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Der Spracherwerb beginnt lange vor der Produktion der ersten bedeutungstragenden Wörter. In der Fachliteratur besteht Einigkeit darüber, dass die vorsprachliche produktive Entwicklung in einer geordneten und zeitlich relativ klar definierten Abfolge von als universal postulierten Entwicklungsstufen verläuft (Koopmans-van Beinum & van der Stelt, 1986; Oller, 1980, 2000; Roug et al., 1989; Stark, 1980). Allerdings liegen bisher vergleichsweise wenige Erkenntnisse zu den akustischen und phonetischen Eigenschaften der für die einzelnen Entwicklungsstufen charakteristischen Vokalisationstypen vor.
Hier setzt die vorliegende Arbeit an. Untersucht wurde ein Vokalisationstyp, der als Meilenstein der vorsprachlichen Erwerbsphase gilt: das kanonische Babbeln. Das kanonische Babbeln tritt bei sich normal entwickelnden Kindern erstmals zwischen dem 5. und 10. Lebensmonat auf und zeichnet sich dadurch aus, dass es entsprechend der temporalen und spektralen Eigenschaften der Erwachsenensprache phonetisch wohlgeformte Silben aufweist (Oller, 2000). Darüber hinaus findet sich bezüglich der phonetischen Eigenschaften von kanonischen Babblern und ersten bedeutungstragenden Wörtern ein hohes Maß an Kontinuität (Elbers & Ton, 1985; Kent & Bauer, 1985; Locke, 1989; Majorano & D'Odorico, 2011; Stoel-Gammon & Cooper, 1984; Vihman et al., 1986; Vihman et al., 1985).
Zielstellung der vorliegenden explorativen Längsschnittstudie war es, die Eigenschaften von kanonischen Babblern von sich normal entwickelnden Kindern mit deutscher Umgebungssprache erstmalig quantitativ zu charakterisieren. Hierfür wurden von 15 gesunden deutschen Kindern (sieben Jungen und acht Mädchen) vom vierten Monat bis zum 13. Lebensmonat im Rhythmus von zwei bis vier Wochen digitale Lautaufnahmen angefertigt. Insgesamt wurden 4992 kanonische Babbler mittels speziell auf die Zielstellung der Untersuchung zugeschnittener signalanalytischer Verfahren untersucht. Für jeden kanonischen Babbler wurden die akustischen Messgrößen Vokalisationslänge und Vokallänge sowie die mittlere Grundfrequenz (F0) und der F0-Range berechnet. Darüber hinaus wurden die Silbenanzahl pro Babbler, die Konsonant-Vokal-Struktur der Silben (CV-Struktur) sowie Artikulationszone und –art der konsonantischen Elemente analysiert. Die längsschnittliche Auswertung erfolgte anhand des kanonischen Babbelalters, das ausgehend vom individuellen Alter bei Einsetzen der kanonischen Babbelphase bestimmt wurde.
Die längsschnittliche Auswertung der zeitlichen Messgrößen ergab eine kontinuierliche Abnahme der Vokalisationslänge. Gleichzeit verringerte sich in einem ähnlichen Maß der Anteil an mehrsilbigen kanonischen Babblern, während sich der der einsilbigen kanonischen Babbler deutlich erhöhte. Dieses Entwicklungsmuster markiert möglicherweise den Übergang zur Wortproduktion (Vihman et al., 1985). Im Unterschied zur Vokalisationslänge wurden für die Vokallänge keine systematischen Veränderungen im Entwicklungsverlauf festgestellt. Die längsschnittliche Auswertung der melodischen Messgrößen ergab sowohl für die mittlere F0 als auch für den F0-Range zwischen dem 2. und 5. Monat nach Beginn der kanonischen Babbelphase ein erhöhtes Maß an Variabilität. Dies steht möglicherweise mit der Feinabstimmung der laryngealen und der supralaryngealen Aktivität im kanonischen Babbeln in Zusammenhang. Bezüglich der CV-Struktur und der Eigenschaften der konsonantischen Elemente fanden sich ähnliche Befunde wie in früheren Untersuchungen (z.B. Davis & MagNeilage, 1995). Während CV-Silben während des gesamten Untersuchungszeitraums und bei allen Kindern klar dominierten, fand sich hinsichtlich der Eigenschaften der konsonantischen Elemente im Rahmen universeller Tendenzen ein hohes Maß an inter- und intraindividueller Variabilität.
Die vorliegende Untersuchung stellt erstmalig objektive Variationsbereiche für typische quantitative und qualitative Eigenschaften von kanonischen Babblern von Deutsch lernenden Kindern bereit. Die ermittelten vorläufigen Referenzwerte könnten die Grundlage für nachfolgende Untersuchungen bei Risikokindern für Sprech- und Spracherwerbsstörungen liefern und so zur Identifizierung valider frühdiagnostischer Risikomarker beitragen.
Ziel dieser Arbeit war die Reduktion des Modenvolumens in Mikrokavitäten. Ein klei-nes Modenvolumen ist für die Stärke der Licht-Materie-Wechselwirkung wesentlich, weil dadurch z.B. die Schwelle für kohärente Lichtemission gesenkt werden kann [1]. Der Purcell-Faktor, ein Maß für die Rate der spontanen Emission, wird durch ein mi-nimales Modenvolumen maximiert [2, 3]. Im Regime der starken Kopplung steigt mit Abnahme des Modenvolumens die Rabi-Aufspaltung und damit die maximale Tempe-ratur, bei der das entsprechende Bauteil funktioniert [4, 5]. Spektrale Eigenschaften treten deutlicher hervor und machen die Funktion der Struktur stabiler gegenüber stö-renden Einflüssen.
Der erste Ansatz, das Modenvolumen einer Mikrokavität zu reduzieren, zielte darauf, die Eindringtiefe der optischen Mode in die beiden Bragg-Spiegel einer Mikrokavität zu minimieren. Diese hängt im Wesentlichen vom Kontrast der Brechungsindizes der alternierenden Schichten eines Bragg-Spiegels ab. Ein maximaler Kontrast kann durch alternierende Schichten aus Halbleiter und Luft erreicht werden. Theoretisch kann auf diese Weise das Modenvolumen in vertikaler Richtung um mehr als einen Faktor 6 im Vergleich zu einer konventionellen Galliumarsenid/Aluminiumgalliumarsenid Mikro-kavität reduziert werden. Zur Herstellung dieser Strukturen wurden die aluminiumhal-tigen Schichten einer Galliumarsenid/Aluminiumgalliumarsenid Mikrokavität voll-ständig entfernt und so der Brechungsindexkontrast maximiert. Die Schichtdicken sind dabei entsprechend anzupassen, um weiterhin die Bragg-Bedingung zu erfüllen. Die Herstellung einer freitragenden Galliumarsenid/Luft-Mikrokavität konnte so erfolg-reich demonstriert werden. Die Photolumineszenz der Bauteile weist diskrete Reso-nanzen auf, deren Ursache in der begrenzten lateralen Größe der Strukturen liegt. In leistungsabhängigen Messungen kann durch ausgeprägtes Schwellenverhalten und auf-lösungsbegrenzte spektrale Linienbreiten Laseremission nachgewiesen werden. Wegen der Abhängigkeit der photonischen Resonanz vom genauen Brechungsindex in den freitragenden Schichten eignen sich die vorgestellten Strukturen auch zur Bestimmung von Brechungsindizes. Alternativ kann die photonische Resonanz durch Einbringen verschiedener Gase in die freitragenden Schichten abgestimmt werden. Beides konnte mit Erfolg nachgewiesen werden. Der Nachteil dieses Ansatzes liegt vor allem darin, dass ein elektrischer Betrieb der so gefertigten Strukturen nicht möglich ist. Hier bie-tet der zweite Ansatz eine bestmögliche Lösung.
Das alternative Konzept für den oberen Bragg-Spiegel einer konventionellen Galli-umarsenid/Aluminiumgalliumarsenid Mikrokavität ist das der Tamm-Plasmonen. Der photonische Einschluss wird hier durch einen unteren Bragg-Spiegel und einem dün-nen oberen Metallspiegel erreicht. An der Grenzfläche vom Halbleiter zum Metall bil-den sich die optischen Tamm-Plasmonen aus. Dabei kann der Metallspiegel gleichzei-tig auch als elektrischer Kontakt genutzt werden. Die Kopplung von Quantenfilm-Exzitonen an optische Tamm-Plasmonen wird in dieser Arbeit erfolgreich demons-triert. Im Regime der starken Kopplung wird mittels Stark-Effekt eine vollständige elektro-optische Verstimmung, d.h. vom Bereich positiver bis hin zur negativen Ver-stimmung, des Quantenfilm-Exzitons gegenüber der Tamm-Plasmonen Mode nachge-wiesen. Die Messungen bestätigen entsprechend des reduzierten Modenvolumens (Faktor 2) eine erhöhte Rabi-Aufspaltung. Dabei sind die spektrale Verschiebung und die Oszillatorstärke des Quantenfilm-Exzitons konsistent mit der Theorie und mit Li-teraturwerten. Der wesentliche Nachteil des Ansatzes liegt in der maximalen Güte, die durch den großen Extinktionskoeffizienten des Metallspiegels limitiert ist.
Die postovulatorische Alterung sowie die ovarielle Alterung konnten bei der Anwendung assistierter Reproduktionstechniken (ARTs) als entscheidende Faktoren identifiziert werden, die den Reproduktionserfolg nachhaltig beeinträchtigen. Die postovulatorische Alterung tritt ein, sobald die reife Eizelle nicht mehr innerhalb ihres physiologischen Zeitfensters befruchtet wird. Die ovarielle Alterung beschreibt hingegen die Abnahme des Follikel-Vorrats mit zunehmendem Alter des weiblichen Individuums bzw. des Ovars. Sowohl die postovulatorische Alterung als auch die ovarielle Alterung führen u.a. zu einer reduzierten Oozytenqualität und einer geringeren Blastozystenrate. Die Zielsetzung dieser Arbeit bestand darin, den Einfluss der postovulatorischen Alterung und der ovariellen Alterung im Holstein-Rind (Bos taurus) auf die DNA-Methylierung entwicklungsrelevanter Gene in Eizellen und Embryonen zu untersuchen. Aus Schlachthof-Ovarien wurden Antralfollikeln unterschiedlicher Größe (<2 mm, 3-5 mm und >6 mm) isoliert. Eizellen aus Follikeln der Größe 3-5 mm wurden für 24h (physiologisch) und 48h (gealtert) in vitro gereift (IVM). Die gereiften Oozyten wurden anschließend in vitro fertilisiert und Embryonen im 4-6 Zellstadium generiert. Sowohl in den unreifen Eizellen aus Antralfollikeln unterschiedlicher Größe als auch in den gereiften Oozyten und den Embryonen wurde die Promotormethylierung der Gene bH19, bSNRPN, bZAR1, bDNMT3A, bOCT4, bDNMT3Lo und bDNMT3Ls analysiert. Zur Untersuchung der ovariellen Alterung wurden mittelgroßen Antralfollikel aus Ovarien lebender Rinder (in vivo) unterschiedlichen Alters (9-12 Monate, 3-7 Jahre und 8-11 Jahre) gewonnen. In den daraus isolierten unreifen Eizellen wurde die DNA-Methylierung der Promotorregionen der Gene bTERF2, bREC8, bBCL-XL, bPISD, bBUB1, bDNMT3Lo, bH19 und bSNRPN bestimmt. Als Methode zur Analyse der Promotormethylierung wurde die Limiting Dilution Bisulfit-Sequenzierung angewendet.
