung von 1,4-Azaborininen vorgestellt und der Mechanismus der Reaktion aufgeklärt. Im letzten Teil der Arbeit wurden Bor-haltige Komplexe des Rhodiums synthetisiert und ihre Reaktivität untersucht.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden verschiedene neuartige Boryl- Borylen- und Borido-Komplexe dargestellt und charakterisiert. Hierbei konnten bisher unbekannte Koordinationsmodi am zentralen Bor-Atom zugänglich gemacht werden. Die synthetisierten Verbindungen wurden auf ihre chemischen Eigenschaften hin untersucht. Mittels spektroskopischer und struktureller Befunde wurden weitere Erkenntnisse über die Natur der MetallBor-Bindung erhalten. Die drei Boryl-Komplexe [{Re(CO)5}(BX2)] (X = Cl, Br) und [{(Cy3P)Mn(CO)5}(BCl2)] können aus BX3 und entsprechenden Metallcarbonylaten durch Salzeliminierungsreaktionen dargestellt werden. Boryl-Verbindungen eignen sich als Ausgangsverbindungen sowohl für die Synthese von heterodinuklear-verbrückten Borylen-Spezies als auch für terminale Borido-Komplexe. So führt die Umsetzung der Boryl-Komplexe [{Cp*Fe(CO)2}(BX2)] (X = Cl, Br), [{Mn(CO)5}(BCl2)] (X = Cl, Br), [{Re(CO)5}(BCl2)] (X = Cl, Br) mit Na[Co(CO)4] zur Bildung der entsprechenden hererodinuklear-verbrückten Borylen-Verbindungen [{M(CO)5}(BCl){Co(CO)4}] (M = [Cp*Fe(CO)2] (X = Cl, Br); M = [Mn(CO)5]; (X = Cl, Br); M = [Re(CO)5]; (X = Cl, Br) welche jedoch aufgrund geringer Stabilität in Lösung nicht analysenrein isoliert werden konnten. Die Reaktion verschiedener Dihalogenboryl-Komplexe mit K[Cp(H)Mn(CO)2] stellt eine neue Strategie zur Darstellung von terminalen Borido-Komplexen dar. Verbindungen des Typs [[M](B)(CpMn(CO)2}] (M = [Cp*Fe(CO)2], [Mn(CO)5}] und [(Cy3P)Mn(CO)4] können nach Salzeliminierung und anschließender HX-Abspaltung erhalten werden. Lediglich die heterodinuklear-verbrückten Komplexe [{Re(CO)5}(BX)(H){CpMn(CO)2}] (X = Cl, Br) benötigen zur Bildung der terminalen Borido-Verbindung [{Re(CO)5}(B){CpMn(CO)2}] die Zugabe eines weiteren Äquivalents K[Cp(H)Mn(CO)2]. Die nicht stöchiometrischen Reaktionsbedingungen führen jedoch auch zur Bildung eines Bor-haltigen Nebenproduktes. Die analoge Reaktion von K[Cp(H)Mn(CO)2] mit MesBCl2 führt hingegen nicht zur Bildung eines entsprechenden terminalen Alkylborylen-Komplexes, sondern resultiert in der Bildung eines σ-Boran-Komplexes [{CpMn(CO)2}(HBMes). Die Reihe der homodinuklear-verbrückten Borylen-Komplexe konnte um den Vertreter [{Re(CO)5}2(BCl)] ergänzt werden, welcher direkt aus BCl3 und einem zweifachen Überschuss Na[Re(CO)5] erhalten werden kann. Es hat sich gezeigt, dass die Zugabe von Na[BArf4] zu den homodinuklear-verbrückten Borylen-Komplexen [{Cp‘Fe(CO)2}2(BCl)] und [{Re(CO)5}2(BBr)] zur Halogenidabstraktion führt, wodurch die linearen, kationischen Borido-Komplexe [Cp’Fe(CO)2}2(B)][BArf4] und [{Re(CO)5}(B)][BArf4] erhalten werden konnten. Die Umsetzung von [{Mn(CO)5}2(BBr)] und [{Re(CO)5}2(BCl)] mit dem niedervalenten Platin-Komplex [Pt(PCy3)2] führt zu einer spontanen Bildung borhaltigen Spezies der Zusammensetzung [{Mn(CO)5}2(B){Pt(PCy3)2}(Br)] bzw. [{Re(CO)5}2(B){Pt(PCy3)2}(Cl)], welche sich über die oxidative Addition der BX-Bindung an das Pt(0)-Zentrum gebildet haben. Die Umsetzung der Halogenborylen-Verbindungen sowie des Ferrocenylborans mit Na[Co(CO)4] führt über eine Salzeliminierung zur Bildung der jeweiligen Trimetalloborane [{CpFe(CO)2}2(B){Co(CO3)}], [{Mn(CO)5}2(B){Co(CO3)}] und der strukturanalogen Verbindung [{CpFe(CO)2} (BFc){Co(CO3)}], welche ein zentrales Bor-Zentrum trigonal-planar von drei Metall-Fragmenten umgeben zeigen. Die Umsetzung von [{Cp*Fe(CO)2}(B){Cr(CO)5}] mit Diphenylacetylen bzw. Trimethylsilylacetylen führt zur Bildung der Ferroboriren [{Cp*Fe(CO)2B}{C2(Ph)2}] und [{Cp*Fe(CO)2B}{C2(SiMe3)H}] . Es gelingt ebenfalls, die Metalloborylen-Einheit auf weitere Metall-Fragmente zu übertragen. Dieser intermetallische Borylentransfer eröffnet einen neuen, breiteren Zugang zu verschiedenartigen Metall-Bor-Komplexen. Die thermische Umsetzung von [{Cp*Fe(CO)2}(B){Cr(CO)5}] mit [CpCo(CO)2], [Cp*Ir(CO)2], [Cp*Rh(CO)2] und [Cp*(H)Mo(CO)3] führt zur Bildung von [{Cp*Fe(CO)2)}(B){CpCo(CO)}2], [{Cp*Fe(CO)2}(B(Cp*Ir(CO)}], [{Cp*Fe(CO)2)}(B){Cp*Fe(CO)2Rh} {Cp*Rh(CO)}] sowie [Cp*Fe(CO)2}(B)(H)(CpMo(CO)2}]. Die Reaktion der Borido-Komplexe [{Cp*Fe(CO)2}(B)Cr(CO)5}]und [{Cp*Fe(CO)2}(B)(Cp*Ir(CO)}] mit den Metall-basischen Platin-Komplexen [Pt(PCy3)2] bzw. [Pt(PiPr3)3] ermöglicht die Isolierung der ungewöhnlichen T-förmigen Spezies. Mit einem weiteren {PtR2}-Fragment gelingt es, die vierte Koordinationsstelle am zentralen Bor-Atom zu besetzen und so können die tetranuklearen Komplexe [{Cp*Fe(CO)}(CO)3{Pt(PCy3)}2{Cr(CO)2}(B)] und [{Cp*Fe(CO)}(CO)3}{Pt(PEt3)2}2{Cr(CO)2(PEt3)}(B)] isoliert werden. Sie zeigen ein zentrales Bor-Atom, welches annähernd quadratisch-planar von vier Übergangsmetall-Fragmenten umgeben ist. Vor Jahrzehnten wurde ein ebensolcher Koordinationsmodus in der Kohlenstoffchemie für CM4 (M = elektropositive Metall-Atome) postuliert und später realisiert. Derartige Spezies sind heutzutage als Anti-van’t Hoff-Le Bel-Verbindungen bekannt.
Die Klasse der Iminoborylkomplexe wurde systematisch untersucht und bezüglich der metallgebundenen Coliganden und des sterischen Anspruchs der Iminofunktion variiert. Die drastische Verringerung des Raumbedarfs der Iminofunktion ermöglichte im Verlauf der Synthese von trans-[(Cy3P)2BrPt(B≡NiBu)] erstmals, das zuvor lediglich postulierte Borylintermediat NMR-spektroskopisch zu beobachten. Darüber hinaus lieferten die NMR-Spektren Hinweise auf das Vorliegen einer Gleichgewichtsreaktion, bei der es sich eventuell um eine Cyclodimerisierung handeln könnte. Außerdem führte der geringere sterische Schutz der B≡N-Dreifachbindung zu einer signifikant erhöhten Reaktivität, welche die Darstellung des ungewöhnlichen zweikernigen Komplexes [1,4-{trans-(Cy3P)2BrPt(B{NHiBu}NH)}2C6H4] ermöglichte. Der beachtliche stabilisierende Einfluss des Platinfragments auf die Iminoborylfunktion spiegelt sich in den Ergebnissen ausführlicher Reaktivitätsstudien wider. So stellt beispielsweise in trans-[(Cy3P)2BrPt(B≡NSiMe3)] nicht das niedervalente Boratom das elektrophile Zentrum dar. Stattdessen reagierte Natrium(phenylacetylid) unter Substitution des Bromidliganden und Bildung von trans-[(Cy3P)2(PhC≡C)BrPt(B≡NSiMe3)]. Die 1,2-Addition dipolarer Substrate erfolgte in allen Fällen entsprechend der Polarität und hochgradig trans-selektiv. Auf diese Weise konnten im Rahmen der beschriebenen Arbeit durch Hydroborierung der B≡N-Dreifachbindung auch die ersten Vertreter von wasserstoffsubstituierten Borylkomplexen ohne zusätzliche Stabilisierung durch eine Lewis-Base realisiert werden. Außerdem zeigte sich bezüglich der Addition protonenaktiver Reagenzien eine Abhängigkeit von der Brønsted-Acidität der Substrate und dem sterischen Anspruch beider Reaktionspartner. Trans-[(Cy3P)2BrPt(B≡NSiMe3)] reagierte erst unter sauren Bedingungen mit Wasser unter 1,2-Addition an die Iminoborylfunktion und bildet mit Aluminiumchlorid das Lewis-Addukt trans-[(Cy3P)2BrPt{BN(SiMe3)AlCl3}], welches den ersten neutralen Borylenkomplex eines Gruppe 10-Metalls darstellt. Des Weiteren gelang es, die bewährte Strategie zum Aufbau reaktiver Bor−Element-Dreifachbindungen in der Koordinationssphäre von Übergangsmetallen zur Generierung der ersten stabilen B≡O-Dreifachbindung zu nutzen. Der durch reversible Eliminierung von Trimethylbromsilan gebildete neutrale Oxoborylkomplex trans-[(Cy3P)2BrPt(B≡O)] erwies sich ebenfalls als erstaunlich stabil. Die Infrarotdaten weisen auf eine ausgesprochen starke Kraftkonstante der B≡O-Bindung hin. In Übereinstimmung hiermit bestätigten quantenchemische Untersuchungen das Vorliegen zweier orthogonaler π-Bindungen zwischen diesen Elementen. Die konstitutionelle Zusammensetzung des Oxoborylkomplexes konnte darüber hinaus auch durch die Ergebnisse von Röntgenbeugungsexperimenten belegt werden. Aufgrund massiver Fehlordnung beider anionischer und annähernd isosterer Liganden konnten die strukturellen Parameter allerdings nicht verlässlich bestimmt werden. Dieses Problem konnte jedoch durch Substitution des trans-ständigen Bromidliganden überwunden werden. Die Reaktion mit Tetrabutylammoniumthiophenolat verlief selektiv unter Metathese der Pt−Br-Bindung, wodurch die Oxoboryleinheit unangetastet blieb. Das Reaktionsprodukt trans-[(Cy3P)2(PhS)Pt(B≡O)] zeigt die bis dato kürzeste B−O-Bindung. Die formale Bindungsverkürzung im Vergleich zu einer Doppelbindung ist hierbei nur etwas geringer als für die entsprechenden Kohlenstoffanaloga. Auch die trans-ständigen Coliganden tragen essentiell zur Stabilisierung der Oxoborylfunktion bei und können demnach nicht nur als Zuschauerliganden betrachtet werden. So war die Abstraktion des Bromids von trans-[(Cy3P)2BrPt(B≡O)] mit der sofortigen Cyclodimerisierung des kationischen Komplexes unter Bildung von trans,trans-[(Cy3P)2Pt(BO2B)Pt(PCy3)2][Al(Pftb)4]2 verbunden, in dem die Verbrückung zweier Metallzentren über einen Dioxodiboretandiylliganden erstmals experimentell verwirklicht werden konnte. Durch die Gegenwart eines Überschusses an Acetonitril konnte die durch Bromidabstraktion erhaltene monomere, kationische Spezies stabilisiert werden. Strukturelle und vor allem infrarotspektroskopische Eigenschaften des ionischen Reaktionsprodukts trans-[(Cy3P)2(MeCN)Pt(B≡O)][BArf4] zeigen hierbei, dass mit der Einbringung einer positiven Ladung in den Komplex eine leichte Verstärkung der B≡O-Bindung einhergeht. Eine geringe Schwächung dieser Bindung wurde hingegen beispielsweise für das Addukt trans-[(Cy3P)2BrPt(B≡OBPf3)] festgestellt. So führte die Koordination des Lewis-aciden Borans BPf3 an das Sauerstoffatom des Oxoborylkomplexes zu einer erhöhten π-Rückbindung. Diese Ergebnisse betonen nochmals die nahe Verwandtschaft der neuen Klasse der Oxoborylkomplexe mit den gut untersuchten und wertvollen Carbonylkomplexen und vermitteln darüber hinaus einen Eindruck der vielfältigen Reaktivität dieser Verbindungen.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnte eine Reihe symmetrischer und asymmetrischer Tetrahalogendiboran(4)-Addukte realisiert werden. Die symmetrischen Brom-substituierten Vertreter 19 und 102–107 waren durch quantitativen Ligandenaustausch der schwach gebundenen Lewis-Base SMe2 von 101 zugänglich. Im Falle der IDip-stabilisierten Addukte 108 bzw. 109a/b gelang die Darstellung in sehr guten Ausbeuten durch direkte Umsetzung von freiem Carben mit den Tetrahalogendiboran(4)-Vorstufen 1 (X = Cl) bzw. 2 (X = I). Die asymme¬trischen Vertreter 113a–116b konnten durch sukzessive Adduktbildung ausgehend von 1 bzw. 6 mit cAAC und dem jeweiligen NHC bei tiefen Temperaturen (−78 °C) in moderaten bis guten Ausbeuten dargestellt werden.
