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Die Rolle thromboinflammatorischer Vorgänge in der Pathogenese des ischämischen Schlaganfalls ist in den letzten Jahren immer mehr in den wissenschaftlichen Fokus gerückt. Plasmakallikrein (PK) spaltet von hochmolekularem Kininogen (KNG) Bradykinin (BK) ab und ist dadurch Ausgangspunkt des proinflammatorischen Kallikrein-Kinin-Systems (KKS). Zum anderen kann es den Gerinnungsfaktor XII (FXII) aktivieren, den Ausgangspunkt der intrinsischen Gerinnungskaskade. Es initiiert also sowohl inflammatorische als auch thrombotische Vorgänge. Daher wurde in dieser Arbeit der Effekt einer Blockade PKs in einem Mausmodell der fokalen zerebralen Ischämie untersucht – und zwar sowohl durch genetische Depletion als auch durch pharmakologische Blockade. Beide Ansätze brachten einen nachhaltigen protektiven Effekt in Bezug auf Infarktgrößen und funktionelles Outcome, ohne die Blutungsgefahr zu erhöhen.
Es wird angenommen, dass das linke Vorhofohr vor allem bei Patienten, die unter Vorhofflimmern leiden, durch kardiale Embolisation schädliche oder gar tödliche Ereignisse bedingen kann und eine Amputation dieser anatomischen Struktur zu einer Reduktion der thromboembolisch bedingten Schlaganfallinzidenz des Patienten führen könnte. Es existiert aber zum aktuellen Zeitpunkt keine prospektiv randomisierte Studie, die eine chirurgische LAA-Amputation zum Zeitpunkt einer kardiochirurgischen Operation im Hinblick auf das postoperative Langzeit-Outcome mit ausreichend Studien-Power untersucht.
Diese retrospektive Studie befasst sich mit dem postoperativen Komplikationsrisiko der Amputation des linken Vorhofohrs im Rahmen kardiochirurgischen Operationen. Das Studiendesign wurde entworfen, um postoperativen Komplikationen, die durch die LAA-Amputation generiert werden, zu erfassen und die sichere Durchführbarkeit dieses Eingriffs zu veranschaulichen.
Es wurden Daten von insgesamt 234 Patienten des Universtitätsklinikums Würzburgs erfasst. Eingeschlossen wurden Patienten, die in der Klinik und Poliklinik für Herz, Thorax- und thorakale Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Würzburg im Zeitraum von Februar 2010 bis Mai 2013 eine Bypassoperation mit begleitender LAA-Amputation erhielten. Zu diesem Zweck wurden prä-, intra- und postoperative Daten der Patienten ausgewertet. Besonderes Augenmerk galt der Notwendigkeit einer postoperativen Rethorakotomie aufgrund einer Nachblutung, POAF, der peri-/postoperativen Schlaganfallinzidenz und der Letalität der Patienten. Der Großteil der untersuchten Patienten erhielt eine isolierte Bypassoperation (73,5%, 172/234), bei 26,5% (62/234) der Patienten wurde eine Kombinationsoperation durchgeführt. Es handelte sich hierbei um eine zusätzliche Klappenoperation, eine Carotis-Thrombendarteriektomie (Carotis-TEA), eine Myektomie oder einen Aorta-ascendens-Ersatz.
Blutungskomplikationen, die einer operativen Revision bedurften, waren in 3,0% der Fälle notwendig. In keinem der Fälle kam es zu einer Blutung an der Amputationsstelle. Auch die POAF-Inzidenz der vorliegenden Studie (27,5%) entspricht den in der Literatur (19-60%) beobachteten Werten nach kardiochirurgischen Operationen. Die postoperative Schlaganfallinzidenz betrug 2,1%(5/234). Es konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Auftreten eines peri-/postoperativen Schlaganfalls und der POAF-Inzidenz festgestellt werden (p=0,129). Im Laufe der Anschlussbehandlung sind fünf Patienten verstorben (5/234, 2,1%). Drei dieser Patienten erhielten eine isolierte Bypassoperation und zwei eine Kombinationsoperation (Mitralklappenrekonstruktion/Myektomie bei HOCM). Keiner der verstorbenen Patienten erlitt postoperativ einen Schlaganfall.
Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass die Durchführbarkeit der LAA Amputation zum Zeitpunkt einer kardiochirurgischen Operation einen sicheren Eingriff darstellt.
While the tribal cycles in Oxyrhynchos are fairly well attested from AD 206 until 271, no system has been proposed for other periods or other metropoleis. On the basis of recently published texts a first attempt is made to reconstruct the tribal cycles in Oxyrhynchus and Hermopolis for the later part of the 4th century.
Traumatische und/oder degenerative, umschriebene Knorpeldefekte sind aufgrund der schlechten intrinsischen Regenerationseigenschaften des Knorpelgewebes immer noch eine chirurgische Herausforderung. Therapiemöglichkeiten mittels Knorpelrekonstruktion durch autologes Knorpelgewebe hat den Nachteil der „donor-site-morbidity“ und auch die mit guten klinischen und bildmorphologischen Ergebnissen bereits in der Klinik angewandte matrixgekoppelte autologe Chondrozytentransplantation kommt nicht ohne eine zusätzliche Operation und Entnahme von Knorpelgewebe aus.
Autologe mesenchymale Stammzellen sind einfach mittels Beckenkammpunktion zu gewinnen und stellen aufgrund ihres Proliferations- und chondrogenen Differenzierungsvermögens eine vielversprechende Alternative dar. Die Tissue Engineering Division des orthopädischen König-Ludwig-Hauses in Würzburg befasst sich nun seit mehreren Jahren in verschiedenen Versuchsreihen unter anderem mit dieser Alternative der Knorpelrekonstruktion. Vor allem die Optimierung der Nutzung von Stammzellen, die Vordifferenzierungsmöglichkeiten in vitro und das Verhalten in verschiedenen Trägermatrizes wird erforscht.
Die vorliegende Arbeit stellt eine Pilotstudie zur Anwendung von Stammzellen analog zu der in klinischer Anwendung befindlichen MACT in vivo in Göttinger Minipigs vor. Wir haben zeigen können, wenn auch nur mit einer geringen Fallzahl und fehlenden signifikanten Aussagen, dass Stammzellen eine vielversprechende Alternative zu Chondrozyten in der Versorgung von Gelenkknorpeldefekten darstellen. Eine Verarbeitung in Kollagen I Hydrogelen ist in gleicher Weise wie mit den Chondrozyten möglich und auch die mechanische Stabilität differiert nicht. Die histologischen und immunhistochemischen Auswertungen haben in den Stammzelltransplantaten gleich gute, in einigen Aspekten sogar gering bessere Ergebnisse erzielt als die bewährten Chondrozytentransplantate.
In der Nachbehandlung schien die sofortige volle Belastung der frisch operierten Kniegelenke bei den Minipigs möglicherweise problematisch in Bezug auf die Fixierung und den Verbleib der Gel-Transplantate im Defekt. In der Klinik ist eine zeitweise Teilbelastung und anfangs lediglich passive Bewegung des Gelenks natürlich problemlos möglich. In der Zukunft werden durch Vordifferenzierung und Markierung der Stammzellen sowie durch Vorauswahl von Zellen mit einem hohen chondrogenen Differenzierungspotential die Ergebnisse von ähnlichen Versuchsreihen sicher noch optimiert werden können.
Zusammenfassend ist die Inzidenz von NNK bei Patienten mit einer chronischen
Nebennierenrindeninsuffizienz auch bei geschulten Patienten hoch. Das Auftreten der NNK
ist zudem mit einer erheblichen Morbidität und Mortalität verknüpft. In der heutigen Zeit
sterben weiterhin Patienten an den Folgen ihrer chronischen NNRI trotz einer adäquaten
Behandlung. Legt man die oben genannten Zahlen zugrunde, werden in den nächsten zehn
Jahren zwischen 5526 und 10647 Patienten an einer behandelbaren NNK versterben. Dies
macht die Notwendigkeit, die genauen Umstände und Ursachen einer NNK zu verstehen,
noch wichtiger. Die Analysen der Risikofaktoren einer NNK haben jedoch nur ein begrenztes
Potential, Patienten mit einem besonders hohen Risiko für das Auftreten von NKK zu
identifizieren. Patientenaufklärungen im Hinblick auf Dosisanpassungen der Glukokortikoide
in Stresssituationen werden die intravenösen Gaben von Glukokortikoiden nicht unnötig
machen, um eine drohende NNK zu verhindern. Anstrengungen um eine einheitliche
Patientenaufklärung mit dem Training der Selbstbehandlung mit parenteralem Hydrocortison
werden essentiell sein, um die NNK als Todesursache zu verhindern. Die aktuelle Studie
zeigt, dass die bisherigen Anstrengungen, eine einheitliche und breite Informationsgrundlage
zu vermitteln, nicht ausreichend sind. Denn auch bei medizinischem Fachpersonal besteht
anscheinend nach wie vor die Notwendigkeit einer intensiveren Schulung und Aufklärung. In
mehreren telefonischen Kontakten berichteten Patienten, dass sich ärztliche Kollegen nur
zurückhaltend auf eine ausreichend hohe intravenöse Cortisongabe einlassen konnten, in
einem Fall sogar, obwohl der betroffene Patient einen Notfallausweis bei sich trug. Auch in
der Laienpresse wurde von einem Fall berichtet, in dem laut Aussage der Patientin eine
Cortisonanpassung nicht ausreichend erfolgte.[40] Da die meisten tätigen Ärzte nur sehr
selten mit dem Krankheitsbild einer NNK konfrontiert sind, reagieren diese rezidivierend
nicht adäquat.[8] Auch zeigen sich die Symptome einer NNK häufig sehr unspezifisch,
weshalb es vielen Ärzten schwer fallen mag, diese zu erkennen. Da eine frühzeitige
Intervention für ein gutes Out Come jedoch unverzichtbar ist, sollten weitere Anstrengungen
gemacht werden, auch ärztliche Kollegen über diese Erkrankung und deren Behandlung
aufzuklären. Weiterhin zeigt sich auch die Schulung von Familie und Freunden als sinnvoll,
um das Aktionspotential im Falle einer akuten Verschlechterung der
Nebennierenrindenerkrankung zu verstärken.
423 Fragebögen waren für die Ersterhebung verfügbar, insgesamt schlossen 364 Patienten
(84%) das gesamte follow up über 2 Jahre ab. 767,5 Patientenjahre konnten über die Studie
erfasst werden. Innerhalb der Erhebungszeit wurde von 64 NNK berichtet. Dies entspricht
einer Häufigkeit von 8,3 Krisen/100 Patientenjahre. Als Hauptauslösefaktoren konnten
gastrointestinale Infektionen, Fieber und emotionaler Stress erkannt werden. Die Häufigkeit
entsprach 20%. Jedoch auch andere Stressoren konnten identifiziert werden. Hier zeigten sich
zum Beispiel Operationen, starke Schmerzen, Hitze, anstrengende körperliche Betätigung und
Schwangerschaft als ursächlich. In 7% der Fälle konnte bei einer plötzlichen
Verschlechterung des Zustandes keine auslösende Ursache gefunden werden. Es fand sich
jedoch, dass Patienten, die in ihrer Anamnese bereits eine oder mehrere NNK erlitten hatten,
ein höheres Risiko für eine erneute Entgleisung auswiesen. (Odds ratio 2,85, 95%
Konfidenzinterval 1.5–5.5, p 0,01) Andere Risikofaktoren konnten in der aktuellen Studie
nicht identifiziert werden. Während des Erhebungszeitraumes von zwei Jahren verstarben
insgesamt zehn Patienten. Vier dieser Todesfälle konnte einer NNK als Todesursache
zugeordnet werden. Dies entspricht einer Mortalitätshäufigkeit von 0,5/100 Patientenjahre.
Somit war in unserer Studie die NNK-assoziierte Mortalität 6% der NNK.
Unsere Studienteilnehmer wurden zu Beginn des Follow ups detailliert über die
Notwendigkeit von Dosisanpassungen und der Inanspruchnahme von professionellen Helfern
aufgeklärt. Dennoch zeigte sich im Vergleich zu anderen Studien mit 8,3 NNK/100
Patientenjahre keine reduzierte NNK-Häufigkeit. Jedoch konnte durchaus eine Reduktion der
NNK-Häufigkeit im Vergleich zu den Daten im Ersterhebungsbogen gezeigt werden. Neben
der Notwendigkeit, die Patientenaufklärung zu verbessern, zeigte die vorliegende Studie
jedoch auch, dass weitere Anstrengungen gemacht werden müssen, um das Vorgehen vor und
bei einer NNK weiterhin zu optimieren. So sind die genauen Umstände, die zu einer NNK
führen, bis heute noch nicht detailliert geklärt. Zwar konnten einige Risikofaktoren und
auslösende Situationen identifiziert werden, jedoch nicht die Frage, warum einige Patienten
eine NNK bekommen und Andere nicht. In diesem Zusammenhang besteht auch weiterhin die
Frage, warum einige Patienten gut auf eine Erhöhung der oralen Cortisondosis reagieren und
Andere trotz der Erhöhung in eine NNK kommen. Hieraus ergibt sich die Frage, ob es
Patienten gibt, die sensitiver auf das Cortison reagieren, und wenn dies der Fall ist, warum.
Hierfür könnte sprechen, dass es Patienten gibt, die rezidivierend in eine NNK kommen,
während Andere nie ein Krise erleiden. Auch wird es weiterhin Anstrengungen und neue
Strategien brauchen, eine schnellstmögliche Intervention im Falle einer Verschlechterung des
Allgemeinzustandes zu gewährleisten. Hier sind bessere, flächendeckende Aufklärungen für
medizinisches Fachpersonal und/oder die Verbesserung der mitgeführten Notfallkarten
notwendig. Eine Strategie, die Interventionszeit zu verkürzen, wäre der Ausbau der
Selbstinjektionen durch den betroffenen Patienten oder dessen Angehörige.
Opportunistische Infektionen stellen ein ernst zu nehmendes Problem bei immunsupprimierten Patienten in der Hämatologie und Onkologie sowie speziell bei Stammzell-transplantierten Patienten dar. Vor allem die Inzidenz invasiver Pilzinfektionen stieg in den letzten Jahrzehnten in diesem Risikokollektiv immer weiter an. Dabei verbleibt die Morbidität und Mortalität bei Patienten mit einer systemischen Mykose trotz verbesserter Diagnostik und Therapie weiterhin hoch.
Im Rahmen dieser Studie sollte die Inzidenz und Relevanz invasiver Mykosen am Standort Würzburg untersucht werden und die wesentlichen Risikofaktoren für eine Pilzinfektion bei hämatoonkologischen Hochrisiko-Patienten heraus gearbeitet werden. Um dies zu verwirklichen, wurden die Daten von 41 Patienten, welche eine allogene Stammzelltransplantation am Universitäts-klinikum Würzburg erhielten, detailliert dokumentiert und analysiert. Die aktive Beobachtung fand dabei bis 100 Tage nach Beginn der Konditionierungs-Chemotherapie statt. Eine Nachbetrachtung der Patientendaten in Bezug auf invasive Pilzinfektionen wurde ein halbes Jahr nach Studienstart durchgeführt.