In unreifen Eizellen aus Antralfollikeln unterschiedlicher Größe (<2 mm, 3-5 mm und >6 mm) konnte ein erhöhtes Auftreten abnormal methylierter Allele in den geprägten Genen bH19 und bSNRPN von Eizellen kleiner Follikel (<2 mm) identifiziert werden. Dieses Ergebnis könnte eine mögliche Ursache einer bereits bekannten und mehrfach beschriebenen geringeren Entwicklungskompetenz von Eizellen kleiner Follikel (<2 mm) auf epigenetischer Ebene darstellen.
Die verlängerte Reifungsdauer der IVM-Eizellen hatte eine signifikante Hypermethylierung in der Promotorregion des Gens DNMT3Lo von 48h-gereiften Eizellen zur Folge. Beim Übergang von 48h-gereiften Eizellen zum Embryo konnte eine signifikante Hypomethylierung von CpG7 des stammzellspezifischen Transkripts DNMT3Ls beobachtet werden. Diese CpG-Stelle wies ebenfalls einen signifikanten Anstieg von CpGs mit nicht-eindeutigem Methylierungszustand in unreifen Eizellen mit steigender Follikelgröße auf. Da sich die CpG-Position innerhalb eines Sequenz-Motivs einer Bindungsstelle des Transkriptionsfaktors CREB befindet, könnten die Methylierungsdaten auf eine Interaktion zwischen dem Transkriptionsfaktor CREB und der DNA-Methylierung während der Entwicklung und Reifung der Eizelle sowie der Transition von der Eizelle zum Embryo hindeuten.
Die DNA-Methylierungsprofile der untersuchten Gene in unreifen Eizellen aus Kühen unterschiedlichen Alters (9-12 Monate, 3-7 Jahre und 8-11 Jahre) wiesen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Altersgruppen auf. Die ovarielle Alterung bei Rindern zwischen 9 Monaten und 11 Jahren zeigte damit keinen Effekt auf die DNA-Methylierung der untersuchten Promotorregionen der Gene bTERF2, bREC8, bBCL-XL, bPISD, bBUB1, bDNMT3Lo, bH19 und bSNRPN.
Nach einer simulierten postovulatorischen Alterung durch eine in vitro Reifung für 48h konnte eine Veränderung der DNA-Methylierung der Oozyten-spezifischen (DNMT3Lo) und Stammzell-spezifischen (DNMT3Ls) Promotoren des katalytisch inaktiven Cofaktors von DNMT3A, DNMT3L, beobachtet werden. Die veränderte DNA-Methylierung von DNMT3Ls tritt dabei erst im frühen Embryo in Erscheinung und interagiert vermutlich mit dem Transkriptionsfaktor CREB. Die Veränderungen von DNMT3Lo in Eizellen und DNMT3Ls in den daraus generierten Embryonen lässt vermuten, dass es sich hierbei um eine dynamische Anpassung des Embryos auf äußere Umweltbedingungen der Eizelle über die Methylierung der DNA handelt.
Das Schädel-Hirn-Trauma (SHT) entsteht durch äußere Gewalteinwirkung auf den Kopf und verursacht mechanisch eine Schädigung des Hirngewebes. Zusätzlich tragen sekundäre Pathomechanismen, wie Entzündungsprozesse und die Schädigung der Blut-Hirn-Schranke (BHS), dazu bei, dass sich das initial geschädigte Läsionsareal im Laufe der Zeit vergrößert. Vor allem bei jungen Erwachsenen ist das SHT eine der häufigsten Ursachen für bleibende Behinderungen und Todesfälle. Aufgrund der schweren Auswirkungen des SHT und der bislang fehlenden Therapieoptionen ist die Identifizierung neuer Zielstrukturen für eine kausale Therapie von größter Bedeutung. Ausgehend von tierexperimentellen Studien ist das Kallikrein-Kinin-System (KKS) ein besonders erfolgversprechender Angriffspunkt zur Behandlung des SHT. Die Aktivierung des KKS über den Gerinnungsfaktor XII (FXII) und die darauf folgende Bildung von Bradykinin sind mit dem Entstehen von Hirnödemen und Entzündungsreaktionen assoziiert. Vorangegangene Studien haben weiterhin die Frage aufgeworfen, ob und in welchem Maße thrombotische Prozesse einen Einfluss auf die Pathophysiologie und die sekundären Hirnschädigungen nach SHT haben. Da FXII sowohl das KKS als auch die intrinsische plasmatische Gerinnungskaskade initiiert und somit zur Fibrinbildung beiträgt, stand FXII im Mittelpunkt der Untersuchungen dieser Dissertation. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Fragen, (I) inwiefern FXII eine Rolle bei der sekundären Hirnschädigung nach Trauma spielt und (II) ob thrombotische Prozesse ein pathophysiologisches Merkmal nach Trauma darstellen. In zwei unterschiedlichen Trauma-Modellen wurden FXII-defiziente Tiere und mit einem spezifischen Inhibitor des aktivierten FXII (FXIIa) behandelte Tiere gegen Kontrolltiere nach SHT verglichen. Die Analyse der funktionellen Ausfallerscheinungen und des Ausmaßes an neuronaler Degeneration zeigte, dass FXII-Defizienz und FXIIa-Inhibition vor den Auswirkungen eines SHT schützen. Als zugrundeliegende Mechanismen wurden die Reduktion von thrombotisch verschlossenen Gefäßen in der Mikrovaskulatur des Gehirns sowie der Schutz vor BHS-Störungen und verringerte inflammatorische Prozesse identifiziert. Weiterhin wurde festgestellt, dass eine Blockade der intrinsischen Gerinnungskaskade über FXII keine intrazerebralen Blutungen auslöst. In Gewebeproben von Patienten mit SHT wurde gezeigt, dass Thrombozytenaggregate auch im klinischen Verlauf auftreten und sich somit die tierexperimentellen Befunde auf die humane Situation übertragen lassen. Insgesamt tragen die Ergebnisse dazu bei, die komplexen und vielfältigen Pathomechanismen nach SHT besser zu verstehen und vor allem die Relevanz thrombo-inflammatorischer Prozesse nach SHT aufzuzeigen. Die gezielte Blockade des FXII(a) könnte als therapeutisches Prinzip zur Abschwächung der Sekundärschaden nach SHT geeignet sein.
Das Glioblastoma multiforme (GBM) ist der primäre maligne Hirntumor mit der höchsten Prävalenz bei Erwachsenen. Dieser astrozytäre Tumor ist durch ein besonders schnelles Wachstum und ein äußerst invasives Verhalten charakterisiert. Deshalb beträgt das mediane Überleben nach Diagnose trotz interdisziplinärer Therapie nur ungefähr 14,6 Monate.
Metastasis Associated in Colon Cancer-1 (MACC1) ist ein neuer prognostischer Marker für Metastasierung im kolorektalen Karzinom. Es ist ein transkriptioneller Regulator von Met, dem Rezeptor des Hepatocyte Growth Factor (HGF). Überexpression von MACC1 führt zur Induktion von Migration und Proliferation. Es wurde gezeigt, dass MACC1 auch in anderen Tumorentitäten wie dem Magenkarzinom, Bronchialkarzinom und hepatozellulärem Karzinom verstärkt exprimiert ist. Jedoch gab es bisher noch keine Daten über die Rolle von MACC1 in astrozytären Tumoren. Obwohl GBM nur selten metastasieren, ist ihr aggressives und invasives Verhalten mit dem von metastasierenden Tumoren vergleichbar. Deshalb war das Ziel dieser Arbeit zu zeigen, dass MACC1 auch eine wichtige Rolle in der Pathogenese von Glioblastomen spielen könnte.
Die MACC1-Expression von Glioblastomen wurde zunächst in silico mit frei zugänglichen Microarray-Platformen analysiert. Von Gewebeproben humaner niedergradiger Astozytome (LGA) und GBM wurde die MACC1- und Met-Expression mittels PCR bestimmt. Die Analyse der Expression auf Proteinebene wurde durch Immunhistochemie (IHC) von Patientengewebe durchgeführt. Funktionelle Analysen folgten in Form eines Sphäroidmigrationsassays von primären GBM Zellkulturen. Weiterhin wurde MACC1 in zwei GBM-Zelllinien stabil überexprimiert und deren Migration und Proliferation in Echtzeit gemessen. Komplettiert wurden die funktionellen Versuche durch einen Koloniebildungsassay.
Die Expression von MACC1 stieg mit zunehmendem WHO-Grad auf mRNA- und Proteinebene an. Die Analyse von MACC1 durch IHC erlaubte eine Differenzierung nicht nur zwischen ruhenden LGA und LGA welche später ein Rezidiv bildeten, bzw. Progress zeigten, sondern auch zwischen primären und sekundären GBM. Eine hohe MACC1-Expression war mit einer ungünstigen klinischen Prognose der Patienten assoziiert. Die endogene Expression von MACC1 korrelierte mit der Migrationsaktivität primärer GBM-Zellkulturen. Die Überexpression von MACC1 in GBM-Zelllinien induzierte Proliferation, Migration und Koloniebildung und korrelierte somit mit Schlüsseleigenschaften maligner Zellen.
Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse dieser Arbeit zum ersten Mal eine essentielle Rolle von MACC1 für die Pathogenese von Glioblastomen. Deshalb könnte MACC1 ein potentielles neues therapeutisches Ziel für die Behandlung von Glioblastomen sein und eventuell sogar als neuer prognostischer Marker dienen.
Das Raf kinase inhibitor protein (RKIP) ist ein Kinaseregulator, der im Herzen eine Präferenz für die G-Protein-gekoppelte Rezeptorkinase 2 (GRK2) zeigt. Die Regulation erfolgt durch direkte Interaktion beider Proteine, wird durch eine PKC-Phosphorylierung an Serin 153 des RKIP induziert und inhibiert die GRK2-vermittelte Phosphorylierung von G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCR). Die GRK2 desensitiviert GPCR und eine Hemmung der GRK2-Aktivität wirkt sich so positiv auf die Ansprechbarkeit von GPCR aus. Die \textbeta-adrenergen Rezeptoren (\textbeta AR) sind im Herzen maßgeblich an der Regulation der kardialen Kontraktilität beteiligt. Erste Zusammenhänge zwischen der RKIP-Expression und der kontraktilen Antwort von Kardiomyozyten wurden bereits in einer früheren Arbeit untersucht und bestätigt. Sie begründen die Fragestellung nach Effekten einer verstärkten RKIP-Expression auf \textbeta-adrenerge Rezeptorsignale, Herzfunktion und die Entwicklung der Herzinsuffizienz.