Nachfolgende Reduktionsversuche der asymmetrischen Addukte 113a/b und 114b–116b waren von mäßigem Erfolg geprägt. Als Reduktionsmittel wurden Alkali- bzw. Erdalkalimetalle, Interkallationsverbindungen und Übergangsmetallkomplexe eingesetzt. Zwar war in allen Fällen eine deutliche Farbänderung beobachtbar, die, zusammen mit den beobachteten Resonanzen in den 11B-NMR-Spektren, die Synthese von asymmetrischen Diborenen nahelegten, jedoch gelang die Isolierung der Diborene nicht. Hierbei gestaltete sich die Abtrennung der gebildeten Nebenprodukte als problematisch.
Deutlich selektiver verliefen hingegen die Reduktionen der symmetrischen Tetrahalogen-diboran(4)-Bis(Addukte) mit NaNaph bei tiefen Temperaturen (−78 °C). Hierbei gelang es, das Portfolio der bereits bekannten Vertreter dieser Substanzklasse zu erweitern. So konnten die Brom-substituierten Diborene 126–128 erstmals vollständig charakterisiert werden. Der Einfluss der Halogenatome auf die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Diborene wurde ferner an zwei Beispielen der IDip-stabilisierten Diborene 129 und 130 untersucht.
Bei identischem NHC, aber unterschiedlichen Halogenen, konnten die Eigenschaften der Diborene 21, 129 und 130 näher untersucht und miteinander verglichen werden. Besonders deutlich werden die Redoxeigenschaften der Diborene von der Art des gebundenen Halogens beeinflusst, wie cyclovoltammetrische Untersuchungen belegen. Alle NHC-stabilisierten 1,2 Dihal¬ogen¬diborene konnten ferner anhand ihrer physikalischen Eigenschaften eingeordnet und miteinander verglichen werden.
Neben der Synthese und Charakterisierung neuartiger Diborene wurden auch verschiedene Reaktivitätsstudien durchgeführt. So konnten die Diborene 21, 123, 126 und 129 mit CO2 unter milden Bedingungen umgesetzt werden, wobei verschiedene Reaktionsprodukte nachgewiesen wurden. Der initiale Schritt umfasste in allen Fällen eine [2+2]-Cycloaddition die zu den Dibora-β-Lactonen 131a–134a führte, von denen 131a und 132a vollständig charakterisiert werden konnten. Im weiteren Reaktionsverlauf wurden jedoch Isomerisierungsreaktionen von 132a–134a bei Raum¬temperatur beobachtet, wobei die 2,4 Diboraoxetan 3 one 132b–134b isoliert wurden.
Bedingt durch die verhältnismäßig langsame Umsetzung von 21 zu 132a konnte die [2+2] Cyclo¬addition mittels 1H-VT-NMR-Spektroskopie verfolgt werden, wobei die Rückgrat¬protonen der NHCs als selektive Sonde dienten. Eine bemerkenswert hohe Stabilität konnte für 131a bei Raumtemperatur beobachtet werden, bei der keine Anzeichen einer Umlagerung nachweisbar waren. Die angefertigten quantenchemischen Untersuchungen zum Reaktions¬mechanismus legen eine höhere Energiebarriere des Schlüsselschrittes der Umlagerungs¬reaktion für 131a als für 132a nahe, womit die Stabilität von 131a erklärbar ist. Ferner konnten beim Erhitzen von 131a für 16 Stunden auf 60 °C kurzlebige Intermediate in Form eines Oxoborans und Borylens, die im Laufe der Isomerisierungsreaktion der Dibora-β-Lactonen zu den 2,4 Diboraoxetan 3 onen auftreten, 11B NMR-spektroskopisch nachgewiesen werden. Hierdurch wurde ein weiteres Indiz gewonnen, dass die Richtigkeit des postulierten Reaktionsmechanimus verdeutlicht.
Die reduzierende Wirkung der Diborene konnte mit der Darstellung von Radikalkationen demonstriert werden. Hierbei erfolgte die Umsetzung der Diborene 21, 123–126 und 128 mit [C7H7][BArF4] zu 138–143 in guten bis sehr guten Ausbeuten. Die gebildeten Radikale konnten vollständig charakterisiert werden und sind wegen ihrer Eigen¬schaften gut mit bereits literaturbekannten Vertretern dieser Substanzklasse vergleichbar.
Versuche die Radikalkationen durch Umsetzung der Diborene mit [C7H7][BF4] darzustellen scheiterten an der Zersetzung während der Aufarbeitung, wodurch die Wichtigkeit des schwach koordinierenden Anions verdeutlich wird. Entgegen der Erwartungen wurden beim Vergleich der ESR-Spektren der dargestellten Radikalkationen mit bekannten Analoga deutlich unterschiedliche giso-Werte ermittelt, die auf den starken Einfluss der Bromatome zurückzuführen sind. Des Weiteren war es möglich, eine Korrelation zwischen den Strukturparametern in der Festphase und den UV/Vis-Absorptionsmaxima in Lösung nachzuweisen, wonach für diejenigen Radikale die stärkste Blauverschiebung beobachtet wurde, die den größten Diederwinkel α, zwischen den B2Br2-Ebenen und den CN2C2-Carben-ebenen, aufwiesen.
In weiteren Studien wurden die Redoxeigenschaften der Diborene durch Umsetzung von
21 und 123–125 mit elementaren Chalkogenen unter milden Reaktionsbedingungen untersucht. So konnten durch Umsetzung der Diborene mit elementarem Schwefel die Diborathiirane
144–147 in moderaten bis guten Ausbeuten erhalten werden. Trotz eines großen Überschusses an Schwefel wurde aber keine vollständige BB-Bindungsspaltung beobachtet. Auf analoge Weise wurden die Diboraselenirane 148, 150 und 151 durch Umsetzung mit rotem Selen in moderaten bis guten Ausbeuten synthetisiert. Deutliche Unterschiede zeigten sich aber beim IDep-stabilisierten Diboren 123, das ein radikalisches Seleniran ausbildete. Überschüs¬siges Selen begünstigt vermutlich eine Folgeoxidation des in situ gebildeten Diboraselenirans, die jedoch für die anderen Verbindungen dieser Substanzklasse nicht beobachtbar war. Interessanterweise wurde bei allen Dipp-substituierten Verbindungen (Diborathiirane 144 und 146 sowie Dibora¬selenirane 148 und 151) das Fehlen einer Dipp-Gruppe der stabilisierten NHC-Basen im 1H NMR-Spektrum nachgewiesen. Dieser Umstand konnte durch eine eingeschränkte Rotation um die BC-Bindungsachse mittels 1H-VT-NMR-Spektrum aufgeklärt werden, wobei die Rotationsbarriere exemplarisch für 144 13.9 ± 1 kcal/mol beträgt.