Zur Diagnostik von invasiven Pilzinfektionen wurden im Beobachtungszeitraum bei allen Studienteilnehmern regelmäßig thorakale CT-Untersuchungen und Bestimmungen des Aspergillus-typischen Antigens Galactomannan im Serum durchgeführt. Zusätzlich erfolgte bei einem Teil der Patienten eine PCR-Untersuchung ihres Serums auf Aspergillus-DNA. Dabei zeigte die PCR- Untersuchung eine 100%ige Sensitivität und 55%ige Spezifität bei einem einmalig positiven Ergebnis. Wenn zwei positive PCR-Ergebnisse gefordert wurden, war die Sensitivität deutlich reduziert. Bei der Betrachtung der Galactomannan-Bestimmung ergab sich eine 74%ige Spezifität bei einem zweimalig positiven Ergebnis.
Von den 41 Studienteilnehmern erkrankten innerhalb des ersten halben Jahres nach der Konditionierung 22% an einer wahrscheinlichen invasiven Mykose und 17% an einer möglichen invasiven Mykose. Dabei waren 94% der Erkrankungen auf den Schimmelpilz Aspergillus spp. zurückzuführen. Lediglich bei einem Patienten wurde der Schlauchpilz Fusarium spp. nachgewiesen. Systemische Hefepilzinfektionen traten nicht auf. Alle detektierten Fälle einer invasiven Pilzinfektion wiesen die Lunge als primären Infektionsort auf. Der Großteil der Infektionen ereignete sich in den ersten 40 Tagen nach der Konditionierung, so waren 78% der Fälle als frühe Infektionen einzustufen. Als Risikofaktoren für die Entwicklung einer invasiven Mykose wurden in der vorliegenden Arbeit das Alter der Patienten und eine mit HLA-Missmatch durchgeführte Transplantation aufgedeckt. Die akute myeloische Leukämie als Grunderkrankung war ein weiterer, unabhängiger, prädisponierender Faktor für eine mögliche oder wahrscheinliche Mykose. Eine prolongierte aplastische Phase mit neutrophilen Granulozyten unter 100/µl sowie ein persistierendes neutropenes Fieber zeigten sich als Risikofaktoren für die Entwicklung einer möglichen Aspergillose. In Bezug auf wahrscheinliche Pilzinfektionen zeigte sich hier jedoch kein Zusammenhang. Eine lange Fieberphase präsentierte sich als Hinweisfaktor für eine folgende mögliche oder wahrscheinliche Infektion. Eine prolongierte Steroidzufuhr von mindestens 21 Tagen Dauer erwies sich als weiterer Risikofaktor für invasive mögliche Mykosen. Das Geschlecht der Patienten, akute sowie chronische Abstoßungsreaktionen, der CMV-Status von Empfänger und Spender und eine CMV-Reaktivierung, der HCT-CI Score, ein Nikotinabusus sowie respiratorische virale Infekte waren in der vorliegenden Studie keine signifikanten Risikofaktoren für eine invasive Pilzinfektion. Desweiteren waren im Studienkollektiv auch die Anzahl der verabreichten Antibiotika und ß-Lactam Antibiotika sowie die Dauer der neutropenen Phase mit weniger als 500 neutrophilen Granulozyten/µl keine relevanten Risikofaktoren für eine Pilzinfektion.
Es zeigte sich, dass Patienten, die an einer invasiven Mykose erkrankt waren, eine signifikant längere Krankenhausverweildauer hatten, als Patienten ohne Hinweis auf eine systemische Pilzinfektion. Nach einem halben Jahr Studienverlauf lag das Gesamtüberleben der Patienten bei 71,8% (ohne 2 unklare Fälle gerechnet). Jedoch war das Auftreten einer invasiven Pilzinfektion mit einer deutlich höheren Mortalität assoziiert. Nach 6 Monaten lebten von den Patienten mit einer wahrscheinlichen Mykose noch 33,3%, wohingegen von den Patienten, welche ohne Zeichen einer Mykose als unklassifiziert eingestuft wurden, noch 84% am Leben waren. Der Tod ereignete sich bei den Patienten mit einer möglichen oder wahrscheinlichen Infektion im Durchschnitt 40 Tage nach der Erstdiagnose der Pilzinfektion.
Zusammenfassend zeigte sich, dass der Anteil von Fällen mit invasiver Mykose im Studienkollektiv hoch lag und diese Infektion mit einer hohen Letalität assoziiert war. Anhand dieser Daten erscheint es indiziert, dass der Fokus bei allogen transplantierten Risiko-Patienten in Zukunft noch stärker auf dem Erkennen dieser opportunistischen Infektionen liegen sollte, um frühzeitig und adäquat intervenieren und therapieren zu können. Auch eine Aspergillus-aktive, antimykotische Prophylaxe ist für diesen Zeitraum zu prüfen. Da sich die ersten 40 Tage nach der Transplantation als Hauptrisiko-Zeitraum für eine invasive Mykose herausgestellt haben, sollten gerade in dieser, zum Großteil stationären, Phase besondere Anstrengungen unternommen werden, die erkrankten Patienten früh zu erkennen und zu behandeln. Auf diesem Wege wäre es eventuell möglich, das Gesamtüberleben der Patienten nach einer allogenen Stammzelltransplantation noch weiter zu verbessern.
Die Studie konnte in einem Krankenhaus der Maximalversorgung im Norden
Tansanias eine hohe Prävalenz chronischer Hepatitis B-Infektionen beim
Gesundheitspersonal zeigen. Weiterhin hatten die Teilnehmer ein hohes Risiko,
eine HBV-Infektion im Laufe ihres Berufslebens zu erwerben. Bezüglich der
Hepatitis C-Infektion zeigte sich insgesamt eine sehr niedrige Prävalenz.
Ein besonders hohes Risiko, mit Hepatitis B infiziert zu werden, hatte Personal
mit direktem Kontakt zu Blut oder Nadelmaterial.
Ein Drittel des Krankenhauspersonals wies keine Immunität gegen Hepatitis B
auf und war somit weiterhin einem Infektionsrisiko ausgesetzt. Etwas mehr als
ein Drittel des Kollektivs wies die Antigen-/Antikörperkonstellation einer
ausgeheilten Infektion auf. Der Infektionszeitpunkt ist aufgrund der häufig
inapparenten klinischen Verläufe retrospektiv nicht zu eruieren. Ein weiterer Teil
konnte mittels Immunisierung durch eine bereits im Vorfeld durch Hilfsgelder
finanzierte Impfaktion eine Immunität erwerben. Der Impferfolg wurde nach
dieser Impfaktion jedoch nicht serologisch verifiziert.
Bei 40 Personen, die angaben an der Impfaktion teilgenommen zu haben,
konnten keinerlei Antikörper nachgewiesen werden. Retrospektiv zeigte die
Impfaktion mit 76% eine niedrige Erfolgsrate, was unter anderem auf einen
hohen Teil an bereits HBV-Infizieren Teilnehmer zurückzuführen ist, bei denen
eine Impfung nutzlos ist.
Diese Arbeit befasst sich mit den spektralen Signaturen molekularer Aggregate sowie mit ihrer Wellenpakets- und Populationsdynamik in angeregten Zuständen unter dem Einfluss externer Störungen und photoinduzierter Asymmetrie.
Hierzu werden quantendynamische numerische Berechnungen mit der Multi-Configuration Time-Dependent Hartree-Methode
durchgeführt, um die angesprochenen Prozesse zu charakterisieren.
Durch die Konzentration auf Modellrechnungen sind die qualitativen Ergebnisse dieser Arbeit auf viele Systeme übertragbar.
Zunächst widmet sich die Arbeit den linearen UV/Vis-Absorptions- und Emissionsspektren von Aggregaten.
Hier zeigt sich, dass die Anzahl der Größen, die ein Absorptionsspektrum bestimmen -- etwa die Anzahl der Chromophore, ihre geometrischen Anordnung und die elektronische Kopplung zwischen ihnen -- zu groß ist, um ihre numerischen Werte eindeutig aus den Spektren bestimmen zu können.
Insbesondere können sich die Auswirkungen der Aggregatgröße und der Kopplungsstärke gegenseitig so beeinflussen, dass die Form der Absorptionsbande bei sehr unterschiedlichen Systemen nahezu identisch ist. Daraus ergeben sich Schwierigkeiten bei der Interpretation experimenteller Spektren, insbesondere von selbst-aggregierten Oligomeren, deren Größe unbekannt ist.
Es ist daher notwendig, entweder die elektronische Kopplung oder die Anzahl der Monomere in einem Aggregat
durch andere experimentelle Methoden unabhängig zu bestimmen. Ist die Aggregatgröße jedoch bekannt,
können die Absorptionsspektren sehr wohl zur Bestimmung anderer Eigenschaften des Systems herangezogen werden.
Dies wird durch die Untersuchung der Spektren kovalent gebundener zyklischer Aggregate aus drei und vier cis-Indolenin-Squarain-Molekülen als Beispiel für Systeme mit bekannter Größe dargestellt.
Das zweite Hauptthema der Arbeit ist die Populationsdynamik in angeregten Zuständen molekularer Aggregate.
Dazu werden numerische Rechnungen an Dimeren, Pentameren und Nonameren durchgeführt. Eine Asymmetrie, sei es im System selbst oder am Wellenpaket, das durch die Anregung entsteht, kann dazu führen, dass ein einzelnes Monomer dauerhaft bevorzugt populiert ist. Wenn durch eine externe Störung die Energie des angeregten Zustands bestimmter Monomere für eine gewisse Zeit erhöht ist,
kommt es zu einer Lokalisation der Population in diesem energetisch höheren Zustand.
In einem System mit weiteren internen Freiheitsgraden wird die Population auf benachbarte Monomere übertragen,
wenn der Betrag der Energieverschiebung des gestörten Zustands mit dem Abstand der Schwingungsniveaus zusammenfällt.
Der anfängliche Lokalisierungseffekt ist darüber hinaus zustandsspezifisch:
Er wird durch die Überlappintegrale der Schwingungskomponenten der Wellenfunktion in den diabatischen angeregten elektronischen Zuständen bestimmt.
Durch die Kombination von zwei Laserpulsen kann auch ein Wellenpaket in den angeregten Zuständen erzeugt werden,
dessen Symmetrieachsen nicht mit denen der Potentialflächen des Systems zusammenfallen.
Dadurch, dass hier die Asymmetrie schon im Wellenpaket vorliegt, kann es auch ohne äußere Störung zu einer Lokalisation der Population auf einem Monomer kommen.
Der Spracherwerb beginnt lange vor der Produktion der ersten bedeutungstragenden Wörter. In der Fachliteratur besteht Einigkeit darüber, dass die vorsprachliche produktive Entwicklung in einer geordneten und zeitlich relativ klar definierten Abfolge von als universal postulierten Entwicklungsstufen verläuft (Koopmans-van Beinum & van der Stelt, 1986; Oller, 1980, 2000; Roug et al., 1989; Stark, 1980). Allerdings liegen bisher vergleichsweise wenige Erkenntnisse zu den akustischen und phonetischen Eigenschaften der für die einzelnen Entwicklungsstufen charakteristischen Vokalisationstypen vor.
Hier setzt die vorliegende Arbeit an. Untersucht wurde ein Vokalisationstyp, der als Meilenstein der vorsprachlichen Erwerbsphase gilt: das kanonische Babbeln. Das kanonische Babbeln tritt bei sich normal entwickelnden Kindern erstmals zwischen dem 5. und 10. Lebensmonat auf und zeichnet sich dadurch aus, dass es entsprechend der temporalen und spektralen Eigenschaften der Erwachsenensprache phonetisch wohlgeformte Silben aufweist (Oller, 2000). Darüber hinaus findet sich bezüglich der phonetischen Eigenschaften von kanonischen Babblern und ersten bedeutungstragenden Wörtern ein hohes Maß an Kontinuität (Elbers & Ton, 1985; Kent & Bauer, 1985; Locke, 1989; Majorano & D'Odorico, 2011; Stoel-Gammon & Cooper, 1984; Vihman et al., 1986; Vihman et al., 1985).
Zielstellung der vorliegenden explorativen Längsschnittstudie war es, die Eigenschaften von kanonischen Babblern von sich normal entwickelnden Kindern mit deutscher Umgebungssprache erstmalig quantitativ zu charakterisieren. Hierfür wurden von 15 gesunden deutschen Kindern (sieben Jungen und acht Mädchen) vom vierten Monat bis zum 13. Lebensmonat im Rhythmus von zwei bis vier Wochen digitale Lautaufnahmen angefertigt. Insgesamt wurden 4992 kanonische Babbler mittels speziell auf die Zielstellung der Untersuchung zugeschnittener signalanalytischer Verfahren untersucht. Für jeden kanonischen Babbler wurden die akustischen Messgrößen Vokalisationslänge und Vokallänge sowie die mittlere Grundfrequenz (F0) und der F0-Range berechnet. Darüber hinaus wurden die Silbenanzahl pro Babbler, die Konsonant-Vokal-Struktur der Silben (CV-Struktur) sowie Artikulationszone und –art der konsonantischen Elemente analysiert. Die längsschnittliche Auswertung erfolgte anhand des kanonischen Babbelalters, das ausgehend vom individuellen Alter bei Einsetzen der kanonischen Babbelphase bestimmt wurde.
Die längsschnittliche Auswertung der zeitlichen Messgrößen ergab eine kontinuierliche Abnahme der Vokalisationslänge. Gleichzeit verringerte sich in einem ähnlichen Maß der Anteil an mehrsilbigen kanonischen Babblern, während sich der der einsilbigen kanonischen Babbler deutlich erhöhte. Dieses Entwicklungsmuster markiert möglicherweise den Übergang zur Wortproduktion (Vihman et al., 1985). Im Unterschied zur Vokalisationslänge wurden für die Vokallänge keine systematischen Veränderungen im Entwicklungsverlauf festgestellt. Die längsschnittliche Auswertung der melodischen Messgrößen ergab sowohl für die mittlere F0 als auch für den F0-Range zwischen dem 2. und 5. Monat nach Beginn der kanonischen Babbelphase ein erhöhtes Maß an Variabilität. Dies steht möglicherweise mit der Feinabstimmung der laryngealen und der supralaryngealen Aktivität im kanonischen Babbeln in Zusammenhang. Bezüglich der CV-Struktur und der Eigenschaften der konsonantischen Elemente fanden sich ähnliche Befunde wie in früheren Untersuchungen (z.B. Davis & MagNeilage, 1995). Während CV-Silben während des gesamten Untersuchungszeitraums und bei allen Kindern klar dominierten, fand sich hinsichtlich der Eigenschaften der konsonantischen Elemente im Rahmen universeller Tendenzen ein hohes Maß an inter- und intraindividueller Variabilität.
Die vorliegende Untersuchung stellt erstmalig objektive Variationsbereiche für typische quantitative und qualitative Eigenschaften von kanonischen Babblern von Deutsch lernenden Kindern bereit. Die ermittelten vorläufigen Referenzwerte könnten die Grundlage für nachfolgende Untersuchungen bei Risikokindern für Sprech- und Spracherwerbsstörungen liefern und so zur Identifizierung valider frühdiagnostischer Risikomarker beitragen.
Ziel dieser Arbeit war die Reduktion des Modenvolumens in Mikrokavitäten. Ein klei-nes Modenvolumen ist für die Stärke der Licht-Materie-Wechselwirkung wesentlich, weil dadurch z.B. die Schwelle für kohärente Lichtemission gesenkt werden kann [1]. Der Purcell-Faktor, ein Maß für die Rate der spontanen Emission, wird durch ein mi-nimales Modenvolumen maximiert [2, 3]. Im Regime der starken Kopplung steigt mit Abnahme des Modenvolumens die Rabi-Aufspaltung und damit die maximale Tempe-ratur, bei der das entsprechende Bauteil funktioniert [4, 5]. Spektrale Eigenschaften treten deutlicher hervor und machen die Funktion der Struktur stabiler gegenüber stö-renden Einflüssen.