Im Rahmen dieses Projektes konnten die Effekte des RKIP auf \textbeta-adrenerge Signalwege detaillierter beschrieben werden. Dabei erwies sich die inhibitorische Funktion auf die GRK2 als rezeptorspezifisch ohne Einfluss auf zytosolische Angriffspunkte der GRK2 zu nehmen. Verstärkte \textbeta-adrenerge Signale zeigten sich in neonatalen Kardiomyozyten an Hand der erhöhten cAMP-Level, PKA-Aktivität, sowie Kontraktionsrate und Relaxationsgeschwindigkeit nach \textbeta-adrenerger Stimulation. Im Einklang damit konnte eine erhöhte PKA- und CaMKII-Aktivität und eine positive Inotropie in transgenen Tieren, mit herzspezifischer Überexpression von RKIP, beobachtet werden. Durch Messung des Calcium-\textit{Cyclings} in Kardiomyozyten konnte der Phänotyp auf eine verbesserte Rückführung des Calciums, einer daraus resultierenden erhöhten Calciumbeladung des sarkoplasmatischen Retikulums und einem gesteigerten systolischen Calciumspiegel, zurückgeführt werden. Die Untersuchung der Phosphorylierung von Calciumkanälen, L-Typ-Calciumkanal und Ryanodin-Rezeptor 2, die den einwärtsgerichteten Calciumstrom vermitteln konnte ihre Beteiligung an der positiv inotropen Wirkung ausschließen.
Neben dem kontraktilen Phänotyp konnten zusätzliche protektive Effekte beobachtet werden. In Modellen, die eine chronische \textbeta-adrenerge Stimulation imitieren, bzw. eine Nachlasterhöhung induzieren konnte eine Verringerung der interstitiellen Fibrose und der damit assoziierten Marker, gezeigt werden. Mit Hilfe von \textit{in vivo} EKG-Messungen konnte die Neigung zur Ausbildung von Arrhythmien untersucht werden. Auch im Hinblick auf die Anzahl der Extrasystolen waren RKIP-transgene Tiere geschützt. Infolge der Untersuchung der Phänotypen in Deletionshintergründen der einzelnen \textbeta AR-Subtypen (\textbeta\textsubscript{1}AR, \textbeta\textsubscript{2}AR) konnte die positive Inotropie mit den spezifischen Signalwegen des \textbeta\textsubscript{1}AR assoziiert und die protektiven Effekte gegenüber den Umbauprozessen und der Arrhythmieneigung dem \textbeta\textsubscript{2}-adrenergen Signalen zugeschrieben werden. Zusätzlich bestätigt sich eine besondere Rolle der G\textalpha\textsubscript{i}-Kopplung des \textbeta\textsubscript{2}AR, durch die er einen hemmenden Einfluss auf die \textbeta\textsubscript{1}AR-Singale nehmen kann.
Die Untersuchung einiger Marker, die eine physiologische von einer pathologischen Hypertrophie unterscheiden, konnte das in den RKIP-transgenen Mäusen auftretende Wachstum der Kardiomyozyten als kompensatorische und physiologische Hypertrophie charakterisieren. Zusammengenommen weisen diese Ergebnisse auf eine ausgeglichene Aktivierung der beiden Rezeptoren hin, die sich gegenseitig regulieren und durch die Inhibition der GRK2 in ihrer Anregbarkeit erhalten bleiben. Mittels einer AAV9-vermittelten Gentherapie konnte das therapeutische Potential dieses Prinzips weiter bestätigt werden, da es die prominentesten Veränderungen während der Herzinsuffizienzentwicklung, wie die Verschlechterung der linksventrikulären Funktion, die Dilatation des linken Ventrikels, die Ausbildung von Lungenödemen und interstitieller Fibrose sowie die Expression von Herzinsuffizienz-assoziierten Genen, verhindern konnte. Auch konnten die Auswirkungen der Deletion des RKIP, die sich durch eine beschleunigte und gravierendere Herzinsuffizienzentwicklung auszeichnet, durch Reexpression von RKIP verhindert werden.
Diese Arbeit kann somit zeigen, dass das RKIP eine ausgeglichene Verstärkung von \textbeta-adrenergen Signalwegen verursacht, die positiv inotrop und gleichzeitig protektiv wirkt. Dieses Wirkprinzip könnte ferner eine Strategie zur Erhöhung der Kontraktilität in der Herzinsuffizienz darstellen, die entgegen etablierter Theorien auf der Stimulation beider \textbeta AR basiert.
Die vorliegende Arbeit stellt einen Beitrag zur Chemie höherkoordinierter Silicium(II) und Silicium(IV)-Verbindungen dar. Ein wesentlicher Teilaspekt der durchgeführten Untersuchungen betraf das Studium der Reaktivität der beiden donorstabilisierten Silylene 1 und 2.
Im Einzelnen wurden die folgenden Teilprojekte bearbeitet: Die neutrale, hexakoordinierte Silicium(IV)-Verbindung 10 und die ionische, pentakoordinierte Silicium(IV)-Verbindung 11 wurden Umsetzung von 5 (dem Chloro-Analogon von 10) mit Me3SiBr bzw. Me3SiI in Transsilylierungsreaktionen dargestellt. Die mit 10 verwandten Verbindungen 5–9 wurden bereits früher synthetisiert und im Rahmen dieser Arbeit zusammen mit 10 erstmalig bezüglich ihrer Moleküldynamik in Lösung untersucht. Die Verbindungen 5–10 zeigten in Lösung bei Raumtemperatur unterschiedlich stark ausgeprägte Dynamikphänomene, die mittels VT-NMR-Experimenten untersucht wurden.
Die neutralen, hexakoordinierten Silicium(IV)-Verbindungen 12 und 16 wurden durch sequentielle Umsetzung der entsprechenden sekundären Amine Ph2NH bzw. iPr2NH mit n-Butyllithium und Kohlenstoffdisulfid sowie anschließende Umsetzung mit Tetrachlorsilan dargestellt und als die Acetonitrilsolvate 12·MeCN bzw. 16·MeCN isoliert. Es handelt sich hierbei um die ersten hexakoordinierten Silicium(IV)-Komplexe mit einem SiS4Cl2-Gerüst.
Die neutrale, hexakoordinierte Silicium(IV)-Verbindung 17 mit einem SiN4Cl2-Gerüst wurde durch Umsetzung des Silylens 2 mit Chlor dargestellt. Im Gegensatz zu dieser oxidativen Addition schlug die Synthese von 17 durch Umsetzung von Tetrachlorsilan mit zwei Moläquivalenten des entsprechenden Lithiumguanidinats [iPrNC(NiPr2)NiPr]Li fehl: Es entstand lediglich der entsprechende pentakoordinierte Mono(guanidinato)silicium(IV)-Komplex mit drei Chloroliganden. Die Umsetzung von 1,2-Diphenylethin mit dem Silylen 1 lieferte den neutralen, hexakoordinierten Silicium(IV)-Komplex 19.
Der neutrale, pentakoordinierte Silicium(IV)-Komplex 20 wurde in einer Redoxreaktion durch Umsetzung des Silylens 2 mit Dimangandecacarbonyl dargestellt. Dabei wurde das Silicium(II)- zu einem Silicium(IV)-Fragment oxidiert und das Dimanganfragment unter Verlust von zwei Carbonylliganden reduziert. Die neutralen, tetrakoordinierten Silicium(II)-Übergangsmetallkomplexe 22, 23 und 24 (isoliert als 24·THF) konnten durch Umsetzung des Silylens 2 mit den entsprechenden Übergangsmetalldibromiden bzw. Nickel(II)-bromid–1,2-Dimethoxyethan dargestellt werden. Im Fall von Nickel gelang die Umsetzung mit dem freien NiBr2 nicht. Die Verbindungen 22 und 23 stellen paramagnetische Komplexe mit jeweils tetraedrisch koordinierte Übergangsmetallatomen dar. Das Nickelatom in Verbindung 24·THF ist dagegen quadratisch-planar koordiniert und damit diamagnetisch, wie es für d8-Metalle auch zu erwarten ist. Den drei Verbindungen 22, 23 und 24·THF gemeinsam ist der besondere Bindungsmodus einer der beiden Guanidinatoliganden, der das Siliciumatom und das Übergangsmetallatom miteinander verbrückt, was zur Ausbildung einer spirocyclischen Struktur führt. Der neutrale, pentakoordinierte Zink–Silylen-Komplex 25 wurde in einer Lewis-Säure/Base-Reaktion durch Umsetzung des Silylens 2 mit Zink(II)-bromid dargestellt und als das Solvat 25·0.5Et2O isoliert. Obwohl sich das Reaktionsprodukt wie auch bei den Verbindungen 22–24 als ein Lewis-Säure/Base-Addukt verstehen lässt, ist der Koordinationsmodus von Verbindung 25 anders: Beide Guanidinatoliganden sind bidentat an das Siliciumatom gebunden.
Die neutralen Bis(silylen)palladium(0)- bzw. Bis(silylen)platin(0)-Komplexe 28 und 29 repräsentieren die ersten homoleptischen, dikoordinierten Bis(silylen)-Komplexe dieser Metalle mit N-heterocyclischen Silylenliganden und im Fall des Platin(0)-Komplexes 29 den ersten homoleptischen, dikoordinierten Platin(0)–Silylen-Komplex überhaupt. Verbindung 28 wurde durch Umsetzung von drei Moläquivalenten des Silylens 2 mit dem Palladium(II)-Komplex [PdCl2(SMe2)2] dargestellt. Dabei reduziert ein Moläquivalent des Silylens den Palladium(II)-Komplex und wird selbst zu Verbindung 17 oxidiert und die beiden verbliebenen Moläquivalente des Silylens substituieren die Dimethylsulfidliganden am Palladiumatom. Dieselbe Synthesestrategie ließ sich jedoch nicht auf die Darstellung von Verbindung 29 übertragen. Offenbar reicht das Reduktionspotenzial des Silylens 2 hier nicht aus. Zur Darstellung von Verbindung 29 wurde zunächst der Platin(II)-Komplex [PtCl2(PiPr3)2] mit Natrium/Naphthalin reduziert und anschließend wurden die beiden Triisopropylphosphanliganden durch Silylenliganden substituiert.
Die Interaktion mit Gehirnendothelzellen stellt ein zentraler Schritt in der Infektionspathogenese von Neisseria meningitidis dar. In dieser Promotionsarbeit konnte gezeigt werden, dass die Infektion von menschlichen Gehirnendothelzellen mit N. meningitidis zu einer transienten Aktivierung der sauren Sphingomyelinase (ASM) gefolgt von einer vermehrten Ceramidproduktion führt. Als Antwort auf die Infektion mit N. meningitidis kommt es zu einer vermehrten Präsentation der ASM und von Ceramiden an der äusseren Seite der Plasmamembran und zu einer Ausbildung von großen Ceramid-reichen Membran-Domänen, welche mit cortical plaque assoziierten Proteinen kolokalisieren. Bei dieser N. meningitids vermittelten Aktivierung der ASM spielt das bakterielle Aussenmembranprotein Opc sowie die Aktivierung der Phosphatidylcholin-spezifische Phospholipase C über die Interaktion von Opc mit Heparansulfat-Proteoglykane eine entscheidende Rolle. Die pharmakologische oder genetische Inhibition der ASM Funktion führt zu einer geringeren Invasivität der Meningokokken ohne dabei die Adhärenz zu beeinflussen. Im Einklang mit diesen Ergebnissen steht die Beobachtung, dass die geringere Invasivität von ausgewählten Isolaten des ST-11/ST-8 Komplex in menschlichen Gehirnendothelzellen direkt mit ihrer eingeschränkter Fähigkeit korreliert, die ASM zu aktivieren bzw. eine Ceramidproduktion zu induzieren. Schlussfolgernd ist die ASM Aktivierung und eine nachfolgende Ceramidproduktion essenziell für die Internalisierung von Opc-exprimierende Meningokokken in Gehirnendothelzellen und bietet einen Erklärungsansatz für die unterschiedliche Invasivität von verschiedenen N. meningitidis Stämmen.