Eine bemerkenswerte Reaktivität der 1,2-Dibromdiborene 21 und 123–126 wurde gegenüber hetero¬aroma¬tischer Stickstoffbasen beobachtet. Mit einem großen Überschuss an Pyridin konnte ein Bromidanion aus den Diborenen verdrängt werden, wodurch die Diborenkationen 154–158 in moderaten bis guten Ausbeuten erhalten wurden. Die Abtrennung der dabei unvermeidlich gebildeten NHC-Salze gestaltete sich als schwierig, allerdings gelang es, nach einer in situ Deprotonierung mit NaHMDS die freien NHCs zu entfernen. Versuche der Deri-vatisierung mit anderen aromatischen Basen wie 2- bzw. 4-Picolin, Chinolin oder 2,2’-und 4,4’-Bipyridin scheiterten. Erfolgreich konnte DMAP eingesetzt werden, wodurch es möglich war, die Diborenkationen 160–162 in guten bis sehr guten Ausbeuten zu erhalten. Interessanterweise zeigen 154–158 teils deutliche solvatochrome Absorptions¬eigenschaften in den UV/Vis-Spektren. Im Laufe der Umsetzung von 125 mit Pyridin konnte durch angepasste Reaktions¬bedingungen das Dikation 159 in moderaten Ausbeuten isoliert werden. Dessen bemerkenswerte Stabilität zeigte sich durch eine ausgeprägte Widerstands¬fähigkeit gegenüber Sauerstoff und Luftfeuchtigkeit über mehrere Wochen. Weiterführende Unter¬suchungen der Festkörperstruktur von 159 zeigen Bindungsparameter, die trotz der ionischen Natur der Verbindung, nur geringfügig von denen des neutralen Diborens 125 abweichen. Mittels Raman-Spektroskopie konnten des Weiteren die BB-Bindungsstärke in 159 näher bestimmt werden, die mit einer Kraftkonstante von 470 N/m nahezu identisch zu der des neutralen Dibores (465 N/m) ist, was Rückschlüsse auf die Lokalisierung der positiven Ladungen auf den Pyridinringen zulässt. Aus diesem Grund kann Verbindung 159 als bis dato einziges Beispiel eines luft- und feuchtigkeitsstabilen Diborens bezeichnet werden.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden Gruppe 6 Aminoborylenkomplexe zum Borylentransfer auf Alkine verwendet. Die Bor–Übergangsmetallmehrfachbindung wird gespalten, und die Boryleneinheit (BR) auf die C-C-Dreifachbindung übertragen. Diese formale [2+1]-Cycloaddition macht Borirene (Boracyclopropene) in sehr guten Ausbeuten zugänglich. In früheren Arbeiten ist die Borirensynthese entweder auf geringe Ausbeuten oder auf wenige Beispiele mit schwer zugänglichen Edukten beschränkt. Die entwickelte Methode des Borylentranfers, macht die nach Hückel kleinsten, aromatischen Systeme im Sinne einer „Eintopfreaktion“ darstellbar. Die Verbindungen konnten vollständig spektroskopisch und strukturell charakterisiert werden. Die photophysikalischen Eigenschaften der Borirene wurden mit UV/Vis-Spektroskopie untersucht, mit dem Ergebnis, dass diese im nicht sichtbaren Bereich des Spektrums absorbieren.Die allgemeine Anwendbarkeit des Borylentransfers konnte durch eine doppelte Borylenübertragung auf Diine belegt werden. Es konnte gezeigt werden, dass zwei Aminoboryleneinheiten stöchiometrisch auf ein Substrat übertragen werden. Auf diese Weise konnten erstmalig Bisborirene spektroskopisch und strukturell charakterisiert werden. Die Röntgenstrukturanalysen der Bisborirene 82 und 86 haben ergeben, dass aufgrund der sperrigen Bis(trimethylsilyl)aminosubstituenten eine starke Verdrillung der beiden Boracyclopropeneinheiten zueinander vorliegt. Im Falle von 82 sind beide Ebenen der dreigliedrigen Ringsysteme nahezu senkrecht zueinander angeordnet. Die in guten Ausbeuten synthetisierten Borirene konnten wiederum für deren Reaktivitätsuntersuchungen eingesetzt werden. Interessanterweise war es möglich, das Boriren 58e zu hydroborieren. In Gegenwart von 9-BBN erfolgte eine selektive B–C-Bindungsspaltung von 58e, unter Bildung einer B–H-Bindung. Ein weiterer Aspekt dieser Arbeit sind die Reaktivitätsstudien der Borylenkomplexe 32 und 33, gegenüber C=O-Doppelbindungen sowie C–N-Mehrfachbindungen. Es wurden durch die photochemischen Umsetzungen von 32 bzw. 33 mit Aceton, Benzophenon und tert-Butylcyanid, andere borhaltige Verbindungen erhalten, deren Konstitution aber nicht geklärt werden konnte. Die Reaktivitätsuntersuchungen von 32 und 33 gegenüber Alkenen, hat ergeben, dass eine formale Insertion des Borylenliganden in eine olefinische C–H-Bindung stattfindet. C–H-Aktivierungen durch Borylene wurden vorher nur in der Matrix beobachtet oder postuliert, ohne die erhaltenen Reaktionsprodukte zu charakterisieren. Durch die photochemische Umsetzung von 32 mit 3,3-Dimethyl-1-buten sind die Verbindungen 104 und 105 zugänglich (Abb. 78). Das Vinylaminoboran 104 wurde als farblose Flüssigkeit in 31% Ausbeute erhalten, und das Tieftemperatur 1H-NMR-Spektrum zeigte deutlich ein Signal des borgebundenen H-Atoms bei = 5.47ppm. Die Struktur des Olefinkomplexes 105 konnte durch Röntgenstrukturanalyse geklärt werden und in Übereinstimmung mit der NMR-Spektroskopie, lassen sich die Bindungsverhältnisse der B–H-Bindung als sigma-Koordination zum Chromzentrum erklären.
Die vorliegende Arbeit umfasst im Wesentlichen Studien über die Reaktivität von Diboracumulenen sowie Dicyanodiborenen gegenüber diversen Substraten verschiedener Substanzklassen, wie z. B. Acetylenen, Aminen, Aziden, Nitrilen, Isonitrilen und Übergangsmetallen. Auf diese Weise sollen zunächst Einblicke in das unterschiedliche Reaktionsverhalten der niedervalenten Borverbindungen ermöglicht sowie ein Verständnis für die erhaltenen, teils neuartigen, Bindungsmodi und Substanzklassen etabliert werden. Die jeweiligen MecAAC- und CycAAC-stabilisierten Verbindungen wurden hierbei auf den Einfluss des sterischen Anspruchs der Liganden in Bezug auf die Reaktivität untersucht. Die aufgeführten Kapitel beziehen sich daher auf die Reaktivität der Diboracumulene wie auch die der Dicyanodiborene gegenüber Verbindungen jeweils einer bestimmten Substanzklasse. Die erhaltenen Produkte werden, soweit möglich, miteinander verglichen.
Lewisbasenstabilisierte Bor-Bor-Mehrfachbindungssysteme - Darstellung und Reaktivitätsstudien
(2021)
Diese Dissertation befasst sich mit der Darstellung und Reaktivität von Lewisbasenstabilisierten Bor-Bor-Mehrfachbindungssystemen.
Besonderes Augenmerk lag hierbei auf der Aktivierung von Element-Wasserstoff-Bindungen von Boranen, Aminen, Silanen und Phosphanen durch NHC-stabilisierte Diborine. Des Weiteren wurde die Aktivierung von Bor-Bor-, sowie Phosphor-Phosphor-Einfachbindungen untersucht. Zusätzlich wurde die Reaktivität gegenüber Carbenen und aromatischen Stickstoffbasen näher beleuchtet.
Einfach Lewis-Basen stabilisierte Borylene wurden durch Reduktion in situ hergestellt und in Gegenwart von Kohlenstoffmonoxid oder Distickstoff umgesetzt. Die entstandenen Verbindungen wurden mittels NMR-, ESR-, UV/Vis- und IR-Spektroskopie sowie Einkristallröntgenstrukturanalyse charakterisiert. Im Zuge dessen konnten für die erhaltenen Spezies Eigenschaften ermittelt werden, die denen analoger Übergangsmetallkomplexe ähneln. Ferner konnten die zugrundeliegenden mechanistischen Vorgänge der Reaktionen durch gezielte Variation der Reaktionsparameter aufgeklärt werden. Zudem wurden Redoxverhalten und Reaktivitäten der isolierten Produkte in weiterführenden Studien näher untersucht.
Im Rahmen dieser Arbeit war es möglich, eine Vielzahl NHC-stabilisierter Tetrabromdiboran-Addukte zu synthetisieren und mithilfe von zwei bzw. vier Reduktionsäquivalenten zu reduzieren. Dies führte zur Bildung neuartiger Dibromdiborene bzw. Diborin-Verbindungen, welche infolgedessen charakterisiert wurden. Der Einfluss des Carbens auf die jeweilige Struktur und Elektronik der synthetisierten Verbindungen war hierbei von besonderem Interesse.
Im Fall der Diborine gelang es neben den beiden bereits literaturbekannten Verbindungen XXIII und XXXII drei neue Vertreter mit einer B≡B-Dreifachbindung (7, 8 und 9) darzustellen.
Aufgrund der Verwendung von gesättigten Carbenen wurden die spektroskopischen und strukturellen Eigenschaften der Verbindungen soweit modifiziert, dass sie zwischen denen mit einer isolierten Dreifachbindung (B2IDip2 (XXIII) und B2IDep2 (XXXII)) und der mit Kumulencharakter (B2CAAC2 (XXXIV)) eingeordnet werden können.
Neben der Charakterisierung neuartiger Verbindungen mit Bor–Bor-Dreifachbindungscharakter konnten auch zahlreiche Reaktivitätsstudien durchgeführt werden. So verdeutlichte sich der strukturelle und elektronische Unterschied der Diborine vor allem am Beispiel der Reaktivität gegenüber CO (Schema 42). Während für B2IDip2 (XXIII) der Reaktionsverlauf über das Intermediat XXV zum Bis(boralacton) XXVI reagierte, konnte für die Diborine 7 und 8 primär die Bildung des jeweiligen Bis(boraketens) (16 und 18) beobachtet werden. Die Bindungssituation dieser Zwischenstufen wird vor allem durch die π-Rückbindungen der Boratome in die CO-Bindung geprägt, welche zu einer Schwächung dieser führen und sowohl in den Festkörperstrukturen als auch in den Schwingungsspektren verdeutlicht wird. Die weitere Umsetzung zu den entsprechenden Bis(boralactonen) 17 und 19 erfolgte im Anschluss je nach Substituent bei Raumtemperatur (16) oder durch Heizen der Boraketen-Zwischenstufe (18). Mithilfe quantenmechanischer Betrachtung konnte die Ursache der unterschiedlichen Reaktionsverläufe näher erläutert werden, auch unter Einbeziehung des Diborakumulens XXXIV, welches mit Überschuss an CO auch bei hohen Temperaturen lediglich zur Bildung des Bis(boraketens) (XXXV) führt. Dies zeigt, dass aufgrund der unterschiedlichen Reaktionsbarrieren der jeweiligen Diborine bzw. des Diborakumulens mit CO die Bildung des Ketens bzw. anschließend des Bis(boralactons) verschieden stark bevorzugt wird. Für B2IDip2 (XXIII) wird deshalb aufgrund der hohen freien Gibbs-Energie, welche bei der Bildung des Bis(boralactons) entsteht, im ersten Schritt keine Bildung des IDip-stabilisierten Bis(boraketens) beobachtet und für B2CAAC2 (XXXIV) aufgrund von nahezu keiner Energiegewinnung im zweiten Schritt lediglich XXXV gebildet. Die freien Gibbs-Energien beider Reaktionsschritte der Umsetzungen von B2SIDip2 (7) und B2SIDep2 (8) mit CO ordnen sich zwischen den oben beschriebenen Extrema ein.
Einen Einfluss des Carbens auf die Reaktivität zeigte auch die Umsetzung mit Wasserstoffgas. Während bei XXIII, XXXII und 7 keine Reaktionen beobachtet werden konnten, verlief diese bei 8 und XXXIV unter einer 1,2-Addition des H2-Moleküls an die B–B-Bindung und Bildung der jeweiligen Dihydrodiborene 21 (B2H2SIDep2) und XXXVIII (B2H2CAAC2).
Neben der Reaktivität gegenüber CO und H2 wurden auch Reaktionen beschrieben, welche zu einer Insertion einer in-situ-gebildeten Borylen-Spezies führten. Diese sind die Umsetzungen von B2IDip2 (XXIII) mit CO-Quellen oder der Brønstedt-Säure Triethylammonium(tetraphenyl)borat. In beiden Fällen kam es im Laufe der Reaktion zur Insertion eines Borfragments in die CH-Bindung des Isopropylrestes und zur Bildung der Boracyclen 20 (B2IDip2CO) und 25 ([B2IDip2H][BPh4]). Daneben konnte eine ähnliche Beobachtung bei der Umsetzung des SIDep-stabilisierten Diborins 8 mit Isonitrilen gemacht werden. Hierbei insertierte bei der Reaktion mit Metyhlisonitril ein Borfragment in den benachbarten Imidazolring unter Ausbildung eines Sechsrings. Gleichzeitig konnte eine CH-Aktivierung des Ethylrestes des Dep-Substituenten beobachtet werden. Bei der analogen Umsetzung mit tert-Butylisonitril wurde neben der einfachen auch die zweifache Insertion beider Borzentren beobachtet.
Die Reaktivität gegenüber Chalkogenen und Chalkogenverbindungen stellte einen weiteren, zentralen Aspekt dieser Arbeit dar.