Der erste Ansatz, das Modenvolumen einer Mikrokavität zu reduzieren, zielte darauf, die Eindringtiefe der optischen Mode in die beiden Bragg-Spiegel einer Mikrokavität zu minimieren. Diese hängt im Wesentlichen vom Kontrast der Brechungsindizes der alternierenden Schichten eines Bragg-Spiegels ab. Ein maximaler Kontrast kann durch alternierende Schichten aus Halbleiter und Luft erreicht werden. Theoretisch kann auf diese Weise das Modenvolumen in vertikaler Richtung um mehr als einen Faktor 6 im Vergleich zu einer konventionellen Galliumarsenid/Aluminiumgalliumarsenid Mikro-kavität reduziert werden. Zur Herstellung dieser Strukturen wurden die aluminiumhal-tigen Schichten einer Galliumarsenid/Aluminiumgalliumarsenid Mikrokavität voll-ständig entfernt und so der Brechungsindexkontrast maximiert. Die Schichtdicken sind dabei entsprechend anzupassen, um weiterhin die Bragg-Bedingung zu erfüllen. Die Herstellung einer freitragenden Galliumarsenid/Luft-Mikrokavität konnte so erfolg-reich demonstriert werden. Die Photolumineszenz der Bauteile weist diskrete Reso-nanzen auf, deren Ursache in der begrenzten lateralen Größe der Strukturen liegt. In leistungsabhängigen Messungen kann durch ausgeprägtes Schwellenverhalten und auf-lösungsbegrenzte spektrale Linienbreiten Laseremission nachgewiesen werden. Wegen der Abhängigkeit der photonischen Resonanz vom genauen Brechungsindex in den freitragenden Schichten eignen sich die vorgestellten Strukturen auch zur Bestimmung von Brechungsindizes. Alternativ kann die photonische Resonanz durch Einbringen verschiedener Gase in die freitragenden Schichten abgestimmt werden. Beides konnte mit Erfolg nachgewiesen werden. Der Nachteil dieses Ansatzes liegt vor allem darin, dass ein elektrischer Betrieb der so gefertigten Strukturen nicht möglich ist. Hier bie-tet der zweite Ansatz eine bestmögliche Lösung.
Das alternative Konzept für den oberen Bragg-Spiegel einer konventionellen Galli-umarsenid/Aluminiumgalliumarsenid Mikrokavität ist das der Tamm-Plasmonen. Der photonische Einschluss wird hier durch einen unteren Bragg-Spiegel und einem dün-nen oberen Metallspiegel erreicht. An der Grenzfläche vom Halbleiter zum Metall bil-den sich die optischen Tamm-Plasmonen aus. Dabei kann der Metallspiegel gleichzei-tig auch als elektrischer Kontakt genutzt werden. Die Kopplung von Quantenfilm-Exzitonen an optische Tamm-Plasmonen wird in dieser Arbeit erfolgreich demons-triert. Im Regime der starken Kopplung wird mittels Stark-Effekt eine vollständige elektro-optische Verstimmung, d.h. vom Bereich positiver bis hin zur negativen Ver-stimmung, des Quantenfilm-Exzitons gegenüber der Tamm-Plasmonen Mode nachge-wiesen. Die Messungen bestätigen entsprechend des reduzierten Modenvolumens (Faktor 2) eine erhöhte Rabi-Aufspaltung. Dabei sind die spektrale Verschiebung und die Oszillatorstärke des Quantenfilm-Exzitons konsistent mit der Theorie und mit Li-teraturwerten. Der wesentliche Nachteil des Ansatzes liegt in der maximalen Güte, die durch den großen Extinktionskoeffizienten des Metallspiegels limitiert ist.
Ein Teil der hier vorliegenden Arbeit beschäftigte sich mit der Synthese und Charakterisierung neuer Boran-Addukte. Dabei wurden neben den NHCs IMe und IMeMe die Phosphane PEt3 und PMe3 als stabilisierende Lewisbasen eingesetzt. Neben dem Liganden wurde auch der borgebundene organische Rest variiert (Phenyl und n-Butyl), um deren Einfluss auf die Eigenschaften der Addukte zu untersuchen. Die NHC-stabilisierten Monoborane IMe∙B(nBu)Cl2 (99) und IMeMe∙B(Ph)Cl2 (100) konnten in guten Ausbeuten isoliert und vollständig charakterisiert werden. Zusammen mit dem bereits bekannten Addukt IMe∙B(Ph)Cl2 (98) wurden die analytischen Daten dieser drei Spezies miteinander verglichen, wobei sich die strukturellen Parameter im Festkörper stark ähneln. Die vergleichsweise lange B–CCarben-Bindungen (98: 1.621(3) Å; 99: 1.619(5) Å; 100: 1.631(3) Å) konnten hierbei als Beleg für den dativen Charakter dieser Wechselwirkungen herangezogen werden.
Auch bei den Phosphan-Boran-Addukten Et3P∙B(Ph)Cl2 (112), Et3P∙B(nBu)Cl2 (113) und Me3P∙B(Ph)Cl2 (114) wurden relativ lange dative B–P-Bindungen (112: 1.987(2) Å; 113: 1.980(2) Å; 114: 1.960(3) Å) gefunden, wobei diese in Me3P∙B(Ph)Cl2 (114) deutlich kürzer ist als bei den PEt3-Addukten 112 und 113. Da die Lewisbasizität von PMe3 geringer ist als von PEt3 konnte dieser Befund auf den geringeren sterischen Anspruch von PMe3 zurückgeführt werden.
Die reduktive Umsetzung der Phosphan-Boran-Addukte 112, 113 und 114 mit 1,2-Diphenyl-1,2-dinatriumethan (Na2[C14H12]) verlief in allen Fällen unselektiv und führte nicht zur Bildung eines Phosphan-stabilisierten Borirans. Das gleiche Ergebnis lieferte das NHC-stabilisierte Boran IMe∙B(Dur)Cl2. Im Gegensatz dazu konnten die Addukte 98, 99 und 100 mit NHC-Liganden und kleineren organischen Resten selektiv in die Borirane IMe∙B(Ph)(C14H12) (101), IMe∙B(nBu)(C14H12) (102) und IMeMe∙B(Ph)(C14H12) (103) durch Umsetzung mit Na2[C14H12] überführt werden. Hierbei wurden jene als racemische Gemische erhalten, wobei die Phenylgruppen am C2B-Dreiring ausschließlich trans zueinander orientiert sind. Die sterisch gehinderte Rotation um die B–CCarben-Bindung resultiert in einer Verbreiterung bzw. Aufspaltung der Signale des NHCs im 1H NMR-Spektrum. Die Strukturparameter der Molekülstrukturen im Festkörper von 101, 102 und 103 unterscheiden sich nur geringfügig.
Die NHC-stabilisierten Borirane 101, 102 und 103 weisen trotz der enormen Ringspannung eine erstaunlich hohe Stabilität sogar gegenüber Luft und Wasser auf. Während gegenüber [Pt(PCy3)2] keine Reaktivität beobachtet wurde, erfolgte bei Umsetzung von IMe∙B(Ph)(C14H12) (101) mit [Pt(PEt3)3] eine langsame und unvollständige C–H-Bindungsaktivierung am NHC-Rückgrat unter Bildung des Platin(II)-Komplexes 105. Aufgrund der gehinderten Rotation um die B–CCarben-Bindung wurde hierbei ein racemisches Gemisch von jeweils zwei Rotameren erhalten, welche in den NMR-Spektren in Form zweier Signalsätze zu beobachten waren. Die chemische Verschiebung des platingebundenen Hydrid-Signals bestätigt zudem eine vinylartige Natur des Boriran-Liganden mit starkem trans-Effekt. Die Konstitution von 105 im Festkörper konnte durch eine Einkristallröntgenstrukturanalyse belegt werden, wobei die geringe Qualität des Datensatzes keine Strukturdiskussion zulässt. Erwartungsgemäß ging das Boriran IMeMe∙B(Ph)(C14H12) (103) mit [Pt(PEt3)3] keine Reaktion ein, da der IMeMe-Ligand keine C–H-Einheiten im NHC-Rückgrat aufweist.
Basenfreie Borirane konnten hingegen weder durch Basenabstraktion aus dem NHC-stabilisierten Boriran 101 mit Hilfe starker Lewissäuren (PPB, B(C6F5)3, AlCl3 oder [Lu∙BCl2][AlCl4]), noch durch Reduktion einfacher Dihalogenborane mit Na2[C14H12] realisiert werden. Während die Umsetzungen mit Lewissäuren entweder mit keiner Reaktion oder mit Zersetzung verbunden waren, bestand eine Schwierigkeit des reduktiven Ansatzes in der Wahl des Lösungsmittels, in welchem das Reduktionsmittel generiert wurde. Die meisten polaren Lösungsmittel führten hierbei direkt zur Zersetzung des Borans und lediglich DME erwies sich als geeignet. Jedoch wurde bei der Umsetzung von DurBCl2 mit Na2[C14H12] in DME kein Boriran, sondern das Borolan 109 mit syndiotaktisch angeordneten Phenylgruppen gebildet. Die Molekülstruktur im Festkörper offenbarte hierbei ein planar-koordiniertes Boratom.
Ein weiterer Fokus dieser Arbeit lag auf der Synthese und Reaktivität neuer Phosphan-stabilisierter Diborene. Hierbei konnte zunächst gezeigt werden, dass das sterisch anspruchsvolle Bisphosphan dppe mit ( B(Mes)Br)2 (115) bei Raumtemperatur kein Addukt ausbildet. Bei –40 °C konnten neben freiem dppe auch ein Mono- und ein Bisaddukt im 31P NMR-Spektrum nachgewiesen werden. Im Gegensatz dazu lieferte die Umsetzung von 115 mit dmpe einen nahezu unlöslichen Feststoff, welcher sich in nachfolgenden Reduktionsversuchen als ungeeignet erwiesen hat. Deshalb wurde eine Eintopfsynthese entwickelt, mit der 115 mit KC8 in Gegenwart der jeweiligen Bisphosphane zu den cis-konfigurierten Diborenen (=BMes)2∙dmpe (123), (=BMes)2∙dmpm (126) und (=BMes)2∙dppm (127) umgesetzt werden konnte. Ebenfalls konnte ( B(Mes)Cl)2 (124) selektiv zum Diboren 123 reduziert werden, wobei kein signifikanter Unterschied in Selektivität oder Reaktionszeit beobachtet wurde. Das trans-konfigurierte Diboren (=B(Mes)∙PMe3)2 (122) wurde hingegen durch Reduktion des einfach-stabilisierten Diborans ( B(Mes)Br)2∙PMe3 (119) dargestellt. Anhand der Molekülstrukturen von 122, 123, 126 und 127 im Festkörper konnten die Abstände der B=B-Doppelbindungen (1.55(2)-1.593(2) Å) ermittelt werden. Dabei sind die Boratome nahezu planar von ihren Substituenten umgeben. Durch Analyse der P1–B1–B2-Winkel konnte zudem gezeigt werden, dass das trans-konfigurierte Diboren (=B(Mes)∙PMe3)2 (122) (116.6(3)°) und das cis-konfigurierte Diboren (=BMes)2∙dmpe (123) (118.7(1)°) nahezu ungespannte Spezies darstellen, wohingegen die Fünfring-Systeme (=BMes)2∙dmpm (126) (110.6(2)°) und (=BMes)2∙dppm (127) (110.4(1)°) eine signifikante Ringspannung aufweisen. Mit Hilfe von NMR-Spektroskopie, Cyclovoltammetrie, DFT-Rechnungen und UV-Vis-Spektroskopie konnte der Einfluss der Konfiguration, der Ringgröße und der Lewisbase auf die elektronischen Eigenschaften des Diborensystems untersucht werden.
Hierbei wurde bei nahezu allen Parametern eine Tendenz in der Reihenfolge 122, 123, 126 zu 127 beobachtet. 127 nimmt aufgrund der phosphorgebundenen Phenyl-Substituenten eine gesonderte Rolle im Hinblick auf den HOMO-LUMO-Abstand ein, und es wurde für dieses Diboren erstmals eine Reduktionswelle im Cyclovoltammogramm beobachtet. Einige NMR-Signale der Diborene 122, 123, 126 und 127 wurden aufgrund des Spinsystems höherer Ordnung als virtuelle Signale detektiert, bei denen bei geeigneter Auflösung bzw. Signalüberlappung nur die Summe an Kopplungskonstanten ausgewertet werden konnte. Das HOMO ist bei allen Diborenen auf die B–B-Bindung lokalisiert und weist -Charakter auf.
Versuche, analoge Diborene mit den Lewisbasen dppe, dppbe, dmpbe, (-PR2)2 (R = p MeOC6H4) oder HP(o-Tol)2 zu realisieren und vollständig zu charakterisieren, schlugen fehl. Lediglich die Diborene (=BMes)2∙dppe (132) und (=BMes)2∙dppbe (133) konnten spektroskopisch nachgewiesen werden.
Auch durch reduktive Kupplung von Monoboranen mit chelatisierenden Phosphanen wurde versucht, Diborene darzustellen. Hierzu wurde zunächst die Adduktbildung von Monoboranen und Bisphosphanen untersucht. Während mit dppm kein Addukt nachgewiesen werden konnte, lieferte die Umsetzung von dmpe mit MesBBr2 das Bisaddukt 148.
Als Nebenprodukt dieser Reaktion wurde jedoch auch das Boreniumkation 149 beobachtet, welches sich nicht zur reduktiven Kupplung zum Diboren 123 eignet. Auch bei der Umsetzung von MesBCl2 mit dmpe wurde neben dem Bisaddukt 151 eine zu 149 analoge Spezies gebildet. Die nachfolgende Reduktion von 148 mit KC8 in Benzol war mit der Bildung des Diborens (=BMes)2∙dmpe (123) verbunden, welches allerdings nicht isoliert werden konnte. Auch die Variation des Lösungsmittels, des Reduktionsmittels, der Zugabe, des organischen Restes und der Lewisbase ermöglichte keine selektivere Umsetzung bzw. eine Isolierung des Diborens. Im Gegensatz dazu konnte das Diboren 123 durch reduktive Kupplung des Bisadduktes 151 mit KC8 in Benzol dargestellt und isoliert werden. Im Vergleich zur Synthese von 123 durch Reduktion von ( B(Mes)Br)2 (115) benötigt dieser Ansatz jedoch deutlich längere Reaktionszeiten (zwanzig Tage statt einen Tag) und lieferte schlechtere Ausbeuten (31 % statt 54 %).
Durch Umsetzung mit Wasser konnte (=B(Mes)∙PMe3)2 (122) selektiv in das Hydrolyseprodukt 154 überführt werden. Dieses Produkt konnte, aufgrund geringer Spuren Wasser im Reaktionsgemisch, ebenfalls durch freeze-pump-thaw Zyklen einer Lösung von 122 erhalten werden. Die Identität von 154 als gemischtes sp2-sp3-Diboran konnte mit Hilfe von NMR-Spektroskopie eindeutig erklärt werden.
Zusätzlich konnten zwei weitere mögliche Zersetzungsprodukte durch Einkristallröntgen-strukturanalysen als ( B(Mes)(H)∙PMe3)2 (156) und MesB(OH)2 (155) identifiziert werden.
Die Versuche die Liganden der Diborene (=B(Mes)∙PMe3)2 (122) und (=BMes)∙dppm (127) durch Mono- oder Bisphosphane bzw. IMe auszutauschen verlief nur für 122 mit IMe erfolgreich zum Diboren (=B(Mes)∙IMe)2 (49).