Optimale Förderung des Mädchenfußballs aus Vereinssicht : Vertiefende Ergebnisse der BFV-Studie 2015
(2016)
Dieser Band berichtet die Ergebnisse einer Befragung bei 1.309 Fußballvereinen aus Bayern, die ab Herbst 2015 in Kooperation des Lehrstuhls Empirische Bildungsforschung der Universität Würzburg mit dem Bayerischen Fußball-Verband durchgeführt wurde.
Vertiefend zu den Gesamtergebnissen der Studie werden in dieser Publikation die Einschätzungen der Vereine zur Talentförderung im Mädchenfußball in den Blick genommen. Die drei Hauptfragen sind:
• Welchen Stellenwert haben Ziele der Mädchenförderung und deren Umsetzung in den Vereinen?
• Welche Hemmnisse werden beim Zugang von Mädchen zum Vereinsfußball wahrgenommen?
• Welche Vorstellungen von Talentförderung im Mädchenfußball haben die Vereine?
Alle drei Fragestellungen wurden nochmals danach aufgegliedert, welche Erfahrungen die Vereine im Mädchenfußball haben und Leistungssportvereine sowie Breitensportvereine im Mädchenfußball mit Vereinen ohne Mädchenfußball verglichen.
Experienzielle Kommunikation. Wie kann soziales Miteinander in komplexen Situationen gelingen?
(2016)
Wie ist im „Chaos“ der Postmoderne ein soziales Miteinander möglich, das Stabilität und Halt bietet und in dem sich Individuen dennoch in ihrer Autonomie völlig frei entfalten können?
Tony Hofmann skizziert in seiner Dissertation Antworten auf diese essenzielle Frage. Das Herzstück des Buches, das „Prozessmodell der experienziellen Kommunikation“, zeichnet sich durch eine achtsamkeitsorientierte, körper- und erlebensbezogene Grundhaltung aus (Focusing). Menschen, die experienziell kommunizieren, erleben
• Kongruenz der eigenen Intention mit den tatsächlichen, ausgesprochenen Worten (Ich - Ich),
• ein schöpferisches Potenzial im Kontakt mit dem jeweiligen Gegenüber (Ich - Du) und
• die Freiheit, auf die (oft unvorhersehbare) Eigendynamik eines Gesprächs aktiv Bezug nehmen zu können (Ich - Es/Wir).
Hiervon ausgehend werden pädagogische Prinzipien und konkrete Fragesätze abgeleitet, die in der Praxis anwendbar sind. Sie ermöglichen eine stimmige Bezogenheit aufeinander, bei der Gegensätze zur Ressource werden.
Die Arbeit richtet sich an Kolleginnen und Kollegen, die an Hochschulen, aber auch in pädagogischen, sonderpädagogischen und psychosozialen Praxisfeldern tätig sind, und die ein Interesse daran haben, ein eindeutiges und klar kommunizierbares fachliches Profil, sowie persönliche Stimmigkeit im beruflichen Handeln zu entwickeln.
Diese Lizentiatsarbeit stellt eine Forschungsgeschichte als Vorarbeit zu einer Dissertation über die Personennamen im Esra/Nehemia-Buch dar. Die Darstellung besteht aus zwei Teilen, einem zu den wesentlichen Fragestellungen in der Erforschung des Esra/Nehemia-Buches und einem zur hebräischen Onomastik.
Die vorliegende Arbeit stellt einen Beitrag zur Chemie Donor-stabilisierter Silylene mit Guanidinato-Liganden dar. Im Vordergrund standen die Synthese, Charakterisierung und Reaktivitäts-Untersuchungen der beiden neuartigen Silicium(II)-Komplexe 23 und 24, die sterisch unterschiedlich anspruchsvolle Ligand-Systeme besitzen. Ein weiterer Schwerpunkt betrifft die Charakterisierung daraus resultierender tetra-, penta- und hexakoordinierter Silicium(II)- bzw. Silicium(IV)-Komplexe.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Donor-stabilisierten trikoordinierten Silylene 23 und 24, die neutralen tetrakoordinierten Silicium(II)-Komplexe 25·C4H8O und 26, die neutralen tetrakoordinierten Silicium(IV)-Komplexe 27–36, 38, 47–49 und 51, die neutralen penta-koordinierten Silicium(II)-Komplexe 39·0.5C6H5CH3, 40–42 und 46, die neutralen pentakoordinierten Silicium(IV)-Komplexe 18, 19, 37 und 56, die kationischen penta-koordinierten Silicium(IV)-Komplexe 52 und 53 sowie die neutralen hexakoordinierten Silicium(IV)-Komplexe 20, 55·0.5C6H5CH3, 57 und 58 erstmalig dargestellt.
Die Charakterisierung dieser Verbindungen erfolgte durch Elementaranalysen (außer 33), NMR-Spektroskopie im Festkörper (15N-, 29Si-, 31P- (nur 27) und 77Se-VACP/MAS-NMR (nur 32, 35, 50 und 53) sowie 11B- (nur 39·0.5C6H5CH3), 27Al- (nur 40 und 41) und 125Te-HPDec/MAS-NMR (nur 33, 36 und 51)) und in Lösung (außer 39, 40, 52 und 53; 1H-, 13C-, 27Al- (nur 41), 29Si-, 31P- (nur 27), 77Se- (nur 32, 35 und 50) und 125Te-NMR (nur 33, 36 und 51)) sowie durch Kristallstrukturanalysen.
Synthese und Charakterisierung zweier neuartiger Donor-stabilisierter Mono- und Bis(guanidinato)silylene
Die Donor-stabilisierten Silylene 23 und 24 wurden im Sinne einer reduktiven HCl-Eliminierung durch Umsetzung des pentakoordinierten Dichlorohydrido(guanidinato)-silicium(IV)- (18) bzw. hexakoordinierten Chlorohydridobis(guanidinato)silicium(IV)-Komplexes (20) mit Kaliumbis(trimethylsilyl)amid dargestellt. Die entsprechenden Vorstufen 18 und 20 wurden durch Umsetzung von Trichlorsilan mit einem Moläquivalent Lithium-N,N´´-bis(2,6-diisopropylphenyl)-N´N´-dimethylguanidinat bzw. zwei Moläquivalenten N,N´,N´,N´´-tetraisopropylguanidinat erhalten. Jegliche Versuche, das Donor-stabilisierte Silylen 22 durch Reduktion des entsprechenden pentakoordinierten Trichloro(guanidinato)-silicium(IV)-Komplexes 19 mit Alkalimetallen zu erhalten, schlugen fehl.
Die Si-Koordinationspolyeder der pentakoordinierten Silicum(IV)-Komplexe 18 und 19 sind stark verzerrte trigonale Bipyramiden mit einem Chlor- und Stickstoff-Atom in den axialen Positionen. Das Si-Koordinationspolyeder von 20 ist ein stark verzerrter Oktaeder mit dem Chloro- und Hydrido-Liganden in cis-Stellung.
Das Silicium-Atom der beiden Silylene 23 und 24 ist verzerrt pseudotetraedrisch von drei Stickstoff-Atomen sowie dem freien Elektronenpaar als vierten „Liganden“ umgeben. Beide Verbindungen liegen sowohl im Festkörper als auch in Lösung trikoordiniert vor (ein bidentater Guanidinato- und ein monodentater Amido-/Guanidinato-Ligand). Die Trikoordination von 24 in Lösung wurde auch durch quantenchemische Rechnungen bestätigt. Im Unterschied zu 24 ist das analoge Bis(amidinato)silylen 1 im Festkörper trikoordiniert und in Lösung tetrakoordiniert.
Reaktivitätsstudien des Donor-stabilisierten Mono(guanidinato)silylens 23
Ausgehend von dem Silylen 23 wurden die tetrakoordinierten Silicium(II)-Komplexe 25 und 26, die tetrakoordinierten Silicium(IV)-Komplexe 27–36 und 38 sowie der pentakoordinierte Silicium(IV)-Komplex 37 dargestellt. Die Bildung dieser Produkte basiert auf Lewis-Säure/Base- (25, 26) bzw. oxidativen Additionsreaktionen (27–38). Mit Ausnahme der Bildung von 25, 27 und 34–36 ist das typische Reaktivitätsspektrum des Silylens 23 an zusätzliche Reaktivitätsfacetten gekoppelt: (i) eine Änderung des Koordinationsmodus von einem bidentat an ein Koordinationszentrum bindenden zu einem bidentat an zwei Koordinationsstellen bindenden Guanidinato-Liganden (26), (ii) eine 1,3-SiMe3-Verschiebung einer der beiden SiMe3-Gruppen des Amido-Liganden (28–33) oder (iii) eine nukleophile Reaktion einer der beiden Stickstoff-Ligand-Atome des Guanidinato-Liganden als Teil einer Umlagerungs-reaktion (38).
Silylen 23 reagierte mit Zink(II)chlorid und Diethylzink unter Bildung der neutralen tetrakoordinierten Silicium(II)-Verbindungen 25 (isoliert als 25·C4H8O) bzw. 26 mit einer Silicium–Zink-Bindung. Hierbei reagiert 23 mit Zink(II)chlorid und Diethylzink im Sinne einer Lewis-Säure/Base-Reaktion unter Bildung des Lewis-Säure/Base-Adduktes 25 und – nach einer zusätzlichen Umlagerung – Verbindung 26.
Die Si-Koordinationspolyeder von 25·C4H8O und 26 im Kristall sind (stark) verzerrte Tetraeder, wobei im Falle von 25·C4H8O der Guanidinato-Ligand bidentat und bei 26 monodentat an das Silicium-Atom gebunden ist.
Die tetrakoordinierten Silicium(IV)-Komplexe 27–36 und 38 sowie der pentakoordinierte Silicium(IV)-Komplex 37 wurden im Sinne einer oxidativen Additionsreaktion durch Umsetzung von 23 mit Diphenylphosphorylazid (→ 27), 2,4-Hexadiin (→ 28), 1,4-Diphenyl-butadiin (→ 29), Distickstoffmonoxid (→ 30), Diphenyldisulfid (→ 31), Diphenyldiselenid
(→ 32), Diphenylditellurid (→ 33), Schwefel (→ 34), Selen (→ 35), Tellur (→ 36), Kohlenstoffdioxid (→ 37) bzw. Kohlenstoffdisulfid (→ 38) dargestellt. Verbindung 37 konnte außerdem durch Umsetzung von 30 mit Kohlenstoffdioxid synthetisiert werden.
Die Reaktion von 23 mit Diphenylphosphorylazid verläuft unter Eliminierung von Stickstoff und Bildung von Verbindung 27 mit einer Silicium–Stickstoff-Doppelbindung, wobei 27 als ein intramolekular Donor-stabilisiertes Silaimin beschrieben werden kann.