Die Umsetzung von B2IDip2 mit elementarem Schwefel und Selen führte dabei zur Spaltung der B≡B-Bindung durch reduktive Insertion von drei Chalkogenbrücken und Bildung der entsprechenden Pentachalkogenverbindungen 26 und 27. Die analogen Umsetzungen des Diborins 7 mit Selen führte ebenfalls zur Bildung einer Pentachalkogenverbindung (29). Da derartige Verbindung in der Literatur bislang nicht bekannt sind, sollte auch deren Reaktivität exemplarisch an 27 untersucht werden. Dabei zeigte sich, dass die Verbindung stabil unter photolytischen Bedingungen ist und sich bei thermischer Behandlung erst nach mehreren Tagen zersetzt. Die Umsetzung mit Triphenylphosphan oder elementarem Natrium zur Entfernung von Selenfragmenten oder mit Triphenylphosphanselenid zur Addition weiterer Seleneinheiten zeigten keine Reaktionen. Lediglich die Umsetzung mit zwei Äquivalenten Natriumnaphthalid führte zur erfolgreichen Darstellung des Dimers 28. Im Gegensatz dazu lieferte die Reaktion des Diborins 8 mit elementarem Selen bereits ein anderes Strukturmotiv (30), in welchem sechs Selenatome in Form von ein-, zwei und dreiatomigen Henkeln zwischen die Boratome insertierten. Durch Umsetzung mit Triphenylphosphan deuteten erste Reaktionsversuche darauf hin, dass es möglich ist, selektiv ein Selenfragment aus der dreiatomigen Selenbrücke zu entfernen und die entsprechende Pentachalkogenverbindung 31 zu generieren.
Reaktivitätsstudien der Diborine XXIII, 7 und 8 gegenüber Diphenyldisulfid und -selenid als auch gegenüber Isopropylthiol führten in allen Fällen zur 1,2-Addition an die B≡B-Bindung unter Bildung der Diborene 32 bis 36 bzw. 42 und 43.
Im Gegensatz dazu kam es bei der Reaktion von XXIII mit Diphenylditellurid zur Bildung eines salzartigen Komplexes 37, in welchem ein Phenyltellurireniumkation die B≡B-Bindung verbrückte und das entsprechende Phenyltellurid als Gegenion fungierte. Durch den Einsatz von para-substituierten Diphenylditelluriden konnten zwei weitere Verbindungen (38 und 39) dargestellt werden. Dabei zeigte der para-Substituent jedoch nur einen geringen Einfluss auf die elektronische Struktur der gebildeten Produkte. Die Reaktion von Diborin 8 mit Diphenylditellurid zeigte neben der Bildung des salzartigen Komplexes 40 auch die Entstehung des 1,2-Additionsproduktes 41, was vermutlich wie bereits bei der Reaktion mit elementarem Selen auf sterische Effekte zurückzuführen ist (Schema 45). Aufgrund der besonderen Bindungssituation in den Komplexen 37 bis 40 wurden diese eingehender untersucht. Die Auswertung der Röntgenstrukturanalyse, Raman-Spektroskopie, 11B-NMR-Spinkopplungsexperimente sowie der quantenmechanischen Rechnungen ergab dabei Hinweise auf eine Koordinationsverbindung nach dem Dewar-Chatt-Duncanson-Bindungsmodell.
Weitere Reaktivitätsstudien v.a. des IDip-stabilisierten Diborins (XXIII) beschäftigten sich mit der Synthese von π-Komplexverbindungen durch Reaktionen von XXIII mit Alkalimetallkationen in der Ligandensphäre schwach koordinierender Anionen mit Kupfer(I)-Verbindungen. Die Bildung sogenannter Kation-π-Komplexe des Diborins mit Lithium bzw. Natrium gelang durch die Umsetzung von B2IDip2 (XXIII) mit je zwei Äquivalenten Lithium bzw. Natriumtetrakis(3,5-dichlorphenyl)borat quantitativ unter Bildung von 46 und 47 als unlösliche, violette Feststoffe.
Die in der Kristallstruktur ersichtliche Bindungssituation zeigt die Einkapselung der jeweiligen Kationen durch das B2-Fragment des Diborins sowie der Arylreste der Ligandensphäre, die sich infolgeder Komplexierung ekliptisch zueinander anordnen. Aufgrund der ungewöhnlichen Bindungssituation wurden theoretische Studien aufbauend auf den aus den Kristallstrukturen und den aus spektroskopischen Messungen erhaltenen Daten angefertigt. Diese beweisen eine rein elektrostatische Wechselwirkung der Kationen mit der noch intakten B≡B-Bindung des Diborins. Auch für die Diborine 7 und 8 konnten am Beispiel des Natriumtetrakis(3,5-dichlorphenyl)borats die Komplexe 48 ([B2SIDip2Na2][BArCl4]) und 49 ([B2SIDep2Na2][BArCl4]) erfolgreich dargestellt werden. Dies beweist, dass in den SIDip- und SIDep-substituierten Diborinen noch genügend Elektronendichte auf der B–B-Bindung lokalisiert ist, um derartige π-Wechselwirkungen auszubilden.
Die Reaktivität des Diborins XXIII gegenüber Kupfer(I)-Verbindungen wurde bereits von Dr. Jan Mies im Zuge seiner Dissertation untersucht. In dieser Arbeit ist es nun gelungen, weitere Komplexe mit Kupfer(I)-alkinylen (50 und 51) darzustellen. Darüber hinaus war es möglich, eine alternative Syntheseroute zur Darstellung des dreikernigen Kupfer(I)-chlorid-Komplexes XXVII zu entwickeln sowie den entsprechenden Zweikerner 52 darzustellen. Die Verbindungen XXVII, 52 und XXVIII wurden im Anschluss in Kooperation mit der Gruppe um Dr. Andreas Steffen auf ihre photophysikalischen Eigenschaften hin untersucht.Dabei zeigte sich, dass alle drei Verbindungen aufgrund der langen Lebenszeiten ihrer angeregten Zustände phosphoreszieren, die Quantenausbeute der Phosphoreszenz jedoch stark von der Verbindung abhängig ist. Während der dreikernige Kupfer(I)-Komplex XXVII bereits in Lösung eine Quantenausbeute von 29 % aufwies, war eine Bestimmung der Quantenausbeute in Lösung für B2IDip2(CuC2TMS)2 (XXVIII) aufgrund der schwachen Emission nicht möglich. Die Ursache des unterschiedlichen Emissionsverhaltens konnte mittels Betrachtung von Absorptions- und Anregungsspektren erklärt werden. Für B2IDip2(CuCl)3 sind die beiden Spektren in Lösung nahezu identisch. Im Gegensatz dazu weisen die beiden Zweikerner 52 und XXVIII ein vom Absorptionsspektrum verschiedenes Anregungsspektrum auf, was darauf schließen lässt, dass es zu Konformationsänderungen im angeregten Zustand kommt, welche die Emission auslöscht. TheoretischeStudien bestätigen für 52, dass die Barriere zwischen zwei Konformeren, in denen die Kupferfragmente linear bzw. orthogonal angeordnet sind, lediglich 4.77 kcal/mol beträgt und bekräftigen damit die vermutete Ursache der schwachen Emission.
Ein zweites Thema dieser Arbeit beschäftigte sich mit der Darstellung und Untersuchung neuartiger Dibromdiborene, welche im Zuge der Diborin-Synthese beobachtet werden konnten. Dabei gelang es neben dem bereits literaturbekannten IDip-stabilisierten Dibromdiboren (XXIV) noch sechs weitere Vertreter dieser Verbindungsklasse darzustellen (10–15). Auch hier konnte ein Einfluss der Carbenliganden auf die strukturellen und elektronischen Eigenschaften beobachtet werden.
Die Reaktivität der Dibromdiborene wurde in einigen Testreaktionen untersucht. Dabei zeigte sich, dass im Hinblick auf ihr Oxidationsverhalten die literaturbekannte Darstellung von Monokationen (53 [B2Br2IDip2][BArF4] und 54 [B2Br2IDep2][BArF4]) nachempfunden werden konnte. Versuche zur Bromsubstitution zeigten durch Umsetzung mit BuLi den Austausch der Bromid-Liganden durch Butylgruppen, jedoch bildeten sich aufgrund von Umlagerungen anstelle der erwarteten Diborene die kondensierten Ringsysteme 56–58.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden neue Borylenübergangsmetallkomplexe dargestellt und charakterisiert. Neben der Synthese und strukturellen Charakterisierung verschiedener hetero bzw. homodinuklear verbrückter und terminaler Borylenkomplexe konnte erstmalig ein Bisborylenkomplex dargestellt werden. Der Einfluss des Lösungsmittels auf den Ablauf der Borylentransferreaktion wurde ebenso untersucht wie der Einfluss der verwendeten Borylenquelle auf die Reaktionsbedingungen des Intermetallborylentransfers. Außerdem wurde ein Beitrag zur Aufklärung des Mechanismus des Intermetallborylentransfer geleistet und Untersuchungen zur Stabilität und Reaktivität der neuen terminalen Borylenkomplexe durchgeführt.
Im Rahmen dieser Arbeit war es möglich, vielfältige Reaktivitäten des Diborakumulens (7) und davon abgeleiteter Verbindungen zu untersuchen. Häufig begründet in den bemerkenswerten elektronischen Eigenschaften der verwendeten CAAC-Liganden, konnten neuartige und teilweise ungewöhnliche Bindungsmodi an niedervalenten Borspezies beobachtet werden. Der Einfluss der starken σ-Donor-Fähigkeiten und der hohen π-Acidität der cyclischen (Alkyl)(amino)carbene spiegeln sich hierbei in vergleichenden Reaktivitätsstudien mit den entsprechenden NHC-stabilisierten Bor–Bor-Mehrfachbindungssystemen wider.
Zunächst wurde jedoch auf die Synthese weiterer Diborakumulene eingegangen und am Beispiel der Bis(CAACCy)-stabilisierten B2-Einheit (12) erfolgreich durchgeführt. Mit vergleichbaren 11B-NMR-Verschiebungen und Bindungslängen unterscheidet sich die Verbindung in ihren elektronischen Eigenschaften kaum von B2(CAAC)2 (7), welches aufgrund der besseren Zugänglichkeit für die Reaktivitätsstudien eingesetzt wurde.
Grundlegende Studien zum Redoxverhalten des Diborakumulens zeigten die vollständige, oxidative Spaltung der Bor–Bor-Bindung mit Chlorgas unter Ausbildung eines CAAC-stabilisierten Bortrichlorid-Fragments.
Die Arbeiten zum Bis(boraketen) 17 und die Darstellung des Bis(boraketenimins) 18 durch die Umsetzung des Diborakumulens mit Kohlenstoffmonoxid bzw. geeigneten Isocyaniden, stellte einen ersten größeren Teilbereich dieser Arbeit dar. Durch die enorme π-Rückbindung in die CAAC-Liganden und die CO-Liganden aus der elektronenreichen B2-Einheit kommt es in 17 zu einer Aufweitung der B–B-Bindung und orthogonal zueinander stehenden Molekülhälften. Im weiteren Verlauf konnte ein Mechanismus für die Addition von CO an B2(CAAC)2 gefunden werden, in dem aufgrund hoher energetischer Barrieren eine Umsetzung zum Bis(boralacton) – einer Spezies, die für die Reaktion von Kohlenstoffmonoxid mit NHC-stabilisierten Diborinen gefunden wurde – unterbunden wird. Die elektronischen und strukturellen Unterschiede zwischen Diborinen und dem Diborakumulen 7 konnten so erstmals anhand definierter Reaktionsbedingungen evaluiert werden. Die Reaktion von 7 mit zwei Äquivalenten tert-Butylisocyanid führte zur Bildung eines Bis(boraketenimins). Ähnlich wie im Bis(boraketen) 17 kommt es auch hier unter anderem zu einer starken π-Rückbindung in den Isocyanidliganden einhergehend mit der Aufweitung der B–B-Bindung und orthogonal zueinander stehenden Molekülhälften. Die Thermolyse der Verbindung führte zu einer Abspaltung zweier tert-Butylradikale und zur Bildung des ersten, strukturell charakterisierten Dicyanodiborens 20.