Auch Cycloadditionsreaktionen unter Beteiligung der B=B-Doppelbindung wurden im Detail untersucht. Es hat sich jedoch gezeigt, dass weder eine [4+2]-Cycloaddition von Isopren (mit 122) oder Cyclopentadien (mit 122 oder 123), noch eine [2+2]-Cycloaddition von Acetylen (mit 127), 2-Butin (mit 123 oder 127), Bis(trimethylsilyl)acetylen (mit 122), Di-tert-butyliminoboran (mit 122), Acetonitril (mit 122), Cyclohexen (mit 122), Aceton (mit 127) oder Methacrolein (mit 123 oder 127), sowie eine [2+1]-Cycloaddition von Kohlenstoffmonoxid (mit 123 oder 127) oder Ethylisonitril (mit 127), noch eine [3+2]-Cycloaddition von Trimethylsilylazid (mit 123 oder 127) möglich ist.
Lediglich mit 2-Butin konnte eine selektive Reaktion von (=B(Mes)PMe3)2 (122) zum Phosphan-stabilisierten 1,3-Diboreten 157 herbei geführt werden.
Diese ungewöhnliche Reaktion beinhaltet formal die Spaltung der C≡C-Dreifachbindung, wobei als möglicher Reaktionsmechanismus eine [2+2]-Cycloaddition zum 1,2-Diboreten mit nachfolgender Isomerisierung zum 1,3-Derivat 157 postuliert werden konnte. DFT-Rechnungen an 157 zufolge besitzt das HOMO artigen Charakter und ist über die beiden Boratome und die CMe-Einheit delokalisiert. Demnach konnte 157 als homoaromatisches System mit zwei Elektronen identifiziert werden, was durch die negativen NICS-Werte (NICS(0) = –20.62; NICS(1) = –6.27; NICS(1)` = –14.59) und den unterschiedlich langen B–C-Bindungen des Vierrings in der Molekülstruktur im Festkörper (B–C1: 1.465(4) bzw. 1.486(4) Å; B–C3: 1.666(4) bzw. 1.630(4) Å) weiter bestätigt wurde. Eine Einkristallröntgen-strukturanalyse belegte zudem eine Butterfly-Struktur des 1,3-Diboretens 157 mit einem Kippwinkel = 34.4°. Die Bindung zwischen Phosphoratom und dem Kohlenstoffatom im Vierring liegt mit 1.759(2) Å im Bereich einer dativen Bindung.
Durch Basenabstraktion mit PPB konnte das stabilisierte Diboreten 157 in das basenfreie 1,3-Diboreten 164 überführt werden, welches jedoch nicht isoliert werden konnte. Die NMR-spektroskopischen Parameter von 164 belegen hingegen eindeutig dessen Natur.
Neben Cycloadditionsreaktionen wurde auch das Redoxverhalten des Diborens (=BMes)2∙dppm (127) untersucht. So verlief die Umsetzung von 127 mit Iod hochselektiv zu einer in Lösung vermutlich diamagnetischen Spezies (NMR-aktiv/ESR-inaktiv). Durch Bestimmung der Molekülstruktur im Festkörper stellte sich jedoch heraus, dass diese Umsetzung zu einer Oxidation der elektronenreichen B=B-Doppelbindung unter Bildung des Radikalkations 166 führte (B–B: 1.633(3) Å). Somit wurde eine signifikante Diskrepanz zwischen kristallographischen und spektroskopischen Befunden beobachtet, weshalb die Natur des Reaktionsproduktes in Lösung nicht eindeutig ermittelt werden konnte.
Aus diesem Grund wurde (=BMes)2∙dppm (127) auch mit dem Einelektronenoxidationsmittel [Cp2Fe][PF6] umgesetzt und ESR-spektroskopisch analysiert. Hierbei konnte im ESR-Spektrum das typische 1:2:1-Triplett bei giso = 2.0023 mit A(31P) = 21 G (58 MHz) für ein derartiges Radikalkation detektiert werden.
Die Reduktion von 127 mit Lithium und Natriumnaphthalid lieferte entweder keinen Umsatz (Lithium) oder eine unselektive Zersetzung des Diborens (Natriumnaphthalid). Die Umsetzung mit KC8 verlief jedoch äußerst selektiv zu einer neuen borhaltigen Spezies (11B: = 22.4 ppm; 31P: = 18.6 ppm), welche sich in Anwesenheit des Reduktionsmittels jedoch als nicht stabil erwies und somit nicht isoliert werden konnte. Auch der Versuch durch einen Kationenaustausch mit Li[BArCl4] ein stabileres Produkt zu erhalten schlug fehl.
Im Gegensatz dazu führte die Umsetzung der Diborene (=B(Mes)∙PMe3)2 (122) und (=BMes)2∙dppm (127) mit Cu(I)Cl zur Bildung der Kupferkomplexe 167 und 168, deren Molekülstrukturen im Festkörper vergleichbar zu dem analogen NHC-stabilisierten Kupferkomplex 63 sind (B–B: 1.626(3) Å (167); 1.628(3) Å (168); 1.633(4) Å (63)). Beide Spezies zeigen hierbei erwartungsgemäß ein interessantes photophysikalisches Verhalten, wobei dieses lösungsmittelunabhängig ist und Fluoreszenzprozesse für die Emission verantwortlich sind.
Durch analoge Umsetzung von 127 mit Ag(I)Cl konnte der entsprechende Silberkomplex 169 generiert und NMR-spektroskopisch nachgewiesen werden (11B: = 26.7 ppm; 31P: = 5.4 ppm). 169 erwies sich jedoch als nicht stabil und zersetzte sich im Verlauf der Aufarbeitung zu der bekannten tetranukleare Silberverbindung 170.
Im Rahmen der Reaktivitätsstudien wurden die Diborene 122, 123 und 127 auch noch mit einer Reihe weiterer Reagenzien wie Catecholboran (mit 122 oder 127), THF∙BH3 (mit 127), Brom (mit 127), Iodchlorid (mit 123), ZnCl2 (mit 127), GaCl3 (mit 127), Na[BArF4] (mit 122), ( SPh)2 (mit 127), HCl (127), Wasserstoff (mit 122), Natriumhydrid (mit 127) und Methanol (mit 127) versetzt. Hierbei konnte entweder keine Reaktion oder Zersetzung beobachtet werden. Lediglich bei der Umsetzung von 127 mit Methanol konnte das Zersetzungsprodukt Mesityldimethoxyboran (171) eindeutig charakterisiert werden.
Viele Forschergruppen konzentrieren sich derzeit auf die Entwicklung von neuartigen Technologien, welche den Weg für die kommerzielle Nutzung einer Quantenkommunikation bereiten sollen. Erste Erfolge konnten dabei insbesondere auf dem Gebiet der Quantenschlüsselverteilung erzielt werden. In diesem Bereich nutzt man die Eigenschaft einzelner, ununterscheidbarer Photonen nicht kopiert werden zu können, um eine abhörsichere Übertragung sensibler Daten zu realisieren. Als Lichtquellen dafür eignen sich Halbleiter-Quantenpunkte. Diese Quantenpunkte lassen sich außerdem leicht in komplexe Halbleiter-Mikrostrukturen integrieren und sind somit besonders interessant für die Entwicklung solch fortschrittlicher Technologien, welche für eine abhörischere Kommunikation notwendig sind. Basierend auf diesem Hintergrund wurden in der vorliegenden Arbeit Halbleiter-Quantenpunkte spektroskopisch hinsichtlich ihres Potentials als Quanten-Lichtquelle für die Quantenkommunikation untersucht. Dabei wurden die Quantenpunkte aus InAs/GaAs und InP/GaInP unter anderem in einem speziellen Verfahren deterministisch positioniert und letztendlich in eine photonische Mikrostruktur integriert, welche aus einer Goldscheibe und einem dielektrischen Spiegel besteht. Als Grundcharakterisierungsmittel kam hauptsächlich die Mikrophotolumineszenzspektroskopie zur Bestimmung der Emissionseigenschaften zum Einsatz. Weiterführend wurden Photonen-Korrelationsmessungen zweiter Ordnung durchgeführt, um den Nachweis einer Quanten-Lichtquelle zu erbringen.
Einfluss eines RTA-Prozesses auf die Emissionseigenschaften von InAs/GaAs-Quantenpunkten
Zur Untersuchung des Einflusses eines Rapid-Thermal-Annealing-Prozesses auf die elektronischen Eigenschaften und die Oszillatorstärke selbstorganisierter InAs/GaAs-Quantenpunkte wurden Mikrophotolumineszenzmessungen an verschiedenen Proben im externen Magnetfeld von bis zu 5 T durchgeführt. Die Quantenpunkte wurden dabei in einem besonderen Verfahren gewachsen, bei dem die nominelle Quantenpunkthöhe durch eine bestimmte Bedeckungsschichtdicke vorgegeben wurde. Insgesamt wurden drei Proben mit Schichtdicken von 2 nm, 3 nm und 4 nm hergestellt, die jeweils nachträglich bei Temperaturen von 750° C bis 850° C für fünf Minuten ausgeheilt wurden. Anhand polarisationsaufgelöster Spektroskopie konnten aus den aufgenommenen Quantenpunktspektren die Zeemanaufspaltung und die diamagnetische Verschiebung extrahiert und damit der effektive Landé g-Faktor sowie der diamagnetische Koeffizient bestimmt werden. Die Auswertung der Zeemanaufspaltung zeigte, dass sowohl höhere Ausheiltemperaturen als auch dickere Bedeckungsschichten zu einer drastischen Abnahme der absoluten g-Faktoren sorgen. Dies lässt darauf schließen, dass eine dickere Bedeckungsschicht zu einer stärkeren Interdiffusion der Atome und einer steigenden Ausdehnung der Quantenpunkte für ex-situ Ausheilprozesse führt. Im Gegensatz dazu steigen die diamagnetischen Koeffizienten der Quantenpunkte mit zunehmender Ausheiltemperatur, was auf eine Ausdehnung der Exzitonwellenfunktion hindeutet. Außerdem wurden mittels zeitaufgelöster Mikrophotolumineszenzspektroskopie die Lebensdauern am Quantenpunktensemble bestimmt und eine Abnahme dieser mit steigender Temperatur festgestellt. Sowohl über die Untersuchungen des diamagnetischen Koeffizienten als auch über die Analyse der Lebensdauer konnte schließlich die Oszillatorstärke der Quantenpunkte ermittelt werden. Beide Messverfahren lieferten innerhalb der Fehlergrenzen ähnliche Ergebnisse. Die höchste Oszillatorstärke \(f_{\chi}=34,7\pm 5,2\) konnte für eine Schichtdicke von d = 3 nm und einer Ausheiltemperatur von 850° C über den diamagnetischen Koeffizienten berechnet werden. Im Falle der Bestimmung über die Lebensdauer ergab sich ein maximaler Wert von \(f_{\tau}=25,7\pm 5,7\). Dies entspricht einer deutlichen Steigerung der Oszillatorstärke im Vergleich zu den Referenzproben um einem Faktor größer als zwei. Des Weiteren konnte eine Ausdehnung der Schwerpunktswellenfunktion der Exzitonen um etwa 70% festgestellt werden. Insgesamt betrachtet, lässt sich durch ex-situ Rapid-Thermal-Annealing-Prozesse die Oszillatorstärke nachträglich deutlich erhöhen, wodurch InAs/GaAs-Quantenpunkte noch interessanter für Untersuchungen im Regime der starken Kopplung werden.
Temperatur- und Leistungsabhängigkeit der Emissionseigenschaften positionierter InAs/GaAs Quantenpunkte
Um einen Einblick in den Ablauf des Zerfallsprozesses eines Exzitons in positionierten Quantenpunkten zu bekommen, wurden temperatur- und leistungsabhängige Messungen durchgeführt. Diese Quantenpunkte wurden in einem speziellen Verfahren deterministisch an vorher definierten Stellen gewachsen. Anhand der Temperaturserien konnten dann Rückschlüsse auf die auftretenden Verlustkanäle in einem Quantenpunkt und dessen Emissionseigenschaften gezogen werden. Dabei wurden zwei dominante Prozesse als Ursache für den Intensitätsabfall bei höheren Temperaturen identifiziert. Die Anhebung der Elektronen im Grundzustand in die umgebende Barriere oder in delokalisierte Zustände in der Benetzungsschicht sorgt für die anfängliche Abnahme der Intensität bei niedrigeren Temperaturen. Der starke Abfall bei höheren Temperaturen ist dagegen dem Aufbruch der exzitonischen Bindung und der thermischen Aktivierung der Ladungsträger in das umgebende Substratmaterial geschuldet. Hierbei lassen sich exemplarisch für zwei verschiedene Quantenpunkte die Aktivierungsenergien \(E_{2A}=(102,2\pm 0,4)\) meV und \(E_{2B}=(163,2\pm 1,3)\) meV bestimmen, welche in etwa den Lokalisierungsenergien der Exzitonen in dem jeweiligen Quantenpunkt von 100 meV bzw. 144 meV entsprechen. Weiterhin deckte die Auswertung des Intensitätsprofils der Exzitonemission die Streuung der Exzitonen an akustischen und optischen Phononen als Hauptursache für die Zunahme der Linienbreite auf. Für hohe Temperaturen dominierte die Wechselwirkung mit longitudinalen optischen Phononen den Verlauf und es konnten für das InAs/GaAs Materialsystem typische Phononenenergien von \(E_{LOA}=(30,9\pm 4,8)\) meV und \(E_{LOB}=(32,2\pm 0,8)\) meV bestimmt werden. In abschließenden Messungen der Leistungsabhängigkeit der Linienbreite wurde festgestellt, dass spektrale Diffusion die inhärente Grenze für die Linienbreite bei niedrigen Temperaturen setzt.
Optische Spektroskopie an positionierten InP/GaInP-Quantenpunkten
Weiterhin wurden positionierte InP/GaInP-Quantenpunkte hinsichtlich der Nutzung als Quanten-Lichtquelle optisch spektroskopiert. Zunächst wurden die Emissionseigenschaften der Quantenpunkte in grundlegenden Experimenten analysiert. Leistungs- und polarisationsabhängige Messungen ließen dabei die Vermutung sowohl auf exzitonische als auch biexzitonische Zerfallsprozesse zu. Weiterhin brachten die Untersuchungen der Polarisation einen ungewöhnlich hohen Polarisationsgrad der Quantenpunktemission hervor. Aufgrund von lokalen Ordnungsphänomenen in der umgebenden GaInP-Matrix wurden im Mittel über 66 Quantenpunkte der Grad der Polarisation von Exziton und Biexziton zu \(p_{Mittel}=(93^{+7}_{-9})\)% bestimmt. Des Weiteren wiesen die Quantenpunkte eine sehr hohe Feinstrukturaufspaltung von \(\Delta_{FSS}^{Mittel}=(300\pm 130)\) µeV auf, welche sich nur durch eine stark anisotrope Quantenpunktform erklären lässt. Durch Auto- und Kreuzkorrelationsmessungen zweiter Ordnung wurden dann sowohl der nicht-klassische Einzelphotonencharakter von Exziton und Biexziton als auch erstmalig für diese Strukturen der kaskadierte Zerfall der Biexziton-Exziton-Kaskade demonstriert. Hierbei wurden \(g^{(2)}(0)\)-Werte von bis 0,08 erreicht. Diese Ergebnisse zeigen das Potential von positionierten InP/GaInP-Quantenpunkten als Grundbausteine für Quanten-Lichtquellen, insbesondere in Bezug auf den Einsatz in der Quantenkommunikation.