Bei den Verbindungen 28 und 29 handelt es sich um Donor-stabilisierte Silaimine mit einer an das Silicium-Atom gebundenen dreifach substituierten Vinylgruppe. Es wird angenommen, dass 23 zunächst mit einer der beiden C–C-Dreifachbindungen der Diine in einer [2+1]-Cycloaddition zu den entsprechenden Silacyclopropenen reagiert, welche danach zu 28 bzw. 29 umlagern. Hierbei wandert jeweils eine der beiden SiMe3-Gruppen in einer 1,3-Verschiebung vom Stickstoff-Atom des Amido-Liganden zum Kohlenstoff-Atom des intermediär gebildeten Silacyclopropenringes.
Die Verbindungen 30–33 stellen die ersten thermisch stabilen Donor-stabilisierten Silaimine mit einem SiN3El-Gerüst dar (El = O, S, Se, Te). Es wird angenommen, dass bei der Reaktion von 23 mit Distickstoffmonoxid unter Eliminierung von Stickstoff, zunächst ein tetrakoordinierter Silicium(IV)-Komplex mit einer Silicium–Sauerstoff-Doppelbindung gebildet wird, der dann im Sinne einer 1,3-SiMe3-Verschiebung vom Stickstoff- zum Sauerstoff-Atom zu Verbindung 30 umlagert. Für die Bildung von 31–33 postuliert man zunächst eine homolytische El–El-Bindungsaktivierung (El = S, Se, Te) der entsprechenden Diphenyldichalcogenide (Bildung von zwei Si–ElPh-Gruppen). Die anschließende 1,3-Verschiebung einer der beiden SiMe3-Gruppen des Amido-Liganden zu einem der beiden ElPh-Liganden führt dann unter Abspaltung von Me3SiElPh zur Bildung von 31–33.
Die Reaktion von 23 mit den elementaren Chalcogenen Schwefel, Selen und Tellur verläuft ebenfalls im Sinne einer oxidativen Addition unter Bildung der Verbindungen 34–36 mit einer Silicium–Chalcogen-Doppelbindung.
Für die Bildung von 37 wird ein dreistufiger Mechanismus postuliert, wobei in einem ersten zweistufigen Schritt durch Reaktion von 23 mit einem Molekül Kohlenstoffdioxid unter Eliminierung von Kohlenstoffmonoxid zunächst Verbindung 30 als Zwischenstufe gebildet wird. Durch Addition eines zweiten Moleküls Kohlenstoffdioxid an die Silicium–Stickstoff-Doppelbindung von 30 resultiert dann der pentakoordinierte Silicium(IV)-Komplex 37 mit einem N,O-chelatisierenden Carbamato-Liganden. Der postulierte Mechanismus wird von der Tatsache gestützt, dass 37 ebenfalls durch Umsetzung von 30 mit einem Überschuss an Kohlenstoffdioxid synthetisiert werden kann.
Aus der Reaktion des Silylens 23 mit Kohlenstoffdisulfid resultiert die cyclische Verbindung 38.
Die Si-Koordinationspolyeder von 27–36 im Kristall sind stark verzerrte Tetraeder mit einem bidentaten Guanidinato-, einem Amido- (nur 27 und 34–36) bzw. Imino-Liganden (nur 28–33) sowie einer Si–El-Einfachbindung (28, 29: El = C; 30: El = O; 31: El = S; 32: El = Se; 33: El = Te) bzw. Si–El-Doppelbindung (27: El = N, 34: El = S; 35: El = Se; 36: El = Te).
Das Si-Koordinationspolyeder von 37 ist eine stark verzerrte trigonale Bipyramide, wobei sich das Sauerstoff-Atom des Carbamato-Liganden und ein Stickstoff-Atom des Guanidinato-Liganden in den axialen Positionen befinden.
Das Si-Koordinationspolyeder von 38 lässt sich als verzerrtes Tetraeder beschreiben.
Reaktivitätsstudien des Donor-stabilisierten Bis(guanidinato)silylens 24
Silylen 24 reagiert mit den Lewis-Säuren Triphenylboran, Triphenylalan und Zink(II)chlorid unter Bildung der entsprechenden pentakoordinierten Silicium(II)-Komplexe 39, 40 und 42, welche eine Silicium–Bor-, Silicium–Aluminium- bzw. Silicium–Zink-Bindung besitzen. Silylen 24 reagiert hierbei als Lewis-Base unter Ausbildung von Lewis-Säure/Base-Addukten.
Die Si-Koordinationspolyeder von 39, 40 und 42 im Kristall sind stark verzerrte trigonale Bipyramiden, wobei sich das Bor-, Aluminium- und Zink-Atom jeweils in einer äquatorialen Position befindet. Aus NMR-spektroskopischen Untersuchungen geht hervor, dass die Silicium–Zink-Verbindung 42 auch in Lösung stabil ist, während die Silicium–Bor- und Silicium–Aluminium-Verbindung 39 bzw. 40 in Lösung nicht stabil sind. Beide Komplexe dissoziieren quantitativ zu 24 und ElPh3 (El = B, Al).
Die Bis(guanidinato)silicium(II)-Komplexe 39 und 40 besitzen ähnliche Strukturen wie ihre Bis(amidinato)-Analoga 3 und 41, die jeweiligen Amidinato/Guanidinato-Analoga 3/39 bzw. 41/40 unterscheiden sich aber signifikant in ihrer chemischen Stabilität in Lösung. Da 39 und 40 in Lösung auch bei tieferer Temperatur (T = –20 °C) dissoziiert vorliegen und die entsprechenden Amidinato-Analoga 3 und 41 selbst bei höherer Temperatur (T = 70 °C) noch stabil sind, wird vermutet, dass das Bis(amidinato)silylen 1 bessere σ-Donor-Eigenschaften besitzt und somit eine stärkere Lewis-Base im Vergleich zum Bis(guanidinato)silylen 24 ist.
Des Weiteren reagiert Silylen 24 als ein Nukleophil mit den Übergangsmetallcarbonyl-verbindungen [M(CO)6] (M = Cr, Mo, W) und [Fe(CO)5] unter Bildung der entsprechenden tetrakoordinierten Silicium(II)-Komplexe 43–45 bzw. des pentakoordinierten Silicium(II)-Komplexes 46.
Die Si-Koordinationspolyeder der spirocyclischen Silicium(II)-Verbindungen 43–45 im Kristall sind stark verzerrte Tetraeder, wobei jeweils ein Guanidinato-Ligand bidentat an das Silicium-Atom bindet und der andere Guanidinato-Ligand das Silicium- mit dem Metall-Atom verbrückt. Die beiden Si-Koordinationspolyeder von 46 sind stark verzerrte trigonale Bipyramiden mit dem Eisen-Atom in einer äquatorialen Position.
Beim Vergleich der Bis(guanidinato)silicium(II)-Komplexe 43–46 mit den jeweiligen Amidinato-Analoga 4–7 fällt auf, dass sich lediglich die Eisen-Verbindungen 7 und 46 entsprechen. Die Umsetzung des Bis(amidinato)silylens 1 mit [M(CO)6] (M = Cr, Mo, W) führt dagegen im Sinne einer nukleophilen Substitution eines Carbonyl-Liganden zu den pentakoordinierten Silicium(II)-Komplexen 4–6, während die analoge Umsetzung des Bis(guanidinato)silylens 24 zur Substitution von zwei CO-Liganden führt und sich die tetrakoordinierten Silicium(II)-Verbindungen 43–45 mit einem verbrückenden Guanidinato-Liganden bilden.
Die tetrakoordinierten Silicium(IV)-Komplexe 47–51 wurden im Sinne einer oxidativen Additionsreaktion durch Umsetzung von Silylen 24 mit Azidotrimethylsilan (→ 47), Distickstoffmonoxid (→ 48), Schwefel (→ 49), Selen (→ 50) bzw. Tellur (→ 51) dargestellt. Die Bildung von 47 und 48 wird dabei von einer Stickstoff-Eliminierung begleitet.
Die Si-Koordinationspolyeder von 47–51 im Kristall sind stark verzerrte Tetraeder. Der zweikernige Komplex 48 besitzt jeweils zwei Silicium-gebundene monodentate Guanidinato-Liganden sowie einen Si2O2-Ring. Die Verbindungen 47 und 49–51 sind die ersten tetrakoordinierten Bis(guanidinato)silicium(IV)-Komplexe mit einer Silicium–Stickstoff- bzw. Silicium=Chalcogen-Doppelbindung (S, Se, Te).
Am Beispiel der Verbindungen 47–51 wird erneut die unterschiedliche Reaktivität der Amidinato/Guanidinato-analogen Silylene 1 (im Festkörper tri- und in Lösung tetrakoordiniert) und 24 (sowohl in Lösung als auch im Festkörper trikoordiniert) deutlich. Interessanterweise führen die oxidativen Additionsreaktionen der Amidinato/Guanidinato-Analoga 1 und 24 mit Azidotrimethylsilan, Distickstoffmonoxid, Schwefel, Selen und Tellur zu Produkten mit unterschiedlichen Koordinationszahlen des Silicium-Atoms. Die Verbindungen 8 und 10–12 repräsentieren hierbei pentakoordinierte Silicium(IV)-Komplexe mit zwei bidentaten Amidinato-Liganden, wohingegen es sich bei den entsprechenden Analoga 47 und 49–51 um tetrakoordinierte Silicium(IV)-Komplexe mit einem monodentaten und einem bidentaten Guanidinato-Liganden handelt. Zugleich stellt 9 einen dinuklearen pentakoordinierten Silicium(IV)-Komplex mit jeweils einem monodentaten und einem bidentaten Amidinato-Liganden dar, während der zweikernige tetrakoordinierte Komplex 48 jeweils zwei monodentate Guanidinato-Liganden trägt.
Ebenfalls im Sinne einer oxidativen Additionsreaktion wurden die kationischen penta-koordinierten Silicium(IV)-Komplexe 52 und 53 durch die Umsetzung von Silylen 24 mit Diphenyldisulfid (→ 52) bzw. Diphenyldiselenid (→ 53) dargestellt.
Die Si-Koordinationspolyeder von 52 und 53 sind stark verzerrte trigonale Bipyramiden, wobei sich das Schwefel- bzw. Selen-Atom jeweils in einer äquatorialen Position befindet. Die Reaktion des Bis(guanidinato)silylens 24 mit Diphenyldisulfid und Diphenyldiselenid verläuft formal unter heterolytischer Aktivierung einer Chalcogen–Chalcogen-Bindung und führt zur Bildung der kationischen pentakoordinierten Silicium(IV)-Komplexe 52 und 53. Im Gegensatz dazu führt die Reaktion des analogen Bis(amidinato)silylens 1 mit Diphenyldiselenid unter homolytischer Se–Se-Bindungsaktivierung zu der neutralen hexakoordinierten Silicium(IV)-Verbindung 13.
Des Weiteren wurde die Reaktivität des Silylens 24 gegenüber kleinen Molekülen untersucht. Die hexakoordinierten Silicium(IV)-Komplexe 55, 57 und 58 sowie der pentakoordinierte Silicium(IV)-Komplex 56 wurden im Sinne einer oxidativen Additionsreaktion durch Umsetzung von 24 mit einem Überschuss an Kohlenstoffdioxid (→ 55; isoliert als 55·C6H5CH3), einer äquimolaren Menge an Kohlenstoffdisulfid (→ 56), einer stöchio-metrischen Menge an Schwefeldioxid (→ 57) bzw. einem sehr großen Überschuss an Schwefeldioxid (welches auch als Solvens diente; → 58) dargestellt.