Das Dicyanodiboren zeigte hier eine strukturelle Besonderheit: Während ein CAAC-Ligand in Konjugation mit dem π-System der B2-Einheit steht, zeigt der zweite CAAC-Ligand eine orthogonale Orientierung zu diesem, was vermutlich zu einer Polarisierung der B=B-Doppelbindung führt und potentiell hochinteressante Reaktivitäten ermöglicht. So führte die Umsetzung von 20 mit Kohlenstoffmonoxid zur Spaltung der B–B-Bindung und Insertion eines µ2-gebundenen CO-Moleküls in die BB-Einheit. Die Tatsache, dass ein ähnliches Reaktionsverhalten bisher nur vom ebenfalls CAAC-stabilisierten Dihydrodiboren 22 bekannt war (vide infra), demonstrierte an diesem Beispiel eindeutig die bemerkenswerten Fähigkeiten von CAACs reaktive, niedervalente Hauptgruppenelementverbindungen zu stabilisieren.
Die Reaktivität des Diborakumulens 7 gegenüber Diwasserstoff stellte einen weiteren, großen Teilaspekt dieser Arbeit dar. Das Rühren von 7 unter einer H2-Atmosphäre führte zur 1,2-Addition des H2-Moleküls an die B2-Einheit unter Ausbildung eines trans-ständigen, Basen-stabilisierten Dihydrodiborens 22. Im Gegensatz zum Dicyanodiboren (20) handelt es sich bei 22 um eine C2-symmetrische Verbindung, dessen π-System im HOMO aufgrund der π-Acidität der CAAC-Liganden über das gesamte C–B–B–C-Grundgerüst delokalisiert ist. Die Hydrierung wurde ebenfalls mit hochreinem D2 durchgeführt, um eine Hydridabstraktion aus dem Lösungsmittel auszuschließen. DFT-Berechnungen konnten zudem die Bor-gebundenen Wasserstoffatome als Hydride klassifizieren und den Mechanismus der Addition von Diwasserstoff an die B2-Einheit ermitteln. Mit einem berechneten, exothermen Reaktionsverlauf stellt die Umsetzung von 7 zu 22 auf diesem Weg das erste Beispiel einer nicht katalysierten Hydrierung einer homodinuklearen Mehrfachbindung der 2. Periode dar.
Das CAAC-stabilisierte Dihydrodiboren 22 zeigte im Verlauf dieser Arbeit vielfältige Bindungsmodi aus der Umsetzung mit Kohlenstoffmonoxid. Unter anderem die Eigenschaft von CAACs, eine 1,2-Wasserstoffwanderung von angrenzenden BH-Einheiten auf das Carbenkohlenstoffatom zu begünstigen, führte zur Ausbildung verschiedener Tautomere. Während das Produkt aus der formalen Addition und Insertion von zwei CO-Molekülen (24) lediglich unter CO-Atmosphäre stabil war, konnte unter Argonatmosphäre ein Tautomerengemisch von 25 mit intakter Bor–Bor-Bindung und einer Boraketeneinheit isoliert werden. Während dieser Prozess vollständig reversibel war, führte das Erhitzen von 25 zur Bildung eines Alkylidenborans (26), welches ebenfalls in zwei tautomeren Formen vorlag. Darüber hinaus konnte die Bildung einer weiteren Spezies (27) in geringen Ausbeuten beobachtet werden, die aus der vollständigen Spaltung eines CO-Fragments und der Bildung einer intramolekularen C≡C-Dreifachbindung resultierte. VT-NMR- und Korrelationsexperimente, Kristallisationen unter verschiedenen Atmosphären, Schwingungsspektroskopie sowie die mechanistische Analyse der Umsetzungen basierend auf DFT-Berechnungen ermöglichten hier einen tiefen und detaillierten Einblick in die zugrunde liegenden Prozesse.
Die thermische Umsetzung des Dihydrodiborens 22 mit Acetylen führte wider Erwarten nicht zur Cycloaddition an die B=B-Doppelbindung, sondern zur Insertion in diese. Das erhaltene Produkt 28 zeigte eine C2-symmetrische Struktur und durchgängig sp2-hybridisierte Kohlenstoff- und Borzentren entlang der Hauptachse. Eine DFT-Studie ergab ein konjugiertes π-System, dass dem 1,3,5-Hexatrien stark ähnelte.
Eine weitere Umsetzung von 22 mit zwei Äquivalenten Diphenyldisulfid führte ebenfalls zur Spaltung der B=B-Doppelbindung und zur Ausbildung eines CAAC-stabilisierten, sp3-hybridisierten Monoborans.
Das Diborakumulen 7 konnte in zwei weiteren Reaktivitätsstudien selektiv mit Kohlenstoffdioxid und Aceton umgesetzt werden. Die Reaktion von B2(CAAC)2 mit zwei CO2-Molekülen führte zur Ausbildung einer Spezies mit einer Boraketenfunktionalität und einem Borsäureesterderivat (30). Für die Aktivierung von Kohlenstoffdioxid an unpolaren Mehrfachbindungen gab es bisher kein Beispiel in der Literatur, sodass diese mechanistisch untersucht wurde. Hier erfolgte die Reaktion über eine ungewöhnliche, sukzessive [2+1]-Cycloaddition an die koordinativ ungesättigten Boratome mit einem insgesamt stark exergonen Verlauf.
Die Umsetzung von 7 mit Aceton führte zur Ausbildung eines fünfgliedrigen Heterocyclus mit einer C=C-Doppelbindung und asymmetrisch verbrückter Bor–Bor-Bindung mit einem orthogonal zum Heterocyclus stehenden μ2-Hydrid. Interessanterweise zeigte hier eine vergleichende Studie von Tobias Brückner an einem SIDep-stabilisierten Diborin bei einer analogen Reaktionsführung ein 1,2-Enol-Additionsprodukt, sodass der zugrunde liegende Reaktionsmechanismus ebenfalls untersucht wurde. Während das 1,2-Enol-Additionsprodukt als Intermediat zur Bildung von 31 beschrieben werden konnte, führten moderate Energiebarrieren und ein deutlich exergoner Reaktionsverlauf im Fall des Diborakumulens zu einer doppelten Acetonaktivierung. Für 31 konnte darüber hinaus ein Isomerengemisch beobachtet werden, das nach der Bildung nicht mehr ineinander überführt werden konnte.
Die Reaktion des Diborakumulens mit Münzmetallhalogeniden ergab für die Umsetzung von 7 mit drei Äquivalenten Kupfer-(I)-chlorid-Dimethylsulfidaddukt eine T-förmige Koordination von drei CuCl-Fragmenten an die B2-Einheit (33).
Setzte man das Diborakumulen 7 mit einem Äquivalent IMeMe um, bildete sich das heteroleptisch substituierte Mono-Basenaddukt 34. Dieses zeigte eine thermische Labilität, sodass sich nach einem Zeitraum von 24 Stunden bei erhöhter Temperatur selektiv das Produkt einer CH-Aktivierung isolieren ließ. Das gleiche Produkt (35) konnte ebenfalls durch die Zugabe einer Lewis-Säure (Galliumtrichlorid) zu 34 nach kurzer Zeit bei Raumtemperatur erhalten werden. Setzte man 34 mit einem weiteren Äquivalent IMeMe um, so bildete sich das Bis(IMeMe)-Addukt des Diborakumulens 36, das zunächst an das Bis(CO)-Addukt 17 erinnerte und durch die hohe sterische Spannung im System eine stark aufgeweitete Bor–Bor-Bindung besitzt. Die Reaktion von 34 gegenüber Kohlenstoffmonoxid lieferte das heteroleptisch substituierte Basenaddukt 37. Das elektronenreiche Boratom des Boraketenstrukturfragments führt hier zu einer erheblichen π-Rückbindung in den CO-Liganden, der die niedrigsten, zu diesem Zeitpunkt jemals beobachteten Wellenzahlen für die CO-Schwingung in einer derartigen Funktionalität aufweist. Eine abschließende Umsetzung des Mono-Basenaddukts 34 mit Diwasserstoff führte zur spontanen Hydrierung beider Boratome und zur Spaltung der Bor–Bor-Bindung. Die Reaktionsmischung zeigte nach erfolgter Reaktion ein 1:1-Verhältnis aus einem CAAC-stabilisierten BH3-Fragment 39 und einem zweifach Basen-stabilisierten BH-Borylen 38. Die Spaltung einer Bor–Bor-(Mehrfach)-Bindung zur Synthese von heteroleptisch Lewis-Basen-stabilisierten Borylenen stellte dabei einen bisher nicht bekannten Zugang zu dieser Verbindungsklasse dar.
Ein sehr großer Teilbereich dieser Arbeit beschäftigte sich mit der Synthese und Reaktivität von Diborabenzol-Derivaten. Setzte man das Diborakumulen 7 mit Acetylen um, so konnte die Bildung eines CAAC-stabilisierten 1,4-Diborabenzols beobachtet werden. Das planare Grundgerüst, C–C- und B–C-Bindungen im Bereich von (partiellen) Doppelbindungen, stark entschirmte Protonen des zentralen B2C4H4-Heterocyclus, Grenzorbitale, die denen des Benzols ähneln, sowie negative NICS-Werte stellen 42 als einen 6π-Aromaten dar, der mit seinem energetisch stark destabilisierten HOMO als elektronenreicher Ligand in der Übergangsmetallchemie eingesetzt werden konnte (vide infra). Die Reaktion von B2(CAAC)2 mit Propin bzw. 2-Butin lieferte hingegen 2π-aromatische, paramagnetische Verbindungen mit Schmetterlingsgeometrie aus der [2+2]-Cycloaddition an die Bor–Bor-Bindung und anschließender Umlagerung zu den thermodynamisch stabileren 1,3-Diboreten. Die weitere, thermisch induzierte Umsetzung von 40 und 41 mit Acetylen ermöglichte die Darstellung der Methyl-substituierten 1,4-Diborabenzol-Derivate 43 und 44.
Um die Eigenschaften des CAAC-stabilisierten 1,4-Diborabenzols zu analysieren, wurde sowohl die Redoxchemie von 42 als auch dessen potentieller Einsatz als η6-Ligand an Übergangsmetalle der Chromtriade untersucht. Es zeigte sich, dass durch die Reduktion mit Lithium die Darstellung des zweifach reduzierten Diborabenzols 45 möglich war. Die Ausbildung eines quinoiden Systems führte hier zu einem Isomerengemisch aus cis/trans-konfigurierten CAAC-Liganden. Die Umsetzung der isolierten Verbindung mit 0.5 Äquivalenten Zirkoniumtetrachlorid führte quantitativ zur Bildung von 42 und demonstrierte somit das hohe Reduktionspotential der dilithiierten Spezies. Durch die Reaktion von 42 mit [(MeCN)3M(CO)3] (M = Cr, Mo, W) gelang darüber hinaus die Darstellung von 18-Valenzelektronen-Halbsandwichkomplexen. Die Koordination des elektronenreichen Heteroarens an die Metalltricarbonyl-Segmente lieferte die niedrigsten, zu diesem Zeitpunkt je beobachteten Carbonylschwingungen für [(η6-aren)M(CO)3]-Komplexe, die durch den starken, elektronendonierenden Einfluss des Liganden auf das Metall und die daraus resultierende erhebliche Rückbindung in die antibindenden π*-Orbitale der CO-Liganden hervorgerufen werden. DFT-Analysen der Verbindungen zeigten zudem im Vergleich zu [(η6-C6H6)Cr(CO)3] signifikant höhere Bindungsenergien zwischen dem Metallfragment und dem 1,4-Diborabenzol und unterstreichten zusammen mit weiteren spektroskopischen und theoretischen Analysen die bemerkenswerten Eigenschaften von 42 als überaus stark elektronendonierender Ligand.
Letztlich gelang in einer Reaktivitätsstudie am Wolframkomplex 48 die Darstellung eines Mono-Radikalanions (49), das vermutlich das erste Beispiel eines monoanionischen Aren-Metalltricarbonyl-Komplexes der Gruppe 6 darstellt.