Realisierung einer Einzelphotonenquelle auf Basis einer Tamm-Plasmonen-Struktur
Nachdem die vorangegangen Untersuchungen die Eignung der positionierten InP/GaInP-Quantenpunkte als Emitter einzelner Photonen demonstrierten, befasst sich dieser Teil nun mit der Integration dieser Quantenpunkte in eine Tamm-Plasmonen-Struktur zur Realisierung einer effizienten Einzelphotonenquelle. Diese Strukturen bestehen aus einem dielektrischen Spiegel aus 30,5 AlGaAs/AlAs-Schichtpaaren und einer einigen Zehn Nanometer dicken Goldschicht, zwischen denen die Quantenpunkte eingebettet sind. Anhand von Messungen an einer planaren Tamm-Plasmonen-Struktur wurde das Bauteil charakterisiert und neben der Exziton- und Biexzitonemission der Zerfall eines Trions beobachtet, was durch Polarisations- und Korrelationsmessungen nachgewiesen wurde. Um eine Verstärkung der Einzelphotonenemission durch die Kopplung der Teilchen an eine lokalisierte Tamm-Plasmonen-Mode demonstrieren zu können, wurde ein Bereich der Probe mit mehreren Goldscheiben von Durchmessern von 3-6 µm abgerastert und die Lichtintensität aufgenommen. Unterhalb der untersuchten Goldscheiben konnte eine signifikante Erhöhung des Lumineszenzsignals festgestellt werden. Eine quantitative Analyse eines einzelnen Quantenpunktes mittels einer Temperaturserie lieferte dabei eine maximale Emissionsrate von \(\eta_{EPQ}^{Max}=(6,95\pm 0,76)\) MHz und damit eine Effizienz von \((6,95\pm 0,76)\)% solch einer Einzelphotonenquelle unter gepulster Anregung bei 82 MHz. Dies entspricht einer deutlichen Verbesserung der Effizienz im Vergleich zu Quantenpunkten im Volumenmaterial und sogar zu denen in einer planaren DBR-Resonatorstruktur. Positionierte InP/GaInP-Quantenpunkte in einer Tamm-Plasmonen-Struktur bilden somit eine vielversprechende Basis für die Realisierung hocheffizienter Einzelphotonenquellen.
> In oxidischen Heterostrukturen kann es zur Ausbildung unerwarteter elektronischer und magnetischer Phasen kommen. Ein bekanntes Beispiel ist das Heterostruktursystem LaAlO\(_3\)/SrTiO\(_3\), an dessen Grenzfläche ein zweidimensionalen Elektronensystem (2DES) entsteht, sofern die LaAlO\(_3\)-Filmdicke einen kritischen Wert von mindestens vier Einheitszellen aufweist. Ähnliches Verhalten konnte an der Heterostruktur γ-Al\(_2\)O\(_3\)/SrTiO\(_3\) beobachtet werden. Die gemessenen Elektronenbeweglichkeiten und Flächenladungsträgerdichten übertreffen hierbei die in LaAlO\(_3\)/SrTiO\(_3\) um mehr als eine Größenordnung. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Herstellung sowie der Analyse dieser beiden Heterostruktursysteme. Die Hauptaspekte sind dabei die Untersuchung der physikalischen Eigenschaften an der Grenzfläche sowie das Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen.
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> Im Hinblick auf das Wachstum wird demonstriert, dass die für LaAlO\(_3\)/SrTiO\(_3\) etablierte Wachstumsroutine der gepulsten Laserablation sowie die zur Überwachung des Schichtwachstums verwendete Methode der Beugung hochenergetischer Elektronen in Reflexion (RHEED) für das γ-Al\(_2\)O\(_3\)-Wachstum modifiziert werden müssen. So kann gezeigt werden, dass durch eine geeignete Variation der Wachstumsgeometrie die Resonanz von Oberflächenwellen, welche im Falle des γ-Al\(_2\)O\(_3\)-Wachstums die Beobachtung von RHEED-Oszillationen erschwert, vermieden werden kann und somit auch hier die Überwachung des heteroepitaktischen Schichtwachstum mittels Elektronenbeugung möglich wird.
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> Für die Ausbildung des 2DES in LaAlO\(_3\)/SrTiO\(_3\) wird das Szenario der elektronischen Rekonstruktion als mögliche Ursache diskutiert, wonach das divergierende Potential innerhalb des polaren LaAlO\(_3\)-Films durch einen Ladungstransfer von der Probenoberfläche in die obersten Atomlagen des unpolaren SrTiO\(_3\)-Substrats kompensiert wird. Zudem sind die Eigenschaften der Heterostruktur von den Wachstumsparametern abhängig. So wird in der vorliegenden Arbeit eine deutliche Zunahme der Ladungsträgerkonzentration und der räumliche Ausdehnung der leitfähigen Schicht insbesondere für Proben, welche bei sehr niedrigen Sauerstoffhintergrunddrücken gewachsen wurden, gezeigt und auf die Erzeugung von Sauerstofffehlstellen innerhalb des Substrats zurückgeführt. Darüber hinaus wird erstmalig die Herstellung atomar scharfer Grenzflächen mit sehr geringer Defektdichte selbst bei sehr niedrigen Wachstumsdrücken belegt und erstmals auch direkt elektronenmikroskopisch nachgewiesen. Es werden allenfalls vernachlässigbare Effekte der Sauerstoffkonzentration auf charakteristische, strukturelle Merkmale der Probe beobachtet. Desweiteren zeigt diese Arbeit erstmalig eine von den Wachstumsbedingungen abhängige Gitterverzerrung des Films, was in Übereinstimmung mit Rechnungen auf Basis der Dichtefunktionaltheorie einen Hinweis auf ein komplexes Zusammenspiel von elektronischer Rekonstruktion, Sauerstofffehlstellen an der LaAlO\(_3\)-Oberfläche und einer Verzerrung der Kristallstruktur als Ursache für die Entstehung des 2DES in LaAlO\(_3\)/SrTiO\(_3\) liefert.
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> Neben der mikroskopischen Analyse des 2DES in LaAlO\(_3\)/SrTiO\(_3\) wird die elektronische Struktur dieses Systems zudem mithilfe der resonanten inelastischen Röntgenstreuung charakterisiert. Die vorliegende Dissertation zeigt dabei, neben dem Nachweis lokalisierter Ladungsträger vor dem Einsetzen metallischen Verhaltens ab einer kritischen Schichtdicke von vier Einheitszellen, die Existenz eines Raman- und eines fluoreszenzartigen Signals in Abhängigkeit der verwendeten Photonenenergie, was wiederum auf einen unterschiedlichen elektronischen Charakter im Zwischenzustand zurückgeführt werden kann. Gestützt wird diese Interpretation durch vergleichbare Messungen an γ- Al\(_2\)O\(_3\)/SrTiO\(_3\). In diesem System finden sich zudem ebenfalls Anzeichen lokalisierter Ladungsträger unterhalb der kritischen Schichtdicke für metallisches Verhalten, was ein Hinweis auf einen mit LaAlO\(_3\)/SrTiO\(_3\) vergleichbaren Grundzustand sein könnte.
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> Weitere Messungen mithilfe der resonanten Photoelektronenspektroskopie ermöglichen zudem eine direkte Beobachtung und Analyse der Ti 3d-Valenzelektronen. Messungen an LaAlO\(_3\)/SrTiO\(_3\) und γ-Al\(_2\)O\(_3\)/SrTiO\(_3\) liefern dabei Hinweise auf verschiedene elektronische Ti 3d-artige Zustände. Diese werden zum einen den mobilen Ladungsträgern des 2DES zugeschrieben, zum anderen als lokalisierte Elektronen in der Nähe von Sauerstofffehlstellen identifiziert. Eine Analyse des Resonanzverhaltens sowie der spektralen Form der beobachteten Signale zeigt quantitative Unterschiede, was auf einen unterschiedlichen treibenden Mechanismus in beiden Systemen hindeutet und im Hin- blick auf den Einfluss von Sauerstofffehlstellen auf das System diskutiert wird. Zudem zeigen impulsaufgelöste Messungen der Zustände am chemischen Potential eine unterschiedliche Intensitätsverteilung im k -Raum. Dies wird im Zusammenhang mit Matrixelementeffekten diskutiert und kann vermutlich auf Photoelektronendiffraktion bedingt durch die unterschiedliche Kristallstruktur des Filmmaterials, zurückgeführt werden.
Ziel der vorliegenden Doktorarbeit war die Stabilisierung und Isolierung von Alkalimetall-Carbenoiden sowie die Entwicklung neuer Anwendungsgebiete dieser Verbindungen. Dabei konzentrierte sich der erste Teil auf die thermische Stabilität und die Kontrolle der Reaktivität dieser Verbindungen, während der zweite Teil die Stabilitäts-Reaktivitäts-Beziehung der Verbindungsklasse beinhaltet.
Stabilität von M/X-Carbenoiden
Ein Schwerpunkt lag dabei auf der Synthese, den Eigenschaften und der Reaktivität Silyl-substituierter Carbenoide. Diese wurden durch Deprotonierung der Fluor- und Chlorvorstufen mit einer geeigneten Alkalimetall-Base zunächst in situ erzeugt (Abb. 4.1), da sie trotz stabilisierender Gruppen thermisch instabil waren und sich meist bei Temperaturen über –40 °C zersetzten. Durch die Einführung der Thiophosphoryl- und Silylgruppe konnten erstmals systematische Studien zu den Eigenschaften und Stabilitäten der Carbenoide mit unterschiedlichen M/X-Kombinationen durchgeführt werden. Hierbei gelang es neben dem Einfluss der Abgangsgruppe auch den Einfluss der unterschiedlichen Alkalimetalle zu untersuchen, welcher in der Literatur bisher nahezu unbeachtet geblieben war.
Abb. 4.1. (oben) Synthese von 52-M und 53-M; (unten) Molekülstrukturen der Carbenoide 53-Na und 53-K im Festkörper.
Durch NMR-spektroskopische Untersuchungen konnte die erfolgreiche Synthese der Fluor- bzw. Chlor-Carbenoide 52-M und 53-M (mit M = Li, Na, K) nachgewiesen werden. Diese zeigten im 31P{1H}-NMR-Spektrum nur eine geringe Verschiebung verglichen mit den protonierten Vorstufen, allerdings bestätigte das Fehlen des Signals für das Brückenwasserstoffatom im 1H-NMR-Spektrum die erfolgreiche Synthese der Verbindungen. Das Signal des carbenoiden Kohlenstoffatoms im 13C{1H}-NMR-Spektrum zeigte bei den Chlor-Carbenoiden nur eine geringe Änderung verglichen mit der protonierten Ausgangsverbindung. Die um etwa 35 Hz erhöhte 1JCP-Kopplungskonstante ließ jedoch auf einen erhöhten s-Charakter der P–C-Bindung und damit auf ein sp2-hybridisiertes Kohlenstoffatom schließen. Durch VT-NMR-Messungen konnte die thermische Instabilität der Carbenoide bestätigt und die genauen Zersetzungstemperaturen bestimmt werden. Dabei zeigte sich, dass 53-Li mit einer Zersetzungstemperatur von TD = 0 °C thermisch am instabilsten ist. Durch das Ersetzten von Lithium durch Natrium konnte die Stabilität des Carbenoids drastisch erhöht werden, was sich in einer Zersetzungstemperatur von TD = 30 °C widerspiegelt. Diese Beobachtung ist entgegen des Trends der Stabilität von einfachen Alkalimetallorganylen und hebt die Besonderheit der Alkalimetall-Carbenoide hervor. Es konnte dabei auch gezeigt werden, dass durch Kalium keine weitere Stabilisierung erzielt werden konnte. Allgemein ähneln sich die beobachteten Natrium- und Kalium-Carbenoide 53-Na und 53-K sowohl in ihrer thermischen Stabilität als auch in ihren NMR-spektroskopischen Eigenschaften. 53-Na und 53-K konnten – im Gegensatz zur Lithiumverbindung – in sehr guten Ausbeuten als gelbe Feststoffe isoliert und kristallographisch untersucht werden (Abb. 4.1). Damit stellen 53-Na und 53-K die ersten isolierten Carbenoide der schweren Alkalimetalle dar. 53-Na bildet ein Monomer, 53-K ein zentrosymmetrisches Dimer im Festkörper. Beide Carbenoide bilden sogenannte Carben-Donor-Komplexe mit einem M–Cl-Kontakt, aber keinerlei Wechselwirkung zwischen dem Metall und dem carbenoiden Kohlenstoffatom aus. Die beobachtete C1–Cl-Bindungsverlängerung um Δd = 0.05 Å (53-Na) bzw. Δd = 0.03 Å (53-K) bestätigt die erhöhte Polarisierung der C1–Cl-Bindung, was typisch für den carbenoiden Charakter ist. Durch elektrostatische Wechselwirkungen und negativer Hyperkonjugation wird die negative Ladung am carbenoiden Kohlenstoff stabilisiert, was sich in einer Verlängerung der C1–P- bzw. C1–Si-Bindung und einer Verkürzung der P–S-Bindung äußert. Die erhöhte Stabilität von 53-Na und 53-K verglichen mit der Lithiumverbindung wurde auf die erhöhte Polarität, geringere Lewis-Acidität und den erhöhten ionischen Charakter der M–C-Wechselwirkung zurückgeführt. Diese Vermutung führte zur Annahme, dass eine Manipulation der M–C-Wechselwirkung die Möglichkeit bietet, die Stabilität von Carbenoiden zu kontrollieren. Durch die Koordination starker Donorliganden wie 12-Krone-4 im Fall von Lithium bzw. 18-Krone-6 für Kalium konnten die entsprechenden Carbenoide synthetisiert und strukturell charakterisiert werden. Dabei bildeten sich durch die Koordination des Kronenethers separierte Ionenpaare im Festkörper, was zur gewünschten thermischen Stabilisierung führte. So zeigte 53-Li•(12-Krone-4)2 eine erhöhte Zersetzungstemperatur von TD = 20 °C im Vergleich zum THF-Addukt [(53-K)2•(18-Krone-6): TD = 40 °C].
Die für die Chlor-Carbenoide 53-M durchgeführten Untersuchungen wurden im Anschluss auf die Fluor-Carbenoide 52-M erweitert. Dabei belegten NMR-spektroskopische Studien die erwartungsgemäß geringere thermische Stabilität der Fluor-Systeme. Im Fall von 52-Li konnte eine Zersetzungstemperatur von TD = –70 °C bestimmt werden, während sich 52-Na und 52-K mit Zersetzungstemperaturen von TD = 10 °C (52-Na) bzw. 30 °C (52-K) – analog zu den Chlor-Carbenoiden – als thermisch deutlich stabiler erwiesen. Das carbenoide Kohlenstoffatom erfährt im 13C{1H}-NMR-Spektrum eine für Carbenoide typische Tieffeldverschiebung im Vergleich zur protonierten Vorstufe. Diese fällt im Fall von 52-Li (ΔC = 33 ppm) etwas größer aus als für 52-Na (ΔC = 32 ppm) bzw. 52-K (ΔC = 30 ppm).