Verbindung 58 wurde als ein Cokristallisat der Isomere cis-58 und trans-58 isoliert, die sich hinsichtlich der relativen Anordnung der beiden exocyclischen Sauerstoff-Atome voneinander unterscheiden. Die Si-Koordinationspolyeder von 55·C6H5CH3, 57 und 58 im Kristall sind stark verzerrte Oktaeder. Die Sauerstoff-Ligand-Atome der bidentaten O,O´-chelatisierenden Carbonato- (55), Sulfito- (57) und Dithionito-Liganden (58) stehen jeweils in cis-Position zueinander.
Verbindung 58 ist die zweite strukturell charakterisierte Silicium-Verbindung mit einem bidentat O,O´-chelatisierenden Dithionito-Liganden, und die Verbindungen 55, 57 und 58 repräsentieren sehr seltene Beispiele für Hauptgruppenelement-Verbindungen mit einem O,O´-chelatisierenden Carbonato-, Sulfito- und Dithionito-Liganden. Der Komplex 57 und sein Amidinato-Analogon 16 repräsentieren zwei von drei Hauptgruppenelement-Verbindungen mit einem O,O´-chelatisierenden Sulfito-Liganden. Die Komplexe 55 und 58 stellen zusammen mit ihren Amidinato-Analoga 14 und 17 die einzigen bekannten Verbindungen mit einem O,O´-chelatisierenden Carbonato- bzw. nicht verbrückenden Dithionito-Liganden dar.
Die Bildung von 55, 57 und 58 ist eines der wenigen Beispiele für Reaktionen der Amidinato/Guanidinato-analogen Silylene 1 und 24, die zu Struktur-analogen Produkten führen (Amidinato/Guanidinato-Analoga 14/55, 16/57 und 17/58), während in der Mehrzahl der Fälle unterschiedliche Reaktionsprofile beobachtet wurden.
Das Si-Koordinationspolyeder von 56 ist eine stark verzerrte trigonale Bipyramide, mit dem Kohlenstoff-Ligand-Atom in einer äquatorialen Position. Der pentakoordinierte Silicium(IV)-Komplex 56 repräsentiert mit seinem über das Kohlenstoff-Atom bindenden CS22–-Liganden eine bisher einzigartige Koordinationsform in der Siliciumchemie, und die Bildung von 56 ist ein weiteres Beispiel für das unterschiedliche Reaktionsprofil der Amidinato/Guanidinato-analogen Silylene 1 und 24. Das Bis(amidinato)silylen 1 reagiert mit Kohlenstoffdisulfid zu dem hexakoordinierten Silicium(IV)-Komplex 15 mit einem S,S´-chelatisierenden Trithiocarbamato-Liganden und unterscheidet sich damit von seinem Guanidinato-Analogon sowohl in der Silicium-Koordinationszahl als auch in der Bindungsform.
Zusammenfassung
In der Regenerativen Medizin sind polymerbasierte Biomaterialien von großer Bedeutung für
die Entwicklung und Anwendung verbesserter bzw. neuer Therapien. Die Erforschung der
Oberflächeneigenschaften von Biomaterialien, welche als Implantate eingesetzt werden, ist
eine grundlegende Voraussetzung für deren erfolgreichen Einsatz. Die Protein-Oberflächen-
Interaktion geschieht initial, sobald ein Implantat mit Körperflüssigkeiten oder mit Gewebe
in Kontakt kommt, und trägt maßgeblich zur direkten Wechselwirkung von Implantat und
umgebenden Zellen bei. Dieser Prozess wird in der vorliegenden Arbeit an Gelatine untersucht.
Daher bestand ein Ziel darin, stabile, nanometerdünne Gelatineoberflächen herzustellen
und darauf die Adsorption von humanen Plasmaproteinen und bakteriellen Proteinen zu
analysieren.
Die Abscheidung der Gelatinefilme in variabler Schichtdicke auf zuvor mit PPX-Amin modifizierten
Oberflächen wurde unter Verwendung eines Rotationsbeschichters durchgeführt.
Um stabile Hydrogelfilme zu erhalten, wurden die Amingruppen der disaggregierten Gelatinefibrillen
untereinander und mit denen der Amin-Modifizierung durch ein biokompatibles
Diisocyanat quervernetzt. Dieser Prozess lieferte einen reproduzierbaren und chemisch stabilen
Gelatinefilm, welcher durch die substratunabhängige Amin-Modifizierung kovalent auf
unterschiedlichste Oberflächen aufgebracht werden konnte. Die durch den Herstellungsprozess
präzise eingestellte Schichtdicke (Nano- bzw. Mikrometermaßstab) wurde mittels Ellipsometrie
und Rasterkraftmikroskopie ermittelt. Die ebenso bestimmte Rauheit war unabhängig
von der Schichtdicke sehr gering. Gelatinefilme, die auf funktionalisierte und strukturierte
Proben aufgebracht wurden, konnten durch Elektronenmikroskopie dargestellt werden. Mit
Hilfe der Infrarot-Reflexions-Absorptions-Spektroskopie wurden die Gelatinefilme im Hinblick
auf ihre Stabilität chemisch charakterisiert. Zur Quantifizierung der Adsorption humaner
Plasmaproteine (Einzelproteinlösungen) und komplexer Proteingemische aus steril filtrierten
Kulturüberständen des humanpathogenen Bakteriums Pseudomonas aeruginosa wurde die
Quarzkristall-Mikrowaage mit Dissipationsüberwachung eingesetzt. Hiermit konnte nicht
nur die adsorbierte Menge an Proteinen auf dem Gelatinehydrogel bzw. Referenzoberflächen
(Gold, PPX-Amin, Titan), sondern auch die viskoelastischen Eigenschaften des adsorbierten
Proteinfilms bestimmt werden. Allgemein adsorbierte auf dem Gelatinehydrogel eine geringere
Proteinmasse im Vergleich zu den Referenzoberflächen. Circa ein Viertel der adsorbierten
Proteine migrierte in die Poren des gequollenen Gels und veränderte dessen viskoelastische
Eigenschaften. Durch anschließende MALDI-ToF/MS- und MS/MS-Analyse konnten die bakteriellen
Proteine auf den untersuchten Oberflächen identifiziert und untereinander verglichen
werden. Hierbei zeigten sich nur geringfügige Unterschiede in der Proteinzusammensetzung.
Zudem wurde eine Sekundärionenmassenspektrometrie mit Flugzeitanalyse an reinen Gelatinefilmen
und an mit humanen Plasmaproteinen beladenen Gelatinefilmen durchgeführt.
Durch eine anschließende multivariante Datenanalyse konnte zwischen den untersuchten
Proben eindeutig differenziert werden. Dieser Ansatz ermöglicht es, die Adsorption von
unterschiedlichen Proteinen auf proteinbasierten Oberflächen markierungsfrei zu untersuchen
und kann zur Aufklärung der in vivo-Situation beitragen. Darüber hinaus bietet dieser
Untersuchungsansatz neue Perspektiven für die Gestaltung und das schnelle und effiziente
Screening von unterschiedlichen Proteinzusammensetzungen.
Biomaterialien können jedoch nicht nur als Implantate oder Implantatbeschichtungen eingesetzt
werden. Im Bereich des drug delivery und der Depotarzneimittel sind biologisch
abbaubare Polymere, aufgrund ihrer variablen Eigenschaften, von großem Interesse. Die
Behandlung von bakteriellen und fungalen Pneumonien stellt insbesondere bei Menschen mit
Vorerkrankungen wie Cystische Fibrose oder primäre Ziliendyskinesie eine große Herausforderung
dar. Oral oder intravenös applizierte Wirkstoffe erreichen die Erreger aufgrund der
erhöhten Zähigkeit des Bronchialsekretes oft nicht in ausreichender Konzentration. Daher
besteht ein weiteres Ziel der vorliegenden Arbeit darin, mittels electrohydrodynamic cojetting
mikrometergroße, inhalierbare, wirkstoffbeladene Partikel mit zwei Kompartimenten
(Janus-Partikel) herzustellen und deren Eignung für die therapeutische Anwendung bei
Lungeninfektionen zu untersuchen.
Durch das in dieser Arbeit entwickelte Lösungsmittelsystem können Janus-Partikel aus
biologisch abbaubaren Co-Polymeren der Polymilchsäure (Poly(lactid-co-glycolid), PLGA)
hergestellt und mit verschiedenen Wirkstoffen beladen werden. Darunter befinden sich ein
Antibiotikum (Aztreonam, AZT), ein Antimykotikum (Itraconazol, ICZ), ein Mukolytikum
(Acetylcystein, ACC) und ein Antiphlogistikum (Ibuprofen, IBU). Die Freisetzung der eingelagerten
Wirkstoffe, mit Ausnahme von ICZ, konnte unter physiologischen Bedingungen
mittels Dialyse und anschließender Hochleistungsflüssigkeitschromatographie gemessen werden.
Die Freisetzungsrate wird von der Kettenlänge des Polymers beeinflusst, wobei eine
kürzere Kettenlänge zu einer schnelleren Freisetzung führt. Das in die Partikel eingelagerte
Antimykotikum zeigte in vitro eine gute Wirksamkeit gegen Aspergillus nidulans. Durch das
Einlagern von ICZ in die Partikel ist es möglich diesen schlecht wasserlöslichen Wirkstoff in
eine für Patienten zugängliche und wirksame Applikationsform zu bringen. In Interaktion mit
P. aeruginosa erzielten die mit Antibiotikum beladenen Partikel in vitro bessere Ergebnisse
als der Wirkstoff in Lösung, was sich in einem in vivo-Infektionsmodell mit der Wachsmotte
Galleria mellonella bestätigte. AZT-beladene Partikel hatten gegenüber einer identischen
Wirkstoffmenge in Lösung eine 27,5% bessere Überlebensrate der Wachsmotten zur Folge.
Des Weiteren hatten die Partikel keinen messbaren negativen Einfluss auf die Wachsmotten.
Dreidimensionale Atemwegsschleimhautmodelle, hergestellt mit Methoden des Tissue Engineerings,
bildeten die Basis für Untersuchungen der Partikel in Interaktion mit humanen
Atemwegszellen. Die Untersuchung von Apoptose- und Entzündungsmarkern im Überstand
der 3D-Modelle zeigte diesbezüglich keinen negativen Einfluss der Partikel auf die humanen
Zellen. Diese gut charakterisierten und standardisierten in vitro-Testsysteme machen es
möglich, Medikamentenuntersuchungen an menschlichen Zellen durchzuführen. Hinsichtlich
der histologischen Architektur und funktionellen Eigenschaften der 3D-Modelle konnte eine
hohe in vitro-/in vivo-Korrelation zu menschlichem Gewebe festgestellt werden. Humane
Mucine auf den 3D-Modellen dienten zur Untersuchung der schleimlösenden Wirkung von
ACC-beladenen Partikeln. Standen diese in räumlichem Kontakt zu den Mucinen, wurde deren
Zähigkeit durch das freigesetzte ACC herabgesetzt, was qualitativ mittels histologischen
Methoden bestätigt werden konnte.