Ein abschließendes, großes Thema dieser Arbeit beschäftigte sich mit der Synthese von Biradikalen aus verdrehten Doppelbindungen und dem Vergleich mit den verwandten, diamagnetischen Diborenen. Die Reaktion des Diborakumulens mit verschieden substituierten Disulfiden und einem Diselenid führte zur Ausbildung von persistenten, paramagnetischen, biradikalischen Spezies durch die 1,2-Addition an die Bor–Bor-Mehrfachbindung. Während die Addition der Substrate an das IDip-stabilisierte Diborin 5 geschlossenschalige, diamagnetische Diborene mit coplanarer Anordnung der Substituenten lieferte, konnte nach der Addition der Substrate an das Diborakumulen 7 stets eine Bor–Bor-Einfachbindung mit orthogonaler Ligandenorientierung festgestellt werden. ESR-spektroskopische und magnetische Messungen der Proben ergaben für 51e einen Triplett-Grundzustand bei Raumtemperatur und durch den captodativen-Effekt der π-Donor Stickstoffatome und der π-Akzeptor Boratome eine erhebliche Delokalisierung der ungepaarten Elektronen in die Liganden.
Detaillierte theoretische Studien konnten darüber hinaus zeigen, dass die Singulett-Zustände der synthetisierten Diborene stabiler als die Triplett-Zustände sind und dass die Triplett-Zustände der paramagnetischen Verbindungen 51a,b,e stabiler als die entsprechenden Singulett-Zustände sind. Die Verbindungen liegen stets in ihrem Grundzustand vor und lieferten somit hochinteressante Modellsysteme zum tieferen Verständnis dieser Verbindungsklasse.
Die Reaktivität von Diboranen(4) (1,2-Dihalogendiboranen(4)) gegenüber von metallischen und nicht-metallischen Lewis-Basen wurde untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die oxidative Addition einer Bor-Halogen-Bindung an ein Platin(0)-Komplex selektiv verläuft und in trans-Diboran(4)yl-Bisphosphan-Platin-Komplexen resultiert. Bei Verwendung von 1,2-Dihalogen-1,2-diaryldiboranen(4) findet sich in den korrespondierenden trans-Diboran(4)yl-Platin-Komplexen eine dative Bindung des Platin-Zentralatoms zum entfernten zweiten Bor-Atom, welche sowohl in Lösung als auch im Festkörper beobachtet wird. Die erhaltenen trans-Diboran(4)yl-Komplexe wurden auf ihre Reaktivität untersucht, hierbei konnte erstmals durch Reduktion ein Diboren-Platin-Komplex synthetisiert werden. Die Untersuchung der Reaktivität von nicht-metallischen Lewis-Basen ergab eine Reihe von sp2-sp3-Diboranen an die entweder PEt3 oder PMeCy2 koordiniert ist. In Abhängigkeit des sterischen Anspruches finden sich zwei Isomere mit 1,2- und 1,1'-Anordnung der Halogene. Die 1,2-Isomere zeigen hierbei im Festkörper eine Bor-Halogen-Bor-Brücke mit einer dativen Halogen-Bor-Bindung zwischen dem Halogen und dem sp2-Borzentrum.
Die vorliegende Arbeit behandelt im ersten Abschnitt die Synthese und Reaktivität neuartiger Diborane(4). Ebenfalls wurde die Reaktivität von Dihalogendiboranen(4) gegenüber Phenylazid untersucht, wobei symmetrische Vertreter unter Beibehalt der B-B-Bindung die fünfgliedrigen B2N3 Heterocyclen 14 und 15 lieferten. Der zweite Abschnitt dieser Arbeit beschäftigt sich mit der unerwarteten Reaktivität der NHC-stabilisierten μ-Hydridodiborane(5) XXIII und XXIV. Der abschließende Teil dieser Arbeit befasst sich mit den ersten Versuchen zur Darstellung eines CAAC-stabilisierten, Diboranyl-substituierten Borylens.
Ein Teil der hier vorliegenden Arbeit beschäftigte sich mit der Synthese und Charakterisierung neuer Boran-Addukte. Dabei wurden neben den NHCs IMe und IMeMe die Phosphane PEt3 und PMe3 als stabilisierende Lewisbasen eingesetzt. Neben dem Liganden wurde auch der borgebundene organische Rest variiert (Phenyl und n-Butyl), um deren Einfluss auf die Eigenschaften der Addukte zu untersuchen. Die NHC-stabilisierten Monoborane IMe∙B(nBu)Cl2 (99) und IMeMe∙B(Ph)Cl2 (100) konnten in guten Ausbeuten isoliert und vollständig charakterisiert werden. Zusammen mit dem bereits bekannten Addukt IMe∙B(Ph)Cl2 (98) wurden die analytischen Daten dieser drei Spezies miteinander verglichen, wobei sich die strukturellen Parameter im Festkörper stark ähneln. Die vergleichsweise lange B–CCarben-Bindungen (98: 1.621(3) Å; 99: 1.619(5) Å; 100: 1.631(3) Å) konnten hierbei als Beleg für den dativen Charakter dieser Wechselwirkungen herangezogen werden.
Auch bei den Phosphan-Boran-Addukten Et3P∙B(Ph)Cl2 (112), Et3P∙B(nBu)Cl2 (113) und Me3P∙B(Ph)Cl2 (114) wurden relativ lange dative B–P-Bindungen (112: 1.987(2) Å; 113: 1.980(2) Å; 114: 1.960(3) Å) gefunden, wobei diese in Me3P∙B(Ph)Cl2 (114) deutlich kürzer ist als bei den PEt3-Addukten 112 und 113. Da die Lewisbasizität von PMe3 geringer ist als von PEt3 konnte dieser Befund auf den geringeren sterischen Anspruch von PMe3 zurückgeführt werden.
Die reduktive Umsetzung der Phosphan-Boran-Addukte 112, 113 und 114 mit 1,2-Diphenyl-1,2-dinatriumethan (Na2[C14H12]) verlief in allen Fällen unselektiv und führte nicht zur Bildung eines Phosphan-stabilisierten Borirans. Das gleiche Ergebnis lieferte das NHC-stabilisierte Boran IMe∙B(Dur)Cl2. Im Gegensatz dazu konnten die Addukte 98, 99 und 100 mit NHC-Liganden und kleineren organischen Resten selektiv in die Borirane IMe∙B(Ph)(C14H12) (101), IMe∙B(nBu)(C14H12) (102) und IMeMe∙B(Ph)(C14H12) (103) durch Umsetzung mit Na2[C14H12] überführt werden. Hierbei wurden jene als racemische Gemische erhalten, wobei die Phenylgruppen am C2B-Dreiring ausschließlich trans zueinander orientiert sind. Die sterisch gehinderte Rotation um die B–CCarben-Bindung resultiert in einer Verbreiterung bzw. Aufspaltung der Signale des NHCs im 1H NMR-Spektrum. Die Strukturparameter der Molekülstrukturen im Festkörper von 101, 102 und 103 unterscheiden sich nur geringfügig.
Die NHC-stabilisierten Borirane 101, 102 und 103 weisen trotz der enormen Ringspannung eine erstaunlich hohe Stabilität sogar gegenüber Luft und Wasser auf. Während gegenüber [Pt(PCy3)2] keine Reaktivität beobachtet wurde, erfolgte bei Umsetzung von IMe∙B(Ph)(C14H12) (101) mit [Pt(PEt3)3] eine langsame und unvollständige C–H-Bindungsaktivierung am NHC-Rückgrat unter Bildung des Platin(II)-Komplexes 105. Aufgrund der gehinderten Rotation um die B–CCarben-Bindung wurde hierbei ein racemisches Gemisch von jeweils zwei Rotameren erhalten, welche in den NMR-Spektren in Form zweier Signalsätze zu beobachten waren. Die chemische Verschiebung des platingebundenen Hydrid-Signals bestätigt zudem eine vinylartige Natur des Boriran-Liganden mit starkem trans-Effekt. Die Konstitution von 105 im Festkörper konnte durch eine Einkristallröntgenstrukturanalyse belegt werden, wobei die geringe Qualität des Datensatzes keine Strukturdiskussion zulässt. Erwartungsgemäß ging das Boriran IMeMe∙B(Ph)(C14H12) (103) mit [Pt(PEt3)3] keine Reaktion ein, da der IMeMe-Ligand keine C–H-Einheiten im NHC-Rückgrat aufweist.
Basenfreie Borirane konnten hingegen weder durch Basenabstraktion aus dem NHC-stabilisierten Boriran 101 mit Hilfe starker Lewissäuren (PPB, B(C6F5)3, AlCl3 oder [Lu∙BCl2][AlCl4]), noch durch Reduktion einfacher Dihalogenborane mit Na2[C14H12] realisiert werden. Während die Umsetzungen mit Lewissäuren entweder mit keiner Reaktion oder mit Zersetzung verbunden waren, bestand eine Schwierigkeit des reduktiven Ansatzes in der Wahl des Lösungsmittels, in welchem das Reduktionsmittel generiert wurde. Die meisten polaren Lösungsmittel führten hierbei direkt zur Zersetzung des Borans und lediglich DME erwies sich als geeignet. Jedoch wurde bei der Umsetzung von DurBCl2 mit Na2[C14H12] in DME kein Boriran, sondern das Borolan 109 mit syndiotaktisch angeordneten Phenylgruppen gebildet. Die Molekülstruktur im Festkörper offenbarte hierbei ein planar-koordiniertes Boratom.
Ein weiterer Fokus dieser Arbeit lag auf der Synthese und Reaktivität neuer Phosphan-stabilisierter Diborene. Hierbei konnte zunächst gezeigt werden, dass das sterisch anspruchsvolle Bisphosphan dppe mit ( B(Mes)Br)2 (115) bei Raumtemperatur kein Addukt ausbildet. Bei –40 °C konnten neben freiem dppe auch ein Mono- und ein Bisaddukt im 31P NMR-Spektrum nachgewiesen werden. Im Gegensatz dazu lieferte die Umsetzung von 115 mit dmpe einen nahezu unlöslichen Feststoff, welcher sich in nachfolgenden Reduktionsversuchen als ungeeignet erwiesen hat. Deshalb wurde eine Eintopfsynthese entwickelt, mit der 115 mit KC8 in Gegenwart der jeweiligen Bisphosphane zu den cis-konfigurierten Diborenen (=BMes)2∙dmpe (123), (=BMes)2∙dmpm (126) und (=BMes)2∙dppm (127) umgesetzt werden konnte. Ebenfalls konnte ( B(Mes)Cl)2 (124) selektiv zum Diboren 123 reduziert werden, wobei kein signifikanter Unterschied in Selektivität oder Reaktionszeit beobachtet wurde. Das trans-konfigurierte Diboren (=B(Mes)∙PMe3)2 (122) wurde hingegen durch Reduktion des einfach-stabilisierten Diborans ( B(Mes)Br)2∙PMe3 (119) dargestellt. Anhand der Molekülstrukturen von 122, 123, 126 und 127 im Festkörper konnten die Abstände der B=B-Doppelbindungen (1.55(2)-1.593(2) Å) ermittelt werden. Dabei sind die Boratome nahezu planar von ihren Substituenten umgeben. Durch Analyse der P1–B1–B2-Winkel konnte zudem gezeigt werden, dass das trans-konfigurierte Diboren (=B(Mes)∙PMe3)2 (122) (116.6(3)°) und das cis-konfigurierte Diboren (=BMes)2∙dmpe (123) (118.7(1)°) nahezu ungespannte Spezies darstellen, wohingegen die Fünfring-Systeme (=BMes)2∙dmpm (126) (110.6(2)°) und (=BMes)2∙dppm (127) (110.4(1)°) eine signifikante Ringspannung aufweisen. Mit Hilfe von NMR-Spektroskopie, Cyclovoltammetrie, DFT-Rechnungen und UV-Vis-Spektroskopie konnte der Einfluss der Konfiguration, der Ringgröße und der Lewisbase auf die elektronischen Eigenschaften des Diborensystems untersucht werden.