Neben der Bestimmung der Zersetzungstemperatur der Carbenoide gelang es ebenfalls, die Zersetzungsprodukte der M/Cl- und M/F-Carbenoide aufzuklären und zu charakterisieren. So konnte gezeigt werden, dass sich die Chlor-Carbenoide selektiv zur sesselartigen Verbindung 57 zersetzen (Abb. 4.2). Bei den Fluor-Carbenoiden 52-M kommt es hingegen zur Bildung unterschiedlicher Verbindungen. Diese werden jedoch vermutlich alle über das Thioketon-Intermediat TK gebildet, das durch Wanderung des Schwefels der Thiophosphorylgruppe zum carbenoiden Kohlenstoffatom entsteht und durch Abfangreaktion mit Methyllithium zum lithiierten Thioether 60 nachgewiesen werden konnte. In Abhängigkeit vom Metall und Abgangsgruppe werden anschließend unterschiedliche Reaktionswege durchlaufen. Gemäß des HSAB-Konzepts erfolgt im Fall des Lithium-Carbenoids der Angriff am Schwefelatom des Thioketons, wobei die zyklische Verbindung 57 gebildet wird. Beim weicheren Kalium-Carbenoid 52-K kommt es selektiv zur Bildung des Thioenolats 65, während für 52-Na ein Gemisch aus 57 und 65 beobachtet wird.
Abb. 4.2. (oben) Zersetzungsreaktionen der M/X-Carbenoide 52-M und 53-M; (unten) Molekülstrukturen der Verbindungen 60 und 65 im Festkörper.
Die zu 52 analogen bromierten und iodierten Ausgangsverbindungen eigneten sich nicht zur Darstellung von Carbenoiden. Hier gelang es nicht durch Deprotonierung die Carbenoide zu synthetisieren.
Le Floch und Mitarbeiter konnten bereits 2007 zeigen, dass durch eine zweite stabilisierende Thiophosphorylgruppe das Li/Cl-Carbenoid 14 bis zu einer Temperatur von 60 °C keine Zersetzungsreaktionen zeigt. Basierend auf diesen Überlegungen wurden – analog zu den Silyl-substituierten Carbenoiden – der Einfluss der unterschiedlichen Alkalimetalle und Halogene auf die Eigenschaften und die Stabilität der entsprechenden Carbenoide untersucht. Zur Darstellung der Carbenoide wurden die protonierten Vorstufen 69-71 mit einem leichten Überschuss an Alkalimetallhexamethyldisilazan umgesetzt. Die Fluor-Carbenoide 69-M zeigten dabei wieder die für Carbenoide typische Tieffeldverschiebung des carbenoiden Kohlenstoff-atoms im 13C{1H}-NMR-Spektrum verglichen mit der protonierten Vorstufe. Im Fall der Chlor- und Brom-Carbenoide 70-M bzw. 71-M sind ähnliche Signalverschiebungen zu beobachten, allerdings fallen diese schwächer aus. Erneut sind starke spektroskopische Ähnlichkeiten zwischen den Natrium- und Kalium-Vertretern festzustellen, während die Lithium-Carbenoide eine gewisse Ausnahmestellung einnehmen.
Abb. 4.3. (oben) Synthese von 69-M, 70-M und 71-M; (unten) Molekülstrukturen der Bis(thiophosphoryl)-substituierten Carbenoide 69-Na•PMDTA, 70-Na und 70-K im Festkörper.
Durch VT-NMR-Messungen konnte gezeigt werden, dass alle Carbenoide bis Temperaturen von 60 °C keine Zersetzungsreaktionen eingehen. So gelang es, alle Carbenoide als gelbe Feststoffe zu isolieren. Einzig das Li/F-Carbenoid erwies sich bei Raumtemperatur als instabil und wies eine Zersetzungstemperatur von TD = 0 °C auf. Damit ist es das bis heute stabilste Li/F-Carbenoid das in der Literatur bekannt ist. Durch röntgenkristallographische Untersuchungen konnten alle Chlor- bzw. Brom-Carbenoide 70-M bzw. 71-M sturkturell charakterisiert werden. Dabei ist es gelungen, zusätzlich zu den bereits bekannten Strukturen schwerer Alkalimetall-Carbenoide, einige Metall-Halogen-Kombinationen erstmalig strukturell zu charakterisieren. Durch den Zusatz von PMDTA gelang es auch das erste Na/F-Carbenoid zu charakterisieren. Abbildung 4.3 zeigt exemplarisch einige Vertreter der neuen Strukturen. Auffällig ist dabei, dass in Abhängigkeit des Metalls ähnliche Strukturen erhalten wurden. So bilden die Kalium-Vertreter 70-K und 71-K wieder ein zentrosymmetrisches Dimer aus, während die Natrium-Vertreter 69-Na•PMDTA, 70-Na, 71-Na und 71-Li als Monomere vorliegen. Bei den beschriebenen Carbenoiden ist nur bei 69-Na•PMDTA und 70-Na die für Carbenoide typische C1–X-Bindungsverlängerung beobachtbar, was auf deren erhöhten carbenoiden Charakter im Vergleich mit den anderen Systemen schließen lässt.
Zusammenfassend lässt sich folgender allgemeiner Trend formulieren: Der carbenoide Charakter fällt in der Gruppe der Halogene von F zu I und in der Gruppe der Alkalimetalle gemäß Li > Na ≥ K. Die thermische Stabilität zeigt gleichzeitig einen inversen Trend (Abb. 4.4).
Reaktivität, carbenoider Charakter
Thermische Stabilität
Abb. 4.4. Tendenzen in den Eigenschaften von Carbenoiden.
Reaktivität und Anwendung
Nachdem die Carbenoide auf ihre Stabilitäten, NMR-spektroskopischen und strukturellen Eigenschaften untersucht wurden, stand in weiteren Studien die Reaktivität der Carbenoide im Vordergrund. Hierbei lag der Fokus vor allem auf E–H-Bindungsaktivierungsreaktionen, da es bislang nur wenige Beispiele für Carbenoide mit Hauptgruppenelementverbindungen gibt. Zunächst sollte die Reaktivität von 53-Li gegenüber Boranen untersucht werden. Hierbei kommt es zur selektiven Bildung des Lithiumborats 79 (Abb. 4.5). An das ehemalige carbenoide Kohlenstoffatom ist dabei eine BH3-Einheit und ein weiteres Wasserstoffatom gebunden. Durch theoretische und experimentelle Untersuchungen konnte der Reaktionsmechanismus zu 79 aufgeklärt werden, der als schrittweise B–H-Aktivierung beschrieben werden kann. So kommt es zunächst zur Boratbildung und anschließend zum Cl/H-Austausch mit Hilfe eines weiteren Boran-Moleküls. Dies konnte durch Deuterierungsexperimente mit BD3•THF experimentell bestätigt werden. Die Lithiumboratbildung zeigte sich dabei abhängig von der Stabilität der Lewis-Basen-Addukte, da mit den stabileren Amin- bzw. Phosphan-Boran-Addukten keine Umsetzung zu 79 beobachtet werden konnte.
Abb. 4.5. (links) B–H-Aktivierung durch Carbenoid 53-Li; (rechts) Molekülstruktur des Lithiumborats 79 im Festkörper.
Im nächsten Schritt wurde die Reaktivität gegenüber Phosphanen getestet. Dabei kam es interessanterweise nicht zu einer analogen P–H-Bindungsaktivierung, sondern vielmehr zu einer Dehydrokupplung der sekundären Arylphosphane zu den entsprechenden Diphosphanen unter Bildung der zweifach protonierten Vorstufe (Abb. 4.6). Diese Reaktion ist bisher einzigartig in der Chemie der Carbenoide und hebt deren großes Potenzial für weitere Anwendungen hervor. Das entwickelte Syntheseprotokoll stellt eine sehr selektive und effektive Methode dar, Phosphane zu Diphosphanen zu kuppeln. Es war so möglich die Diphosphane nach der Abtrennung der zweifach protonierten Vorstufe, die anschließend recycelt werden kann, in sehr guten Ausbeuten von über 90% zu isolieren. Dabei erlaubte das Syntheseprotokoll die Gegenwart funktioneller Gruppen, z.B. Methoxy-, Dimethylamino- oder Trifluoromethyl-Substitutenten. Überraschenderweise zeigten die Umsetzungen der Lithium-Carbenoide mit Chlorsubstituierten Arylphosphanen keinerlei Substitutionsreaktionen am Aromaten sondern führten ebenfalls selektiv zu den Diphosphanen. Einzig das sterisch anspruchsvolle sekundäre Arylphosphan Mes2PH oder aliphatische Phosphane wie tBu2PH oder Cy2PH eigneten sich nicht zur Dehydrokupplung. Im Fall des 3,5-Dichlorsubstiuierten Phosphans war es möglich neben dem Diphosphan das entsprechende P–H-Aktivierungsprodukt zu beobachten und in einer Ausbeute von 22% zu isolieren. Diese Aktivierung zeigte sich abhängig von der Konzentration der Reaktionslösung und konnte durch hohe Verdünnung unterdrückt werden.
Abb. 4.6. (links) Carbenoid-vermittelte Dehydrokupplung von Ar2PH; (rechts) Molekülstruktur von (p-C6H4Me)4P2 im Festkörper.
Bemerkenswerterweise zeigten quantenchemische Studien, dass die einfachen und nicht-stabilisierten Carbenoide, wie beispielsweise LiC(H)Cl2, nicht für die Dehydrokupplung von Phosphanen geeignet sind und eine ausreichende elektronische Stabilisierung für selektive Umsätze erforderlich ist. So ist zwar im Experiment für alle untersuchten Carbenoide die Diphosphan-Bildung beobachtbar, allerdings für unstabilisierte Systeme nur als Nebenreaktion. Mechanistische Studien zeigten, dass der erste Schritt der Reaktion die Deprotonierung des Phosphans und die Bildung einer Phosphid-Spezies ist. Dieser Schritt ist im Fall der stabilisierten Carbenoide bevorzugt. Bei den nicht-stabilisierten Carbenoiden stellt die Bildung des Carbens unter Salzeliminierung den ersten Reaktionsschritt dar, was im Anschluss zu unselektiven Folgereaktionen führt.
Die synthetisierten Diphosphane besitzen großes Potenzial für weitere Anwendungen, beispielsweise als Liganden in der Übergangsmetallkatalyse. Basierend auf diesen Überlegungen wurden in anfänglichen Studien die Diphosphane an Gold(I)-Fragmente koordiniert (Abb. 4.7). Es gelang dabei die Diphosphan-Bisgold-Komplexe in nahezu quantitativen Ausbeuten als farblose Feststoffe zu isolieren und mittels Multikern-NMR-Spektroskopie und hochaufgelöster Massenspektrometrie zu charakterisieren. Einzig die Chlor-substituierten Diphosphane zeigten nach der Zugabe von Gold(I) bereits Kupplungsreaktionen mit sich selbst. Röntgenkristallographische Untersuchungen zeigten, dass die beiden Gold-Zentren eine trans-Stellung zueinander einnehmen, in der keine intramolekulare Au•••Au-Wechselwirkung beobachtet werden konnte. Auch in der Kristallpackung zeigte sich, dass die Bildung der Festkörperstrukturen von C–H•••X- und π•••π-Wechselwirkungen dominiert wird. Studien zum Einsatz in der Katalyse stehen noch aus. Da die Komplexe in allen geläufigen Lösungsmitteln schwer löslich sind, besteht weiter Optimierungsbedarf, um die Löslichkeit, z.B. durch Einführung von Alkylgruppen, zu erhöhen.
Abb. 4.7. (links) Syntheseweg zu Diphosphan-Bisgold-Komplexen; (rechts) Molekülstruktur des Bisgold-Komplexes von (p-C6H4Me)4P2 im Festkörper.
Neben der einzigartigen Reaktivität Silyl-substituierter Carbenoide gegenüber element-organischen Verbindungen wie Boranen oder Phosphanen wurde auch die Reaktivität gegenüber späten Übergangsmetallkomplexen, hier exemplarisch [Pd(PPh3)4] untersucht. Ziel sollte es sein mit Carbenoiden als selektiven Carbentransferreagenzien Zugang zu Carbenkomplexen zu erhalten, die schwer über alternative Routen zugänglich sind. Bei Verwendung der Silyl-substituierten Systeme kam es dabei jedoch zunächst nicht zur selektiven Synthese des Carbenkomplexes C, sondern vielmehr zu Produktgemischen aus Thioketon-komplex T und Carbenkomplex C. Die Verhältnisse erwiesen sich jedoch als abhängig vom Metall, Halogen und der Silylgruppe des Carbenoids sowie von der Reaktionstemperatur. Tabelle 4.1 zeigt eine Übersicht. Je tiefer die Temperatur und je größer die Substituenten der Silylgruppe desto mehr Carbenkomplexbildung kann beobachtet werden. Theoretische Berechnungen der Trimethylsilyl- bzw. Triphenylsilyl-Systeme konnten die experimentellen Befunde bestätigen. Der Thioketonkomplex T stellt so das thermodynamisch stabilere Produkt dar, während der Carbenkomplex C kinetisch bevorzugt ist. Erfreulicherweise gelingt bei Verwendung der im Vergleich zum Lithiumsystem stabileren Natrium- bzw. Kalium-Carbenoide die selektive Synthese des Palladium-Carbenkomplexes C (Einträge 3 und 4). Durch die Stabilisierung des Li/Cl-Carbenoids durch Kronenether kann ebenfalls die Carbenkomplex-bildung forciert werden (Eintrag 5). Je stabiler die Carbenoide, desto selektiver wird der Carbenkomplex C gebildet. Das zeigt auch die Reaktion des sehr reaktiven Li/F-Carbenoids, das vollständig zum Thioketonkomplex T reagiert (Eintrag 11). Bei den Kalium-Carbenoiden der sterisch anspruchsloseren Silyl-Systeme tritt noch ein weiteres Reaktionsprodukt auf, das als das Ylid Y identifiziert wurde. Dieses tritt auch bei Kristallisationsversuchen des Carben-komplexes auf und wurde röntgenkristallographisch untersucht.
Tabelle 4.1. Reaktivität unterschiedlicher Silyl-substituierter Carbenoide gegenüber [Pd(PPh3)4].
Eintrag Metall Halogen Silylgruppe Temperatur Thioketon-komplex [%]a Carben-komplex [%]a Ylid [%]a
1 Li Cl SiPh3 RT 80 20 -
2 Li Cl SiPh3 –78 °C 48 52 -
3 Na Cl SiPh3 RT - >99 -
4 K Cl SiPh3 RT - >99 -
5 Li•(12-Krone-4) Cl SiPh3 RT - 93 -
6 K•(18-Krone-6) Cl SiPh3 RT - 75 25
7 K Cl SiMePh2 –40 °C - 71 29
8 K Cl SiMe2Ph –40 °C - 43 57
9 K Cl SiMe3 –10 °C 70 30 -
10 K Cl SiMe3 –40 °C 40 33 26
11 Li F SiPh3 –78 °C >99 - -
[a] Verhältnis der Produkte durch 31P{1H}-NMR-Spektroskopie bestimmt.
Trotz selektiver Synthese des Carbenkomplexes 119 erwies sich die Aufreinigung als problematisch, da das gebildete Triphenylphosphan vermutlich aufgrund der Koordination an das Metallsalz schwer abgetrennt werden konnte. Überraschenderweise zeigte sich beim Erwärmen des Gemisches auf 80 °C die Bildung einer neuen Verbindung, die als Diphosphanphosphonium-Komplex 121 identifiziert wurde. Dieser konnte mittels NMR-spektroskopischer Untersuchungen und hochauf-gelöster Massenspektrometrie charakterisiert werden. Studien zur Strukturanalyse und zur Reaktivität stehen hier allerdings noch aus.