Die in dieser Arbeit entwickelten Herstellungsprotokolle dienen als Grundlage und können
für die Synthese ähnlicher Systeme, basierend auf anderen Polymeren und Wirkstoffen,
modifiziert werden. Gelatine und PLGA erwiesen sich als vielseitig einsetzbare Werkstoffe
und bieten eine breite Anwendungsvielfalt in der Regenerativen Medizin, was die erzielten
Resultate bekräftigen.
Aktueller Goldstandard bei der Rekonstruktion des ACL des Menschen sind au-tologe Transplantate. Diese sind allerdings je nach Entnahmeort mit einer mehr oder weniger hohen Entnahmemorbidität und dem Risiko für Folgeerkrankungen verbunden. Um dies zu umgehen, wurde ein xenogenes Kollagenimplantat aus
Kollagen-I-Fasern von Ratten entwickelt und das native Konstrukt bereits in einer Vorläuferstudie getestet.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden diese Kreuzbandkonstrukte mit Hilfe diverser
Crosslinker modifiziert und hinsichtlich ihrer Biomechanik, Biokompatibilität und ihres in-vivo Verhaltens untersucht.
Bewusst wurde dabei auf die Zellbesiedlung dieser Konstrukte verzichtet, da un-ter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte eines späteren humanen
Einsatzes hierfür eine Arzneimittelzulassung notwendig gewesen wäre. Mit Hilfe der Crosslinker wurde versucht, die mechanische Stabilität sowie die Resistenz gegen kollagenabbauende Enzyme der Synovia zu erhöhen, um die Gefahr post-operativer Instabilitäten zu verringern. Dabei sollten Fragen bezüglich Immun-antwort, Biokompatibilität sowie Biodegradierbarkeit genau berücksichtigt wer-den. Als Crosslinker wurden für einen Vergleich in vitro neben 0,5 % Genipin auch 10 % HMDI sowie Glukose und EDC/NHS herangezogen.
Dabei zeigten die Genipin-gecrosslinkten Einzelfasern die größte Reißfestigkeits-zunahme, wohingegen auf Minikonstruktbasis 10 % HMDI zu den höchsten UTS-Werten führte. Ebenso ließen sich bezüglich der Biokompatibilutät in vitro bei den Crosslinkern 0,5 % Genipin und 10 % HMDI Vorteile gegenüber den beiden an-deren erkennen.
Schließlich erfolgte im Rahmen eines Tierversuchs an 16 Minipigs der Einbau von 0,5 % Genipin-gecrosslinkten Konstrukten als Kreuzbandersatz und an-schließend die biomechanische Testung sowie nach Paraffineinbettung auch eine durchlichtmikrokopische deskriptive Auswertung der Transplantate.
Während nach 6 Wochen eine deutliche Reißfestigkeitsabnahme zu verzeichnen war, erreichte diese nach 6 Monaten wieder fast 60 % ihrer ursprünglichen UTS.
Somit konnte ein Remodeling des eingesetzten Implantats angenommen wer-den. Dies bestätigte sich in der durchgeführten histologischen Untersuchung.
Hier war das Implantat deutlich vaskularisiert, von zahlreichen Fibroblasten durchsetzt und wies eine synoviale Deckschicht auf. Allerdings scheint vor allem wegen der Schwäche der Konstrukte nach 6 Wochen sowie den vermutlich auf-grund des Crosslinkers auftretenden Reaktionserscheinungen innerhalb des
Kniegelenks ein Einsatz im humanen Bereich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht ausgereift.
Dennoch lässt sich gerade anhand des stattfindenden Remodelings das große Potential kollagenbasierter Materialien für den Kreuzbandersatz erkennen. Eine weitere Optimierung des bestehenden Konstrukts sollte deshalb forciert werden.
Die ersten Landpflanzen standen vor der Herausforderung sich mit der wechselnden Verfügbarkeit von Wasser an Land arrangieren zu müssen. Daraus ergab sich die Notwendigkeit den Wasserverlust zu minimieren und dennoch ausreichend CO2 für die Photosynthese aufzunehmen (Raven, 2002). Im Laufe der Evolution der Pflanzen entstanden mehrere Anpassungen an diese neuen Gegebenheiten, die schließlich auch zur Entstehung von regulierbaren Öffnungen, den Stomata, in der Blattepidermis führte. Zwei Schließzellen umschließen das Stoma und regulieren über die Aufnahme oder Abgabe von osmotisch-aktiven Teilchen ihren Turgordruck und damit die Öffnungsweite des Stomas. Das Kation Kalium und die Anionen Chlorid und Nitrat repräsentieren die Hauptosmotika, die je nach Bedarf durch Transportproteine über die Plasmamembran der Schließzellen geschleust werden. In den Samenpflanzen wie zum Beispiel der Modellpflanze Arabidopsis thaliana, ist der Signalweg in Schließzellen, der bei Trockenheit zu einem schnellen Schluss des Stomas führt bereits sehr gut untersucht. Bei Wassermangel synthetisiert die Pflanze das Trockenstresshormon ABA (Abscisinsäure). Das Hormon wird durch ABA-Rezeptoren erkannt und resultiert schließlich in der Aktivität der Proteinkinase OST1. Daraufhin reguliert diese Kinase zum einen die Transkription ABA-abhängiger Gene, die der Pflanze eine langfristige Adaptation an Trockenheit und Austrocknungstoleranz verleiht. Zum anderen, phosphoryliert OST1 den Anionenkanal SLAC1 und aktiviert ihn so. Die Aktivität des Kanals initiiert schließlich den Stomaschluss durch einen Ausstrom von Anionen aus den Schließzellen, der mit einer Depolarisation der Schließzellmembran einhergeht.
Der ABA-Signalweg, der zur transkriptionellen Regulation von Genen und der damit verbunden Trockentoleranz führt ist ein sehr stark konservierter und evolutiv sehr alter Signalweg, der in allen Geweben von Pflanzen bei Trockenheit beschritten wird. Der schnelle ABA-Signalweg, der die Aktivität der SLAC1 Anionenkanäle reguliert, ist auf Schließzellen begrenzt. Da sich Schließzellen aber erst spät in der Evolution von Landpflanzen etablierten, erhob sich die Frage, wann in der Evolution geriet SLAC1 unter die Kontrolle das ABA-Signalwegs? Geht diese Regulation von SLAC1 mit der Entstehung von Schließzellen einher oder bestand dieser Regulationsmechanismus bereits in Pflanzen, die keine Schließzellen besitzen. Zur Beantwortung dieser Frage untersuchte ich die einzelnen Komponenten des Signalwegs und ihre Beziehungen zu einander im heterologen Expressionssystem der Xenopus laevis Oozyten.
Im Laufe dieser Arbeit wurden Schlüsselelemente des ABA-Signalwegs aus sechs verschiedenen Versuchspflanzen kloniert und in Oozyten charakterisiert. Für die Untersuchung der Evolution des schnellen ABA-Signalwegs wurden die sechs Versuchspflanzen aus je einem rezenten Vertreter der Grünalgen (Klebsormidium nitens), der Lebermoose (Marchantia polymorpha), der Laubmoose (Physcomitrella patens), der Lycophyten (Selaginella moellendorffii) und der Farne (Ceratopteris richardii) ausgewählt und mit der Samenpflanze Arabidopsis thaliana verglichen. Die sechs Pflanzengruppen spalteten sich an unterschiedlichen Zeitpunkten im Laufe der pflanzlichen Evolution von der Entwicklung der restlichen Pflanzen ab und erlauben so einen bestmöglichen Einblick in den jeweiligen Entwicklungsstand der Landpflanzen während der Entstehung der einzelnen Pflanzenfamilien. Obwohl sich die ersten Stomata erst in den Laubmoosen entwickelten, besitzen schon die Grünalgen OST1-Kinasen und SLAC1-Kanäle. Interessanterweise konnte wir zeigen, dass schon die frühen OST1-Kinasen aus Algen und Moosen dazu in der Lage sind, in den höher entwickelten Samenpflanzen die Rolle in der Regulation der ABA-abhängigen Expression von Genen zu übernehmen. Außerdem zeigte sich im Laufe meiner biophysikalischen Untersuchungen, dass alle dreizehn getesteten OST1-Kinasen aus den sechs unterschiedlichen Versuchspflanzenarten in Lage sind, den Anionenkanal SLAC1 aus Arabidopsis in Xenopus Oozyten zu aktivieren. Diese Austauschbarkeit von den AtSLAC1-aktivierenden Kinasen deutet auf eine sehr starke Konservierung der Struktur und Funktion von OST1 hin. Anders verhielt es sich bei der funktionellen Analyse der Anionenkanäle aus den verschiedenen Versuchspflanzen: Hier bildete nur der evolutionär gesehen jüngsten SLAC-Kanal AtSLAC1 aus Arabidopsis ein funktionelles Pärchen mit OST1. Die SLAC1 Kanäle aus der Grünalge, dem Lebermoos, den Lycophyten und dem Farn blieben ohne messbare Aktivität bei einer Co-expression mit den verschiedenen OST1 Kinasen. Nur beim Laubmoos (Physcomitrella patens) konnte noch ein funktionelles Kinase-Anionenkanal Pärchen gefunden werden. Struktur-Funktionsuntersuchungen erlaubten mir schließlich zu zeigen, dass bestimmte funktionelle Domänen sowohl im N-terminus als auch im C-terminus von SLAC1 erforderlich sind, um eine Aktivierung des Kanals durch OST1 Kinasen sicherzustellen.
Die vorliegende Arbeit untersucht mit Rastertunnelmikroskopie (RTM) und -spektroskopie (RTS) die Korrelation von strukturellen, elektronischen und magnetischen Eigenschaften auf metallischen Oberflächen. Zuerst wird der spin-aufgespaltene Oberflächenzustand des Ni(111) analysiert. Anschließend geht der Fokus über auf dünne Eisenfilme, die auf Rh(001) gewachsen
wurden. Zuletzt wird die CePt$_5$/Pt(111)-Oberflächenlegierung untersucht. Nickel ist ein bekannter Ferromagnet und die (111)-Oberfläche war in der Vergangenheit schon mehrfach das Objekt theoretischer und experimenteller Studien. Trotz intensiver Bemühungen wurden inkonsistente Ergebnisse veröffentlicht und ein klares, konsistentes Bild ist noch nicht vorhanden. Aus diesem Grund wird die Ni(111)-Oberfläche mittels RTM und RTS erforscht, die den Zugang sowohl zu besetzten als auch unbesetzten Zuständen ermöglicht. Mit der Methode der Quasiteilcheninterferenz wird eine detailierte Beschreibung der Banddispersion erhalten. Die Austauschaufspaltung zwischen Minoritäts- und Majoritätsoberflächenzustands wird zu ∆E$_{ex}$ = (100 ± 8) meV ermittelt. Der Ansatzpunkt des Majoritätsbandes liegt bei E − E$_F$ = −(160 ± 8)meV und die effektive Masse beträgt m^* = +(0,14 ± 0,04)me. Des Weiteren liegt der Ansatzpunkt der Oberflächenresonanz der Majoritätladungsträger energetisch bei E−E$_F$ = −(235±5)meV mit einer effektiven Masse von m^* = +(0,36±0,05)m$_e$. Um unmissverständlich den dominierenden Spin-Kanal in der RTS zu identifizieren, wurden hexagonale Quantentröge durch reaktives Ionenätzen hergestellt und mit der Hilfe eines eindimensionalen Quantentrogmodells interpretiert. Die sechs Kanten eines Hexagons erscheinen unterschiedlich. Atomar aufgelöste Messungen zeigen, dass gegenüberliegende Kanten nicht nur eine unterschiedliche Struktur haben sondern auch unterschiedliche spektroskopische Eigenschaften, die durch einen alternierend auftauchenden oder abwesenden spektroskopischen Peak charakterisiert sind. Magnetische Messungen ergeben allerdings keine endgültigen Ergebnisse bezüglich des Ursprungs des Beobachtungen.