Hierbei wurde bei nahezu allen Parametern eine Tendenz in der Reihenfolge 122, 123, 126 zu 127 beobachtet. 127 nimmt aufgrund der phosphorgebundenen Phenyl-Substituenten eine gesonderte Rolle im Hinblick auf den HOMO-LUMO-Abstand ein, und es wurde für dieses Diboren erstmals eine Reduktionswelle im Cyclovoltammogramm beobachtet. Einige NMR-Signale der Diborene 122, 123, 126 und 127 wurden aufgrund des Spinsystems höherer Ordnung als virtuelle Signale detektiert, bei denen bei geeigneter Auflösung bzw. Signalüberlappung nur die Summe an Kopplungskonstanten ausgewertet werden konnte. Das HOMO ist bei allen Diborenen auf die B–B-Bindung lokalisiert und weist -Charakter auf.
Versuche, analoge Diborene mit den Lewisbasen dppe, dppbe, dmpbe, (-PR2)2 (R = p MeOC6H4) oder HP(o-Tol)2 zu realisieren und vollständig zu charakterisieren, schlugen fehl. Lediglich die Diborene (=BMes)2∙dppe (132) und (=BMes)2∙dppbe (133) konnten spektroskopisch nachgewiesen werden.
Auch durch reduktive Kupplung von Monoboranen mit chelatisierenden Phosphanen wurde versucht, Diborene darzustellen. Hierzu wurde zunächst die Adduktbildung von Monoboranen und Bisphosphanen untersucht. Während mit dppm kein Addukt nachgewiesen werden konnte, lieferte die Umsetzung von dmpe mit MesBBr2 das Bisaddukt 148.
Als Nebenprodukt dieser Reaktion wurde jedoch auch das Boreniumkation 149 beobachtet, welches sich nicht zur reduktiven Kupplung zum Diboren 123 eignet. Auch bei der Umsetzung von MesBCl2 mit dmpe wurde neben dem Bisaddukt 151 eine zu 149 analoge Spezies gebildet. Die nachfolgende Reduktion von 148 mit KC8 in Benzol war mit der Bildung des Diborens (=BMes)2∙dmpe (123) verbunden, welches allerdings nicht isoliert werden konnte. Auch die Variation des Lösungsmittels, des Reduktionsmittels, der Zugabe, des organischen Restes und der Lewisbase ermöglichte keine selektivere Umsetzung bzw. eine Isolierung des Diborens. Im Gegensatz dazu konnte das Diboren 123 durch reduktive Kupplung des Bisadduktes 151 mit KC8 in Benzol dargestellt und isoliert werden. Im Vergleich zur Synthese von 123 durch Reduktion von ( B(Mes)Br)2 (115) benötigt dieser Ansatz jedoch deutlich längere Reaktionszeiten (zwanzig Tage statt einen Tag) und lieferte schlechtere Ausbeuten (31 % statt 54 %).
Durch Umsetzung mit Wasser konnte (=B(Mes)∙PMe3)2 (122) selektiv in das Hydrolyseprodukt 154 überführt werden. Dieses Produkt konnte, aufgrund geringer Spuren Wasser im Reaktionsgemisch, ebenfalls durch freeze-pump-thaw Zyklen einer Lösung von 122 erhalten werden. Die Identität von 154 als gemischtes sp2-sp3-Diboran konnte mit Hilfe von NMR-Spektroskopie eindeutig erklärt werden.
Zusätzlich konnten zwei weitere mögliche Zersetzungsprodukte durch Einkristallröntgen-strukturanalysen als ( B(Mes)(H)∙PMe3)2 (156) und MesB(OH)2 (155) identifiziert werden.
Die Versuche die Liganden der Diborene (=B(Mes)∙PMe3)2 (122) und (=BMes)∙dppm (127) durch Mono- oder Bisphosphane bzw. IMe auszutauschen verlief nur für 122 mit IMe erfolgreich zum Diboren (=B(Mes)∙IMe)2 (49).
Auch Cycloadditionsreaktionen unter Beteiligung der B=B-Doppelbindung wurden im Detail untersucht. Es hat sich jedoch gezeigt, dass weder eine [4+2]-Cycloaddition von Isopren (mit 122) oder Cyclopentadien (mit 122 oder 123), noch eine [2+2]-Cycloaddition von Acetylen (mit 127), 2-Butin (mit 123 oder 127), Bis(trimethylsilyl)acetylen (mit 122), Di-tert-butyliminoboran (mit 122), Acetonitril (mit 122), Cyclohexen (mit 122), Aceton (mit 127) oder Methacrolein (mit 123 oder 127), sowie eine [2+1]-Cycloaddition von Kohlenstoffmonoxid (mit 123 oder 127) oder Ethylisonitril (mit 127), noch eine [3+2]-Cycloaddition von Trimethylsilylazid (mit 123 oder 127) möglich ist.
Lediglich mit 2-Butin konnte eine selektive Reaktion von (=B(Mes)PMe3)2 (122) zum Phosphan-stabilisierten 1,3-Diboreten 157 herbei geführt werden.
Diese ungewöhnliche Reaktion beinhaltet formal die Spaltung der C≡C-Dreifachbindung, wobei als möglicher Reaktionsmechanismus eine [2+2]-Cycloaddition zum 1,2-Diboreten mit nachfolgender Isomerisierung zum 1,3-Derivat 157 postuliert werden konnte. DFT-Rechnungen an 157 zufolge besitzt das HOMO artigen Charakter und ist über die beiden Boratome und die CMe-Einheit delokalisiert. Demnach konnte 157 als homoaromatisches System mit zwei Elektronen identifiziert werden, was durch die negativen NICS-Werte (NICS(0) = –20.62; NICS(1) = –6.27; NICS(1)` = –14.59) und den unterschiedlich langen B–C-Bindungen des Vierrings in der Molekülstruktur im Festkörper (B–C1: 1.465(4) bzw. 1.486(4) Å; B–C3: 1.666(4) bzw. 1.630(4) Å) weiter bestätigt wurde. Eine Einkristallröntgen-strukturanalyse belegte zudem eine Butterfly-Struktur des 1,3-Diboretens 157 mit einem Kippwinkel = 34.4°. Die Bindung zwischen Phosphoratom und dem Kohlenstoffatom im Vierring liegt mit 1.759(2) Å im Bereich einer dativen Bindung.
Durch Basenabstraktion mit PPB konnte das stabilisierte Diboreten 157 in das basenfreie 1,3-Diboreten 164 überführt werden, welches jedoch nicht isoliert werden konnte. Die NMR-spektroskopischen Parameter von 164 belegen hingegen eindeutig dessen Natur.
Neben Cycloadditionsreaktionen wurde auch das Redoxverhalten des Diborens (=BMes)2∙dppm (127) untersucht. So verlief die Umsetzung von 127 mit Iod hochselektiv zu einer in Lösung vermutlich diamagnetischen Spezies (NMR-aktiv/ESR-inaktiv). Durch Bestimmung der Molekülstruktur im Festkörper stellte sich jedoch heraus, dass diese Umsetzung zu einer Oxidation der elektronenreichen B=B-Doppelbindung unter Bildung des Radikalkations 166 führte (B–B: 1.633(3) Å). Somit wurde eine signifikante Diskrepanz zwischen kristallographischen und spektroskopischen Befunden beobachtet, weshalb die Natur des Reaktionsproduktes in Lösung nicht eindeutig ermittelt werden konnte.
Aus diesem Grund wurde (=BMes)2∙dppm (127) auch mit dem Einelektronenoxidationsmittel [Cp2Fe][PF6] umgesetzt und ESR-spektroskopisch analysiert. Hierbei konnte im ESR-Spektrum das typische 1:2:1-Triplett bei giso = 2.0023 mit A(31P) = 21 G (58 MHz) für ein derartiges Radikalkation detektiert werden.
Die Reduktion von 127 mit Lithium und Natriumnaphthalid lieferte entweder keinen Umsatz (Lithium) oder eine unselektive Zersetzung des Diborens (Natriumnaphthalid). Die Umsetzung mit KC8 verlief jedoch äußerst selektiv zu einer neuen borhaltigen Spezies (11B: = 22.4 ppm; 31P: = 18.6 ppm), welche sich in Anwesenheit des Reduktionsmittels jedoch als nicht stabil erwies und somit nicht isoliert werden konnte. Auch der Versuch durch einen Kationenaustausch mit Li[BArCl4] ein stabileres Produkt zu erhalten schlug fehl.
Im Gegensatz dazu führte die Umsetzung der Diborene (=B(Mes)∙PMe3)2 (122) und (=BMes)2∙dppm (127) mit Cu(I)Cl zur Bildung der Kupferkomplexe 167 und 168, deren Molekülstrukturen im Festkörper vergleichbar zu dem analogen NHC-stabilisierten Kupferkomplex 63 sind (B–B: 1.626(3) Å (167); 1.628(3) Å (168); 1.633(4) Å (63)). Beide Spezies zeigen hierbei erwartungsgemäß ein interessantes photophysikalisches Verhalten, wobei dieses lösungsmittelunabhängig ist und Fluoreszenzprozesse für die Emission verantwortlich sind.
Durch analoge Umsetzung von 127 mit Ag(I)Cl konnte der entsprechende Silberkomplex 169 generiert und NMR-spektroskopisch nachgewiesen werden (11B: = 26.7 ppm; 31P: = 5.4 ppm). 169 erwies sich jedoch als nicht stabil und zersetzte sich im Verlauf der Aufarbeitung zu der bekannten tetranukleare Silberverbindung 170.