Da der Carbenkomplex zunächst nicht selektiv dargestellt werden konnte, wurde eine alternative Syntheseroute entwickelt. Diese beinhaltete die oxidative Addition der halogenierten Liganden an das Übergangsmetall und anschließende Dehydrohalogenierung. Hierzu wurden analog Abbildung 4.9 zuerst die Palladium-Komplexe in einer oxidativen Additionsreaktion synthetisiert. Dabei gelang es sowohl unterschiedliche Halogenatome als auch unterschiedliche Silyl-Reste in der Synthese der Palladium-Komplexe zu etablieren. Die luftstabilen Verbindungen 129-134 konnten in moderaten bis guten Ausbeuten (52-91%) als gelbe Feststoffe isoliert und durch Multikern-NMR-Spektroskopie, hochaufgelöste Massen-spektrometrie und Röntgenstrukturanalyse charakterisiert werden. Sie besitzen in allen Fällen das sehr ähnliche Strukturmotiv eines nahezu quadratisch-planar koordinierten Palladium-atoms. Zur Dehydrohalogenierung wurden die Komplexe 129-134 mit verschiedenen Basen umgesetzt. Mit Hilfe der Alkalimetallhexamethyldisilazan-Basen gelang die gewünschte HX-Eliminierung, jedoch nicht unter Bildung des Carbenkomplexes, sondern biscyclo-metallierter Produkte. Beim Triphenylsilyl-substituierten System 129 konnte nach der Aufarbeitung Verbindung 135 isoliert werden, bei der ein an das Siliciumatom gebundener Phenylring metalliert wurde. Bei den Methyl-substituierten Vertretern 131 und 133 fand hingegen selektiv die Metallierung einer Methylgruppe unter Ausbildung ungewöhnlicher Palladacyclobutane statt. Dies konnte im Fall von 137 eindeutig durch Röntgenstrukturanalyse bestätigt werden (Abb. 4.9).
Abb. 4.9. (links) Syntheseweg zu den Palladium-Komplexen 129-138; (rechts) Molekülstrukturen der Palladium-Komplexe 130 und 137 im Festkörper.
Da cyclometallierte Palladium-Komplexe als effektive Katalysatoren in C–C-Knüpfungs-reaktionen eingesetzt werden, sollte auch das Potenzial der synthetisierten Komplexe getestet werden. Dabei zeigte sich, dass alle Komplexe eine höhere Aktivität als [Pd(PPh3)4] in der Suzuki-Miyaura-Kupplung von 4-Bromanisol mit Phenylboronsäure aufweisen. Aus Tabelle 4.2 wird aber auch ersichtlich, dass die zweite Cyclisierung einen negativen Effekt auf die Aktivität hat. Verbindung 129, das Produkt der einfachen oxidativen Addition, zeigte bereits nach vier Stunden nahezu vollständigen Umsatz. Dabei konnten TON's von etwa 17000 bei nahezu gleichbleibendem Umsatz erzielt werden (Eintrag 5).
Tabelle 4.2. Palladium-katalysierte Suzuki-Miyaura-Kupplung von 4-Bromanisol und Phenylboronsäure.
Eintrag Katalysator Katalysator-Ladung [mol %] Reaktionszeit [h] NMR-Ausbeute [%]a
1 [Pd(PPh3)4] 0.5 2 25
2 129 0.5 1.75 79
3 129 0.5 4 95
4 129 0.5 8 98
5 129 0.005 3 85
6 137 0.5 4 71
7 137 0.5 8 87
8 137 0.5 10 92
9 135 0.5 8 92
[a] Ausbeuten bestimmt durch NMR-Spektroskopie bezogen auf 4-Bromanisol.
Insgesamt konnten in dieser Doktorarbeit zahlreiche neue Erkenntnisse im Bereich der Carbenoidchemie erarbeitet werden. Diese lassen sich wiefolgt zusammenfassen:
• Anhand von Silyl- und Thiophosphoryl-stabilisierter Carbenoide konnte erstmals systematisch der Einfluss der M/X-Kombination auf die Stabilität und Reaktivität von Carbenoiden untersucht werden.
• Erstmals konnten Na- und K-Carbenoide isoliert und strukturell charakterisiert werden.
• Mit Hilfe der Stabilisierung konnten neue Anwendungsgebiete im Bereich der element-organischen Chemie erschlossen werden, darunter die B–H-Bindungsaktivierung am carbenoiden Kohlenstoffatom und die Kupplung von Phosphanen.
• Beim Einsatz von Carbenoiden als Carbentransferreagenzien zur Darstellung ungewöhnlicher Carbenkomplexe konnte gezeigt werden, dass Selektivitäten von zahlreichen Faktoren abhängen und beeinflusst werden können.
Mit diesen Studien konnte folglich ein Kreis von der Stabilisierung und Isolierung der normalerweise hochreaktiven Carbenoide zu deren Anwendungen geschlossen werden. Die Studien zeigen zudem das Potenzial dieser Verbindungsklasse und lassen vermuten, dass durch ein weiteres Einstellen von Stabilität und Reaktivität noch bisher unbekannte Reaktionsmuster ermöglicht werden können.
Massenbewegungen zählen zu den am häufigsten auftretenden Naturgefahren in Deutschland. Dabei wird die von instabilen Hängen ausgehende Gefährdung speziell in den Regionen der Mittelgebirge regelmäßig unterschätzt. In Bezug auf die Verbreitung von Massenbewegungen in Mittelgebirgen stellt das süddeutsche Schichtstufenland einen besonderen Schwerpunkt dar.
Die Disposition der Schichtstufenhänge beruht dabei in erster Linie auf einer Wechsellagerung wasserdurchlässiger und wasserstauender geologischer Schichten. Zu Hanginstabilitäten kommt es bevorzugt in Verbindung mit synthetischem Schichtfallen, steilen Hängen und erhöhten Niederschlägen. Rezente Massenbewegungen treten verstärkt in alten Rutsch- und/oder Hangschuttgebieten auf, da sich dort unkonsolidierte Rutschmassen leicht remobilisieren lassen.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, ein fundiertes Verständnis über Ursachen, Ablauf, Ausprägung und Prozesse von charakteristischen Massenbewegungen sowie dem aktuellen Aufbau der damit verbundenen Schichtstufenhänge in Nordbayern zu erlangen, um daraus grundlegende Einschätzungen zur Stabilität der Rutschgebiete treffen zu können. Neben den rutschungsrelevanten geologischen Schichten sind in diesem Zusammenhang insbesondere der Aufbau, die Eigenschaften und Charakteristika der Rutschmassen von besonderer Wichtigkeit, da besonders die bodenmechanischen und bodenphysikalischen Eigenschaften einen entscheidenden Faktor in Bezug auf die Hangstabilität darstellen. Entsprechend steht die umfassende Analyse dieser Sedimente im Fokus der Studien.
Die Arbeiten betrachten dabei drei Hänge im fränkischen Schichtstufenland, an denen in der jüngeren Vergangenheit Massenbewegungen auftraten. Ein weiteres zentrales Auswahlkriterium war die Lage der Gebiete in den Schichtstufen der Fränkischen Alb und der westlich vorgelagerten Keuperstufe, wobei hinsichtlich Typ und Verbreitung möglichst charakteristische Massenbewegungen für die jeweilige Region ausgewählt wurden. Bei Ebermannstadt stand demnach die sog. Werkkalkstufe der Weißjura-Kalke im Fokus, nahe Wüstendorf die Sandsteine des Braunjura und bei Gailnau an der Frankenhöhe die Sandsteine des mittleren (Gips-) Keupers.
Die Untersuchungen der Rutschungen und ihrer Sedimentcharakteristika erfolgte anhand eines speziell konzipierten Multimethodenansatzes mit zahlreichen, multiskaligen Gelände- und Laboranalysen. Neben klassischen, geomorphologischen Kartierungen an der Oberfläche wurden die sedimentologisch-morphologischen Verhältnisse des oberflächennahen Untergrundes in der Vertikalen durch geophysikalische Sondierungen analysiert. Eine Einschätzung der hydrologischen Verhältnisse der Rutschmassen erfolgte auf Basis von Messdaten aus Bodenfeuchtemonitoringsystemen, die an allen Untersuchungsstandorten installiert wurden. Für die bodenphysikalischen und -mechanischen Eigenschaften der Sedimente wurden Korngrößen, Konsistenzgrenzen, Plastizität, Gefüge und Lagerungsdichte untersucht und durch Tonmineralanalysen ergänzt. Die mikromorphologische Analyse von Dünnschliffen aus Rutschungssedimenten und den darin enthaltenen Deformationsstrukturen erweiterten den Gesamtansatz, ermöglichten neuartige Einblicke in die innere Architektur von Rutschmassen und erlaubten die Rekonstruktion von Bewegungsabläufen.
Durch die Arbeiten konnten an den Standorten Ebermannstadt und Gailnau komplexe, vielschichtige Massenbewegungen nachgewiesen werden. In der Rutschung bei Wüstendorf wurden nahezu ausschließlich unkonsolidierte Sedimente feinerer Korngrößen in einem Fließprozess verlagert. Primär erfolgte bei allen Rutschungen nachweislich die Remobilisierung alter Hangsedimente, wobei darüber hinaus auch stets bisher stabile Areale mit in die Bewegung einbezogen wurden.
Der sedimentologische Aufbau der Rutschmassen ist speziell im Falle großer und komplexer Rutschungen mitunter extrem heterogen. Im Zuge der Arbeiten konnten interne Makrostrukturen der Sedimentablagerungen, wie beispielsweise Rotationsflächen oder die Lage von Schollen detektiert werden. Trotz geophysikalisch und visuell auffälliger Beimischungen von Grobschutt, entfallen die größten Mengenanteile aber stets auf die veränderlich feste Feinmaterialfraktion. Im Rahmen der mikromorphologischen Untersuchungen der Sedimentdünnschliffe konnten auch in diesen Sedimenten zahlreiche Deformationsstrukturen nachgewiesen werden.
Die Arbeit unterstreicht insgesamt die Bedeutung dieser bindigen Bestandteile für die (Re)Mobilisierung von Sedimentablagerungen. Die Stabilität des Feinmaterials steht dabei in engem Zusammenhang mit der hydraulischen Leitfähigkeit und dem Eintrag von Wasser, welches zu wechselnden Steifigkeiten der Sedimente führt. Im Falle erhöhter Bodenwassergehalte konnte eine Plastifizierung der Feinkornfraktion ermittelt werden. Kommt es zu einer starken Durchnässung des Untergrundes, führt dies zu einer Plastifizierung der tonigen Lagen und einer entsprechenden Reduktion der Scherfestigkeit, was letztlich zum Auslösen von Massenbewegungen führt. Neben den geologisch-sedimentologischen Voraussetzungen impliziert dies auch eine hohe Bedeutung der Niederschlagscharakteristika in Bezug auf das Auslösen rezenter Massenbewegungen.
Die Bodenwassergehalte unterliegen im Jahresverlauf einer deutlichen saisonalen Variabilität. Während der Sommermonate wurden einheitlich niedrige Feuchtigkeitswerte im oberflächennahen Untergrund verzeichnet, was in erster Linie auf den Einfluss der Vegetation zurückzuführen ist. Auch sommerliche Starkregenereignisse besitzen unter diesen Bedingungen lediglich eine reduzierte Wirkung auf die Durchfeuchtung des Bodens. Demgegenüber erfolgt während der kalten Jahreszeit ein signifikanter Anstieg der Bodenwassergehalte. Neben den Regenfällen kommt vor allem der Schneeschmelze eine essentielle Bedeutung zu, da sie für eine zusätzliche und anhaltende Durchfeuchtung der Schichten besonders im Spätwinter bzw. Frühjahr sorgt. Entsprechend besteht vor allem während der Monate Februar bis April eine erhöhte Disposition für Rutschungen in Nordbayern. Im Hinblick auf die Niederschlagssummen gingen den Rutschungen in den Untersuchungsgebieten zwar keine besonders extremen Ereignisse, aber durchaus deutlich überdurchschnittliche Niederschlagssummen voraus, weshalb unter Berücksichtigung der im Zuge des Klimawandels ansteigenden Winterniederschläge von einer generell verstärkten Rutschungsaktivität auszugehen ist.
Vergleiche mit den Daten aus zahlreichen Übersichtskartierungen von Rutschungen aus den fränkischen Schichtstufengebieten verdeutlichen, dass die ermittelten Ergebnisse auf eine Vielzahl der verzeichneten Rutschungen übertragbar sind.
Strafvollzug
(2016)
Proteine sind dynamische makromolekulare Systeme, die nativ in verschiedenen Konfor-mationen vorliegen. Besonders Proteine mit einer ausgeprägten intrinsischen Flexibilität stellen als biologische Zielstrukturen für das computergestützte strukturbasierte Wirkstoff-design auch heute noch eine große Herausforderung dar. Die vorliegende Arbeit thematisiert die computergestützte Identifizierung neuer Liganden mit inhibitorischer Aktivität für zwei strukturell sehr flexible Enzyme, die bei verschiedenen Krankheiten eine pathophysio-logische Rolle spielen. Ein Schwerpunkt lag in diesem Zusammenhang auf der Entwicklung virtueller Screeningverfahren, die es ermöglichten, die Flexibilität der Proteine adäquat zu berücksichtigen.
Der erste Teil der Arbeit beschreibt ein virtuelles Screeningverfahren für die Identifizierung von Liganden einer neuen, durch Molekulardynamik (MD) Simulationen generierten Proteinkonformation der Aldose Reduktase (AR), einem Enzym, das im Zusammenhang mit der Entstehung von Folgeerkrankungen bei Diabetes mellitus steht. Die angewandte Vorgehensweise zeigt Möglichkeiten auf, wie eine ausgeprägte Proteinflexibilität mit Hilfe computerbasierter Methoden im Rahmen eines virtuellen Screenings explizit berücksichtigt werden kann. Die Studie war auf der einen Seite hinsichtlich methodischer Aspekte von Interesse, da dadurch sowohl eine Beurteilung der Aussagekraft computergenerierter Proteinkonformationen, als auch eine Überprüfung der prinzipiellen Eignung MD-generierter Enzymkonformationen als Template für strukturbasierten Ligandendesignstudien, erfolgen konnte. Auf der anderen Seite war diese Studie aufgrund einer möglichen Erweiterung des bekannten Konformationsraumes der AR auch aus strukturbiologischer Sicht von Interesse.
Bei der Suche nach geeigneten Liganden in Moleküldatenbanken kommerziell erhältlicher Verbindungen wurde eine protein- und eine ligandbasierte Strategie verfolgt. Im Rahmen des proteinbasierten Ansatzes erfolgte zunächst eine vergleichende Strukturanalyse verschiedener AR-Ligand-Komplexstrukturen, um Informationen hinsichtlich experimentell aufgeklärter Bindemotive, Protein-Ligand-Interaktionen sowie bestehender struktureller Differenzen zwischen der MD-Konformation und anderen Bindetaschenkonformationen der AR zu sammeln. Anschließend wurde die Bindetasche der MD-generierten Proteinstruktur hinsichtlich günstiger Interaktionspunkte analysiert, um aus den Erkenntnissen Pharmako-phormodelle als Filter für die nachfolgenden virtuellen Datenbanksuchen zu entwickeln.
Als Ergänzung zum proteinbasierten Ansatz wurde eine ligandbasierte Strategie für die Identifizierung potenzieller Kandidatenmoleküle verfolgt. Dabei diente ein bekannter AR-Inhibitor als Templatstruktur, bei dem aufgrund zuvor durchgeführter Dockingexperimente die begründete Annahme bestand, dass dieser die Bindetaschenform der MD-Proteinkonfor-mation stabilisieren könnte. Hierbei wurde zunächst eine Moleküldatenbank aus kommerziell erhältlichen Verbindungen, die alle über eine bestimmte Substruktur als Ankergruppe verfügten, aufgebaut und anschließend durch Berechnung molekularer Ähnlichkeiten zu der Templatstruktur auf mögliche Kandidatenmoleküle durchsucht.