Das zweite experimentelle Kapitel dreht sich um dünne Eisenfilme, die auf eine saubere Rh(001)-Oberfläche aufgebracht und diese dann mit RTM, RTS und spin-polarisierter (SP- )RTM untersucht werden. Eine nahezu defektfreie Rh(001)-Oberfläche ist notwendig, um ein Wachstum der Eisenfilme mit wenigen Defekten zu erhalten. Dies ist relevant, um das magnetische Signal korrekt interpretieren zu können und den möglichen Einfluss von Adsorbaten auszuschließen. Die erste atomare Lage Fe ordnet sich antiferromagnetisch in einer c(2 × 2)-Struktur an mit der leichten Magnetisierungsachse senkrecht zur Probenoberfläche. Die zweite und dritte Lage verhält sich ferromagnetisch mit immer kleiner werdenden Domänen für steigende Bedeckung. Ab 3,5 atomaren Lagen kommt es vermutlich zu einer Änderung der leichten Magnetisierungsrichtung von vertikal zu horizontal zur Probenebene. Dies wird durch kleiner werdende Domänengrößen und den gleichzeitig breiter werdenden Domänenwänden signalisiert. Temperaturabhängige spin-polarisierter RTM erlaubt es die Curietemperatur der zweiten Lage auf 80 K zu schätzen. Zusätzlich wurde bei dieser Bedeckung eine periodische Modulation der lokalen Zustandsdichte gemessen, die mit steigender Periodizität auch auf der dritten und vierten Lage erscheint. Temperatur- und spannungsabhängige Messungen unterstützen eine Interpretation der Daten auf der Grundlage einer Ladungsdichtewelle. Ich zeige, dass die beiden für gewöhnlich konkurrierende Ordnungen (Ladungs- und magnetische Ordnung) koexistieren und sich gegenseitig beeinflussen, was theoretische Rechnungen, die in Zusammenarbeit mit F. P. Toldin und F. Assaad durchgeführt wurden, bestätigen können.
Im letzten Kapitel wurde die Oberflächenlegierung CePt$_5$/Pt(111) analysiert. Diese System bildet laut einer kürzlich erschienenen Veröffentlichung ein schweres Fermionengitter. Von der sauberen Pt(111)-Oberfläche ausgehend wurde die Oberflächenlegierung CePt$_5$/Pt(111) hergestellt. Die Dicke der Legierung (t in u.c.) lässt sich durch die aufgedampfte Menge an Cer variieren und die erzeugte Oberfläche wurde mit RTM und RTS für verschiedene Dicken unter- sucht. RTM-Bilder und LEED (engl.: low energy electron diffraction)-Daten zeigen konsistente Ergebnisse, die in Zusammenarbeit mit C. Praetorius analysiert wurden. Für Bedeckungen unter einer atomaren Lage Cer konnte keine geordnete Struktur mit dem RTM beobachtet werden. Für 2 u.c. wurde eine (2 × 2)-Rekonstruktion an der Oberfläche gemessen und für 3 u.c. CePt$_5$ wurde eine (3√3×3√3)R30◦-Rekonstruktion beobachtet. Der Übergang von 3 u.c. CePt5 zu 5 u.c. CePt$_5$ wurde untersucht. Mit Hilfe eines Strukturmodells schließe ich, dass es weder zu einer Rotation des atomaren Gitters noch zu einer Rotation des Übergitters kommt. Ab einer Bedeckung von 6 u.c. CePt5 erscheint eine weitere Komponente der CePt$_5$-Oberflächenlegierung, die keine Rekonstruktion mehr besitzt. Das atomare Gitter verläuft wieder entlang der kris- tallographischen Richtungen des Pt(111)-Kristalls und ist somit nicht mehr um 30^° gedreht. Für alle Bedeckungen wurden Spektroskopiekurven aufgenommen, die keinen Hinweis auf ein kohärentes schweres Fermionensystem geben. Eine Erklärung hierfür kommt aus einer LEED-IV Studie, die besagt, dass jede gemessene Oberfläche mit einer Pt(111)-Schicht terminiert ist. Das RTM ist sensitiv für die oberste Schicht und somit wäre der Effekt eines kohärenten schweren Fermionensystems nicht unbedingt messbar.
Fragestellung:
Die Therapie von Knochendefekten kritischer Größe mit kompromittiertem Regenerationspotential, stellt ein schwerwiegendes Problem dar. Die Forschung auf dem Gebiet der Knochenheilung hat sich in jüngster Vergangenheit daher auf die Anwendung mesenchymaler Vorläuferzellen (MSZ) zur Stimulierung des Knochenwachstums konzentriert. In der vorliegenden Studie wurde in humanen MSZ eine Überexpression spezifischer Wachstumsfaktoren induziert mit dem Ziel, deren osteogenes Potential zu steigern.
Methodik:
MSZ wurden nach etablierten Protokollen expandiert. Durch adenovirale Transfektion wurde eine überexpression von grün fluoreszierendem Protein (GFP, Kontrolle), indian hedgehog (IHH), bone morphogenetic protein 2 (BMP-2) und IHH in Kombination mit BMP-2 induziert. Die MSZ wurden für 28 Tage mit osteogenem Differenzierungs- und Kontrollmedium kultiviert. Als weitere Kontrolle dienten native MSZ. Es wurden die Auswirkungen der jeweiligen genetischen Veränderungen auf die metabolische Aktivität (Alamar Blau), die Proliferation (Qubit dsDNA BR), die Aktivität des Enzyms alkalische Phosphatase (ALP)(p-Nitrophenylphosphat), die Mineralisierung (Alizarinrot S, Calcium O-Cresolphthalein) sowie auf die Expression charakteristischer Markergene untersucht (qRT-PCR).
Ergebnis:
In den ersten 72h nach Transfektion konnte eine leichte, im Vergleich zu nativen Zellen nicht signifikante Abnahme der metabolischen Aktivität in allen Gruppen beobachtet werden. Das Proliferationsverhalten transfizierter und nativer MSZ unterschied sich während des Untersuchungszeitraums nicht signifikant. Bei der Analyse der ALP-Aktivität zeigte sich ein typisches Rise-and-Fall Muster. Alle ost Gruppen wiesen sowohl im Assay als auch in der PCR eine signifikant höhere ALP-Aktivität auf. Die Überexpression von BMP-2 und IHH+BMP-2 bewirkte eine signifikant stärkere Mineralisierung an Tag 28. In der PCR zeigte sich für BMP-2 ost und IHH+BMP2 ost ein signifikanter Anstieg der Osteopontin und BMP-2 Expression über die Zeit. Zudem stieg bei allen ost Gruppen die Runx2 Expression bis Tag 21 an.
Schlussfolgerung:
Die virale Transfektion hatte keinen negativen Einfluss auf die metabolische Aktivität der Zellen oder deren Proliferationsverhalten. Die Überexpression von BMP-2 ohne oder in Kombination mit IHH führte zu einer vermehrten Produktion extrazellulärer Matrix und zu einer gesteigerten Genexpression osteogener Marker. Die virale Transfektion stellt daher eine vielversprechende Möglichkeit dar, das osteogene Potential von MSZ zu steigern.
Ziel der Arbeit ist es, verschiedene Knochenersatzmaterialien der Tympanoplastik Typ 3
(autogenes Gewebe, Titan, Ionomerzement) bezüglich ihres Langzeitverhaltens im Mittelohr zu vergleichen. Es werden zwischen dem 21.12.1995 und dem 30.04.2011 in der Hals-Nasen-Ohrenklinik des Städtischen Klinikums Solingen operierte Patienten nachuntersucht. Insgesamt handelt es sich um 957 mit einer Tympanoplastik Typ III versorgte Patienten, die in diesem Zeitraum insgesamt 1093mal operiert worden sind. 676mal ist die Kette mit einer Titanprothese rekonstruiert worden, davon 301mal mit einer PORP und 375mal mit einer TORP (davon 21 bei intakter Stapessuprastruktur). Zu Beginn des Beobachtungszeitraums sind 56 Ionomerzement-prothesen eingesetzt worden, so dass 40 Ionomerzement-PORP und 16 Ionomerzement-TORP mit berücksichtigt worden sind. In 19 Fällen sind „sonstige“ Methoden (z.B. Knorpelüberhöhung des Steigbügels) zur Gehörknöchelchenkettenrekonstruktion gewählt worden.
Die Untersuchung zeigt, dass zur Kettenrekonstruktion eine Transposition autogener Ossikel angestrebt werden sollte. Stehen diese nicht zur Verfügung, empfiehlt sich die Verwendung von Titan-Prothesen. Aufgrund ihres hervorragenden In-Situ-Verhaltens sowie der nachgewiesen guten audiologischen Resultate sind sie derzeit das Mittel der Wahl.
Ziel dieser Arbeit ist es, weitere Einblicke in die Aktivierung von FGF19 und
FXR durch diverse nukleäre Agonisten und deren spezifischer Rezeptoren zu
gewinnen. Hierbei soll im humanen Zellmodell versucht und mittels DNA-Analyse
untersucht werden, welche messbaren molekularbiologischen
Auswirkungen eine Behandlung mit unterschiedlichen Substanzen in
variierenden Konzentrationen bewirkt. Genauer soll betrachtet werden, ob sich
Vitamin A und Vitamin D als Induktoren von FGF19 in menschlichen
Darmzelllinien eignen, da dies bereits im Mausmodel demonstriert werden
konnte.
Dieser initialen Vermutung folgend, sollen auch die möglichen
Wechselwirkungen und Synergismen untersucht werden – welche
Mechanismen liegen diese zu Grunde und über welche molekularen
Signalwege werden dies vermuteten Effekte vermittelt.
Hierdurch soll ein besseres Verständnis für die Rezeptor und Agonistenabhängigen
Abläufe ermöglicht werden, um mögliche Rückschlüsse auf weitere
Funktionen bereits bekannter Vertreter zu erlauben.
Aufgrund der bereits oben beschriebenen Tiermodelle und der daraus
gewonnenen Einsichten würde sich durch ein noch besseres Verständnis des
FGF15/19 und des Farnesoid X Rezeptors in menschlichen Zellen, auf eine
zukünftige Anwendung in analytischen und/oder therapeutischen Bereichen
hoffen lassen.
Diese Arbeit soll sich deshalb den Fragen widmen, ob eine FGF19 Induktion in
humanen Darmzellen durch die nukleären Agonisten VD3, 9-cis RA und CDCA,
ähnlich dem Mausmodel, möglich ist und welche Faktoren dabei Einflüsse auf
die beschriebenen Effekte haben.