Im Rahmen der Reaktivitätsstudien wurden die Diborene 122, 123 und 127 auch noch mit einer Reihe weiterer Reagenzien wie Catecholboran (mit 122 oder 127), THF∙BH3 (mit 127), Brom (mit 127), Iodchlorid (mit 123), ZnCl2 (mit 127), GaCl3 (mit 127), Na[BArF4] (mit 122), ( SPh)2 (mit 127), HCl (127), Wasserstoff (mit 122), Natriumhydrid (mit 127) und Methanol (mit 127) versetzt. Hierbei konnte entweder keine Reaktion oder Zersetzung beobachtet werden. Lediglich bei der Umsetzung von 127 mit Methanol konnte das Zersetzungsprodukt Mesityldimethoxyboran (171) eindeutig charakterisiert werden.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden verschiedene Addukte von Lewis-Säuren und Lewis-Basen synthetisiert und hinsichtlich ihrer Reaktivität, vor allem gegenüber verschiedenen Reduktionsmitteln, untersucht. Als Lewis-Säuren wurden Monoborane und Diborane(4) eingesetzt. Aus der Verbindungsklasse der Monoborane wurden die Aryldihalogenborane MesBBr2 und PhBBr2 untersucht, da diese durch ihre zwei Halogene und ihren sterisch anspruchsvollen Arylrest möglicherweise zu niedervalenten Borverbindungen führen. In der Verbindungsklasse der Diborane(4) wurden B2Cl2Mes2, B2Br2Mes2 und B2I2Mes2 für die Synthese von Addukten verwendet. Aus der Umsetzung von ArBBr2 (Ar = Mes und Ph) mit SIMes erhält man die Monoboran-NHC-Addukte MesBBr2•SIMes und PhBBr2•SIMes. Beide Verbindungen sind farblose Feststoffe und zeigen im 11B-NMR-Spektrum ein Signal im erwarteten Bereich bei ca. –5 ppm. Die erhaltenen Signale im 1H-NMR Spektrum lassen sich den entsprechenden Protonen zuordnen und die Integrale stimmen mit der Anzahl der Protonen überein. Beide Verbindungen sind schlecht löslich, daher konnten keine Einkristalle für eine nähere Strukturbestimmung erhalten werden. In der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, dass nicht nur Monoborane mit NHCs 1:1-Addukte bilden, auch Diborane(4) können erfolgreich mit Phosphanen umgesetzt werden. Darüber hinaus konnten die Strukturen der beiden Verbindungen B2Cl2Mes2•PMe3 und B2Br2Mes2•PMe3 mit Hilfe einer Einkristallstrukturanalyse aufgeklärt werden. Durch die Koordination von PMe3 an einem Boratom, erhöht sich an diesem die Elektronendichte. Dies erkennt man z. B. in beiden Verbindungen an den längeren B –Halogen-Bindungen im Vergleich zum Edukt B2X2Mes2. Zudem ist das am vierfach-koordinierten Boratom gebundene Halogen in beiden Fällen deutlich zum dreifach-koordinierten Boratom geneigt. Dies kann man aus den erhaltenen Bindungswinkeln schließen. Nicht nur Trimethylphosphan reagiert mit Diboranen(4) zu 1:1-Addukten, auch N-Heterocyclische Carbene konnten erfolgreich mit Diboranen(4) umgesetzt werden. Die beiden Addukte B2Cl2Mes2•IMe und B2Br2Mes2•IMe konnten als farblose Feststoffe isoliert werden und mit Hilfe der 11B-NMR-Spektroskopie charakterisiert werden. Beide zeigen, wie auch alle weiteren dargestellten Diboran(4)-NHC-Addukte, ein breites Signal (87.7 ppm und 76.2 ppm) für das dreifachkoordinierte Boratom und ein Signal (–4 ppm und –3.5 ppm) für das vierfachkoordinierte Boratom. Verwendet man als Carben das deutlich sterisch anspruchsvollere IDipp, erhält man in einer Ausbeute von 41% bei der Umsetzung bei tiefen Temperaturen einen farblosen Feststoff von B2Cl2Mes2•IDipp als Produkt. Die erhaltene Verbindung B2Cl2Mes2•IDipp konnte mittels 1H-, 11B- und 13C-NMR-Spektroskopie und Elementaranalyse charakterisiert werden. Die so erhaltenen Daten konnten jedoch keine endgültige Aussage über die Konnektivität der einzelnen Atome liefern. Die genaue Molekülstruktur konnte mit Hilfe der Röntgenkristallographie aufgeklärt werden. Überraschenderweise handelt es sich bei dem Produkt nicht um das einfache 1:1-Addukt der beiden Edukte. Vielmehr sind nun beide Chloratome an dem Boratom gebunden, welches zusätzlich das NHC trägt. Entsprechend trägt das dreifach-substituierte Boratom beide Mesitylsubstituenten. Somit müssen im Laufe der Reaktion eine B –Cl- und eine B –C-Bindung gebrochen worden, eine 1,2-Arylverschiebung sowie eine 1,2-Halogenverschiebung erfolgt sein. Dies konnte zuvor bei den Diboran(4)-PMe3-Addukten nicht beobachtet werden. Die Verbindung B2Cl2Mes2•IDipp zeigt mit einer B–B-Bindungslänge von 1.758(2)Å einen deutlich längeren Abstand als im Edukt. Die drei Diboran(4)-NHC-Addukte B2Br2Mes2•IMes, B2Cl2Mes2•SIMes und B2Br2Mes2•SIMes konnten erfolgreich dargestellt werden. Alle Verbindungen wurden mit Hilfe von 1H-, 11B- und 13C-NMR-Spektroskopie und Elementaranalyse charakterisiert. Zusätzlich konnten für die beiden Verbindungen B2Cl2Mes2•SIMes und B2Br2Mes2•SIMes Einkristalle erhalten werden und eine Röntgenstrukturanalyse durchgeführt werden. Bei der Reduktion von B2Cl2Mes2•SIMes mit KC8 konnte ein interessantes Produkt erhalten werden, in dem die beiden Halogene nicht mehr vorhanden sind und sich ein Fünfring gebildet hat, der beide Boratome beinhaltet. Wahrscheinlich entsteht bei der Reaktion zu 13 ein „borylenartiger“ Übergangszustand. Bemerkenswert ist außerdem, dass das NHC-stabilisierte Boratom noch ein vermuteter Übergangszustand. Proton trägt. Die Verbindung 13 wurde mittels NMR-Spektroskopie, Elementaranalyse und Röntgenstrukturanalyse vollständig charakterisiert. Bei der Messung eines 11B,1H-HMQC-NMR-Korrelationsspektrums lag die intensivste Kopplung bei der Mischzeit τ mit einer Kopplungskonstante von JBH = 160Hz. Daraus kann man schließen, dass das Bor-gebundene Proton in der Verbindung 13 in Lösung terminal gebunden ist.
Im Rahmen dieser Arbeit konnte der erste metallfreie, an Raumtemperatur ablaufende Wasserstofftransfer von Amminboran (NH3BH3) auf Iminoborane durchgeführt werden. Bei der Umsetzung von NH3BH3 mit Di tert butyliminoboran XXIIIa wurde die Bildung des hydrierten Iminoborans 1 beobachtet. DFT Rechnungen belegen einen konzertierten H+/H- Transfer von NH3BH3 mit einer Aktivierungsenergie weit unter der vergleichbarer Wasserstoffübertragungsreaktionen. Da trotz zahlreicher Versuche keine geeigneten Einkristalle von 1 für eine strukturelle Charakterisierung erhalten werden konnten, wurde 1 mit IPr bzw. etherischer HCl umgesetzt, wobei das Addukt 2 bzw. das 1,2 Additionsprodukt 3 isoliert und vollständig charakterisiert werden konnte.
Darüber hinaus konnten weitere sterisch anspruchsvolle disubstituierte Amminborane dargestellt werden, die ebenfalls die Fähigkeit besitzen, das Di tert butyliminoboran XXIIIa zu hydrieren. Dafür wurden die Arylamminborane (Aryl = Dur (4) & Tip (5)) dargestellt und mit XXIIIa umgesetzt. Hierbei bildeten sich neben 1 die entsprechenden Arylaminoborane 6 und 7.
Ein weiteres Ziel war die Synthese neuartiger Iminoborane. Dafür wurden zwei ferrocenylsubstituierte Aminoboranpräkursoren dargestellt (Schema 53). Über eine Chlorsilan Eliminierung sollte aus Verbindung 8 das entsprechende Iminoboran 9 synthetisiert werden. Jedoch zeigten sich in 11B NMR spektroskopischen Untersuchungen nur Zersetzungsprodukte. Des Weiteren wurde versucht, eine HCl Abstraktion mit Hilfe von verschiedenen Abstrahierungs-Reagenzien, ausgehend von dem Aminoboranpräkursor 10, zu initiieren. Diesbezüglich wird 10 mit diversen Substraten (Na[BAr4F], Na[BAr4Cl], NaH, LiTmp und Na[HMDS]) umgesetzt, wobei sich allerdings für keine der eingesetzten Reagenzien die gewünschte HCl Eliminierung zeigte.
Ferner wurde der Aminoboranpräkursor 1,4-Bis{[tert-butyl(trimethylsilyl)amino]-chlorboranyl}durylen 14 erfolgreich dargestellt. Allerdings verlief die Chlorsilan-Eliminierung zu dem Bis-(tert-butylimino)durylenboran 15 im Pyrolyseofen erfolglos.
Weitere Syntheseversuche der Aminoborane 16, 17 und 19 als Präkursoren für das (tert-Butylimino) tris bzw. bis (trifluormethyl)phenylboran führten nicht zum gewünschten Ziel (Abbildung 29). Die Bildung dieser Aminoborane läuft unselektiv ab und es werden erhebliche Mengen unerwünschter Nebenprodukte beobachtet. Daher können keine analysenreinen Endprodukte isoliert werden.
Im Gegensatz dazu gelang die Darstellung des CF3 meta substituierten Präkursors 21. Durch anschließende Chlorsilan-Eliminierung konnte das (tert Butylimino) 3,5 bis(trifluormethyl)phenylboran 22 isoliert werden. Als Oligomerisierungsprodukt von 22 wurde das Dewar Borazin-Derivat 23 nachgewiesen.
Weiterhin wurde der Aminoboranpräkursor Trietylphenyl[tert-butyl(trimethylsilyl)amino]chlorboran 24 erfolgreich dargestellt (Schema 56). Nach anschließender Chlorsilaneliminierung im Pyrolyseofen konnte die Bildung des (tert Butylimino)-2,4,6-triethylphenylborans 25 beobachtet werden. Durch Erwärmen von 24 für zwei Stunden auf 100 °C wurde das Dimerisierungsprodukt 26 detektiert.
Die Umsetzung des Iminoborans 25 mit cAAC lieferte bei tiefen Temperaturen das Addukt 28. Erwärmen des Reaktionsgemisches auf Raumtemperatur führte zur Bildung des Cyclopropan Intermediats 30. Ferner ergab das Erhitzen auf 50 °C unter intramolekularem Ringschluss das bicyclische 1,2-Azaborolidin 31.
Außerdem wurde das Azaborinin 27 über eine metallkatalysierte Syntheseroute, ausgehend von dem Iminoboran 25 und dem Rhodiumkatalysator [{RhCl(PiPr3)2}2] LXV, unter Acetylenatmosphäre dargestellt.
Angesichts weiterer Reaktivitätsstudien von Iminoboranen gegenüber Lewissäuren, wurde das Di tert butyliminoboran XXIIIa mit Tris(pentafluorphenyl)boran umgesetzt (Schema 59). Bei der Reaktion findet eine Carboborierung statt; demgemäß handelt es sich um eine 1,2 Addition des Borans an das Iminoboran unter Bor-Kohlenstoff Bindungspaltung. DFT Rechnungen zufolge beträgt die freie Energie der Reaktion -17.4 kcal mol-1 und läuft damit exergonisch ab.
Des Weiteren konnte mit dem NHC IDip (1,3-Bis(2,6-diisopropylphenyl)imidazol-2-yliden) in Reaktivitätsstudien mit (tert Butylimino)mesitylboran XXIIIb die Bildung des Aminoborans 34 beobachtet werden. Dieses entsteht durch die Migration eines Dipp Restes des NHC´s zum Stickstoffatom des vormaligen Iminoborans. Dieser Reaktionstyp stellt ein neues Beispiel für die Reaktivität zwischen Iminoboranen und NHCs im Gegensatz zu klassischen Adduktformationen dar.
Einen weiteren neuartigen Beitrag zur Iminoboranchemie lieferte die Reaktion von Di tert butyliminoboran XXXII und dem von Tacke et al. entwickelten Bis(amidinato)silylen XCVI. Bei dem Reaktionsprodukt handelt es sich um eine bicyclische Silaiminboranstruktur, welche aus der Insertion von XCVI in die BN Dreifachbindung des Iminoborans hervorgeht. DFT Rechnungen bestätigen eine exergonische Reaktion mit einer Gesamtenergie von -28.4 kcal mol-1. Eine Insertion in eine Bor-Stickstoff-Dreifachbindung ist unter den Reaktivitätsstudien mit Iminoboranen ein seltener Reaktionstyp.
Überdies wurde die Reaktion zwischen dem Pentafluorphenyl-(tert-butyl)iminoboran (XCVII) und PiPr3 beobachtet. Dabei fand formal eine CH Aktivierung der drei Isopropyleinheiten von PiPr3 mit den Boratomen von drei XCVII-Einheiten statt. Zusätzlich bindet ein Sauerstoff an das Phosphoratom. Die Ursache dieser Beobachtung und der Mechanismus dieser Reaktion ist bislang nicht geklärt.