Die virtuell identifizierten Moleküle der beiden Ansätze wurden im Anschluss mit Hilfe von Dockingsimulationen in die Bindetasche der MD-generierten Proteinkonformation gedockt und die berechneten Bindeposen mit einem Re- und Consensus-Scoringverfahren bewertet. Im nächsten Schritt erfolgte eine Untersuchung der Selektivität der Kandidatenmoleküle anhand eines Cross-Dockingexperiments an verschiedenen Bindetaschenkonformationen der AR. Auf der Grundlage aller durch das virtuelle Screeningverfahren gesammelten Informationen wurde eine finale Molekülauswahl getroffen und sechs kommerziell verfügbare Moleküle für experimentelle Untersuchungen bezogen. Die experimentelle Bestimmung der Enzyminhibition wurde dabei von Kooperationspartnern mit Hilfe eines in vitro Assays untersucht. Aufgrund einer unzureichenden Löslichkeit von vier Substanzen unter den Assaybedingungen konnte lediglich das Inhibitionspotenzial von zwei Verbindungen untersucht werden. Eine der Verbindungen zeigte bemerkenswerterweise eine inhibitorische Aktivität im einstelligen mikromolaren Bereich. Eine finale Beurteilung, ob die Zielsetzung dieser Studie, eine neue computergenerierte Bindetaschenkonformation der AR experi-mentell zugänglich zu machen, durch die vorgeschlagenen Verbindungen erfüllt werden konnte, konnte zum Zeitpunkt der Anfertigung der Dissertation aufgrund ausstehender Kristallstrukturen der jeweiligen AR-Ligand-Komplexe nicht erfolgen und bleibt das Ziel zukünftiger Arbeiten.
Die Studie zeigte jedoch deutlich, dass nicht nur experimentell aufgeklärte Proteinstrukturen sondern auch die Nutzung von mit Hilfe computerbasierter Verfahren, wie z.B. mittels MD Simulationen, berechneter Proteinkonformationen als Templatstrukturen für die Identifi-zierung neuer Liganden hilfreich sein kann und daher deren Verwendung für diese Zielsetzung ihre Berechtigung hat.
Der zweite Teil der Arbeit handelt von der computergestützten Identifizierung nieder-molekularer Liganden einer neuen potenziellen Bindestelle der biologischen Zielstruktur Hitzeschockprotein 70 (Hsp70), als eine neuartige Klasse von Hsp70-Inhibitoren. Hsp70 spielt eine pathophysiologische Rolle bei verschiedenen Krebserkrankungen sowie diversen weiteren Erkrankungen, wie z.B. neurodegenerativen Erkrankungen und Infektions-krankheiten. Bei der neuen potenziellen Bindestelle, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit näher untersucht wurde, handelte es sich um das Interdomäneninterface, der Schnittstelle zwischen der Nukleotid- und Substratbindedomäne von Hsp70.
Zum Zeitpunkt der Arbeit waren keine Liganden dieser Proteinregion in der Literatur beschrieben, weshalb es zunächst galt, die Hypothese der Adressierbarkeit dieser Zielregion durch niedermolekulare Liganden zu verifizieren. Hierfür wurde ein virtuelles Screening durchgeführt, bei dem protein- sowie ligandbasierte Suchstrategien zum Einsatz kamen. Im Rahmen des proteinbasierten Ansatzes erfolgte zunächst eine Analyse der Hsp70 Tertiär-struktur auf potenziell vorhandene Ligandenbindestellen. Im Anschluss wurde das Interdomäneninterface auf günstige Interaktionspunkte für bestimmte Atomtypen und funktionelle Gruppen zukünftiger Liganden untersucht. Basierend auf diesen Informationen wurde ein Pharmakophormodell als Filter für nachfolgende virtuelle Datenbanksuchen entwickelt.
Bei dem ligandbasierten Ansatz fungierte der bekannte Hsp70-Ligand Apoptozol als Templatstruktur für die virtuelle Datenbanksuche, da die Ergebnisse eines vorab durchge-führten Cross-Dockingexperiments deutlich auf eine Bindung des Moleküls an das Interdomäneninterface hinwiesen. Diese Dockingstudie lieferte erste wertvolle Hinweise hinsichtlich der Bindestelle und potenzieller Bindemodi des Moleküls an Hsp70.
Im Anschluss an die virtuellen Datenbanksuchen wurden die identifizierten Kandidaten-moleküle hinsichtlich möglicher Bindemodi und Bindungsaffinitäten mittels Docking-simulationen in Verbindung mit einem Re- und Consensus-Scoringverfahren untersucht. Abschließend wurden neun ausgewählte Kandidatenmoleküle von kommerziellen Anbietern bezogen und mit Hilfe von in vitro Assays von Kooperationspartnern innerhalb der Klinischen Forschergruppe 216 auf ihre zytotoxische Aktivität gegenüber Multiplen Myelomzellen untersucht. Dabei konnte für fünf der neun getesteten Verbindungen bereits bei Konzentrationen im ein- bzw. zweistelligen mikromolaren Bereich eine Aktivität gemessen werden, was einer formalen Trefferquote von 56% entspricht. Weiterhin wurde und wird in Folgearbeiten von Kooperationspartnern versucht, eine Bindung der ausgewählten Kandidatenmoleküle an Hsp70 näher zu charakterisieren und sowohl am separierten Protein, als auch in der Targetzelle nachzuweisen.
Darüber hinaus wurde zusätzlich ein fragmentbasierter Ansatz, basierend auf einer bestimmten Substruktur, die als eine Art Ankergruppe fungieren sollte, verfolgt. Dabei diente bei der virtuellen Suche in Moleküldatenbanken kommerzieller Anbieter ein Molekülfragment als Suchanfrage. Aus dem identifizierten Molekülsatz wurden Verbindungen unterschied-lichster struktureller Klassen für nachfolgende Dockingexperimente ausgewählt. Die berechneten Bindeposen wurden einem Re-Scoringverfahren für eine zusätzliche Abschätzung der Bindungsaffinität unterzogen. Schließlich wurden die fünf vielver-sprechendsten Verbindungen für nachfolgende experimentelle Untersuchungen kommerziell bezogen. Die Ergebnisse der nachfolgenden röntgenkristallographischen Aufklärung der Protein-Ligand-Komplexe lagen bei der Anfertigung der vorliegenden Dissertation noch nicht abschließend vor und sind Bestandteil aktueller Forschungarbeiten.
Mit den durchgeführten virtuellen Screeningverfahren konnten erstmals potenzielle Liganden des Hsp70-Interdomäneninterfaces als eine neuartige Klasse von Hsp70-Inhibitoren identifiziert werden. Weiterhin können die identifizierten, zytotoxisch aktiven Verbindungen als Leitstrukturen zukünftiger Inhibitordesignstudien dienen, mit dem Ziel sowohl die Zytotoxizität dieser Moleküle zu optimieren, als auch Struktur-Wirkungsbeziehungen für die Entwicklung von Inhibitoren mit verbesserten biologischen Aktivitätsprofilen abzuleiten.
Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit lag auf der computerbasierten Charakterisierung der Proteinflexibilität von Hsp70 mit Hilfe von MD Simulationen. In diesem Zusammenhang erfolgte eine Untersuchung intrinsischer Proteinbewegungen sowie des Konformations-raumes anhand von verschiedenen Hsp70-Enzymstrukturen. Die durchgeführten MD Simulationen waren zum Zeitpunkt der Arbeit die ersten Untersuchungen dieser Art, die nicht nur an einer einzelnen Domäne, sondern an ganzen Zweidomänenstrukturen von Hsp70 erfolgten. Die generierten Trajektorien bestätigten die überdurchschnittlich hohe Flexibilität der Zielstruktur Hsp70. Die im Rahmen der Studie identifizierten, zum Zeitpunkt der Arbeit noch nicht beschriebenen Proteinkonformere erweiterten das Spektrum der bekannten Hsp70-Proteinkonformationen erheblich und lieferten mögliche Enzymkonformationen, die als Templatstrukturen für zukünftige strukturbasierte Wirkstoffdesignstudien dienen können. Darüber hinaus stützten die Beobachtungen die Hypothese der prinzipiellen Eignung des Interdomäneninterfaces von Hsp70 als eine Bindestelle für neue Inhibitoren. Auf der Grundlage der gewonnenen Informationen war es weiterhin möglich, eine erste Hypothese hinsichtlich eines potenziellen inhibitorischen Wirkmechanismus der Liganden des Interdomäneninterfaces zu formulieren.
Abschließend lässt sich festhalten, dass durch die vorliegende Arbeit viele neue strukturbiologische Erkenntnisse über Hsp70 gewonnen wurden. Dennoch besteht weiterer Forschungsbedarf, um die Strukturbiologie von Hsp70 umfassend aufzuklären. Möglicher-weise können in zukünftigen Studien Enzymstrukturen aufgeklärt werden, die die Existenz der in silico erzeugten und in der Arbeit beschriebenen Proteinkonformere bestätigen.
Die vorliegende Arbeit untersucht mit Rastertunnelmikroskopie (RTM) und -spektroskopie (RTS) die Korrelation von strukturellen, elektronischen und magnetischen Eigenschaften auf metallischen Oberflächen. Zuerst wird der spin-aufgespaltene Oberflächenzustand des Ni(111) analysiert. Anschließend geht der Fokus über auf dünne Eisenfilme, die auf Rh(001) gewachsen
wurden. Zuletzt wird die CePt$_5$/Pt(111)-Oberflächenlegierung untersucht. Nickel ist ein bekannter Ferromagnet und die (111)-Oberfläche war in der Vergangenheit schon mehrfach das Objekt theoretischer und experimenteller Studien. Trotz intensiver Bemühungen wurden inkonsistente Ergebnisse veröffentlicht und ein klares, konsistentes Bild ist noch nicht vorhanden. Aus diesem Grund wird die Ni(111)-Oberfläche mittels RTM und RTS erforscht, die den Zugang sowohl zu besetzten als auch unbesetzten Zuständen ermöglicht. Mit der Methode der Quasiteilcheninterferenz wird eine detailierte Beschreibung der Banddispersion erhalten. Die Austauschaufspaltung zwischen Minoritäts- und Majoritätsoberflächenzustands wird zu ∆E$_{ex}$ = (100 ± 8) meV ermittelt. Der Ansatzpunkt des Majoritätsbandes liegt bei E − E$_F$ = −(160 ± 8)meV und die effektive Masse beträgt m^* = +(0,14 ± 0,04)me. Des Weiteren liegt der Ansatzpunkt der Oberflächenresonanz der Majoritätladungsträger energetisch bei E−E$_F$ = −(235±5)meV mit einer effektiven Masse von m^* = +(0,36±0,05)m$_e$. Um unmissverständlich den dominierenden Spin-Kanal in der RTS zu identifizieren, wurden hexagonale Quantentröge durch reaktives Ionenätzen hergestellt und mit der Hilfe eines eindimensionalen Quantentrogmodells interpretiert. Die sechs Kanten eines Hexagons erscheinen unterschiedlich. Atomar aufgelöste Messungen zeigen, dass gegenüberliegende Kanten nicht nur eine unterschiedliche Struktur haben sondern auch unterschiedliche spektroskopische Eigenschaften, die durch einen alternierend auftauchenden oder abwesenden spektroskopischen Peak charakterisiert sind. Magnetische Messungen ergeben allerdings keine endgültigen Ergebnisse bezüglich des Ursprungs des Beobachtungen.
Das zweite experimentelle Kapitel dreht sich um dünne Eisenfilme, die auf eine saubere Rh(001)-Oberfläche aufgebracht und diese dann mit RTM, RTS und spin-polarisierter (SP- )RTM untersucht werden. Eine nahezu defektfreie Rh(001)-Oberfläche ist notwendig, um ein Wachstum der Eisenfilme mit wenigen Defekten zu erhalten. Dies ist relevant, um das magnetische Signal korrekt interpretieren zu können und den möglichen Einfluss von Adsorbaten auszuschließen. Die erste atomare Lage Fe ordnet sich antiferromagnetisch in einer c(2 × 2)-Struktur an mit der leichten Magnetisierungsachse senkrecht zur Probenoberfläche. Die zweite und dritte Lage verhält sich ferromagnetisch mit immer kleiner werdenden Domänen für steigende Bedeckung. Ab 3,5 atomaren Lagen kommt es vermutlich zu einer Änderung der leichten Magnetisierungsrichtung von vertikal zu horizontal zur Probenebene. Dies wird durch kleiner werdende Domänengrößen und den gleichzeitig breiter werdenden Domänenwänden signalisiert. Temperaturabhängige spin-polarisierter RTM erlaubt es die Curietemperatur der zweiten Lage auf 80 K zu schätzen. Zusätzlich wurde bei dieser Bedeckung eine periodische Modulation der lokalen Zustandsdichte gemessen, die mit steigender Periodizität auch auf der dritten und vierten Lage erscheint. Temperatur- und spannungsabhängige Messungen unterstützen eine Interpretation der Daten auf der Grundlage einer Ladungsdichtewelle. Ich zeige, dass die beiden für gewöhnlich konkurrierende Ordnungen (Ladungs- und magnetische Ordnung) koexistieren und sich gegenseitig beeinflussen, was theoretische Rechnungen, die in Zusammenarbeit mit F. P. Toldin und F. Assaad durchgeführt wurden, bestätigen können.
Im letzten Kapitel wurde die Oberflächenlegierung CePt$_5$/Pt(111) analysiert. Diese System bildet laut einer kürzlich erschienenen Veröffentlichung ein schweres Fermionengitter. Von der sauberen Pt(111)-Oberfläche ausgehend wurde die Oberflächenlegierung CePt$_5$/Pt(111) hergestellt. Die Dicke der Legierung (t in u.c.) lässt sich durch die aufgedampfte Menge an Cer variieren und die erzeugte Oberfläche wurde mit RTM und RTS für verschiedene Dicken unter- sucht. RTM-Bilder und LEED (engl.: low energy electron diffraction)-Daten zeigen konsistente Ergebnisse, die in Zusammenarbeit mit C. Praetorius analysiert wurden. Für Bedeckungen unter einer atomaren Lage Cer konnte keine geordnete Struktur mit dem RTM beobachtet werden. Für 2 u.c. wurde eine (2 × 2)-Rekonstruktion an der Oberfläche gemessen und für 3 u.c. CePt$_5$ wurde eine (3√3×3√3)R30◦-Rekonstruktion beobachtet. Der Übergang von 3 u.c. CePt5 zu 5 u.c. CePt$_5$ wurde untersucht. Mit Hilfe eines Strukturmodells schließe ich, dass es weder zu einer Rotation des atomaren Gitters noch zu einer Rotation des Übergitters kommt. Ab einer Bedeckung von 6 u.c. CePt5 erscheint eine weitere Komponente der CePt$_5$-Oberflächenlegierung, die keine Rekonstruktion mehr besitzt. Das atomare Gitter verläuft wieder entlang der kris- tallographischen Richtungen des Pt(111)-Kristalls und ist somit nicht mehr um 30^° gedreht. Für alle Bedeckungen wurden Spektroskopiekurven aufgenommen, die keinen Hinweis auf ein kohärentes schweres Fermionensystem geben. Eine Erklärung hierfür kommt aus einer LEED-IV Studie, die besagt, dass jede gemessene Oberfläche mit einer Pt(111)-Schicht terminiert ist. Das RTM ist sensitiv für die oberste Schicht und somit wäre der Effekt eines kohärenten schweren Fermionensystems nicht unbedingt messbar.